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Seit dem Beginn der Industrialisierung wird der natürliche Treibhauseffekt durch anthropogene Einflüsse verstärkt. Insbesondere die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas führt zu einer nachweisbar erhöhten Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Diese globalen CO2-Emissionen sind von 1990 bis heute um rund 40% angestiegen. Sehr beunruhigende Zahlen lieferte kürzlich auch eine internationale Gruppe renommierter Wissenschaftler, die sich in dem „Global Carbon Project“ zusammengeschlossen haben.

In ihrer jährlichen Bestandsaufnahme der weltweiten Treibhausgasemissionen – dem „Carbon Budget“ – kommen sie zu dem Ergebnis, dass die durch die Nutzung fossiler Energieträger und bei der Zementherstellung verursachten CO2-Emissionen im Jahr 2010 weltweit um 5,9% angestiegen sind. Dies ist der bislang größte gemessene Anstieg in einem Jahr. Insgesamt war der 2009 maßgeblich durch die globale Finanzkrise ausgelöste Rückgang der Treibhausgasemissionen um 1,4% also nur eine kleine Delle mit geringen Auswirkungen auf den langfristigen Trend eines weiter zunehmenden CO2-Ausstoßes. Eine Kehrtwende dieser Entwicklungen ist derzeit ebenso wenig abzusehen, wie deutliche Verbesserungen der Kohlenstoffintensität im Rahmen der weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten.

Eine Folge dieser Entwicklungen ist der Anstieg der globalen Jahresmitteltemperatur. Von 1900 bis heute betrug dieser Anstieg fast 0,8°C. Der globale Klimawandel findet also statt und wird sehr wahrscheinlich vielfältige Folgen nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass diese Auswirkungen sowohl eine Reihe von Wirtschaftssektoren und Regionen als auch nicht über Märkte gehandelte Güter wie die menschliche Gesundheit, Ökosysteme oder die Biodiversität betreffen werden.

Um diese zu erwartenden Entwicklungen einzudämmen, wurde im Rahmen internationaler Klimaverhandlungen Einigkeit darüber erzielt, dass sich die Atmosphäre um nicht mehr als 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmen soll. Um dieses sogenannte „2°C-Ziel“ erreichen zu können, müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen zwischen 2015 und 2020 ihren Gipfel erreicht haben und anschließend schnell abnehmen. Sollten die Emissionen weiterhin so deutlich ansteigen wie bis 2010, wird es zunehmend unwahrscheinlicher, das 2°C-Ziel zu erreichen. Insgesamt muss die Dekarbonisierung der Gesellschaft soweit vorangetrieben werden, dass die durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf weit unter 1 t CO2 reduziert werden. Dieser Wert liegt 80% bis 95% unter den aktuellen Pro-Kopf-Emissionen der Industriestaaten.

Die gesellschaftliche Herausforderung ist also historisch und die Politik begegnet dem Klimawandel bereits mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen. Diese sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt: regional, national und international. Insgesamt ergibt sich daraus eine Vielfalt von Instrumenten, die am 22. November 2011 im Rahmen der gemeinsamen Konferenz „Instrumentenmix in der Klimapolitik – nationale und regionale Herausforderungen“ des Wirtschaftsdienst, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, und des Climate Service Center am Helmholtz-Zentrum Geesthacht diskutiert wurde. Die Beiträge dieses Sonderheftes basieren auf den im Rahmen der Konferenz gehaltenen Vorträgen.

Instrumentenmix in der Klima- und Energiepolitik

Welche Herausforderungen sich beim Instrumentenmix in der Klima- und Energiepolitik stellen, fragt Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, zum Auftakt der Konferenz. Er stellt die „Instrumenteninvasion“, die es in Deutschland gibt, vor und erläutert die erheblichen Auseinandersetzungen über die deutsche Förderung. Handelt es sich um einen sinnvollen Policy-Mix oder ein „Policy Mess“, d.h. ein – im ungünstigsten Fall ineffizientes – Durcheinander von verschiedenen Instrumenten? Eine ganz wesentliche Herausforderung liegt im Bereich der Klima- und Energiepolitik auf der Ebene der Ziele, die der Instrumentenebene noch vorgelagert ist. Die Vielfalt von Zielen und Instrumenten in diesem Bereich stellen die Forschung und die Politik vor eine gewaltige Aufgabe, von deren Lösung sie noch weit entfernt sind.

Aus der Vielzahl der klimapolitischen Instrumente werden im Folgenden die wichtigsten genauer untersucht. Andreas Lange von der Universität Hamburg und Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg stellen den Europäischen Emissionszertifikatehandel vor und erläutern seine Perspektiven. Der 2005 in Europa eingeführte Emissionshandel wurde behutsam in verschiedenen Phasen implementiert. Dabei wurden die Zertifikate zunächst kostenlos und unter Herausnahme verschiedener Sektoren zugeteilt. In der Anfangsphase wurde viel Kritik an dem System geübt, gerade weil nicht alle Sektoren beteiligt waren und weil sich die Regulierungsmaßnahmen überlappten, kam es zu erheblichen Ineffizienzen. Durch die mittlerweile erfolgte Ausweitung der erfassten Sektoren im Emissionshandelssystem wird nun ein deutlicher Effizienzgewinn erwartet. Die Autoren sehen trotz der Kritik in der Anfangsphase das Europäische Emissionshandelssystem als einen Meilenstein in der Hinwendung zu einer marktorientierten Umweltpolitik.

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz ist im Gegensatz zum Emissionshandelssystem ein weniger marktorientiertes Umweltinstrument. Tim Mennel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim geht in seinem Beitrag der Frage nach, ob das Gesetz eine Erfolgsgeschichte oder eine Kostenfalle darstellt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wird von vielen als ein sehr großer Erfolg betrachtet, weil Deutschland sein europäisches Quotenziel als einziges Land mithilfe des Gesetzes deutlich übertroffen hat. Andererseits wurden und werden die hohen Kosten dieses Gesetzes kritisiert, die unter anderem auch dadurch entstehen, dass erneuerbare Energien vorrangig ins Netz eingespeist werden und deren Vergütung über gesetzlich festgeschriebene Tarife erfolgt, die zumindest bislang ausgesprochen hoch waren. Die größte Herausforderung für die Zukunft sieht Tim Mennel jedoch in einer Harmonisierung und verstärkten Koordinierung der Erneuerbaren- und der Netzregulierung, weil Strom aus erneuerbaren Energien häufig starken Schwankungen unterliegt.

Neben diesen beiden prägenden Instrumenten ist das Ordnungs- und Planungsrecht, das meist auf Länderebene durchgesetzt wird, nicht zu vernachlässigen. Felix Ekardt, der die Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik leitet und an der Universität Rostock lehrt, hat sich mit diesem Instrument am Beispiel der Landesklimaschutzgesetzgebung in Nordrhein-Westfalen auseinandergesetzt. Der Schwerpunkt der Maßnahmen gegen den globalen Klimawandel liegt auf der internationalen, europäischen und nationalen Ebene, allerdings kann auch der Landesgesetzgeber ordnungs- und planungsrechtlich ergänzend tätig werden. Felix Ekardt trägt die These vor, dass die völkerrechtlichen, europarechtlichen und deutschen Menschenrechte eine stark intensivierte Klimapolitik erzwingen, die sich am Ziel mittelfristig gleicher globaler Emissionsrechte orientiert.

Wie weit sind die Stakeholder betroffen?

Nachdem deutlich wurde, wie ehrgeizig das Ziel der 2°C-Grenze ist und welche starken regulatorischen Eingriffe möglicherweise zur Erreichung dieses Zieles noch notwendig sind, werden im Folgenden die klimapolitischen Maßnahmen aus der Sicht der Betroffenen, der Unternehmer und der Verbraucher betrachtet.

Hubertus Bardt, Esther Chrischilles und Mahammad Mahammadzadeh vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sehen in dem Klimawandel und der Klimapolitik den Treiber eines Strukturwandels. Sie unterscheiden dabei das öffentliche Gut „Klimaschutz“ und das private Gut „Anpassung“. Es werden die direkten und indirekten Betroffenheiten der Unternehmen durch Klimaereignisse in Form einer Unternehmensbefragung erfasst, wobei sich die Erwartungen im Zeitablauf ändern.

Die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ sowie die konkretisierte Form, der „Aktionsplan Deutschland“, bilden den Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Der Aktionsplan verlangt ein hohes Maß an Eigenverantwortung und -vorsorge. Er unterstützt die autonome Anpassung der Unternehmen durch Wissensbündelung und -vermittlung. Die Forschung soll, um die Folgen der Klimaveränderungen besser abschätzen zu können, vor allem regional gefördert werden. Außerdem soll die Förderung der angewandten Anpassungsforschung die Unternehmen darin unterstützen, eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Aus Sicht der Verbraucher stellt es eine enorme Herausforderung dar, den Konsum soweit zu steuern, dass pro Kopf und Jahr nicht mehr als 2 t CO2 entstehen. Dabei ist erstaunlich – wie Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentrale in Berlin feststellt –, dass diejenigen, die von sich selbst behaupten, besonders umweltbewusst zu sein, wenig zur Entlastung des Klimas beitragen. Die Selbstwahrnehmung täuscht häufig. Eine stichprobenartige Untersuchung ergab keinen niedrigeren Energieverbrauch bei der umweltbewussten Verbrauchergruppe als beim Verbrauch des Durchschnitts der Deutschen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die Politik durch Regeln und Gesetze für nachhaltiges Wirtschaften und damit auch für nachhaltigen Konsum einsetzt. Eine verbraucherorientierte Klimapolitik ist daher sinnvoll, die einen klimapolitischen Strukturwandel vorantreibt, der sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen richtet. Die Lebens- und Konsumgewohnheiten sind ausgesprochen wandelbar, sobald die Verbraucher mit neuen Angeboten eine Verbesserung des Status quo erreichen können.

Bewertung

In ihrem Beitrag zur effektiven und effizienten Klimapolitik bewerten Michael Weber und Christian Hey vom Sachverständigenrat für Umweltfragen in Berlin das Zusammenspiel aller klimapolitischen Faktoren in Deutschland. Sie bekennen sich klar dazu, dass ein Instrumentenmix notwendig ist. Ganz besonders wichtig ist bei einer seriösen Politikberatung, dass ein Realitäts-Check theoretischer Konzepte vorgenommen wird, bevor Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden. Für eine erfolgreiche Energiewende reichen handelbare Emissionsrechte allein nicht aus, flankierende Instrumente zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienz sind dabei eine Grundvoraussetzung.

Klimapolitik auf Landesebene

Bei der Betrachtung der Frage, wie Klimapolitik auf Landesebene umgesetzt werden kann, werden auch die Erfahrungen des Klimaschutzrates in Berlin herangezogen. Klaus Müschen aus dem Umweltbundesamt in Dessau veranschaulicht die Aufgaben des Rates in seinem Beitrag. Der Klimaschutzrat war in der Zeit von 2006 bis 2010 als unabhängiges Beratungsgremium für den Berliner Senat tätig. Der Klimaschutzrat hat für einzelne Themengebiete Arbeitsgruppen gebildet. Hier werden einige Ergebnisse der AG „Langfristige Energiestrategien für Berlin“ und der AG „Klimafolgenmanagement“ exemplarisch vorgestellt. Der Berliner Senat hat in seinem klimapolitischen Arbeitsprogramm Ziele formuliert, die der Klimaschutzrat sektorspezifisch präzisiert und zu denen er Handlungsempfehlungen ausgesprochen hat. So wurde speziell auf dem Gebiet energetische Gebäudesanierung, im Kraftwerkssektor und im Verkehrsbereich Handlungsbedarf festgestellt.

Zu der Frage, wie die klimapolitischen Ziele erreicht werden könnten, existiert mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Forschungsarbeiten. Zudem werden überall in der Welt Strategien und Maßnahmen zum Klimaschutz entwickelt. Dabei fehlt es jedoch oftmals an der Einbeziehung der Akteure, die die notwendigen und zumeist politischen Entscheidungen letztlich in der Region zu treffen, umzusetzen und zu verantworten haben. Den Versuch, diese Lücke zwischen wissenschaftlicher und politischer Einschätzung des Machbaren in Sachen Klimaschutz zu schließen, verfolgt das europäische Projekt „EUCO2 80/50“. Im Zuge dessen wurden regionale Entscheidungsträger aus europäischen Metropolregionen einbezogen, um mit Hilfe von Computer-Simulationen langfristige Klimaschutzstrategien für ihre Regionen zu entwickeln. In den Metropolregionen entstehen weltweit 75% der Treibhausgas-Emissionen. Als zentrale Projektergebnisse zeigt Rainer Scheppelmann aus der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg in seinem Beitrag, dass lediglich rund ein Drittel aller teilnehmenden Metropolregionen Europas es für möglich hält, bis zum Jahr 2050 den Ausstoß von Kohlendioxid tatsächlich um bis zu 80% zu verringern.

Fazit

Wie die in diesem Sonderheft zusammengefassten Beiträge verdeutlichen, wurden im Zuge der Konferenz sowohl Aspekte der Vermeidung des Klimawandels als auch der Anpassung an den Klimawandel erörtert und die Sichtweisen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure einbezogen. Gerade vor dem Hintergrund internationaler Klimaverhandlungen ist klar ersichtlich geworden, welche großen Herausforderungen noch zu bewältigen sind, um die notwendigen Klimaschutzziele – wie das 2°C-Ziel – zu erreichen. Der Wahl und Ausgestaltung der umweltpolitischen Instrumente kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, wobei die Forscher und Politiker noch zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen sind, welcher Instrumentenmix die besten Ergebnisse erreicht.

Einigkeit besteht jedoch darin, dass ein umweltpolitisches Instrument nur so gut sein kann, wie es sich auch in der Praxis in vollem Umfang umsetzen lässt. Ebenso wichtig ist die Frage, welche politische Ebene für die Implementierung der Instrumente verantwortlich ist. Eine wichtige Schlussfolgerung der Konferenz lautet: nicht alles, was aus wissenschaftlicher Sicht realisierbar erscheint, lässt sich tatsächlich im politischen und gesellschaftlichen Prozess verwirklichen. Daher ist es unbedingt erforderlich, die politischen Entscheidungsträger vor Ort noch mehr einzubinden.


DOI: 10.1007/s10273-012-1342-y

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