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Aktuelle Staatsgarantien konzentrieren sich auf die Bekämpfung finanzieller Krisen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Im Interesse einer effizienten Finanz- und Wirtschaftspolitik wäre es sinnvoll, immer dann risikoorientierte Gebühren zu erheben, wenn der Staat als Vertreter aller Steuerzahler für mögliche Schäden oder Kreditausfälle eintritt. Insbesondere für die gewaltigen staatlichen Absicherungen im Zusammenhang mit der Euro-Rettung werden bei weitem keine risikogerechten Garantiegebühren erhoben. Würde man sich hier den Haftungseintritt so vergüten lassen wie im klassischen Gewährleistungsbereich, ließe sich ein erhebliches, finanzielles Gegengewicht zu den Risiken schaffen.

In den letzten vier Jahren sind Staatsgarantien zum wichtigsten Instrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik geworden. Vorher hatten sie eine bedeutende, aber in der breiteren Öffentlichkeit nur wenig beachtete Rolle gespielt. Die umfassendste, unkonventionellste und vielleicht hilfreichste Garantie der jüngeren Vergangenheit war das Versprechen von Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück am 5. Oktober 2008: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Das war eine spontane Haftungszusage in Höhe von rund 1800 Mrd. Euro. Die Garantie belief sich auf das Sechsfache des Volumens des Bundeshaushalts. Sie wurde freihändig ohne Parlamentsbeschluss in die Welt gesetzt. Die Garantie war für die begünstigten Sparer kostenlos. Wie im Idealfall einer Bürgschaft vorgesehen, wurde sie bisher nicht in Anspruch genommen. Dennoch zeigte sie – durch die Beruhigung der Anleger – die erhoffte Wirkung.

Garantien in dreistelliger Milliardenhöhe sind seit der 2007 einsetzenden Finanzkrise keine Seltenheit mehr:

  • 2008 wurden für den sogenannten „Bankenrettungsfonds“ 500 Mrd. Euro (hauptsächlich Garantien) bereitgestellt, um Kreditinstitute angesichts eines illiquide gewordenen Interbankenmarktes vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten.
  • 2009 wurden im Rahmen des Konjunkturprogramms II zur Bekämpfung der realwirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise 100 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, davon 75 Mrd. Euro als Bürgschaften und 25 Mrd. Euro als Kredite.
  • Ab dem Frühjahr 2010 wurden für Mitglieder der europäischen Währungszone bilaterale, multilaterale und gemeinschaftliche Garantien in Höhe von 310 Mrd. Euro zugesagt.1 Alleine der deutsche Anteil am „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (ESM) beträgt 211 Mrd. Euro.

Auch schon vor den Turbulenzen an den Finanzmärkten ab 2007 waren Staatsgarantien ein eingeführtes, finanz- und wirtschaftspolitisches Instrument, insbesondere

  • der Exportförderung bei Lieferungen in politisch oder ökonomisch unsichere Regionen der Welt,
  • der Förderung der Unternehmensgründung oder Unternehmenserweiterung,
  • der Rettung gefährdeter Betriebe, insbesondere wenn es um eine große Zahl von Arbeitsplätzen ging,
  • der Durchführung entwicklungspolitischer Vorhaben.

Im Bundeshaushalt 2012 ist insgesamt ein Ermächtigungsrahmen für Bürgschaften („Gewährleistungen“) von 670,28 Mrd. Euro vorgesehen.2 In den Bundesländern, einschließlich ihrer Gemeinden standen Ende 2010 weitere 145 Mrd. Euro bereit.3 Neben diesen ausgewiesenen und parlamentarisch gebilligten Garantien treten der Staat und damit die Gemeinschaft der Steuerzahler ohne offenen Zahlenausweis für noch weitaus gewaltigere Summen ein:

  • Der Bund haftet nicht nur für seine eigenen Verbindlichkeiten von 1286 Mrd. Euro, sondern aufgrund des bündischen Prinzips, das sich aus dem Grundgesetz ableitet, auch für die Schulden der Länder von 623 Mrd. Euro. Eine Insolvenz der Bundesländer ist rechtlich nicht vorgesehen, sodass in letzter Konsequenz der Zentralstaat „Bund“ eintreten muss. Diese implizite Haftung findet ihren Ausdruck im Finanzausgleich, in den Hilfen für das Saarland und Bremen sowie in weiteren Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Der Anleihemarkt honoriert diese Garantie des Bundes, indem er von den Ländern nur geringfügige Aufschläge auf die Rendite der Bundesanleihen in der Größenordnung von 50 bis 80 Basispunkten fordert. Wäre dieses Garantieverständnis nicht gegeben, müssten zumindest Bremen, das Saarland oder Berlin wesentlich höhere Zinsen zahlen.
  • Da die Städte und Gemeinden Teil der Bundesländer sind und insofern die Länder für ihre Kommunen haften, müsste der Bund indirekt auch für deren Schulden in Höhe von rund 133 Mrd. Euro geradestehen, wenn die Finanzkraft der Länder ausgeschöpft wäre. Vor dem Hintergrund dieser durchreichenden Gewährleistung konnten sich die Kreise und Städte bisher ebenfalls recht günstig refinanzieren. Erst in jüngster Zeit gab es einige Berichte über erste Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme einzelner, bereits hoch verschuldeter Kommunen. Die Geldgeber fürchten wohl neuerdings, im Ernstfall zumindest länger auf eine Entschädigung warten zu müssen.4
  • Über die sogenannte Gewährträgerhaftung garantiert der Bund das finanzielle Überleben der meisten Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts – direkt für seine eigenen, indirekt auch für alle anderen. Damit ist er im Obligo für:
  • die Bundesagentur für Arbeit mit einem jährlichen Haushalt von knapp 40 Mrd. Euro,
  • die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einer Bilanzsumme von fast 500 Mrd. Euro,
  • die Rentenversicherungsanstalten mit jährlichen Ausgaben von rund 250 Mrd. Euro und
  • zahlreiche weitere, öffentliche Einrichtungen.
  • Die Deutsche Bundesbank ist ebenfalls eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Ihr Grundkapital befindet sich zu 100% im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Insofern haftet der Bund auch für alle Verluste, die im Geschäftsbereich der Bundesbank aus finanziellen Transaktionen anfallen. Zwar verfügt die Bundesbank über 5 Mrd. Euro Eigenkapital, 12 Mrd. Euro Rückstellungen sowie erhebliche Bewertungsreserven bei den Goldbeständen. Bei Verlusten der Bundesbank bzw. der Übernahme von Verlustanteilen der EZB entfällt aber in jedem Fall die Gewinnabführung an den Bundeshaushalt. Diese wird bisher als relativ regelmäßige Einnahme im Bundeshaushalt veranschlagt und ist im Übrigen für die Tilgung von Schulden eingeplant. Gegebenenfalls müsste auch ein Verlust des Eigenkapitals der Bundesbank getragen werden. Das könnte z.B. über Ausgleichsforderungen gegen den Bund erfolgen. Dieses Instrument wurde schon bei der Währungsreform 1948 und bei der deutsch-deutschen Währungsunion 1990 genutzt, um die Notenbankbilanz wieder ins Lot zu bringen.

Insgesamt bürgt die Bundesrepublik Deutschland und damit jeder einzelne Steuerzahler für mindestens 5700 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Darin nicht eingerechnet sind künftige Pensions- und Rentenlasten, sowie sonstige für die Zukunft eingegangene, aber noch gestaltbare Zahlungsversprechen. Pro Kopf der erwachsenen Bevölkerung sind das über 80 000 Euro.

Tabelle 1
Die wichtigsten staatlichen Garantien Deutschlands
Garantie­geber Garantie­gegenstand Garantie­summe (Mrd. Euro ) Garantie­gebühr (% der Garantie­summe) geschätzter Wert der Garantie (Mrd. Euro p.a.) Form
Bund Ausfuhren, Auslands-Investitionen, Entwicklungshilfe 165 (Belegung31.3.2012) ca. 1 1,7 vertraglich
Bund Wirtschaftsförderung/Inland 110 (Belegung31.3.2012) ca. 1 bei 2% Zinsersparnis: 2 vertraglich
Länder/Gemeinden Wirtschaftsförderung 145 (31.12.2010) 0,5 – 1,5 bei 2% Zinsersparnis: 2 vertraglich
Bund KfW/Passiva 495 (Bilanz 31.12.2011) keine bei 1% Zinsvorteil: 5 gesetzlich
Bund Garantien, Kredite des Soffin 28 (31.12.2011) durchschnittlich 1,4 bei 3% Zinsersparnis: 1 gesetzlich
Bund Euro-Rettungsfazilitäten 118 (Belegung 31.3.2012) EFSF: 2, ESM: „angemessen“ bei 2% Zinsersparnis: 2 gesetzlich/vertraglich
Bund Schulden Bund, Länder, Gemeinden 2042 (31.3.2012) keine bei 1% Zinsersparnis: 7,5 grundgesetzlich
Bund Forderungen der Bundesbank 838 (Bilanz 2011) keine bei 1,5% Risikoprämie: 12,6 gesetzlich
Bund („Merkel/ Steinbrück“) „Einlagen der Sparer“ ca. 1800 (private Bankguthaben) keine bei 1% Zinsvorteil: 18 politisches Versprechen
Summe   5741   51,6  

Quellen: Euler Hermes Deutschland AG, www.agaportal.de, Verzeichnis der Gebühren und Entgelte; Allgemeine Bürgschaftsrichtlinie des Landes Niedersachsen, www.lexsoft.de; Bericht über das Geschäftsjahr 2011 des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, S. 1; Garantiewert KfW: Differenz der Refinanzierungszinsen zur Deutschen Bank.

Einnahmen aus staatlichen Garantien und Bürgschaften

Privat wird in der Regel kostenlos für Verwandte oder Freunde gebürgt, denen man einen Gefallen tun möchte. Im normalen Geschäftsverkehr sind Bürgschaften mit Gebühren verbunden, die am jeweiligen Risiko orientiert sind und im Übrigen die Verwaltungskosten sowie einen Gewinnbestandteil enthalten. Vereinfacht lässt sich der Zinssatz für einen Kredit in einen Zins für eine risikofreie Anlage (etwa der Zinssatz für eine Bundesanleihe) und eine Risikoprämie aufteilen, die die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls des Kreditnehmers abbildet. Dieser Risikobestandteil ist zugleich die Grundlage für die Berechnung der Bürgschaftsgebühr. So entspricht zum Beispiel die Jahresprämie für eine Ausfallversicherung für Staatsanleihen (Credit Default Swap, „CDS“) in normalen Zeiten in etwa der Differenz zwischen der Rendite für diese Anleihe und der Verzinsung einer sicheren Alternativanlage. Aktuell gilt diese Faustregel allerdings nur noch eingeschränkt, da CDS verstärkt spekulative Anlagen geworden sind und nur noch eingeschränkt der tatsächlichen Kreditabsicherung dienen.5

Grundsätzlich gilt die Gebührenpflicht auch für staatliche Gewährleistungen. Allerdings werden in zahlreichen Fällen Ausnahmen vom privatwirtschaftlichen Prinzip der Risikoorientierung bei den Prämien gemacht. Das ergibt sich unmittelbar aus der Abgrenzung zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Aufgaben. Denn wenn der private Sektor ein vergleichbares Versicherungsangebot wie der Staat bereitstellen könnte, würde sich staatliche Konkurrenz verbieten.

Geringe oder gar keine Bürgschaftsprämien fordert der Staat immer dann, wenn er ein bestimmtes Ziel, z.B. die Gründung von Unternehmen oder zukunftsweisende Investitionen voranbringen möchte. In diesen Fällen handelt es sich um eine spezielle Form der Subventionierung, die als Beihilfe bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorzulegen ist.6 Bei den verschiedenen Bürgschaftskategorien sind folgende Gebührenmodelle zu beobachten:

  • Bei den klassischen Bürgschaftsprogrammen zur Export-, Mittelstands-, Investitions- und Innovationsförderung orientieren sich die Prämien am jeweiligen Förderzweck:
  • Exportbürgschaften werden staatlich bereitgestellt, weil bei Ausfuhren in politisch oder finanziell instabile Weltregionen die Risiken für private Versicherer kaum kalkulierbar sind und deshalb ein Geschäftsabschluss unattraktiv ist. Die „Euler Hermes Deutschland AG“, die zusammen mit „PriceWaterhouseCoopers“ (PWC) die Exportversicherung abwickeln, kalkulieren aber so, dass für den Bund langfristig auch nach Ausgleich der Schadensfälle noch ein nennenswerter Nettoertrag als Einnahme verbleibt.7
  • Bei den inländischen Förderbürgschaften wird meist kostendeckend kalkuliert, d.h., die Bürgschaftsgebühren sollen die Kosten der erwarteten Ausfälle im Rahmen der Programmabwicklung decken.
  • Bei den Rettungsaktionen für Großunternehmen wird ein vom Bund und/oder Bundesland beauftragter Treuhänder („Mandatar“ des Bundes war fast immer PWC) mit dem Aushandeln der Bürgschaftskonditionen beauftragt. Der Treuhänder ordnet dabei die Rettung suchenden Unternehmen, je nach ihrer finanziellen Lage, bestimmten Risikoklassen zu. Das hat zur Folge, dass die gewünschte Staatsbürgschaft bei ernsthafter Gefährdung des Unternehmens zum Teil mit erheblichen Kosten verbunden ist. Darin liegt auch schon das generelle Problem der staatlichen Bürgschaftshilfe: Ist die Prämie zu niedrig, handelt es sich um eine schädliche Wettbewerbsverfälschung. Ist sie zu hoch, gefährdet sie die gewünschte Rettung, weil sie das ohnehin geschwächte Unternehmen stranguliert. So haben einige Antragsteller des „Deutschlandfonds“ erschrocken ihren Bürgschaftswunsch zurückgezogen, nachdem sie die Gesamtkosten ihrer Hilfsfinanzierung – Kreditzinsen plus Bürgschaftsprämien – erfahren hatten.
  • Bei den Rettungsaktionen zu Gunsten gefährdeter Eurostaaten hat man es auch zunächst mit marktorientierten Kredit- und Bürgschaftskonditionen versucht. Im Abkommen über den EFSF ist noch eine jährliche Gebühr von 2%, nach drei Jahren sogar von 3% vorgesehen.8 Nachdem insbesondere Griechenland damit bei weitem überfordert wurde, einigte man sich mit diesem besonders gefährdeten Land auf moderate Bedingungen. In den Vorschriften für den ESM findet sich folgerichtig nur noch die Forderung nach einer „angemessenen Gebühr“9.

Grundsätzlich soll der Staat nur bürgen, wenn mit einem Ausfall des Gläubigers wahrscheinlich nicht zu rechnen ist oder ausreichende Sicherheiten zur Abdeckung möglicher Garantieschäden zur Verfügung stehen. Aber wie im privaten Versicherungsgeschäft kann die Rechnung des staatlichen Bürgen aufgehen oder auch nicht. Im Massengeschäft mit Exportfirmen oder mittelständischen Kunden ist die Geschäftsgrundlage noch vergleichsweise solide. Bei einer großen Zahl von Garantieverträgen lässt sich eine aus der Vergangenheitserfahrung gewonnene Ausfallquote in die Bürgschaftsprämie einkalkulieren, sodass dauerhafte Verluste in diesen Bereichen bisher nicht aufgetreten sind.

Zwischen 1991 und 2008 – dem letzten Jahr, bevor die Finanzkrise auf den Bundeshaushalt durchschlug – beliefen sich die Ausgaben für Bürgschaftsschäden (einschließlich der Nebenkosten) auf 34,2 Mrd. Euro. An Einnahmen wurden 48,9 Mrd. Euro erzielt. Insofern war das Bürgschaftsgeschäft für den Bund bei einem positiven Saldo von insgesamt 14,7 Mrd. Euro (jährlich im Durchschnitt 0,8 Mrd. Euro) ein einträgliches, gut kalkuliertes Geschäft.10

Auch für die Jahre 2009 bis 2011 ist die Einnahme/Ausgabe-Bilanz noch ausgeglichen. Allerdings hat das „On-Budget“-Ergebnis heute nur noch wenig Aussagekraft, wie schon der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen zum Bundeshaushalt 2010 feststellt.11 Denn die wirklichen Risiken und Verluste liegen heute im „Off-Budget-Bereich“, beim Bankenrettungsfonds, bei den europäischen Rettungsschirmen und bei der Bundesbank als Teil der Europäischen Zentralbank. So hat der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung („Soffin“) das Geschäftsjahr 2011 mit einem Verlust von 13,1 Mrd. Euro abgeschlossen: Einnahmen aus Garantiegebühren in Höhe von 2,85 Mrd. Euro standen Verlustübernahmen und Rückstellungen in Höhe von 15,95 Mrd. Euro gegenüber.12 Insgesamt hat der Soffin seit 2009 schon Nettoverluste von über 22 Mrd. Euro angesammelt.13 Wegen der Sonderfondskonstruktion schlagen sie zwar noch nicht auf den Bundeshaushalt durch, werden aber später in Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag aus Gewährleistungen einzubeziehen sein.

Es gibt allerdings auch Garantien außerhalb des Bundeshaushalts, die bisher sehr ertragreich waren. Die Gewährträgerhaftung für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ermöglicht dieser – zum Ärger der privaten Konkurrenz – die Kreditaufnahme nahezu zu Bundeskonditionen. Sie kann so fast jedes Jahr erhebliche Überschüsse verbuchen und daraus Wirtschaftsförderung für den Bund finanzieren. Sie konnte aus eigenen Mitteln 2007/2008 die Verluste aus der Schieflage der Industriekreditbank (IKB) übernehmen und hat auch dadurch dem Bund Ausgaben erspart. Die Haftung für die Bundesbankbilanz ist ebenfalls ertragreich. Seit Jahrzehnten gehört die Bundesbankgewinnablieferung – wie erwähnt – zu den festen Einnahmepositionen des Bundes – die allerdings in Zukunft gefährdet sein könnte.

Ein schlechtes Geschäft sind insbesondere die informellen Garantien, weil aus ihnen der Natur der Sache nach überhaupt keine direkten Gebühreneinnahmen fließen. Die implizite Garantie des Bundes für die Länder hat schon sehr hohe Milliardensummen gekostet – selbst wenn man den fiktiven Garantieeintritt auf die Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen begrenzt. Die teuerste, informelle Staatsgarantie könnte in Zukunft durch die politische Aussage der Bundeskanzlerin Angela Merkel begründet sein: „Fällt der Euro, fällt Europa“. Versteht man dies Postulat so, dass alles menschenmögliche zur Verteidigung des Euro unternommen wird, könnte ein solches Versprechen die Sparerschutzgarantie von Merkel-/Steinbrück aus dem Jahr 2008 im Volumen noch bei weitem übertreffen.

Staatliche Bürgschaften – Übel oder Einnahmequelle?

Aus klassischer, ordnungspolitischer Sicht bedürfen alle staatlichen Eingriffe ins Wirtschaftsgeschehen der besonderen Rechtfertigung. Da Garantien grundsätzlich auch privatwirtschaftlich angeboten werden, gilt dieser Grundsatz auch für staatliche Gewährleistungen. Öffentliche Bürgschaftsangebote werden mit Marktunvollkommenheiten begründet: Entweder fehlen für einen privaten Garantiegeber (der sich insofern nicht von einem privaten Kreditgeber unterscheidet) Erfahrungswerte für eine Risikoeinschätzung. Das gilt zum Beispiel für Garantien an Unternehmensgründer oder an Exportunternehmen zur Abdeckung politischer Risiken. Oder die Risiken sind so gewaltig, dass der Schadensfall den Garantiegeber einschließlich Rückversicherer selbst in die Insolvenz stieße. Aufgrund solcher unkalkulierbaren Großrisiken gibt es z.B. eine private Gesamtversicherung für Atomunfälle.14

Auf den ersten Blick scheint die Empfehlung sinnvoll, staatliche Garantievergabe – auch angesichts der hohen eigenen Verschuldung – auf ein absolutes Mindestmaß zu begrenzen. Andererseits bürgt der Staat als Gemeinschaftseinrichtung seiner Bürger indirekt ohnehin für Großschadensereignisse wie Atomkatastrophen, Überschwemmungen, Erdbeben, Finanzkrisen oder verunglückte Währungsexperimente. Warum sollte nicht aus dem Unvermeidlichen etwas Sinnvolles und Ertragreiches hervorgehen, indem staatliche Garantieversprechen systematisch auf die Möglichkeit einer Gebührenpflicht hin überprüft werden?

Dafür bedarf es zunächst einer Grenzziehung zwischen

  • der staatlichen Gewährleistung akzeptabler Lebensbedingungen, die durch Steuern und andere Zwangsabgaben finanziert und damit abgegolten ist auf der einen Seite und
  • nutzerspezifischen Staatsgarantien, für die ein angemessener Preis zu fordern ist, auf der anderen.

Zur ersten Kategorie gehört die staatliche Vorsorge für Katastrophen, die jeden Staatsbürger oder zumindest deren überwiegende Mehrheit treffen könnten. Am anderen Ende der Skala finden sich die Garantieleistungen für einzelne Personen oder Unternehmen, die heute schon gebührenpflichtig sind, wie zum Beispiel Gewährleistungen für Investitionskredite oder Exportgeschäfte. Insgesamt haben die gruppenspezifischen Staatsgarantien einen geschätzten jährlichen Prämienwert von über 50 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1), der jedoch nur zum Teil eingefordert wird. Es wäre sowohl ordnungspolitisch als auch finanzpolitisch sinnvoll, hier eine Überprüfung anzusetzen.

Bankeneinlagen-Garantie

Diese generelle Aussage soll hier an Hand der Merkel-/Steinbrück-Garantie für die deutschen Sparer erläutert werden. Die politische Ansage von 2008 betraf den Fall, dass Banken in Deutschland im Zug der Finanzmarktkrise zahlungsunfähig würden und auch beim Einlagensicherungsfonds der Banken die Liquidität erschöpft wäre. Zwar wurde die Merkel-/Steinbrück-Garantie nie erläutert, aber es kann davon ausgegangen werden, dass von ihr auch die Einlagen von über 100 000 Euro pro Anleger erfasst worden wären, die nicht durch die Einlagensicherung geschützt sind. Denn solche Summen sind nicht der Ausweis gewaltigen, nicht schützenswerten Reichtums, sondern vielmehr oft die Altersvorsorge sogenannter „Normalverdiener“. Der Wert der Merkel-/Steinbrück-Garantie wurde 2008 eher in politischen Maßstäben gewürdigt. Er lässt sich aber beziffern. Denn durch sie werden fast sichere Finanzanlagen zu völlig sicheren Guthaben, die sich unter Risikogesichtspunkten mit Bundesschatzbriefen vergleichen lassen. Für diese Zusatzsicherung durch den Staat gegen die ganz großen Katastrophen könnten entweder die Banken oder die Bankenkunden eine Provision bezahlen. Letztere wäre auch bei einem solchen Zusatzaufwand bei den aktuellen Renditen für kurzfristige Spareinlagen von rund 1¾% immer noch besser gestellt als die Sparer, die auf Bundesschatzbriefe setzen und dafür fast überhaupt keine Zinsen mehr bekommen.

Eine solche gebührenpflichtige, staatliche Rückversicherung wäre mit erheblichen Vorteilen verbunden:

  • Für den deutschen Sparer wäre absolute Nominalwertsicherheit seiner Bankeinlagen gewährleistet – nur ein Staatsbankrott könnte diese Sicherheit gefährden.
  • Der Staat – also die Gemeinschaft aller – würde dafür entschädigt, dass er eine Gruppe der Geldvermögensbesitzer vor allen Risiken abschirmt. Damit würde möglicher Kritik vorgebeugt, im Schadensfall müssten vermögenslose Geringverdiener mit ihren Steuern die bessergestellten Inhaber von Sparguthaben entschädigen.
  • In allen kritischen Situationen der Finanzmarktinstabilität – wie sie heute schon Euroländer erleben – wäre die Wahrscheinlichkeit eines Sturms auf die Banken bei uns deutlich verringert. Das war ja auch der Zweck der Merkel-/Steinbrück-Garantie.

Die seit Anfang 2011 zu zahlende Bankenabgabe zur Finanzierung des Restrukturierungsfonds entspringt ebenfalls der Grundidee, dass für die implizite Garantie des Staates für den Bankensektor eine Gebühr zu fordern ist. Sie beschränkt sich aber auf die Finanzierung einer gegebenenfalls erforderlichen Bankenrettung, was nicht unbedingt vollen Werterhalt für die Privatguthaben bedeutet.15 Das ist zumindest seit dem Schuldenschnitt für Griechenland-Anleihen – Griechenland wurde (vorübergehend) gerettet, aber die Anleihewerte für Privatanleger mehr als halbiert – für jeden sichtbar.

Bund-Länder-Garantie

Eine von Ländern und ihren Gemeinden zu zahlende Gebühr für die implizite Garantie des Bundes zugunsten der Schulden der übrigen staatlichen Ebenen wäre logisch. Angesichts der seit Beginn des deutschen Föderalismus bestehenden Garantie ist eine solche Entgeltpflicht aber nicht durchsetzbar. Im Gegenteil, die Länder fordern seit langem vom Bund eine kostenlose, explizite Mithaftung des Bundes für die Länder-Anleihen („Deutschlandbonds“), um auch die geringen Zinsaufschläge von 50 bis 80 Basispunkten noch einsparen zu können.16 Für alle Bundesländer gemeinsam würde das langfristig erreichbare Zinsausgaben-Ersparnisse von rund 3 Mrd. Euro jährlich (0,5% von ca. 600 Mrd. Euro) ermöglichen. Eigentlich würden diese Beträge dem Bund als Garantiegeber für die gemeinsamen „Deutschland-Anleihen“ zustehen. Zumindest sollten sich Bund und Länder den Vorteil teilen.

Die Länder hatten im Juni 2012 die gemeinsame Anleihe als „Zustimmungsprämie“ für die Verabschiedung des europäischen Fiskalpaktes verlangt, aber nur eine gemeinsame Anleihe bei getrennter Haftung („Jumbo-Anleihe“) durchsetzen können. Wahrscheinlich war dem Bund die begriffliche Nähe zu den heftig bekämpften Eurobonds zu gefährlich. Sachlich hätte wenig dagegen gesprochen diesen Preis zu zahlen, statt etwa bei der Behindertenintegration den Wiedereinstieg in föderale Mischfinanzierung zu akzeptieren. Denn die Mithaftung besteht ja – wie beschrieben – ohnehin.

Euro-Garantien

Dass für die „klassischen“ Staatsgarantien (Ausfuhrförderung, Unternehmensgründung, Investitionsförderung, Entwicklungshilfe usw.) zumindest kostendeckende, d.h. risikoadäquate Provisionen veranschlagt werden, ist an den Überschüssen des Bundes aus dem „On-Budget“-Geschäft abzulesen. Insofern ist die staatliche Übernahme von Risiken, die sonst keiner decken will, gesamtwirtschaftlich und haushaltpolitisch in vielen Fällen sinnvoll.

Dass die doppelte Dividende der klassischen Staatsbürgschaften bei den „Krisengarantien“ der jüngsten Vergangenheit nicht erzielt wird, hat einen einfachen Grund. Deutschland bürgt zurzeit überwiegend für extrem gefährdete Finanzinstitute und Eurostaaten. Das ist einem privatwirtschaftlichen Versicherungsabschluss für ein Haus vergleichbar, das schon brennt oder in einer akuten Waldbrandzone errichtet wurde. Keine sinnvolle Versicherungsprämie kann solche Risiken decken. Hätte es dagegen schon langjährig eine staatliche Rückversicherung für alle Finanzinstitute gegeben, in die Starke wie Schwächere eingezahlt hätten, müsste heute der Steuerzahler nicht für die gewaltigen Verluste von Hypo Real Estate, WestLB usw. zahlen. Aber für die Zukunft wäre es günstiger die Finanzinstitute (und die Sparer) beim Staat für die ganz großen Krisen-Risiken zu versichern, die kein privater Rettungsfonds decken kann.

Das Gleiche gilt für Staaten, die künftig nicht mehr als sichere Schuldner betrachtet werden können. Bis Anfang 2010 galten staatliche Schuldpapiere, zumindest im Bereich der entwickelten Industrieländer, als risikofrei. Für sie muss deshalb bis heute in den Bankbilanzen kein Eigenkapital als Risikovorsorge unterlegt werden. Staaten verschuldeten sich – bis auf das Leitwährungsland USA – weitgehend im Inland. Sie konnten sich dort auf die Finanzierung durch institutionelle Investoren und Sparer verlassen. Notfalls bestand in vielen Ländern die Möglichkeit, die Notenbanken zur direkten oder indirekten Kreditvergabe – auch unter Inkaufnahme von Inflation – in Anspruch zu nehmen. Mit der Errichtung der Währungsunion 1999 änderte sich die Situation zwar grundsätzlich, aber kaum jemand achtete darauf, dass aus inländischer Staatsverschuldung, die noch in Lire, Peseten oder Drachmen angesammelt worden war, von heute auf morgen harte Fremdwährungskredite in Euro geworden waren. Versicherungen für Staatsschulden (die erwähnten „CDS“) blieben deshalb bis zur Bankenkrise eine kaum beachtete Spezialität der Finanzmärkte.

Für Staaten außerhalb Europas gab es schon seit dem Ende des zweiten Weltkrieges eine Form staatlicher Versicherung für Staatsschulden im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Aber die Mithaftung für ein einzelnes Land hielt sich im engen Rahmen. Der IWF hat es auch immer verstanden, sein eigenes Risiko bei Hilfskrediten durch einen bevorzugten Gläubigerstatus zu minimieren. Für die gesamte Kreditaufnahme von Griechenland, Irland, Portugal, Zypern, Spanien und vielleicht bald Italien mit zu haften oder sogar eines Tages über „Eurobonds“ für alle Schulden der Euroländer mit einzustehen ist eine andere Dimension. Niemand kennt den Preis eines Euro-Moratoriums und niemand kennt die Kosten einer fortgesetzten Euro-Verteidigung. Und wenn das Überleben des Euro mit der Sicherung von Frieden und Freiheit sowie der Rolle Europas in der Welt von Morgen in Verbindung gebracht wird, endet die wirtschafts- und finanzpolitische Analyse ohnehin. Aber wenn der Euro in seiner derzeitigen räumlichen Dimension bewahrt werden soll, wird es kaum eine Alternative zur umfassenden Gemeinschaftshaftung geben. Ohne Deckung durch alle Euroländer werden die Krisenländer ihre auf Euro lauteten Schulden nicht refinanzieren können. Sie werden zu einer echten Inlandsverschuldung zurückkehren müssen, die einfacher zu gestalten ist, als Kredite die auf Euro lauten.

Genau betrachtet haftet der Euroraum heute schon sehr weitgehend für die Schulden seiner Mitgliedsländer. Die materiellen Grundlagen dieser Euro-Garantie sind nicht nur bilaterale Kredite (ca. 80 Mrd. Euro), EFSF und ESM (rund 900 Mrd. Euro), sondern auch die EZB-Bilanzkredite (Target II – rund 700 Mrd. Euro) und Anleihekäufe (ca. 140 Mrd. Euro) der EZB. In der Summe beträgt die Haftung schon rund 20% der wirtschaftlichen Leistung des Euroraums und 22% der Euro-Staatsschulden. Die Ausdifferenzierung der Hilfssysteme hat den Vorteil, das Ausmaß der Haftung nicht offen darstellen zu müssen. Dem steht aber der große Nachteil gegenüber, dass die Finanzmärkte trotz aller Euro-Bekenntnisse und Euro-Unterstützungen nicht genau wissen, wie weit die Hilfe reicht. Da über die Höhe des möglichen Gesamtverlustes für Deutschland ohnehin schon in aller Öffentlichkeit diskutiert wird,17 hätte eine Überführung der bisherigen Unterstützungssysteme in ein klar strukturiertes und offenes Euro-Sicherheitsnetz mehr Vor- als Nachteile.

Wenn Deutschland schon umfassend für Europa haftet, sollte es sein noch gutes Standing an den Finanzmärkten so teuer wie möglich verkaufen. Für die Haftsumme zugunsten anderer Euroländer ist eine Versicherungsgebühr zu fordern, die am absehbaren Risiko zu orientieren ist. Das entspräche dem Grundprinzip des übrigen Bürgschaftsgeschäfts und wäre auch gut für die politische Akzeptanz der Euro-Rettungs-Politik. Die Gebühreneinnahmen wären auch ein Gegengewicht zu den Verlusten, die heute schon in Form geringer Bundesbankgewinnablieferungen und Verlusten durch Griechenland-Anleihen bei der verstaatlichten HRE im „Soffin“ anfallen.

Das Modell einer Euro-Schulden-Agentur

Das heutige Rettungssystem trägt dem Risiko-Entgelt-Gedanken nur im Ansatz Rechnung. Zwar sehen EFSF und ESM einen Aufschlag auf die Refinanzierungskosten der Rettungsfonds vor. Soweit erkennbar sind diese Margen aber weder risikoorientiert, noch tragen sie der Tatsache Rechnung, dass die Garantiegeber ganz unterschiedlich zu einem möglichen Einnahmeüberschuss der Garantiefonds beitragen. Tatsächlich ist Deutschland mit seiner „Tripple A“-Bewertung durch die Rating-Agenturen der eigentliche Anker für die zurzeit noch günstige Refinanzierung der Rettungsfonds. Deshalb müsste der Deutschland zustehende Anteil am Zinsaufschlag auch weit über dem weniger gut bewerteter Garantiegeber liegen.

Das Basismodell sähe wie folgt aus:18

  • Jedes Euroland kann sich entweder auf dem freien Kapitalmarkt oder bei einer gemeinsamen Euro-Schulden-Agentur verschulden.
  • Neben den Refinanzierungskosten der Agentur zahlen die kreditnehmenden Staaten eine Gewährleistungsgebühr, die sich an der finanziellen Situation des Staates, normalerweise gemessen an der Rating-Einstufung, orientiert.
  • Jeder garantiegebende Staat erhält eine Garantie-Prämie, die umso höher bemessen wird, je besser seine Rating-Note ausfällt.19

Ein naheliegender Einwand gegen ein solches Modell wäre die Frage nach dem Vorteil der Agentur-Finanzierung für die Krisenländer, wenn auch dort – wie am freien Kapitalmarkt – eine Risikoprämie zu zahlen wäre. Die vorhandenen Rettungssysteme sollen ja gerade denjenigen helfen, die diese Risikoprämien des Finanzmarktes nicht mehr zahlen können. Tatsächlich könnte aber der Risikoaufschlag einer Euro-Schulden-Agentur wesentlich niedriger ausfallen, als die vom Kapitalmarkt geforderte Risikoprämie für ein Land in prekärer finanzieller Lage. Denn für den privaten oder privat-geschäftlichen Anleger sollte die Risikoprämie sowohl einen Ausgleich für das Risiko einer Insolvenz des kreditnehmenden Staates, als auch eine Kompensation für das Abwertungsrisiko im Falle eines Austritts aus der Eurozone enthalten.20 Zudem sind Kapitalmärkte nur begrenzt vollkommen und neigen zu spekulativen Übertreibungen und Herdenverhalten.

Für die Agentur gäbe es jedoch keinen Euro-Zusammenbruch und deshalb auch kein Abwertungsrisiko, weil das Modell nur unter dem Vorzeichen der uneingeschränkten Verteidigung des Euro überhaupt eine Berechtigung hätte.21 Auch müsste die Agentur bei ihrer Prämienbemessung nicht jede spekulative Welle mitmachen und könnte sich auf eine stetige Preisbemessung konzentrieren. In einer beispielhaften Situation, in der die langfristigen Zinsen für Italien über 7% zu steigen drohen, könnte sich die Agentur bei eigenen Refinanzierungskosten von 2% mit einer Gewährleistungsprämie von 2% oder 3% zufrieden geben und entsprechende Erträge an die Garantiegeber ausschütten. Italien behielte seinen Zugang zu Krediten und würde mit Gesamtkosten von 4% oder 5% belastet, deutlich günstigere Konditionen als am Markt.

Der Anreiz, das Ansehen am Kapitalmarkt durch die Gesundung der Staatsfinanzen und die Förderung von Wachstum und Beschäftigung wieder herzustellen, bliebe trotz der Hilfe durch die Agentur erhalten. Denn die Überweisung von Garantieprämien – in diesem Beispiel von Italien über die Agentur an Deutschland, Frankreich, die Niederlande und andere – bleibt ein schwerer politischer Makel. Und sobald die Gesundung der Staatsfinanzen ausreicht, kommt die Verbesserung der Kreditkonditionen unter das Niveau der Euro-Schulden-Agentur in Reichweite.

Der zentrale Gedanke der Euro-Schulden-Versicherung besteht im Schutz vor einem Schadensereignis, dessen Eintritt der Versicherungsgeber unbedingt verhindern will. Dass es nicht selbstverständlich ist, für eine solche Gewährleistung erfolgreich Gebühren einzufordern, liegt auf der Hand. Denn der Garantienehmer sieht nicht ein, dass er für diese Gefahrenabwehr bezahlen muss, wenn der Schadenseintritt ohnehin verhindert werden soll. Das Aushandeln einer fairen Lastenteilung zwischen Garantiegebern und Krisenländern ist das tägliche Geschäft der europäischen Staaten. Allerdings laufen die Verhandlungen fast ausschließlich über den Versicherungsschutz auf der einen und die Preisgabe von Souveränitätsrechten auf der anderen Seite. Monetäre Kompensationen für die Garantiegeber spielen dagegen bisher kaum eine Rolle. Sie hätten aber wesentliche Vorteile:

  • Die garantiegebenden Länder könnten an den Zinsersparnissen teilhaben, die sonst alleine den Kreditnehmern zukämen. Das wäre zugleich eine Kompensation für die möglicherweise ungünstigeren Kapitalmarktkonditionen, die ein Land, das gemeinschaftlich haftet, in Kauf nehmen müsste.
  • Die Krisenländer würden durch die risikoorientierte Gewährleistungsgebühr wahrscheinlich nachhaltiger an die Einhaltung von Konsolidierungsstrategien erinnert als durch noch so ausgeklügelte vertragliche Vereinbarungen. Dennoch sollte „Konditionalität“ auch bei einer Inanspruchnahme der Euro-Schulden-Agentur zur Vorbedingung gemacht werden.
  • Aus gesamteuropäischer Sicht sind im erheblichen Umfang staatliche Zinskosten einzusparen, da die Anleiherendite der Euro-Schulden-Agentur wahrscheinlich deutlich unter dem Durchschnitt aller heutigen Euro-Anleihen liegen würde. Das ergibt sich aus der höheren Sicherheit der gemeinsam verbürgten Papiere und aus der Tatsache, dass niemand mehr ein Abwertungsrisiko beim Auseinanderbrechen der Währungsunion in Rechnung stellen muss.
  • Der Euro könnte wieder mit dem Dollar oder dem Yen gleichziehen, die den Vorteil aufweisen, dass hinter diesen Währungen jeweils eine homogene Haftungsgemeinschaft steht, während der Euro bisher nur von einem begrenzt solidarischen Staatenbund gedeckt wird.

Es bleibt, wie bei allen Gemeinschaftshaftungen, die verfassungsrechtliche Frage. Gegen eine Verfassungsänderung in Richtung auf eine umfassendere Euro-Haftung wäre der innenpolitische Widerstand wohl unüberwindbar. Aber bei diesem Vorschlag geht es nicht um Eurobonds oder einen unkontrollierten Zugang der Krisenländer zu den finanziellen Ressourcen der Partner. Es geht um normales Bürgschaftsgeschäft gegen Bezahlung. Der Haushaltsgesetzgeber soll – wie vom Verfassungsgericht gefordert – nach Euro und Cent über den Gewährleistungsrahmen zugunsten der Euro-Schulden-Agentur entscheiden. Er beschließt heute schon jedes Jahr über den Ermächtigungsrahmen. Der maximale Garantiebedarf der vorgeschlagenen Agentur ließe sich abschätzen und könnte im Notfall über einen Nachtragshaushalt erweitert werden. Dieses Verfahren würde einen abzulehnenden Selbstbedienungsladen europäischer Krisenländer verhindern.

  • 1 D. Riedel: Deutschland haftet mit bis zu 310 Milliarden, in: Handelsblatt vom 26.6.2012, www.handelsblatt.com.
  • 2 Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Digital, Tabelle Gewährleistungen, 26.4.2012.
  • 3 Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 5, Wiesbaden 2010.
  • 4 Vgl. z.B. R. Bollmann, W. Petersdorff: Unsere Griechen, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 25.3.2012, S. 33.
  • 5 G. Braunberger: Deutscher Renditeanstieg setzt sich fort, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.6.2012, S. 17.
  • 6 Der Beihilfeanteil wird mit einem speziellen Algorithmus bestimmt, vgl. „Beihilfewertrechner“ auf der Internetseite von PriceWaterhouseCoopers, https://beihilfewertrechner.pwc.de.
  • 7 Das kumulierte Ergebnis der Euler Hermes Deutschland AG seit 1951 beläuft sich auf 2,6 Mrd. Euro, vgl. Pressemeldung der Euler Hermes vom 10.2.2012 auf www.agaportal.de.
  • 8 EFSF-Framework Agreement, Consolidated Version, Preamble (2)(a).
  • 9 Vertrag über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, Artikel 20, Preisgestaltung: „Bei der Gewährung von Stabilitätshilfe strebt der ESM die volle Deckung seiner Finanzierungs- und Betriebskosten an und kalkuliert eine angemessene Marge ein“, Bundestagsdrucksache 17/9045, S. 18.
  • 10 Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs für 2008, Bundestagsdrucksachen, 17/77, S. 110.
  • 11 Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs für 2010, Bundestagsdrucksachen, 17/7600, S. 303.
  • 12 Bericht über das Geschäftsjahr 2011 des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, S. 1.
  • 13 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.4.2012, S. 12.
  • 14 Vgl. dpa: Atomunfälle nicht versicherbar, in: Handelsblatt vom 20.2.2011, www.handelsblatt.com.
  • 15 Die Bankenabgabe wird Jahrzehnte brauchen, um den Restrukturierungsfonds auf ein angestrebtes Sicherungsvolumen von 70 Mrd. Euro auffüllen zu können. Bis dahin haftet der Steuerzahler ohnehin für die Bankenrettung. Vgl. Internetauftritt der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, „Bankenabgabe“, www.fmsa.de. Auch der vom Europäischen Rat am 29.6.2012 angekündigte Bankenrettungsfonds schützt zunächst vor einer Bankeninsolvenz, nicht aber zwingend alle Anleger vor Verlusten.
  • 16 C. Hulverscheidt: Bundesländer fordern Deutschland-Anleihen, in: Süddeutsche Zeitung vom 29.3.2012, S. 1.
  • 17 „Institut für Weltwirtschaft beziffert Risiken für Deutschland bei Zusammenbruch des Euro auf 1,5 Billionen Euro“, Spiegel-Online vom 17.6.2012.
  • 18 Ein ähnlich wirkendes, aber etwas komplizierteres Euro-Rettungsmodell hat der Autor im letzten Oktober vorgeschlagen. Darin ist vorgesehen, dass sich die Anleger und nicht die Krisenländer über eine europäische Kreditversicherung (CDS) gegen den Ausfall von Staatsanleihen in der Eurozone absichern können, vgl. W. Otremba: Profite abschöpfen, in: Der Spiegel vom 10.10.2011, S. 86.
  • 19 Der ESM-Vertrag sieht demgegenüber in Artikel 23 vor, eventuelle Dividenden nach dem Kapitalanteile-Schlüssel auszuschütten, vgl. Bundestagsdrucksache 17/9045, S. 19.
  • 20 Vgl. Interview mit Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef des Fonds Pimco, in: Die Zeit vom 28.6.2012, S. 4: „Wenn ich heute in Staatsanleihen eines Landes in der Euro-Zone investiere, dann will ich später auch wieder Euros und nicht Drachmen, Lire oder Peseten. Solange ich diese Gewissheit nicht habe, investiere ich auch nichts.“
  • 21 Aus der Sicht des Versicherers ist es die günstigste Situation, gegen ein Schadensereignis zu versichern, dessen Eintritt man verhindern kann. Deshalb funktionieren Schutzgeld-Systeme so gut: Der „Versicherer“ ist zugleich der potenzielle Schadensverursacher.

Title:Germany Has to Give Guarantees – But Why for Nothing?

Abstract:State guarantees have been proven instruments of economic policy in Germany for decades. Since the beginning of the global financial crisis, the sum of contractual, statutory and implied guarantees reached nearly 6 trillion euros. For the German government, the outstanding guarantees become ever riskier as the huge amounts of liability for banks and instable euro-states grows. Therefore it is suggested to require risk-based guarantee fees wherever possible. With the exception of Greece, most of the indebted countries and financial institutions certainly would be able to pay risk-orientated guarantee fees to avoid being cut off from capital markets. A European debt agency which earns money by giving guarantees would enhance the acceptance of the euro stabilization policy in the donor countries.


DOI: 10.1007/s10273-012-1415-y

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