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Der Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland lag zwar im März mit 2,1% nach wie vor über der Stabilitätsschwelle der Europäischen Zentralbank von 2%. Allerdings haben die Ölpreise nach dem erneuten Schub in den ersten Wochen dieses Jahres um rund 20% wieder nachgegeben und nicht nur deshalb scheint der Preisauftrieb seinen Höhepunkt überschritten zu haben; vielmehr haben die amtliche Inflationsrate und auch die vom HWWI berechnete Kernrate, die kurzfristige Preisschwankungen bei Öl und Nahrungsmitteln herausfiltert, schon seit Herbst 2011 eine abnehmende Tendenz (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Indikatoren zur Preisentwicklung
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Hinze Abb-1.ai

1 Kerninflationsrate: Berechnet aus geglätteten Indizes (gleitende Drei-Monats-Durchschnitte für den Gesamtindex ohne Heizöl und Kraftstoffe sowie ohne Saisonwaren und 24-Monats-Durchschnitte für den Index für Heizöl und Kraftstoffe sowie für Saisonwaren) sowie ohne Steueränderungen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Berechnungen des HWWI.

Ohne die drastische Energieverteuerung wäre die Inflationsrate bereits wieder unter die 2%-Marke gesunken. Neben Benzin, Heizöl und Gas haben sich aber auch Nahrungsmittel überdurchschnittlich verteuert (vgl. Abbildung 2). Energie und Nahrungsmittel haben allerdings jeweils einen Anteil von weniger als 10% am Warenkorb des Verbraucherpreisindex. Die Preise von Gebrauchsgütern und die Mieten, die jeweils einen Anteil von rund 20% haben, blieben hingegen nahezu stabil. Auch auf den vorgelagerten Stufen ist der Preisanstieg geringer geworden. Hauptgrund für den nachlassenden Preisdruck ist die konjunkturelle Abschwächung, insbesondere in Europa. Auf der Lohnseite haben sich die Tarifforderungen zwar erhöht, die Abschlüsse bewegen sich aber weitgehend im Rahmen des Verteilungsspielraums. In den konjunkturell begünstigten Branchen wurden zudem vielfach Sonderzahlungen geleistet.

Abbildung 2
Entwicklung ausgewählter Verbraucherpreise
Index (2005 = 100)
Hinze Abb-2.ai

Quellen: Statistisches Bundesamt, Berechnungen des HWWI.

Gleichzeitig sind längerfristige Inflationserwartungen aufgekommen. Wesentlicher Grund dafür sind die Rettungsmaßnahmen im Rahmen der Eurokrise, insbesondere das „Fluten“ der Eurozone mit Liquidität durch die EZB. Diese ist bislang allerdings nicht auf den realen Märkten angekommen. Die EZB mag theoretisch in der Lage sein, diese gegebenenfalls wieder zu neutralisieren. Ob das aber letztlich gelingt, erscheint weiterhin offen, denn die EZB hat aufgrund fragiler Finanzmärkte und schwacher Konjunktur in den Euro-Krisenländern nur begrenzte Handlungsspielräume. Die „gefühlte“ Inflation wird jetzt schon, auch weil es sich bei Nahrungsmitteln und Kraftstoffen um die Güter des täglichen Bedarfs handelt, als höher als die amtlich gemessene wahrgenommen. Als Indiz künftiger Inflationsgefahren werden in Deutschland vielfach auch die deutlichen Steigerungen bei den Immobilienpreisen gesehen. Auf internationaler Ebene werden die Rohstoffpreise mit Sorge betrachtet.

Auf kürzere Sicht ist die Inflationsgefahr schon aus konjunkturellen Gründen recht gering. Allerdings hat von Seiten der Arbeitskosten der Druck zugenommen, und hier gilt es Zweitrundeneffekte zu vermeiden. Die Lohnstückkosten steigen bei abgeschwächter Konjunktur und Produktivität wieder deutlicher, zuletzt um rund 2½%. Nehmen die Tarifabschlüsse darauf keine Rücksicht, geht das zu Lasten der Beschäftigung, bei wieder besserer Konjunktur zu Lasten beschleunigt steigender Preise. Was die Ölpreise betrifft, ist die weitere Entwicklung aufgrund der politischen Unsicherheiten ungewiss. Die Entwicklung von Angebot und Nachfrage spräche für eine Beruhigung.

Die EZB hat sich mehr und mehr in den Dienst der Euro-Rettung gestellt und würde diese Politik, solange sich die Eurokrise nicht nachhaltig entspannt, wohl auch im Falle eines Zielkonflikts mit der Preisstabilität beibehalten, auch wenn sie selbst bereits Aufwärtsrisiken für die Inflationsrate sieht. Eskalieren die Ölpreise nicht wieder, dürfte bei den verhaltenen Wachstumserwartungen der Preisdruck in absehbarer Zeit gering sein und die Inflationsrate hierzulande schon bald unter die 2%-Marke fallen. Im Jahresdurchschnitt 2012 wird sie dann 1,9% betragen, 2013 dürfte sie wegen des etwas niedrigeren Überhangs bei 1,7% liegen. Bei ungünstigeren Rahmenbedingungen, entweder kräftigen Öl- und anderen Rohstoffpreissteigerungen oder zunehmenden Zweitrundeneffekten, würde der Preisauftrieb stärker ausfallen. Brisant würde die Situation, wenn sich schon kurzfristig Konjunktur und Inflation entkoppelten.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

Abb. Index.ai

2010 = 100, auf US-Dollar-Basis.

HWWI-Index mit Untergruppena 2011 Sep. 11 Okt. 11 Nov. 11 Dez. 11 Jan. 12 Feb. 12 Mrz. 12
Gesamtindex 128,6 126,2 122,7 126,6 124,8 128,0 134,1 138,8
  (28,6) (28,6) (17,5) (17,5) (9,2) (7,8) (8,1) (3,4)
Gesamtindex, ohne Energie 118,1 117,4 108,1 103,8 101,6 104,8 107,4 107,7
  (18,1) (11,6) (-1,3) (-6,5) (-11,3) (-13,1) (-14,1) (-12,5)
Nahrungs- und Genussmittel 129,0 129,8 119,4 116,7 112,8 116,0 117,5 118,8
  (29,0) (22,1) (6,6) (-0,9) (-9,7) (-12,4) (-14,9) (-11,8)
Industrierohstoffe 114,3 113,1 104,0 99,2 97,6 100,9 103,8 103,7
  (14,3) (7,8) (-4,2) (-8,6) (-12,0) (-13,4) (-13,7) (-12,7)
Agrarische Rohstoffe 110,5 110,0 105,1 97,7 94,0 93,8 96,5 97,7
  (10,5) (7,8) (-1,8) (-9,7) (-13,4) (-16,9) (-17,1) (-14,4)
NE-Metalle 111,8 105,4 97,0 95,2 94,1 99,8 103,9 102,4
  (11,8) (4,1) (-11,3) (-12,8) (-16,7) (-15,6) (-15,6) (-15,7)
Eisenerz, Stahlschrott 125,5 136,2 120,0 111,3 111,0 113,0 113,2 115,1
  (25,5) (15,8) (10,8) (3,3) (2,1) (-3,5) (-4,3) (-3,2)
Energierohstoffe 131,3 128,5 126,6 132,6 130,9 134,1 141,1 147,0
  (31,3) (33,5) (22,8) (24,0) (14,6) (13,4) (13,9) (7,2)

a 2010 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/


DOI: 10.1007/s10273-012-1376-1