Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Das Personenbeförderungsgesetz steht vor einer Novellierung, die auch Busfernverkehre in Deutschland zulassen soll. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sorgt für heftige Diskussionen zwischen Wissenschaftlern, Politikern und Verbandsvertretern. Der Autor gibt einen Überblick und macht Vorschläge für eine effiziente Ausgestaltung der Marktliberalisierung.

Die bevorstehende Liberalisierung des innerdeutschen Buslinienfernverkehrs, vor gut fünf Jahren noch nahezu ausschließlich in der Fachwelt diskutiert,1 hat es mittlerweile in die Massenmedien geschafft2 und könnte aus Verbrauchersicht das sichtbarste Element eines novellierten Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) werden. Die genaue Ausgestaltung ist allerdings auch nach Vorlage eines Gesetzentwurfes noch Gegenstand einer vor allen Dingen politischen, von den verschiedenen Stakeholdern getriebenen Diskussion.

Das aktuelle Regulierungsregime und seine ökonomischen Folgen werden zunächst vorgestellt, um aus verkehrswissenschaftlicher Sicht und unter kritischer Berücksichtigung des Gesetzentwurfes sowie der Reaktionen verschiedener Interessengruppen Vorschläge für eine möglichst effiziente Ausgestaltung der anstehenden Marktliberalisierung und des zu etablierenden Ordnungsrahmens zu entwickeln. Dabei werden nicht nur die häufig vorgebrachten Forderungen nach einer Konzessionierungspflicht und Bemautung des Busverkehrs berücksichtigt, sondern auch bisher in der Literatur kaum diskutierte Problemfelder wie Passagierrechte, Passagierinformation und die Festlegung von Haltepunkten thematisiert.

Aktuelles Regulierungsregime

Der Staat greift ordnungspolitisch in den Verkehr mit Kraftomnibussen ein, indem er den Marktzugang begrenzt und die Beförderungspreise kontrolliert. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen gemäß §13(1) PBefG betreffen die sicherheits- und qualifikationsbezogene sowie finanzielle Leistungsfähigkeit der Betriebe und Unternehmer und müssen von allen Omnibusunternehmen erfüllt werden. Sie sind aus ökonomischer Sicht unproblematisch, da aus eigener Kraft überwindbar. Die in §13(2) PBefG geregelten und ausschließlich für alle Linienverkehre und damit auch für den Fernverkehr3 gültigen objektiven Zulassungsvoraussetzungen stellen hingegen massive Markteintrittsschranken dar. Verkehre sind nämlich nur dann genehmigungsfähig, wenn sie zu keiner Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrsinteresses führen. Diese liegt bei einer bereits befriedigenden Bedienung der beantragten Relation mit vorhandenen Verkehrsmitteln oder solange der beantragte Verkehr nicht zumindest zu einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung führt, vor. Zudem können sich bereits vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereit erklären, einen beantragten Dienst anstelle des Antragstellers selber zu übernehmen. Schließlich erfolgt gemäß §45(2) in Verbindung mit §39 PBefG noch eine Kontrolle der als Bestandteil der Liniengenehmigung einzuhaltenden Beförderungspreise.

Dieser Ordnungsrahmen hat in Verbindung mit dem dichten deutschen Bahnnetz dazu geführt, dass in der Vergangenheit so gut wie keine Intercity-Busverbindungen genehmigt wurden. Die einzig nennenswerte Ausnahme ist der sternförmige „Berlin-Verkehr“ der BerlinLinienBus, hinter der zwei Tochterfirmen der Deutschen Bahn AG sowie zwei mittelständische Busunternehmen stehen. Die hier genutzten Liniengenehmigungen stammen noch aus der Zeit vor der Wende, als von der Reichsbahn unabhängige öffentliche Verkehrsverbindungen nach West-Berlin sichergestellt werden sollten. Mit Ausnahme der bis zu stündlich befahrenen Relation Berlin-Hamburg werden allerdings fast alle Strecken nur maximal einmal täglich bedient und stellen damit kaum eine ernsthafte Konkurrenz zu Bahn, PKW und Flugzeug dar. Ein Zusteigeverbot führt zudem dazu, dass auf Fahrten ab Berlin unterwegs keine Neueinsteiger aufgenommen werden dürfen, was zu künstlich niedrigen Auslastungsgraden führt. Für die Rückfahrten nach Berlin gilt dies umgekehrt, hier ist ein Ausstieg an Zwischenhaltepunkten untersagt.4

Stimmige wohlfahrtsökonomische Begründungen für dieses restriktive Regulierungsregime sind nicht erkennbar. Staatliche Markteingriffe sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie zu einem die Kosten des Eingriffs übersteigenden Wohlfahrtsgewinn durch Allokationsverbesserung führen.5 Die beschriebene Regulierung des Buslinienfernverkehrs müsste also durch Marktversagen begründet werden und zugleich dem Verdacht auf Staatsversagen standhalten können. Es ist im Busfernverkehrsmarkt jedoch weder eine Gefahr der Bildung nicht bestreitbarer natürlicher Monopole vorstellbar, noch liegen externe Effekte oder Informationsasymmetrien in einem Umfang vor, der das faktische Totalverbot begründen ließe.6 Vielmehr kann das (noch) gültige Regulierungsregime politökonomisch erklärt werden: So bestätigte das Bundesverfassungsgericht schon 1960 die Regulierung des Busverkehrs als legitimes Mittel zum Schutz der Bahn vor Konkurrenz, damit diese ihre Gemeinwohlaufgaben, wie die Bedienung der Fläche zu einheitlichen Preisen, sicherstellen konnte.7 Auch wenn dieser Schutz der Bahn aus ökonomischen Gründen nicht (mehr) haltbar ist,8 halten Interessenvertreter der Verkehrsbranche sowie Politiker hieran fest, um neue Konkurrenz zu verhindern. Für den Durchschnittsbürger als potenziellen Profiteur einer Liberalisierung scheint dieser Markt jedoch bislang zu unbekannt zu sein, um eine wahlbeeinflussende Rolle zu spielen. Dies ist vermutlich der entscheidende Unterschied beispielsweise zur damals lang erwarteten Entmonopolisierung des Telekommunikationsmarktes.

Die Konsequenzen dieses restriktiven Ordnungsrahmens wurden in einigen (verkehrs-)ökonomischen Beiträgen9 skizziert: Überhöhte Preise auf den existierenden Busrelationen, eine stark fragmentierte Anbieterlandschaft mit vermutlich suboptimaler durchschnittlicher Betriebsgröße im Busverkehr und insbesondere ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis im Bahnverkehr auf Routen ohne intermodale Konkurrenz jenseits des PKW. Dies trifft auf die meisten „Mittelstrecken“ von vielleicht 100 km bis 300 km zu, während pauschale „29-Euro-Angebote“ auf längeren Strecken eine attraktive Antwort auf den Luftverkehr darstellen. Eine Stärkung des Schienenverkehrs im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr hat dieser Schutz der Bahnen vor Konkurrenz augenscheinlich jedoch nicht bewirkt.

Weg zur Liberalisierung

Noch vor gut fünf Jahren wurde die Liberalisierung des in Deutschland faktisch untersagten Buslinienfernverkehrs sowohl in der Verkehrswissenschaft als auch in Politik und Öffentlichkeit nur sehr stiefmütterlich behandelt. Zwar bemängelte die Monopolkommission 1990 den fehlenden Wettbewerb durch Fernbusverkehre in Deutschland,10 ein Umdenken auf politischer Ebene blieb jedoch bis auf einen erfolglosen Liberalisierungsantrag der FDP-Bundestagsfraktion 2004 aus.11 Etwa zur gleichen Zeit tauchte das Thema auch in der wissenschaftlichen Diskussion auf. So untersuchte Maertens12 die Ineffizienzen des aktuellen Regulierungsregimes und skizzierte – auch anhand der Erfahrungen aus Großbritannien – mögliche Wohlfahrtswirkungen einer Liberalisierung. Und Junior13 nutzte die Conjoint-Analyse zur Prognose der Auswirkungen einer Deregulierung auf den Modal Split im Personenfernverkehr. Walter et al.14 argumentieren zunächst, dass Fernbusverkehre aus ökonomischen wie ökologischen Gründen zugelassen werden sollten, da sie die niedrigsten internen und externen Kosten aller Fernverkehrsmittel aufweisen. In einer ebenfalls Conjoint-basierten Schätzung ermitteln sie dann einen Marktanteil von zwischen 5% und 28% für Expressbusse in Deutschland, abhängig von der Netzausschöpfung. Eisenkopf und Burgdorf15 schließlich fordern in einer Studie im Auftrag des Verbandes der Automobilindustrie e.V. genau wie Maertens16 eine völlige Freigabe des Buslinienfernverkehrs und begründen dies in erster Linie mit mangelndem Wettbewerb im bodengebundenen Fernverkehr und der Möglichkeit der Erschließung neuer, preissensibler Nutzergruppen.

Nach weiteren ebenfalls im Verkehrsausschuss abgelehnten Anträgen sowohl der FDP17 als auch von Bündnis 90/Die Grünen18 in der folgenden Legislaturperiode enthält der aktuelle Koalitionsvertrag die nicht näher kommentierte Absicht, Busfernverkehre zuzulassen.19 Ein erster Referentenentwurf20 wurde Anfang 2011 zirkuliert und mündete schließlich in den Gesetzentwurf 17/8233. Dieser enthält nicht nur Änderungen zum Fernverkehr, sondern auch – zwecks Umsetzung der EU-Verordnung 1370/07 – zum Nahverkehr.21 Für den Fernverkehr ist vorgesehen, an der Betriebs- und Genehmigungspflicht festzuhalten, dabei allerdings Parallelverkehre mehrerer Unternehmer, auch zur Bahn, sowie Fahrplanänderungen zuzulassen und die Tarife freizugeben. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben das zustimmungspflichtige Vorhaben der Bundesregierung im Bundesrat (886. Sitzung am 23.9.2011) in Teilen – insbesondere den Nahverkehr betreffend – abgelehnt bzw. fordern ergänzende Regelungen, welche in einem gemeinsamen „Gegen-Gesetzentwurf“ 17/7046 zur Änderung des Personenbeförderungsrechts manifestiert sind. Bezüglich der Liberalisierung des Fernverkehrs weist diese Initiative keine signifikanten Unterschiede zum Gesetzentwurf der Bundesregierung auf, beinhaltet aber eine Mautpflicht und Passagierrechte.22 Die Linksfraktion schließlich fordert in einem weiteren Gesetzentwurf eine Aufgabe der Liberalisierungspläne.23 Alle drei Initiativen wurden zur weiteren Beratung in den Verkehrsausschuss überwiesen, wo im Februar 2012 eine öffentliche Anhörung stattfand.

Seit der Ankündigung der Deregulierung und insbesondere im Gesetzgebungsverfahren haben sich Wissenschaftler, Politiker und Verbandsvertreter der (möglicherweise) betroffenen Stakeholder zu einer möglichen Deregulierung geäußert. Die verschiedenen Vorstellungen in Hinblick auf die Liberalisierung sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1
Eckpunkte der Gesetzentwürfe und Forderungen von Stakeholdern zur Ausgestaltung der Liberalisierung des innerdeutschen Buslinienfernverkehrs
Forderung Stakeholder Status quo Genehmigungs­pflicht Strecken­ebene Konzessio­nierung Tarif­pflicht Betriebs­pflicht Bemautung Fahrgast­rechte = Schienenv­erkehr Fahrgast­information Sozial- und Umwelt­standards
BMVBS (2011) (Referentenentwurf) Nein Ja Nein Nein 3 M. k.A. k.A. k.A. k.A.
Aberle (2011) Nein Ja Ja k.A. k.A. Ja k.A. k.A. k.A.
Allianz pro Schiene (2011) (Ja) (Ja) (Ja) k.A. (6 M.) Ja Ja k.A. k.A.
bdo (2009)1 Ja Ja Ja Ja Ja k.A. k.A. k.A. k.A.
bdo (2012)2 Nein Ja Nein Nein 3 M. Nein k.A. k.A. k.A.
DB Mobility Logistics AG (2011) (Ja) Ja Ja k.A. Ja Ja (Ja) (Ja) k.A.
DIHK (2011) Nein (Ja) (unbüro­kratisch) k.A. k.A. 3 M. k.A. k.A. k.A. k.A.
Die Linke (2011) (Gesetzentwurf 17/7487) (Ja) k.A. k.A. k.A. k.A. Ja Ja k.A. k.A.
Eisenkopf/ Burgdorf (2010) Nein (Ja) (nicht strecken­bezogen und nur übergangs­weise) Nein Nein Gegebenen­falls ja Nein k.A. k.A. k.A.
mofair (2011) Nein Nein Nein Nein Nein k.A. k.A. k.A. k.A.
Sondermann (2010)3 Nein Ja (vereinfacht) k.A. k.A. k.A. Nein k.A. k.A. k.A.
SPD (2011) (Meinung bis 2011) (Ja) k.A. k.A. k.A. k.A. Ja Ja k.A. k.A.
SPD/ Bündnis90/ Die Grünen (2011) (Gesetz­entwurf 17/7046) Nein Ja Nein Nein 3 M. Ja Ja Ja K.A.
VCD (2008) Nein Ja (schritt­­weise Freigabe) Ja (1 pro Strecke) k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. Ja
VCD (2010)4, VCD (2012)5 Nein Ja Nein Nein 3 M. Ja Ja Ja Ja
VDV (2009)1 Ja Ja Ja Ja Ja k.A. k.A. k.A. k.A.
VDV (2011)6 Ja Ja Ja Ja Ja k.A. k.A. k.A. k.A.
VZBV (2011) Nein Nein Nein Nein Nein Ja Ja Ja Ja
VDB (2011) (Ja) Ja k.A. k.A. k.A. Ja7 k.A. k.A. k.A.

Abkürzungen: BMVBS = Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen, Städtebau und Raumordnung; bdo = Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V.; DIHK = Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag; VCD = Verkehrsclub Deutschland e.V.; VDV = Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.; VZBV = Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.; VDB = Verband der Bahnindustrie in Deutschland e.V.

1 Vgl. VDV, bdo: Eckpunkte für eine bundeseinheitliche Fortentwicklung des Personenbeförderungsgesetzes, VDV und bdo einigen sich, 8.12.2009, Köln und Berlin, http://www.bdo-online.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Stellungnahmen/09-189_Anlage_Eckpunktepapier.pdf (31.3.2011).

2 Vgl. Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) zur Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs vom 23.2.2012, Berlin.

3 A. Sondermann (Veolia Verkehr GmbH): Der Fernbus – ein ergänzendes Verkehrsangebot für Deutschland, in: Nahverkehrspraxis, H. 6, 2010, S. 10.

4 Vgl. VCD: VCD Position Fernlinienbusse, Berlin, http://www.gruene-niedersachsen.de/cms/gremien/dokbin/359/359474.position_fernlinienbusse_vcd.pdf (31.3.2011).

5 Vgl. VCD: VCD Stellungnahme, Novellierung des PBefG – Verbändeanhörung, Berlin 2012.

6 Vgl. VDV, bdo: Gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften (Bundesrats-Drucksache Nr. 462/11 vom 12.8.2011). 7 Zusätzlich Einbindung in den Emissionshandel und kostendeckende Gebühren für Haltepunkte.

Der Großteil der Stakeholder unterstützt mittlerweile eine Liberalisierung des Busfernverkehrs. Grundsätzliche Ablehnung kommt noch vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und von der Linkspartei. Die SPD lehnte die Liberalisierung bis ins Jahr 2011 hinein ab,24 positioniert sich aber seit Vorlage des gemeinsamen Gesetzentwurfes mit Bündnis 90/Die Grünen konträr. Die Allianz pro Schiene,25 die Deutsche Bahn AG und der Verband der Bahnindustrie in Deutschland26 sehen implizit keine Notwendigkeit einer Deregulierung bzw. würden dieser nur dann zustimmen, wenn eine Genehmigungspflicht, gegebenenfalls Konzessionierung, und eine dem Schienenverkehr vergleichbare Betriebspflicht bestehen bleiben und der Busverkehr bemautet wird. Sie werden hierbei von Aberle27 gestützt. Zu den Unterstützern einer möglichst weitgehenden Deregulierung zählen hingegen der Verbraucherzentrale Bundesverband,28 der Verband mofair29 und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag30 sowie auf wissenschaftlicher Ebene Eisenkopf und Burgdorf.31 Uneinigkeit besteht hier im Wesentlichen bei den Punkten Betriebspflicht und Bemautung.

Der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer und der Verkehrsclub Deutschland haben ihre Positionen in den letzten Jahren nennenswert verändert. Ersterer hat noch 2009 eine Deregulierung gänzlich abgelehnt, unterstützt den Gesetzentwurf der Bundesregierung nun aber vollumfänglich. Der Verkehrsclub Deutschland forderte noch 200832 eine nur schrittweise Deregulierung mit einer Konzessionierung nur eines Busunternehmens pro Strecke, spricht sich mittlerweile aber für eine fast völlige Deregulierung aus, sofern eine Betriebspflicht und Bemautung für den Busverkehr eingeführt wird und Fahrgastrechte sowie Sozial- und Umweltstandards ähnlich wie im Schienenverkehr geregelt werden.

Die in Tabelle 1 zusammengefassten Forderungen gehen auf einige vorrangig genannte Bedenken zurück, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Gefahr der Rosinenpickerei und des ungeordneten Wettbewerbs auf der Straße;
  • Gefahr der Schwächung des Schienenverkehrs, auch durch Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des Busses;
  • Gefahr geringerer Sicherheitsstandards;
  • Gefahr eingeschränkter Fahrgastrechte.

Freier Wettbewerb versus Konzessionsmodell

Aberle33, bis 2011 der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer sowie implizit die Allianz pro Schiene, die Deutsche Bahn AG, der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die Linkspartei als Verfechter der Beibehaltung des Status quo fordern die Ausgabe von zeitlich befristeten Liniengenehmigungen, da eine unbeschränkte Freigabe in einem preis- und qualitätspolitisch unbefriedigenden Wettbewerb um den Fahrgast resultieren würde (wer zuerst die Busstation erreicht, greift die Fahrgäste ab)34 bzw. da die Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit benötigten, die in einem unregulierten Wettbewerb nicht gegeben sei.35

Das von Aberle angeführte Abgreifen von Fahrgästen in Großbritannien war allerdings ausschließlich ein Phänomen des Nahverkehrs und wird daher in der Literatur nicht als negatives Ergebnis der Fernverkehrsliberalisierung genannt.36 Eine Kontrolle der Beförderungs- und Fahrplanpflicht ist sinnvoll, kann aber auch – wie im innereuropäischen Luftverkehr – in einem weniger bürokratischen Regime bei reiner Anzeigepflicht, also ohne Konzessionierung, erfolgen. Eine existierende Behörde wie das Bundesamt für Güterverkehr könnte hierfür eingesetzt werden. Auch sollte zur Sicherstellung eines einmal eingerichteten Verkehrsangebots eine Betriebspflicht eingeführt werden, wie es der Gesetzentwurf der Regierung mit einer Dauer von drei Monaten vorsieht.

Ein Verzicht auf Konzessionen hätte zur Folge, dass unnötige Bürokratiekosten vermieden werden, schnelle Markteintritte möglich sind und Renten der Konzessionsinhaber bzw. des Staates aus der Konzessionsvergabe entfallen, die letztendlich die Fahrgäste zu tragen hätten und die den Busverkehr relativ zu seinen konzessionierungsfreien Wettbewerbern Schiene, motorisierter Individualverkehr und Luftverkehr verteuern würden. Nur so ist gewährleistet, dass sich die besten Unternehmen am Markt durchsetzen können. Diese Sichtweise wird unter anderem von Eisenkopf und Burgdorf37 geteilt.

Ein zu enger Konzessionsrahmen, der nur ein bis zwei Anbieter zulässt, würde zur Monopolisierung oder engen Oligopolisierung des Sektors führen und damit zu einem Zustand, der in Großbritannien schon 1980 durch den Transport Act erfolgreich beendet wurde. Ein weiter Konzessionsrahmen auf vielleicht drei bis fünf Anbieter pro Strecke hätte vermutlich ohnehin ähnliche Auswirkungen wie eine völlige Freigabe, allerdings bei deutlich höheren Bürokratiekosten und weniger Innovationspotenzial, denn auch in Großbritannien oder den USA sind kaum Strecken mit mehr als dieser Anbieterzahl zu identifizieren.

Unabhängig von Konzessionierung und Betriebspflicht ist die Frage nach einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht zu klären. Eine – wie von einigen Akteuren geforderte und im Gesetzentwurf vorgesehene – Beibehaltung der Streckengenehmigungen würde bei einem Verzicht auf Konzessionen obsolet. Es bietet sich daher an, analog zum Luftverkehr nur noch quantitativ nicht beschränkte Pauschalgenehmigungen für Buslinienfernverkehre auf Unternehmensebene zu erteilen. Zur Sicherstellung einer möglichst hohen Sicherheit und Zuverlässigkeit der angebotenen Verkehre sind diese an strenge subjektive Marktzutrittsschranken zu koppeln. In diesem Punkt besteht zwischen nahezu allen Stakeholdern Einigkeit.

Wettbewerbsgleichheit zum Schienenverkehr

Aberle, der Verkehrsclub Deutschland, SPD und Bündnis90/Die Grünen, der Verbraucherzentrale Bundesverband und alle Unternehmen und Interessenverbände des Schienenverkehrs fordern (vgl. Tabelle 1) eine Bemautung eines Buslinienfernverkehrs im Falle einer Liberalisierung, um Wettbewerbsverzerrungen zum trassenpreispflichtigen Schienenverkehr zu verhindern. Diese Forderung ist abzuweisen, da der Schienenfernverkehr nach DIW38 nur zu rund 56% seine Wegekosten deckt, während der Kraftomnibusverkehr schon jetzt einen Wegekostendeckungsgrad von 141% aufweist und – auch ohne Bemautung – auf Bundesfernstraßen sogar einen Deckungsgrad von 235%. Eine Bemautung des Buslinienfernverkehrs ist daher zum einen zumindest nicht über seine Wettbewerbsbeziehung zum Schienenverkehr begründbar.39 Zum anderen müsste sie dann jetzt schon und auch für alle Gelegenheitsbusverkehre gelten. Selbst im Vergleich zum Nutzverkehr ist eine Bemautung als Beitrag zur Wegekostendeckung nicht anzuraten, da der Wegekostendeckungsgrad des Reisebusses schon jetzt über dem mautpflichtiger LKWs liegt (141% versus 80% auf allen Straßen bzw. 235% zu 168% auf Bundesfernstraßen).

Ein grundsätzliches gegen die Deregulierung des Busfernverkehrs vorgebrachtes Argument betrifft die möglichen Auswirkungen auf den Schienenverkehr. So argumentiert der Verband der Bahnindustrie in Deutschland, dass die Liberalisierung des Busfernverkehrs Kundenrückgänge im Schienenverkehr auslösen könnte, die schließlich zur Stilllegung schwach bedienter Strecken führen würden.40 Auch könnte die verstärkte Nutzung von Bussen unter anderem laut Allianz pro Schiene41 dazu führen, dass der Staat auf den betroffenen Strecken auf Investitionen in die Schieneninfrastruktur verzichtet.

Diese Bedenken stehen in Verbindung zu der in der Nachkriegszeit angeführten und vom Bundesverfassungsgericht gestützten Begründung des Schutzes der Bahn mit ihren Gemeinwohlaufgaben wie die Bedienung der Fläche zu einheitlichen Preisen, die durch Quersubventionierung sichergestellt werden sollten und bei einem freien Wettbewerb mit dem Öffentlichen Straßenpersonen(fern)verkehr gefährdet wären. Sowohl die Monopolkommission42 als auch die Deregulierungskommission43 wiesen allerdings bereits Anfang der 1990er Jahre darauf hin, dass eventuelle Streckenstilllegungen im Schienenverkehr und eine Umstellung auf einen Busverkehr durchaus ökonomisch sinnvoll sein können, wenn dies zu einer wirtschaftlicheren Bedienung der Nachfrage führt. Ist auf einer politisch gewünschten Strecke kein rentabler Betrieb möglich, bietet sich eine Ausschreibung an. Zudem ist fraglich, ob der Fernverkehr überhaupt unter die Daseinsvorsorge zu fallen hat, so dass das Gemeinwohlargument keine akzeptable Begründung gegen eine Liberalisierung des Intercity-Busverkehrs darstellt.44

Die ebenfalls vorgebrachte Argumentation, durch eine Deregulierung des Busverkehrs könnten Fahrgastrückgänge im Schienenpersonennahverkehr eintreten45 und dort den Zuschussbedarf erhöhen bzw. vergangene Investitionen obsolet werden lassen, überzeugt ebenfalls nicht. Zum einen kann durch eine sinnvolle Nach-Unten-Abgrenzung des Fernverkehrs sichergestellt werden, dass es kaum Überschneidungen zum Nahverkehr gibt. Wenn dies doch der Fall ist, sollten eigenwirtschaftliche Busverkehre stets Vorrang vor subventionierten Schienenverbindungen haben. Vergangene Streckeninvestitionen stellen in diesem Kontext gegebenenfalls „sunk costs“ dar und sind daher nicht mehr entscheidungsrelevant.

Vereinzelt wird argumentiert, der Schienenverkehr trage im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern über den Emissionshandel einen Teil seiner externen Kosten selbst.46 Hier wird ausgeblendet, dass die Überdeckung der Wegekosten47 über Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer durchaus einen Beitrag zur Internalisierung der Umweltkosten bedeutet. Eine Studie von INFRAS48 im Auftrag der Allianz pro Schiene zeigt zudem, dass die externen Kosten des Busverkehrs deutlich unter denen des Schienenverkehrs liegen.

Stau- und Unfallgefahr

Vereinzelt werden die Aspekte einer erhöhten Stau- und Unfallgefahr im Busverkehr angesprochen. Stau- wie Unfallkosten haben sowohl eine externe als auch eine interne Dimension. Externe Staukosten in Form von zusätzlicher Luftverschmutzung und der daraus resultierenden Klimawirkungen sind nicht abzustreiten, werden durch die bereits angesprochene Wegekostenüberdeckung zumindest teilweise internalisiert. Interne, den Fahrgast selbst schädigende Staukosten sind in seiner eigenen individuellen Kostenrechnung abgebildet und sind den niedrigeren Fahrpreisen des Busses im Vergleich zu seinen Wettbewerbern gegenüberzustellen. Es ist also davon auszugehen, dass Passagiere mit hohen Zeitkosten vermutlich seltener als solche mit niedrigeren Zeitkosten einen Fernbus nutzen werden. Analog hierzu würde auch ein Teil der Unfallkosten des Busfernverkehrs durch Versicherungsbeiträge internalisiert, die letztlich im Fahrpreis eingepreist wären. Der externe Teil der Unfallkosten fällt beim Bus hingegen laut INFRAS tatsächlich höher aus als im Schienenverkehr (5,80 Euro versus 0,90 Euro/1000 Pkm), wobei hier erneut zu erwähnen ist, dass die Summe aller externen Kosten pro Pkm im Busverkehr niedriger ist als im Schienenverkehr.49 Aus diesen Gründen stellen die externen Kosten des Busverkehrs, inklusive seiner Stau- und Unfallkosten, keine Rechtfertigung für eine Mengenbeschränkung dar.

Fahrgastrechte und -informationen

Einige Stakeholder fordern schließlich, eine Deregulierung des Intercity-Busverkehrs solle an eine Einführung von Fahrgastrechten ähnlich denen im Schienenverkehr gekoppelt sein (vgl. Tabelle 1). Dieser Forderung ist aus wettbewerblichen Gründen sowie zum Schutze des Verbrauchers zuzustimmen, wobei die genaue Umsetzung aber außerhalb des PBefG erfolgen kann. Die zuständige Behörde zur Überwachung der Fahrgastrechte könnte die sein, die auch für die Erteilung der unternehmensbezogenen Genehmigungen für das Anbieten von Busfernlinienverkehren sowie für die Überwachung der Betriebspflicht und Fahrplaneinhaltung zuständig ist. Diese Tätigkeiten könnten durch neu einzuführende Gebühren beispielsweise pro angebotenem Sitzkilometer finanziert werden, die für die Einreichung (Anzeige) von Fahrplänen anfallen könnten.

Mit Ausnahme des Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Verkehrsclub Deutschland sowie des gemeinsamen Gesetzentwurfs von SPD und Bündnis90/Die Grünen wird die Rolle der Fahrgast- und Kundeninformation bislang kaum diskutiert (vgl. Tabelle 1). Der Verkehrsclub konkretisiert seine Vorstellungen hierzu am deutlichsten und fordert mittel- bis langfristig ein im Auftrag der öffentlichen Hand von einem neutralen Betreiber angebotenes Vertriebs-, Buchungs- und Fahrgastinformationsportal für den gesamten öffentlichen Verkehr, inklusive des Buslinienfernverkehrs.50 Zudem solle ein durchgängiger Grundtarif für den gesamten öffentlichen Verkehr gegeben sein, ergänzt durch Sondertarife, die jeder Betreiber darüber hinaus in eigener Verantwortung anbieten kann. Kurzfristig solle solch ein Portal zumindest für den Buslinienfernverkehr alleine aufgebaut werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband betont insbesondere die Notwendigkeit einer Information der Fahrgäste über aktuelle Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Insgesamt ist diesen Vorschlägen zuzustimmen, wobei zu prüfen ist, inwieweit das etablierte Portal bahn.de, das bereits einen Großteil des Nahverkehrs beinhaltet, auch für Fernbusse geöffnet werden kann. Für eine zeitaktuelle Information der Passagiere an den Haltepunkten ist jedoch sicherzustellen, dass diese entsprechend ausgerüstet sind.

Festlegung von Haltepunkten

Eine bislang nahezu gar nicht diskutierte Fragestellung im Rahmen der Deregulierung des Busfernverkehrs betrifft die Zuweisung von Haltepunkten, insbesondere in Innenstädten. Einzig der Deutsche Industrie- und Handelskammertag wirft in einer kurzen Stellungnahme zum Referentenentwurf die Frage nach der Regelung des Zugangs zu Busbahnhöfen auf.51

In der Literatur wurde als Hauptproblem der Deregulierung des britischen Fernbussystems identifiziert, dass der Zugang von Konkurrenten zu den Busbahnhöfen in großen Städten, die in vielen Fällen weiterhin dem bisherigen Monopolisten National Express gehörten bzw. von diesem dominiert wurden, begrenzt war.52 In Deutschland stellt sich die Situation allerdings anders dar, da hier bislang abgesehen von BerlinLinienBus auf der Berlin-Hamburg-Route keine dominierenden Anbieter von Busfernverkehren auszumachen sind, die den Zugang zu Busbahnhöfen kontrollieren könnten.

Es ist vielmehr festzustellen, dass in den meisten deutschen Städten keine zentralen Fernbusbahnhöfe (ZOB) mit ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen, die mit geschlossenen Warteräumen mit Sitzmöglichkeiten, Gastronomieangebot und aktuellen Fahrplananzeigen ein Mindestmaß an Komfort und Fahrgastinformation bieten, das mit den Wettbewerbern Schiene und Flugzeug vergleichbar wäre.

Tabelle 2 zeigt exemplarisch die Verfügbarkeit von (Fern-)Busbahnhöfen in den 15 größten Städten Deutschlands. Mit Ausnahme von Berlin, Hamburg und München verfügt keine Stadt über einen gut ausgestatteten zentralen Fernbusbahnhof. Gespräche mit Vertretern der ZOB Berlin und Hamburg haben zudem ergeben, dass es dort jetzt schon in Spitzenstunden zu Kapazitätsengpässen kommen kann. Gleichzeitig schreiben aber viele Städte, unter anderem Hamburg und Berlin, über Verordnungen die Nutzung der existierenden ZOB für Fernlinienverkehre vor. Die deutschen Städte sind auf eine Deregulierung des Intercity-Busverkehrs folglich kaum vorbereitet.

Tabelle 2
(Fern-)Busbahnhöfe in den 15 größten Städten Deutschlands
Stadt Verfügbarkeit ZOB Lage nahe Fernbahnhof/ÖPNV Geschlossene Warte­räume mit Sitzen Aktuelle Fahrplan­information Kapazitäts­engpässe absehbar
Berlin Ja Nein/Ja Ja Ja Ja
Hamburg Ja Ja/Ja Ja Ja Ja
München Ja Ja/Ja Ja Ja ?
Köln2 Ja Ja/Ja Nein Nein Ja
Frankfurt Nein   Nein Nein ?
Stuttgart1,2 Nein (geplant) Nein/Ja Nein Nein ?
Düsseldorf Ja Ja/Ja Nein Nein ?
Dortmund2 Ja Ja/Ja Nein Nein ?
Essen Ja Ja/Ja Nein Nein Ja
Bremen Ja Ja/Ja Nein Nein ?
Hannover2 Ja Ja/Ja Nein Nein Ja
Leipzig Ja Ja/Ja Nein Nein ?
Dresden Nein   Nein Nein ?
Nürnberg Ja Ja/Ja Nein Nein ?
Duisburg Ja Ja/Ja Nein Nein ?

1 Der bisherige ZOB Stuttgart wird für fünf Jahre wegen des Baus von Stuttgart 21 durch Provisorien ersetzt, ein geplanter neuer Fernbusbahnhof in Vaihingen wird nicht errichtet.

2 Planungen für neuen ZOB in Flughafennähe.

Quellen: Gespräche mit Betreibern, Internetrecherche, u.a. auf http://www.koeln.de/koeln/fernbusbahnhof_soll_vom_breslauer_platz_weg_172061.html, http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.neue-fernbusterminals-der-busbahnhof-zieht-um.c71e3067-7057-4a7a-9dc3-4324113d4d63.html, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Reise-ZOB-an-der-Rundestrasse-in-Hannover-nimmt-Gestalt-an.

Der Kapazitätsengpass sollte nicht dazu genutzt werden, die angekündigte Deregulierung des Fernbusverkehrs zu verschieben oder auszusetzen. Kommunen sollten vielmehr kurzfristig angemessene Interimsbusbahnhöfe zur Verfügung stellen, um dem erwarteten Anstieg von Fernbusverkehren gerecht zu werden. In Fällen von Kapazitätsengpässen zentraler Busbahnhöfe sollten Busunternehmen das Recht erhalten, zumindest zwischenzeitlich alternative Haltepunkte zu benutzen.

Fazit

Aufgrund strenger Zulassungsvoraussetzungen zum Schutz der Bahn gibt es innerhalb Deutschlands fast keine öffentlichen Fernbusverkehre. Diese Regulierung ist aus normativ-theoretischer Sicht nicht gerechtfertigt, da kein nennenswertes Marktversagen im Intercity-Busverkehr auftreten würde. So sind beispielsweise die externen Umweltkosten des Reisebusses niedriger als bei allen anderen Verkehrsträgern im Personenfernverkehr. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum die Bahn aufgrund ihrer Gemeinwohlverpflichtung vor Konkurrenz geschützt werden sollte: Zum einen ist mehr als fraglich, ob der Fernverkehr überhaupt in den Bereich der Daseinsvorsorge zu fallen hat, zum anderen könnte man die Fläche mit Bussen günstiger mit den Metropolen verbinden.

Gesetzentwürfe der Bundesregierung und SPD/Bündnis90/Die Grünen sehen vor, Fernbusverkehre auch im Wettbewerb untereinander und zur Bahn zuzulassen, und sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Die genaue Ausgestaltung der Marktöffnung ist zurzeit noch Gegenstand einer intensiven politischen Diskussion. Es zeigt sich, dass mit wenigen Ausnahmen (VDV, Linkspartei) mittlerweile fast alle Stakeholder einer zumindest eingeschränkten Liberalisierung zustimmen.

Im Rahmen der Liberalisierung sollte entgegen der Meinung einiger Interessenvertreter von einer Genehmigungs- und Konzessionierungspflicht abgesehen werden, um eine möglichst hohe Wettbewerbsdynamik bei gleichzeitig geringen Bürokratiekosten zu erreichen. Die Gesetzentwürfe sind diesbezüglich zu überarbeiten. Andererseits besteht Einigkeit darüber, mittels strenger subjektiver Kriterien auf Unternehmensebene nur solche Unternehmen für Buslinienfernverkehre zuzulassen, die ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Sicherheit garantieren können.

Ebenfalls diskutiert wird die Einführung einer Bemautung für Fernlinienbusse, auch um Wettbewerbsverzerrungen zur Schiene zu vermeiden. Eine aktuelle Wegekostenstudie zeigt jedoch, dass der Reisebus schon jetzt ohne Maut auf Fernstraßen einen deutlich höheren Wegekostendeckungsbeitrag aufweist als die Schiene.

Von einigen Interessenvertretern wird schließlich berechtigterweise gefordert, eine Deregulierung des Intercity-Busverkehrs mit der Einführung von Fahrgastrechten ähnlich derer im Schienenverkehr sowie einer zentralen Buchungsplattform zu verknüpfen und eine gute Information des Passagiers über aktuelle Ankunfts- und Abfahrtzeiten sicherzustellen.

Letzteres lässt sich angesichts der dürftigen Ausstattung der Busbahnhöfe in den meisten deutschen Städten jedoch vermutlich nur zeitverzögert bzw. vorab lediglich über mobile Applikationen realisieren. Die Bereitstellung passagierfreundlicher und sauberer, sowohl an das ÖPNV- als auch an das Autobahnnetz gut angebundener Busbahnhöfe mit überdachten bzw. möglichst geschlossenen Warteräumen, Gastronomieangebot und aktueller Passagierinformation dürfte in den nächsten Jahren die größte Herausforderung in einem liberalisierten Fernbusverkehrsmarkt werden, weshalb hier weiterer Forschungs- und Beratungsbedarf gegeben ist.

  • 1 Vgl. S. Maertens: Intercity-Busverkehr in Deutschland – Notwendigkeit einer Liberalisierung, in: Internationales Verkehrswesen, H. 6, 2005, S. 251-256.
  • 2 Vgl. beispielsweise die Berichterstattung zum Fall Deinbus.de.
  • 3 Im Folgenden werden nur Strecken außerhalb gewachsener Ballungsräume als Fernverkehr betrachtet, die in der Regel durch Reiseweiten von mehr als 100 km gekennzeichnet sind; das PBefG grenzt Nah- und Fernverkehre bereits bei Reiseweiten von 50 km ab.
  • 4 D. Scherff: Es fährt ein Bus nach nirgendwo, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 9.2.2003, S. 40.
  • 5 Vgl. H. Berg, D. Cassel, K.-H. Hartwig: Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 2, München 2003, S. 209-210; M. Fritsch, T. Wein, H.-J. Ewers: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, München 2001, S. 358-368.
  • 6 Externe Umweltkosten aller Verkehrsmittel sind durch geeignete monetäre Maßnahmen zu internalisieren. Im Busverkehr kann von einer Deckung externer Kosten – inklusive der Wegekosten – durch Kfz- und Mineralölsteuern ausgegangen werden, vgl. INFRAS: Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland, Aufdatierung 2005, Studie im Auftrag der Allianz pro Schiene, Zürich 2007.
  • 7 Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 8.6.1960, http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv011168.html (5.4.2011).
  • 8 Monopolkommission: Wettbewerbspolitik vor neuen Herausforderungen, Hauptgutachten 1988/89, Baden-Baden 1990, S. 317-318; und Deregulierungskommission: Marktöffnung und Wettbewerb, Stuttgart 1991, S. 51, haben bereits vor 20 Jahren festgestellt, dass ein Wegfall der Möglichkeit zur Quersubventionierung zwar zu Streckenstilllegungen im Schienenverkehr führen könnte, eine Umstellung auf Busverkehre aber dann sinnvoll ist, wenn dieser die Nachfrage wirtschaftlicher bedienen kann. Ist auf einer politisch gewünschten Strecke kein rentabler Betrieb möglich, bieten sich Ausschreibungen an. Fraglich ist, ob der Fernverkehr überhaupt unter die Daseinsvorsorge zu fallen hat, und ob eine Freigabe des Busfernverkehrs tatsächlich massive Auswirkungen auf das Schienenverkehrsnetz hätte. Das Gemeinwohlargument ist also als Begründung für die derzeitige Regulierung des Intercity-Busverkehrs nicht geeignet.
  • 9 Siehe z.B. S. Maertens, a.a.O.
  • 10 Monopolkommission, a.a.O., S. 51.
  • 11 Deutscher Bundestag: Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes – Wettbewerb im öffentlichen Personenfernverkehr zulassen, Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 15/3953 vom 20.10.2004.
  • 12 S. Maertens, a.a.O.
  • 13 L. Junior: Fernbuslinienverkehre in Deutschland, Analyse des derzeitigen Regulierungsregimes und seiner volkswirtschaftlichen Auswirkungen und Prognose von Modal-Split-Auswirkungen bei einer Deregulierung auf den Personenfernverkehr anhand einer Conjoint-Analyse, Diplomarbeit im Fach Verkehrswissenschaft, Köln 2006.
  • 14 M. Walter, F. Haunerland, C. von Hirschhausen, R. Moll: Heavily regulated, but promising prospects: Entry in the German Express Coach Market, in: Transport Policy, 18. Jg. (2001), S. 373-381.
  • 15 A. Eisenkopf, C. Burgdorf: Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs in Deutschland, Studie im Auftrag des Verbandes der Automobilindustrie e.V., Friedrichshafen 2010.
  • 16 S. Maertens, a.a.O.
  • 17 Deutscher Bundestag: Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes – Wettbewerb im öffentlichen Personenfernverkehr zulassen, Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/384 vom 18.1.2006
  • 18 Deutscher Bundestag: Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes – Fernlinienbusverkehre ermöglichen, Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 16/842 vom 8.3.2006.
  • 19 CDU/CSU/FDP: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode, 2009, S. 37.
  • 20 Bundesministerium für Verkehr: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften, Stand: 31.1.2011, o.O.
  • 21 Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drucksache 17/8233 vom 21.12.2011.
  • 22 Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungs- und mautrechtlicher Vorschriften, Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 17/7046 vom 21.9.2011.
  • 23 Deutscher Bundestag: Keine Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs – für einen Ausbau des Schienenverkehrs in der Fläche, Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, Drucksache 17/7487 vom 26.10.2011.
  • 24 Vgl. SPD Bundestagsfraktion: Entwurf zur Personenbeförderungsgesetz-Novelle ist nicht rechtssicher, Pressemitteilung vom 16.3.2011, Berlin, http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_dok/0,,55991,00.pdf (31.03.2011).
  • 25 Allianz pro Schiene: Für die Fahrgäste keine echte Verbesserung, Pressemitteilung vom 9. 2.2011, Berlin, http://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/2011/007-fernbus-gesetz-busbetreiber-fahrgaeste (31.03.2011).
  • 26 Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V.: Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs – eine kritische Bestandsaufnahme, Hintergrundpapier 1/2011, Berlin, Januar 2011, http://www.bahnindustrie.info/fileadmin/Dokumente/Publikationen/Hintergrundpapiere/Hintergrund_2011_01_Buslinienfernverkehr.pdf (31.3.2011).
  • 27 G. Aberle: Neues PBefG: Ecken, Kanten, Tabus, in: Internationales Verkehrswesen, H. 2, 2011, S. 11.
  • 28 Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Unternehmerische Initiative und politische Gestaltung: Ein kundenfreundlicher öffentlicher Verkehr braucht beides, Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften (PBefG), 11.3.2011, Berlin, http://www.vzbv.de/mediapics/personenbefoerderung_kundenorientierung_pbefg_2011.pdf (31.3.2011).
  • 29 mofair e.V.: Referentenentwurf des Personenbeförderungsgesetzes muss wesentlich verbessert werden, Berlin 2011, http://www.mofair.de/db/presse/meldung_10485.html (31.3.2011).
  • 30 Deutscher Industrie- und Handelskammertag: DIHK-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften, 15.3.2011, Berlin, http://de.sitestat.com/hk/dihk/s?themenfelder.recht-und-fairplay.rechtspolitik.nationale-stellungnahmen.dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben.dihk-stellungnahme-pbefg&ns_type=pdf&ns_url=http://www.dihk.de/themenfelder/recht-und-fairplay/rechtspolitik/nationale-stellungnahmen/dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben/dihk-stellungnahme-pbefg/at_download/file?mdate=1300896427336 (31.3.2011).
  • 31 A. Eisenkopf, C. Burgdorf, a.a.O.
  • 32 Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD): Fernlinienbusse – eine Chance für einen besseren öffentlichen Fernverkehr in Deutschland?, Präsentation von Michael Gehrmann zum Fachgespräch „Bus über Land – Potenziale des Fernlinienbusverkehrs in Deutschland“ der Grünen Bundestagsfraktion am 2.6.2008, http://www.toni-hofreiter.de/dateien/fernbus/Vortrag_Michael_Gehrmann.pdf (31.3.2011).
  • 33 G. Aberle, a.a.O.
  • 34 Ebenda.
  • 35 Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer: Stellungnahme zur Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs vom 10.2.2011, Berlin.
  • 36 Vgl. z.B. E. Conrady-Goertz: Zum Nebeneinander von privaten und staatlichen Unternehmen im Personenverkehr, 1990, S. 106-107, in: H. S. Seidenfus (Hrsg.): Probleme des Wettbewerbs zwischen staatlichen und privaten Unternehmen im Verkehr, Münster 2003, S. 65-115; House of Commons: Transport – Eleventh Report, 2006, Appendix 21, http://www.publications.parliament.uk/pa/cm200506/cmselect/cmtran/1317/1317we22.htm (28.3.2011); und D. H. Robbins, P. R. White: The experience of express coach deregulation in Great Britain, in: Transportation, 13. Jg. (1986), S. 359-384.
  • 37 A. Eisenkopf, C. Burgdorf, a.a.O.
  • 38 DIW: Wegekosten und Wegekostendeckung des Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland im Jahre 2007, Forschungsprojekt im Auftrag des BGL, ADAC und BDI, Berlin 2009.
  • 39 A. Eisenkopf, C. Burgdorf, a.a.O.
  • 40 Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V., a.a.O.
  • 41 Allianz pro Schiene, a.a.O.
  • 42 Monopolkommission, a.a.O.
  • 43 Deregulierungskommission, a.a.O.
  • 44 S. Maertens, a.a.O.
  • 45 Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V., a.a.O.
  • 46 Z.B. ebenda.
  • 47 DIW, a.a.O.
  • 48 INFRAS, a.a.O.
  • 49 Ebenda.
  • 50 Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD): VCD Position Fernlinienbusse …, a.a.O.
  • 51 Deutscher Industrie- und Handelskammertag, a.a.O.
  • 52 Vgl. E. Conrady-Goertz, a.a.O., S. 106.

Title:Deregulation of Intercity Coach Traffic in Germany: Political Discussion and Current Issues

Abstract:Intercity coach traffic in Germany is virtually prohibited, in order to protect the rail network. From an economic perspective, this regulation is not legitimate, as allowing long distance coach transportation would not result in any market failures. A recent draft law from the German government includes a proposal to permit coach transport on longer routes and is therefore considered to be an important step toward a more efficient and competitive transport system. However, the exact set-up of the opening of the market is still being discussed intensely. This paper summarises and critically reviews the current discussion. In addition, the non-availability of coach terminals in most German cities is identified as a major issue with regard to the opening of the market.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-012-1419-7