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Der flächendeckende Glasfaserausbau in Deutschland ist mit hohen Kosten verbunden. Insbesondere die Anschlüsse in dünn besiedelten Gebieten lassen die Kosten steigen. Die Autoren berechnen verschiedene Möglichkeiten der Kostenaufteilung.

Die bisherigen Analysen1 wie auch die Einlassungen potenzieller Investoren haben gezeigt, dass ein flächendeckender Ausbau von Glasfasernetzen in Deutschland bei dem derzeit üblichen Entgeltniveau absehbar nicht profitabel sein kann. Diese Feststellung gilt sowohl für Telekommunikationsnetze als auch für Kabel-TV-Netze.

Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) hat in einer Modellrechnung das Investitionsvolumen und die Grenzen der Profitabilität eines flächendeckenden Glasfaserausbaus in Deutschland bestimmt. Es werden drei Optionen evaluiert:

  • Die Endnutzer entrichten kostendeckende Entgelte.
  • Die Netzbetreiber verwenden Gewinne aus profitablen Gebieten, um nicht profitable Kunden zu subventionieren.
  • Für den Anschluss von defizitären Kunden wird ein einmaliger Investitionszuschuss erhoben.

Das Ziel des hier vorgestellten Forschungsvorhabens ist die Analyse der ökonomischen Implikationen und des Subventionsbedarfes eines flächendeckenden Glasfaserausbaus mit relevanten glasfaserbasierten Telekommunikationsanschlussnetzen in Deutschland.

Für die Berechnung von Investitions-, Kosten- und Subventionswerten wird das WIK-Modell für Next Generation Access (NGA) eingesetzt. Dieses Modell wurde bereits in verschiedenen anderen Projekten verwendet und stetig weiterentwickelt. Gegenüber den auf Deutschland bezogenen bisherigen Rechnungen2 konnte im Rahmen dieser Studie erstmals auf einen detaillierten Geodatensatz zurückgegriffen werden. Dadurch werden die für die unterschiedlichen Geotypen (städtisch, ländlich, etc.) angenommenen Durchschnittswerte auf ein wesentlich solideres Fundament gestellt. Zuvor stützten sich die Strukturdaten wie z.B. Trassenlängen auf Einschätzungen von Marktteilnehmern. Nun basieren die Strukturdaten auf einer genauen Verteilung der Kunden auf die Gebäude in der Fläche.

Die Vorgehensweise umfasst insgesamt vier Schritte:

  1. Umfangreiche Aufbereitung von Geodaten: Am Ende dieses Prozesses stehen geokodierte Daten für Hauptverteiler (HVt), Gebäude, Straßen, etc.
  2. Modellendogene Abgrenzung von Anschlussbereichsgrenzen, Platzierung von Kabelverzweigern (KVz) und Bestimmung der Trassenlängen.
  3. Aggregation der HVt-scharfen Daten in 20 Cluster: Die individuellen Ergebniswerte für jeden HVt werden dann in Abhängigkeit von der Teilnehmerdichte je km² in Durchschnittswerte für 20 Cluster zusammengefasst. Investitionen, Kosten und Profitabilität werden für jeden Cluster berechnet.
  4. Bestimmung des Subventionsbedarfs für defizitäre Cluster.

Geodatenaufbereitung

Im Rahmen der Modellrechnung wird jedes der rund 20 Mio. Gebäude in Deutschland mit Trassen, die entlang des deutschen Straßennetzes geführt werden, an einen Metropolitan Point of Presence (MPoP) angeschlossen. Nach dem zugrunde gelegten Netzmodell steht am MPoP jeweils die erste aktive Technik, welche die Glasfaser in Richtung Kunde beleuchtet. Es wird davon ausgegangen, dass diese Standorte eine Teilmenge der Hauptverteilerstandorte des deutschen Kupfernetzes darstellen. Die Adressen dieser Standorte werden der „Liste aller DSL-Hauptverteiler in deutschen Gemeinden als Planungshilfe für die Kommunen 08/2008“ (HVt-Standortadressen) aus dem Breitbandatlas der Bundesregierung entnommen. Die existierenden HVt-Standorte in Deutschland fungieren dann im Modell als MPoP, eine Vorgehensweise, die auch den Glasfaserausbaustrategien großer europäischer Telefongesellschaften entspricht. Um Skaleneffekte zu erreichen und die aktive Technik auf wenige Standorte zu konzentrieren, wird jedoch angenommen, dass kleine Schaltzentralen mit weniger als 2000 Teilnehmern (etwa 1600 Standorte) keinen MPoP bilden, sondern nur passive Netzknoten bleiben. Die Anschlussbereichsgrenzen jedes HVt/MPoP werden modellendogen ermittelt, indem alle rund 10 Mio. Straßenabschnitte zu dem nach Routinglänge nächstgelegenen HVt zugeordnet werden. Zu jedem Gebäude wird eine entsprechende Geokodierung vorgenommen.

Ausbauplanung und Kostenrechnung

Das Anschlussnetz vom MPoP bis zur Straße vor dem Gebäude des Kunden (Fibre to the Road – FTTR) wird für alle Teilnehmer eines Clusters unabhängig von der tatsächlichen Penetrationsrate ausgerollt. Lediglich die letzten Meter zum Gebäude, der Mauerdurchbruch und die Inhausverkabelung selbst werden in Abhängigkeit von der Kundenakquisition angesetzt. Die Verlegung von Glasfaserkabeln wird mit Ausnahme eines kleinen Anteils (5%) Luftverkabelung im ländlichen Raum als Röhrenkabel modelliert.

Das Modell rechnet Investitionen in monatliche Kosten um und berücksichtigt dazu die unterschiedlichen Lebensdauern der Anlagegüter und die Kapitalkosten in Form des Weighted Average Cost of Capital (WACC). Die hier dargestellten Gewinne sind also Gewinne, die über eine angemessene Verzinsung des Kapitals hinausgehen. Als Zinssatz wird mit 10% ein Satz angenommen, der projektspezifische Ausbaurisiken enthält. Die Betriebskosten (OPEX) werden in erster Linie über Aufschlagssätze auf die Investitionen berücksichtigt. Gemeinkosten werden als Aufschlagsfaktor auf die Kapital- und Betriebskosten ermittelt.

Die Modellrechnung gilt für einen eingeschwungenen Marktzustand („steady state“) in der Zukunft, in dem das heutige Kupfernetz bereits vollständig durch das neue Glasfasernetz ersetzt worden ist. Daher werden die Kosten der Migration und des Parallelbetriebs vernachlässigt. Beide Aspekte machen den Business Case des Netzbetreibers schwieriger.

Die heutige Penetrationsrate des kupfergebundenen Festnetzes beträgt etwa 80%.3 Vor dem Hintergrund von Wettbewerb durch Kabelnetzbetreiber und Long Term Evolution (LTE) wurde die maximale Penetrationsrate des neuen Glasfasernetzes auf 70% geschätzt. Bei der Analyse der Profitabilität in einem Cluster wurde daher geprüft, ob die Kosten pro Kunde bei höchstens 70% Penetration unterhalb der Erlöse pro Kunde liegen.

Clusterung

Die HVt und ihre Anschlussgebiete werden zunächst nach absteigender Teilnehmerdichte sortiert. Anschließend werden stets so viele HVt einem gemeinsamen Cluster zugeordnet, dass die Zahl der Teilnehmer etwa 5% der Gesamtzahl der Teilnehmer entspricht. Jeder der 20 Cluster enthält daher etwa 2 Mio. Teilnehmer. Die Zahl der Teilnehmer und Netzknoten (HVt, KVz) wird in jedem Cluster aufsummiert. Die Trassenlängen werden als Durchschnitt über alle Teilnehmer und Knoten dieses Clusters bestimmt. So entstehen repräsentative Strukturparameter für unterschiedliche Teilnehmerdichten.

Der Vergleich der Konzentration von Teilnehmern mit der Fläche der Cluster zeigt, dass 80% der Teilnehmer auf einem Drittel der Fläche Deutschlands angesiedelt sind. Demgegenüber stellen die 5% der Teilnehmer, die in Cluster 20 angesiedelt sind, ein weiteres Drittel dar. Die Konzentration der Teilnehmer auf die Fläche ist also erheblich.

Anschlussarchitekturen und Netzsegmente

Zwischen MPoP und Kunde wird ein Knoten gesetzt, der eine ähnliche Funktion und Lokation wie der Kabelverzweiger des Kupfernetzes aufweist (Distribution Point). Der Netzabschnitt zwischen MPoP und Distribution Point wird als Feeder-Segment bezeichnet. Der Netzabschnitt zwischen Distribution Point und der Straße vor dem Kundengebäude wird als Drop-Segment bezeichnet. Die letzten Meter von der Straße bis zum Gebäude werden als Hausanschluss bezeichnet.

In dieser Studie werden drei verschiedenen Fibre-to-the-Home (FTTH) Konzepte verglichen.

  • Point-to-Point (P2P): Eine Punkt-zu-Punkt-Anbindung, die jedem Kunden eine eigene Faser von der Wohnung bis zum MPoP bereitstellt. Die Fasern werden mit Ethernet Technik beleuchtet. Dieses Konzept erlaubt die höchsten Bandbreiten für jeden Kunden, zudem kann die Bandbreite jedes Kunden individuell definiert werden. Der Zugang anderer Netzbetreiber zu einem solchen Glasfasernetz kann (wie beim heutigen Kupfernetz) in Form einer passiven entbündelten Glasfaser am MPoP erfolgen. Von den drei berücksichtigten Konzepten ist dies das teuerste.4
  • Gigabit Passive Optical Networks (GPON): Eine Punkt-zu-Multipunkt-Anbindung mit dezentralen, passiven Splittern am Distribution Point. Die Splitter aggregieren je 64 aus dem Drop-Segment ankommende kundenspezifische Fasern auf eine Feeder-Faser. Die Fasern werden mit GPON-Technik beleuchtet. Im Vergleich zu den anderen Lösungen sind die maximalen Bandbreiten und die Flexibilität bei individuellen Kundenlösungen geringer. Andere Netzbetreiber können am MPoP nur über aktiven Bitstrom zugeschaltet werden, eine Entbündelung der Glasfaser ist nicht möglich. Diese Lösung ist im Vergleich am kostengünstigsten, besonders weil weniger aktive Technik im MPoP bereitgestellt werden muss.
  • GPON over P2P: Eine Punkt-zu-Punkt-Anbindung, die jedem Kunden eine eigene Faser von der Wohnung bis zum MPoP bereitstellt. Im MPoP werden je 64 ankommende Fasern über passive zentrale Splitter auf eine Faser aggregiert. Diese werden dann mit der GPON-Technik beleuchtet. Das Konzept vereint die Vorteile beider vorheriger Varianten: Ein entbündelter Zugang zur Glasfaser am MPoP ist möglich. Die Bandbreite kann durch Neugruppierung der Kunden flexibel skaliert werden. Die Ersparnisse des GPON-Konzepts bei der zentralen aktiven Technik können realisiert werden. Die Kosten liegen zwischen denen der beiden anderen Architekturen.

Für jede dieser Architekturen wurden die Kosten einmal inklusive und einmal exklusive der Kosten der Inhausverkabelung berechnet.

Ergebnisse

Der Aufbau und Betrieb eines FTTH-Netzes ist durch hohe Fixkosten gekennzeichnet, die relativ wenig mit der Zahl der aktiven Kunden variieren. Daher sind die Kosten pro Kunde stark von der erreichten Penetration abhängig. In Abbildung 1 sind die Kosten pro Kunde in Abhängigkeit von der Penetrationsrate in jedem der 20 Cluster beispielhaft für FTTH/P2P ohne Inhausverkabelung dargestellt (die Kostenkurve von Cluster 1 liegt unten links, die von Cluster 20 oben rechts im Diagramm). Es zeigt sich deutlich, dass bei niedrigen Penetrationsraten hohe Endkundenpreise nötig sind, um das Netz profitabel zu betreiben. Bei Endkundenpreisen zwischen 30 Euro und 40 Euro, wie sie heute am Markt beobachtet werden können, sind andererseits hohe Penetrationsraten nötig. Selbst in den dichter besiedelten Regionen sind daher Penetrationsraten von mindestens 40%, meist sogar jenseits von 60% nötig.

Abbildung 1
Monatliche Kosten pro Kunde für FTTH/P2P in Abhängigkeit von der Penetrationsrate
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Quelle: WIK.

Die Profitabilität von NGA hängt daher in kritischer Weise von der Penetration, also der Netzauslastung, bzw. dem Marktanteil eines glasfaserbasierten Festnetzes, ab. Investoren müssen hohe Penetrationsraten erzielen, die bei dem hier unterstellten Vollausbau deutlich über 40% liegen müssen. Investoren, die keinen Vollausbau in ihren jeweiligen Ausbaugebieten, sondern nur einen Teilausbau durchführen, können ihre Kosten vermutlich überproportional senken. Bei einer Beschränkung des Ausbaus in einem Cluster auf z.B. 80% der Teilnehmer sollten sich regelmäßig deutlich mehr als 20% der Kosten, vermutlich sogar mehr als 30%, einsparen lassen. Es sollte einem solchen Investor daher möglich sein, bereits bei etwas niedrigeren Penetrationsraten und auch in den dichteren Zonen anderer Cluster profitabel agieren zu können.5 Ein solcher Ansatz war aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Es wird daher angenommen, dass jeder Cluster immer zu 100% ausgebaut wird. Dieser Ansatz war für die Fragestellungen dieser Studie erforderlich, obwohl insbesondere in der Anfangsphase eines FTTH-Roll-Outs Netzbetreiber durchaus selektiver vorgehen.6

Neben der Penetration ist die Zahlungsbereitschaft der Kunden ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor für den Glasfaserausbau. Sinkt die Zahlungsbereitschaft von 38 Euro auf 35 Euro, reduziert sich die profitable Reichweite aller Technologien deutlich: Die Zahl der Cluster, die maximal 70% Penetration benötigen, um zu Kosten von unter 38 Euro pro Kunde zu produzieren, beträgt je nach Technologie 5 bis 9, d.h. 25% bis 45% der deutschen Anschlüsse. Bei einer Reduktion des durchschnittlichen Endkundenpreises auf 35 Euro sinkt die Zahl der Cluster auf 2 bis 7 (10% bis 35%).

Die Versorgung von 43 Mio. potenziellen Anschlüssen in Deutschland mit Fibre-to-the-Building/Fibre-to-the-Home und ein Betrieb bei 70% Penetration erfordern in einer Greenfieldbetrachtung je nach Architekturvariante Investitionen in Höhe von 70 bis 80 Mrd. Euro mit relativ geringen Unterschieden im Investitionsvolumen zwischen den Architekturen. GPON erfordert die geringsten Investitionen, GPON over P2P benötigt nur wenige Prozent mehr und P2P selbst nur etwa 5% mehr. Der Grund für die geringen Unterschiede liegt in mehreren weitgehend identischen Netzsegmenten, für die bei allen Architekturen Investitionen in nahezu gleicher Höhe anfallen. Diese sind vor allem die dem Kunden am nächsten gelegenen Segmente: Drop-Segment, Hauszuführung und Inhausverkabelung. Selbst im Feeder-Segment ergeben sich für GPON im Rahmen des Greenfieldaufbaus nur geringe Vorteile, denn die Tiefbauarbeiten sind für alle Architekturen erforderlich und skalieren bei Neubau kaum mit dem Faserbedarf. Diese Elemente des passiven Anschlussnetzes stellen auch mit deutlichem Abstand den größten Investitionsblock dar (80% und mehr).

Sensitivitätsanalysen zeigen, dass die Mitnutzung existierender Leerrohre des deutschen Kupfernetzes – selbst wenn sie kostenlos ist – in den weniger dicht besiedelten Regionen nur wenig Einsparungen bringt, weil angenommen wurde, dass Leerrohre dort nur in geringem Maße verfügbar sind. Deshalb profitiert GPON von einer Mitnutzung zwar deutlich mehr als P2P, jedoch ist das Sparpotenzial durch die nutzbare Verrohrung begrenzt. Ausgeprägter können diese Ersparnisse in den dichten Clustern sein. Wir haben nur Schätzungen über das Sparpotenzial, das von einer Mitnutzung der Infrastruktur des existierenden Kupfernetzes ausgeht, zugrunde gelegt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Grenze der Profitabilität sich im Brownfieldfall nur begrenzt verschiebt. Größere Effekte zeigen sich durch die Mitnutzung eher in dichten Clustern, wo die kritische Penetrationsrate bei GPON beispielsweise um etwa 5 Prozentpunkte zurückgeht. Durch den (kostenlosen) Zugang zu anderen Infrastrukturen (z.B. Leerrohre aus dem Bestand anderer Infrastrukturinhaber wie z.B. Energieversorger) könnte die Reichweite eines profitablen Ausbaus vergrößert werden. Hier könnten ein Infrastrukturatlas oder ein Leerrohrkataster einen Beitrag dazu leisten, das Potenzial zur Reichweitenvergrößerung zu identifizieren.

Um flächendeckend FTTH aufzubauen und die ermittelten hohen Penetrationsraten zu erreichen, ist neben dem eigennm Retail-Geschäft das Wholesale-Geschäft wichtig. Dadurch tragen nicht nur die eigenen Vertriebsanstrengungen, sondern auch die der Wholesale-Abnehmer (Wettbewerber) zur Steigerung der Auslastung der Plattform bei. Idealerweise kann dadurch das nötige Penetrationsziel auch schneller erreicht werden. Zudem ist unserer Ansicht nach langfristig eine Substitution der bisherigen Kupferarchitektur unumgänglich. In der Praxis werden die Investitionsanreize aber durch Opportunitätskosten, nämlich Kannibalisierungsverluste, vermindert.7 Diese Problematik dürfte auch ein Grund für die geringen Investitionsaktivitäten in den dichtesten Clustern, für die es rechnerisch einen Business Case gibt, sein.

Selbst bei hohen Penetrationsraten von 70% sind die Kosten in weniger dicht besiedelten Regionen noch zu hoch, um bei marktüblichen Preisen einen profitablen Betrieb zu ermöglichen. Eine Flächendeckung mit Glasfaseranschlussnetzen ist in Deutschland ohne Zuzahlungen gleich welcher Natur ökonomisch nicht zu realisieren. Die Grenze der Profitabilität liegt je nach NGA-Architektur und Szenario zwischen 20% und 45% der Teilnehmer in Deutschland.

Um die Flächendeckung dennoch zu erreichen, müssten die Endkunden dort höhere Preise in Kauf nehmen. „Auf dem Land“ müsste ein NGA-Anschluss dann 70 bis 80 Euro im Monat kosten. Alternativ ist denkbar, dass die Endkunden einen einmaligen Investitionsbeitrag leisten, der je nach Cluster zwischen wenigen 100 bis über 2000 Euro beträgt. Das Gesamtvolumen solcher erforderlichen Zuschüsse im Fall von FTTH/P2P ohne Einrechnen der Inhausverkabelung beträgt rund 14 Mrd. Euro, bei pessimistischeren Annahmen etwa 30 Mrd. Euro.

Würden die Hauseigentümer die Kosten für den Gebäudeanschluss selber tragen, so wären die Netzbetreiber um etwa 11 Mrd. Euro entlastet. Die Inhausverkabelung selbst treibt ebenfalls die Kosten hoch. In den meisten Detailergebnissen wurde dies in der Sphäre des Hauseigentümers angesiedelt. Muss der Netzbetreiber die Kosten der Inhausverkabelung tragen, so fallen zusätzlich mindestens 5 Mrd. Euro zu den zugrunde gelegten rund 22 Mio. Gebäuden an. Dieser Wert ist vermutlich eher niedrig einzuordnen, da die Anbahnung der Verlegung im Haus organisatorische Kosten nach sich zieht, die vernachlässigt wurden. Müssten die Netzbetreiber diese Investitionen tragen, würde sich die mögliche Reichweite eines Glasfaserausbaus weiter vermindern.

Um eine Flächendeckung zu erreichen, sind Preisdifferenzierungen und die Übernahme von Investitionen für Hausverkabelungen und Gebäudeanschlüsse durch den Hauseigentümer diskutiert worden. Alternativ zur Preisdifferenzierung wäre auch eine Abgabe denkbar, die von allen NGA-Nutzern in gleicher Höhe eingesammelt wird. Eine solche Abgabe wäre selbst dann erforderlich, wenn man die Gewinne aus profitablen Clustern zur Subvention unprofitabler Cluster verwenden würde. Die Höhe der Abgabe hängt entscheidend vom gewählten einheitlichen Endkundenpreis und der Penetration ab. Beim Basis-Szenario mit 70% Penetration und einem monatlichem Endkundenpreis von 38 Euro erreicht man mit 1 Euro monatlicher „Breitbandabgabe“ für alle relevanten Kunden 55% der Teilnehmer, mit 2 Euro 65% und mit 3 Euro 80%. Um die letzten drei Cluster auch noch zu erreichen, wäre gar eine Verdoppelung auf fast 6 Euro nötig.

Fazit

Die kritischen Erfolgsfaktoren eines Glasfaserausbaus in Deutschland sind in erster Linie die erreichbare Penetrationsrate und die Zahlungsbereitschaft der Endkunden. So hängt die Reichweite einer profitablen Abdeckung etwa davon ab, inwieweit die Nutzer bereit sind, einen eigenen Beitrag zu leisten. Aufgrund der zusätzlichen Kosten eines Parallelbetriebs und der Notwendigkeit hoher Penetrationsraten spielt die Schnelligkeit der Migration von Kupfer auf Glasfaser ebenfalls eine wichtige Rolle. Aus der Erfordernis hoher Penetrationsraten erwächst auch die Notwendigkeit, Wholesale-Produkte zu entwickeln und zu vermarkten, um den nötigen Auslastungsgrad möglichst schnell zu erreichen. Ohne eine Beteiligung der Endkunden oder andere Formen der Subventionierung bleibt die profitable Reichweite von Glasfaseranschlussnetzen auf den kleineren Teil der deutschen Teilnehmer beschränkt.

  • 1 Die Studie „ Implikationen eines flächendeckenden Glasfaserausbaus und sein Subventionsbedarf“ ist zum Download auf www.wik.org erhältlich.
  • 2 A. M. Doose, D. Elixmann, S. Jay: Breitband/Bandbreite für alle: Kosten und Finanzierung einer nationalen Infrastruktur, WIK-Diskussionsbeitrag Nr. 330, Bad Honnef 2009 .
  • 3 In Deutschland hatten zum Jahresende 2009 11% der Haushalte einen Mobilfunkanschluss, aber keinen Festnetzanschluss, sowie 1% weder Mobil- noch Festnetzanschluss (Quelle jeweils Spezial-Eurobarometer 335). Kabelnetzbetreiber schalteten 2010 ca. 3 Mio. Telefonanschlüsse, was etwa 8% aller Telefonanschlüsse entspricht (Quelle: Jahresbericht Bundesnetzagentur 2010).
  • 4 Die Kostenunterschiede werden später noch genau analysiert.
  • 5 Es gibt Ansätze, die Bewohner der aus infrastruktureller Sicht weniger attraktiven Gebiete, z.B. Einfamlienhausgebiete oder ländliche Bereiche, nur bei höheren Zuschüssen für den Anschluss mit in die Breitbandnetze einbeziehen – und auch das nur bei einer ex ante akquirierten Mindestpenetration. Dies lässt sich mit dem gewählten einfachen Modellansatz nicht abbilden. Vielmehr sollen die Ergebnisse zeigen, wo und wie strukturell vorgegangen werden kann, um eine möglichst hohe Flächendeckung zu erreichen.
  • 6 Derartige Modelle lassen sich mit dem von uns gewählten einfachen Modellansatz nicht abbilden. Vielmehr sollen unsere Ergebnisse zeigen, wo und wie gegebenenfalls strukturell vorgegangen werden kann, um eine möglichst hohe Flächendeckung zu erreichen.
  • 7 Jenseits aller strategischen und wettbewerbsbezogenen Aspekte der Entscheidung zum Aufbau von Glasfaseranschlussnetzen (z.B. Konkurrenz durch Kabelnetzbetreiber) ist die Abwägung einer Investition in Glasfaseranschlussnetze für Betreiber von existierenden Kupferanschlussnetzen immer mit der Frage der Abschaltung der alten Technik verbunden, denn die alte Infrastruktur wird durch den Wechsel zu Glasfaser entwertet. Selbst wenn die Infrastruktur buchhalterisch komplett abgeschrieben wäre (und streng genommen keine Restbuchwerte bei einem Wechsel als Sunk Cost betrachtet werden müssten), generierte sie heute immer noch Gewinne. Das Anreizkalkül des Investors enthält daher auch einen Vergleich der erzielbaren Gewinne auf Basis von existierenden Kupfer- und neu zu errichtenden Glasfaseranschlussnetzen. Insofern stellen die mit der existierenden Kupferplattform (noch) realisierten Gewinne auch Opportunitätskosten für eine Investition in Glasfasernetze dar: Ein Investor wird nur dann in Glasfaser investieren, wenn er damit (langfristig) höhere Gewinne (unter Einbezug der Opportunitätskosten) als mit der alten Kupferarchitektur erzielen kann. Vgl. dazu S. Hoernig, S. Jay, W. Neu, K.-H. Neumann, T. Plückebaum, I. Vogelsang: Wholesale pricing, NGA take-up and competition, Studie im Auftrag des Europäischen Wettbewerber-Verbandes ECTA, Bad Honnef 2011.


DOI: 10.1007/s10273-012-1326-y