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Die Einführung neuer Endkundentarife für den festen Internetzugang durch die Deutsche Telekom hat die Netzneutralitätsdebatte erneut befeuert. Dabei geht es um die Frage, ob Endkundenanbieter bei der Übertragung von Daten im Internet bestimmte Dienste oder Inhalte gegen ein vom Sender oder Empfänger zu zahlendes Entgelt priorisieren dürfen. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene wurden Verordnungsentwürfe vorgelegt, die ein offenes Internet sicherstellen sollen. Dieser Beitrag untersucht zum einen, inwieweit Internetvolumentarife wie die der Deutschen Telekom tatsächlich Netzneutralitätsfragen aufwerfen. Zum anderen wird der nationale Entwurf einer Netzneutralitätsverordnung ebenso wie die entsprechenden Regelungen im Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission einer ersten kritischen Würdigung unterzogen.

Die Deutsche Telekom hat Mitte des Jahres ihre Endkundentarife für den festen Internetzugang von einer nutzungsunabhängigen Flatratestruktur auf eine volumenbasierte Abrechnung umgestellt. Dabei erhalten Endkunden in Abhängigkeit von ihrem gewählten Tarif ein bestimmtes Inklusivdatenvolumen; nach Ausschöpfen dieses Volumens wird die Downloadgeschwindigkeit des Internetzugangs gedrosselt bzw. der Endkunde kann zusätzliches Datenvolumen „hinzukaufen“. Die Tarife entsprechen im Wesentlichen der Tarifstruktur, wie sie bei mobilen Internetzugängen allgemein üblich ist und von anderen Endkundenanbietern bereits seit einiger Zeit auch bei festen Internetzugängen praktiziert wird.1 Eine mögliche Folge ist, dass die Deutsche Telekom zusätzliche Entgelte von Inhalteanbietern für die Nichtanrechnung deren Datenvolumens auf das mit Endkunden vertraglich vereinbarte Inklusivdatenvolumen fordert. Der Schritt der Deutschen Telekom hat dazu geführt, dass in Öffentlichkeit und Politik der Ruf nach staatlichen Netzneutralitätsregelungen wieder lauter wurde.2 Er kulminierte in einer von mehr als 70 000 Bürgern unterzeichneten Online-Petition zur Netzneutralität.3

Volumentarife und Netzneutralität

Für eine juristische und ökonomische Analyse der Frage, ob volumenbasierte Internetzugangstarife tatsächlich Netzneutralitätsfragen aufwerfen und ob und wie diesen gegebenenfalls zu begegnen ist, ist es zum einen erforderlich, eine Betrachtung der einzelnen Tarifbestandteile vorzunehmen; zum anderen ist aber auch auf ihre Gesamtwirkungen einzugehen.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen

  1. der volumenbasierten Abrechnung des Endkundeninternetzugangs;
  2. der Bandbreitendrosselung nach Ausschöpfen des vertraglich vereinbarten Volumens;
  3. der Nichtberücksichtigung der Nutzung linearer Rundfunkangebote im Rahmen des vertraglich vereinbarten Volumens;
  4. der Nichtberücksichtigung der Nutzung sonstiger Dienste und Inhalte im Rahmen des vertraglich vereinbarten Volumens.

Volumenbasierte Abrechnung

Die volumenbasierte Abrechnung des Endkundeninternetzugangs, also die nutzungsabhängige Tarifierung, kann aus ökonomischer Sicht effizienzsteigernd sein, da sie Endkunden in Abhängigkeit von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme ihres Internetzugangs an dessen Kosten beteiligt. Im Gegensatz zu Flatrates, bei denen Nutzer mit einer unterdurchschnittlichen Nutzungsintensität Kunden mit einer überdurchschnittlichen Nutzungsintensität quersubventionieren, führen Volumentarife zu einer verursachungsgerechten Kostenbeteiligung aller Nutzer. Zudem führen Volumentarife dazu, dass Endkunden Anreize haben, den Internetzugang nicht zu übernutzen, so dass Übertragungskapazitäten nicht in gleicher Weise überdimensioniert bereitgestellt werden müssen.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse der Netzneutralitätsdebatte lässt sich feststellen, dass eine unterschiedslose volumenbasierte Abrechnung des Internetzugangs weder Netzneutralität verstanden als Null-Preis-Regel, noch verstanden als Nicht-Diskriminierungs-Regel betrifft.4 Die volumenbasierte Abrechnung führt weder dazu, dass für die Weiterleitung von Daten an Endkunden unmittelbar oder mittelbar ein Entgelt von den Dienste- bzw. Inhalteanbietern erhoben wird (Null-Preis-Regel) noch dass zwischen verschiedenen Daten differenziert wird (Nicht-Diskriminierungs-Regel). Die volumenbasierte Abrechnung wirft insofern aus ökonomischer Sicht keine Netzneutralitätsfragen auf, ein Regulierungsbedarf kann damit nicht begründet werden.

Aus juristischer Sicht ist festzuhalten, dass Volumentarife, d.h. die nutzungsabhängige Abrechnung von Leistungen, einem der Grundprinzipien der durch das Grundgesetz und den Vertrag über die EU vorgegebenen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung entsprechen: der verursachungsabhängigen Entgeltlichkeit von privatwirtschaftlich erbrachten Leistungen.5 Sie sind grundsätzlich durch die wirtschaftlichen Freiheiten der Endkundenanbieter gedeckt und genießen insofern auch grundrechtlichen Schutz. Im Hinblick auf das „Ob“ einer volumenbasierten Abrechnung bestehen daher auch keine grundsätzlichen Bedenken.

Rechtliche Fragen können sich allenfalls im Hinblick auf das „Wie“ ergeben. So ist eine Änderung bestehender Verträge über feste Internetzugänge nicht ohne Weiteres möglich. Sie unterliegen den vertraglichen Regelungen, die ihrerseits am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu messen sind. Daneben sind die telekommunikationsspezifischen Verbraucherschutzregelungen zu beachten, die den betreffenden Unternehmen insbesondere Transparenzverpflichtungen im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung eines Volumentarifs auferlegen. Sie ergeben sich unmittelbar aus § 43a TKG, darüber hinaus wird durch § 45n Abs. 1 TKG das Bundeswirtschaftsministerium zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, mit der weitere Transparenzverpflichtungen geschaffen werden. Schließlich ist es von Relevanz, dass Verbraucher im Falle einer Tarifänderung zu ihren Lasten die Möglichkeit haben, gegebenenfalls ihren Provider zu wechseln und den Vertrag mit ihrem bisherigen Provider entsprechend zu kündigen.

Zusammenfassend lässt sich zunächst festhalten, dass volumenbasierte Endkundeninternetzugangsverträge weder aus rechtlicher noch aus ökonomischer Sicht grundsätzliche Bedenken hervorrufen. Insbesondere werfen sie keine spezifischen Netzneutralitätsfragen auf.

Bandbreitendrosselung

Im Zentrum der öffentlichen Diskussion über die Einführung von Volumentarifen durch die Deutsche Telekom steht die Tatsache, dass nach Erschöpfung des inkludierten Datenvolumens die Bandbreite des jeweiligen Anschlusses bis zum Beginn des nächsten Abrechnungszeitraums gedrosselt wird bzw. der Endkunde gegen ein zusätzliches Entgelt weiteres Datenvolumen erwerben muss, wenn er den Anschluss mit der vollen vertraglich vereinbarten Bandbreite nutzen will. Nicht zuletzt aus diesem Grund findet die aktuelle Netzneutralitätsdebatte auch unter dem Stichwort „Drosselkom“ statt.6

Aus ökonomischer Sicht bliebe eine volumenbasierte Abrechnung ohne Entgeltdifferenzierung für verschiedene Nutzungsintensitäten wirkungslos, soweit es um die grundsätzlich effizienzsteigernde Wirkung von nutzungsabhängigen Tarifen geht. Eine Alternative zu Volumentarifen wäre insofern nur die direkte nutzungsabhängige Abrechnung, bei der ein Entgelt pro genutzter Dateneinheit erhoben wird. Bei einer minuten- oder bit-abhängigen Tarifierung ist eine Drosselung tatsächlich nicht erforderlich. Ob allerdings diese in den Anfangszeiten des Internets praktizierte Abrechnungsmethode tatsächlich im Sinne der Endkunden ist, ist zweifelhaft, da sie potenziell zu einem geringeren Maß an Kostenvorhersehbarkeit und damit zu einer Unternutzung des Internetzugangs führen kann. Ebenso wie Datenvolumen keine spezifischen Netzneutralitätsfragen aufwerfen, hat auch die Drosselung der Bandbreite dann keine netzneutralitätsspezifischen Implikationen, wenn sie für alle Dienste und Inhalte gilt, die nach Ausschöpfen des Inklusivdatenvolumens genutzt werden sollen.

Aus rechtlicher Sicht ist eine Drosselung der Bandbreite nach Ausschöpfen des vertraglich vereinbarten Inklusivvolumens komplementär zur Einführung volumenbasierter Tarife ebenfalls durch die Privatautonomie der Enkundenanbieter geschützt. In der öffentlichen Diskussion wurde zum Teil die Auffassung vertreten, dass eine zu starke Drosselung mit dem in Art. 87f Abs. 2 GG verankerten Gewährleistungsauftrag des Bundes für Telekommunikation kollidiere, da sie im Ergebnis zu einer Nichtverfügbarkeit eines Mindestniveaus von Internetzugängen führe. Allerdings ist zweifelhaft, inwieweit Art. 87f Abs. 2 GG einen Gewährleistungsauftrag des Bundes für Breitbandinternetzugänge mit einer Bandbreite von mehr als 1 MBit/s – der von der Deutschen Telekom schließlich angekündigten Drosselung – umfasst.7 Unabhängig hiervon schafft Art. 87f GG aber kein Recht auf einen kostenlosen Breitbandinternetzugang, so dass auch eine kostenabhängige Tarifierung zulässig sein muss. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Norm von der privatwirtschaftlichen – und damit im Grundsatz an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierten – Erbringung von Telekommunikationsleistungen ausgeht.8

Aus rechtlicher Sicht verbinden sich mit der Datendrosselung allenfalls verbraucherrechtliche Fragen. Dabei ist in erster Linie von Bedeutung, dass die Bedingungen der Drosselung – also insbesondere die Voraussetzungen, unter denen sie eingreifen soll – transparent sein müssen und Endkunden ihre Datennutzung aktiv kontrollieren können müssen, um gegebenenfalls zusätzliches Datenvolumen zu erwerben bzw. einen anderen Tarif zu buchen. Regelungen hierzu finden sich in § 43a TKG.

Für die Drosselung der Bandbreite nach Ausschöpfen des vereinbarten Inklusivvolumens lässt sich im Anschluss an die grundsätzliche Zulässigkeit von Volumentarifen daher in einem zweiten Schritt festhalten, dass sie weder grundsätzlichen juristischen noch ökonomischen Bedenken begegnet.

Nichtberücksichtigung der Nutzung linearer Rundfunkangebote

Sowohl aus rechtlicher als auch aus ökonomischer Sicht besteht ein unmittelbarer Netzneutralitätsbezug, wenn die Nutzung linearer Rundfunkangebote – im Falle der Deutschen Telekom im Rahmen des Entertain-Angebots – nicht auf das vertraglich vereinbarte Datenvolumen angerechnet wird, so dass sie auch nach Ausschöpfen des Datenvolumens nicht gedrosselt werden. Eine solche Praxis kollidiert unmittelbar mit einem Verständnis von Netzneutralität als Nicht-Diskriminierungs-Regel, da sie zu einer unterschiedlichen Behandlung verschiedener Daten – linearer Rundfunk einerseits, andere Dienste und Inhalte andererseits – führt. Auch bei Netzneutralität verstanden als Null-Preis-Regel kann eine Konfliktlage entstehen. Nutzt etwa ein Nutzer einen kommerziellen Videodownloadservice wie Maxdome, ein anderer aber die Mediathek eines Rundfunkanbieters, fällt nur für ersteren ein nutzungsabhängiges Entgelt an: Innerhalb des vereinbarten Datenvolumens durch „Verbrauch“ des inkludierten Volumens, außerhalb durch die Notwendigkeit zusätzliches Volumen zu erwerben, um den Videodownloadservice nutzen zu können. Dies ist auch dann der Fall, wenn das lineare Rundfunkangebot im Rahmen eines vom Best-Effort-Internetzugang getrennten Managed Service erbracht wird.

Selbst wenn die Ausnahme linearer Rundfunkangebote aus ökonomischer Sicht Netzneutralitätsfragen aufwirft, sind für eine Bewertung ihrer Zulässigkeit in Deutschland vorrangig rechtliche Wertungen von Bedeutung. Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt einen durch Art. 5 Abs. 1 GG vermittelten verfassungsrechtlichen Schutz, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dessen einfache technische Verfügbarkeit einschließt.9 Seine Verfügbarkeit muss also grundsätzlich gewährleistet sein, so dass seine Drosselung verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen würde. Hinzu kommt auf der Ebene des einfachen Rechts, dass Anbieter wie die Deutsche Telekom oder auch die Kabelnetzbetreiber Plattformbetreiber i.S.d. § 52 RStV sind.10 Als solchen unterliegen sie bestimmten Must-Carry-Verpflichtungen im Hinblick auf die Weiterverbreitung von Rundfunkangeboten.11 Sie können daher sogar dazu verpflichtet sein, die hiervon betroffenen linearen Rundfunkangebote ungedrosselt anzubieten bzw. nicht auf ein vertraglich vereinbartes Datenvolumen anzurechnen.

Soweit im Rahmen von Volumentarifen lineare Rundfunkprogramme nicht auf das Datenvolumen angerechnet werden, indem sie entweder als Managed Service außerhalb des Best-Effort-Internetzugangs angeboten werden oder aber ihre Datennutzung im Rahmen des Best-Effort-Internetzugangs nicht berücksichtigt wird, führt das zwar zu einer Abweichung von einer neutralen Datenübertragung. Da Endkundenanbieter hierzu rundfunkrechtlich verpflichtet sein können, können derartige Einschränkungen aber aufgrund geltenden Rechts gerechtfertigt sein, auch wenn dies aus ökonomischer Sicht problematisch ist.

Nichtberücksichtigung sonstiger Dienste und Inhalte

Ein weiterer Bestandteil der diskutierten Volumentarife ist die Nichtberücksichtigung der Nutzung sonstiger Dienste und Inhalte im Rahmen des Inklusivdatenvolumens. Demnach können Dienste- und Inhalteanbieter, aber auch Endkunden, mit der Deutschen Telekom eine entgeltliche Vereinbarung treffen, wonach die Nutzung bestimmter Dienste oder Inhalte nicht auf das inkludierte Datenvolumen der Endkunden angerechnet wird. Ein Beispiel hierfür ist der Musikstreamingdienst Spotify. Gegen ein zusätzliches monatliches Entgelt bleibt seine Inanspruchnahme im Rahmen des inkludierten Datenvolumens unberücksichtigt.

Die Möglichkeit, dass bestimmte Dienste oder Inhalte für das Inklusivdatenvolumen unberücksichtigt bleiben, sofern der Endkunde oder der Anbieter hierfür an den Netzbetreiber ein zusätzliches Entgelt zahlt, betrifft Netzneutralität sowohl verstanden als Nicht-Diskriminierungs-Regel als auch als Null-Preis-Regel. Im Gegensatz zu linearen Rundfunkangeboten lassen sich hierfür auch keine zwingenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgründe anführen. Von Befürwortern staatlicher Netzneutralitätsregeln wird dies zum Anlass genommen, ein Verbot entsprechender Verträge zu fordern.12 Sie sehen andernfalls die Gefahr, dass nur wirtschaftlich potente Dienste- und Inhalteanbieter entsprechende Vereinbarungen mit Endkundenanbietern abschließen könnten, während junge Startups sowie nicht-kommerzielle Anbieter regelmäßig nicht über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügen und damit einen wettbewerblichen Nachteil hätten.13 Des Weiteren würden derartige Tarifbestandteile es insbesondere vertikal integrierten Endkundenanbietern ermöglichen, sich mit vertikalen Strategien, bei denen sie eigene Angebote gegenüber Angeboten unabhängiger Dritter besser behandeln, einen Wettbewerbsvorteil auf dem Dienste- und Inhaltemarkt gegenüber reinen Dienste- und Inhalteanbietern zu verschaffen.14 Auch nicht vertikal integrierte Endkundenanbieter könnten allerdings durch den Abschluss von Exklusivverträgen mit einzelnen Dienste- oder Inhalteabietern erheblichen Einfluss auf Märkten erhalten, die an den Internetzugang angrenzen. Schließlich bestünde die Gefahr, dass Endkundenanbieter bei einer starken Nachfrage nach solchen Angeboten vorrangig den Bereich der Managed Services ausbauen würden, hingegen keinen Anreiz hätten, das Best-Effort-Internet weiter auszubauen, um so möglichst viele Dienste- und Inhalteanbieter zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen zu bewegen.15

Wie im Verlauf der bisherigen Diskussion bereits gezeigt wurde, können die von den Befürwortern staatlicher Regelungen ins Feld geführten Problemszenarien unter bestimmten Marktbedingungen tatsächlich eintreten.16 Ebenso ist es aber möglich, dass eine Entgeltdifferenzierung zwischen verschiedenen Diensten und Inhalten nicht zu diesen negativen Konsequenzen führt, sondern sogar wohlfahrtssteigernde Wirkungen hat.17 Aus ökonomischer Sicht ist damit keinesfalls eindeutig, ob ein Verbot der Entgeltdifferenzierung auch aus Sicht der Endkunden wohlfahrtssteigernd oder -gefährdend wäre.

Hinzu kommt, dass, wie in zwei Studien zur Netzneutralität ausführlich dargelegt worden ist, bereits ein rechtlicher Rahmen existiert, der mögliche negative Auswirkungen von Abweichungen von einer neutralen Datenübertragung teilweise verhindern kann.18 So unterliegen marktbeherrschende Endkundenanbieter dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 4 GWB bzw. Art. 102 AEUV:19 Es ist ihnen untersagt, einzelne Dienste- oder Inhalteanbieter ohne sachliche Rechtfertigung zu diskriminieren. Das Missbrauchsverbot beschränkt damit insbesondere die Möglichkeiten vertikal integrierter, marktmächtiger Endkundenanbieter zu vertikalen Strategien, mit denen eigene Dienste und Inhalte bevorzugt übertragen werden sollen. Allerdings ist bisher nicht abschließend geklärt, nach welchem Maßstab eine marktbeherrschende Stellung im Endkundenanbietermarkt zu ermitteln ist.20

Dies hängt entscheidend davon ab, ob der relevante sachliche Markt jeweils der Zugang zu bestimmten Endkunden ist, so dass jeder Netzbetreiber in seinem Netz automatisch marktbeherrschend wäre; oder ob der relevante Markt der Gesamtmarkt für Endkunden­internetzugang ist, so dass nur solche Endkundenanbieter dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot unterliegen, die auf diesem Gesamtmarkt über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Sollte man Letzteres bejahen und sollten sich tatsächlich die befürchteten negativen Auswirkungen einstellen, bestünde freilich für die Bundesregierung immer noch die Möglichkeit zur Einführung marktmachtunabhängiger Diskriminierungsverbote auf Grundlage von § 41a Abs. 1 TKG. Dies wäre insbesondere dann geboten, wenn sich die entgeltliche Bevorzugung der Übermittlung bestimmter Inhalte als eine im Markt verbreitete Strategie erweisen würde, auf welche die Endkunden wegen hoher Wechselkosten oder anderweitiger Beharrungskräfte im Markt oder wegen fehlender Alternativen nicht in einem Maße mit einem Anbieterwechsel reagieren, der für eine wirksame wettbewerbliche Disziplinierung spricht.

Zu beobachten ist ferner, ob im Markt eine Verschlechterung des Best-Effort-Internetzugangs eintritt, die die Inanspruchnahme entgeltlicher Managed Services erforderlich macht. Insbesondere Letzteres kann freilich auch dadurch verhindert werden, dass die Bundesnetzagentur auf Grundlage von § 41a Abs. 2 TKG bestimmte Mindestqualitätsstandards für den Internetzugang verbindlich vorgibt. Damit kann sichergestellt werden, dass auch Angebote nicht-kommerzieller Dienste- und Inhalteanbieter bzw. von Startup-Unternehmen, die nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, um eine entgeltliche Vereinbarung über die Nichtberücksichtigung ihrer Nutzung im Rahmen von Inklusivdatenvolumen mit Endkundenanbietern abzuschließen, über ein robustes Best-Effort-Internet von allen Endkunden genutzt werden können.

Bewertung

Die volumenbasierte Abrechnung des Endkundeninternetzugangs wirft dann Netzneutralitätsfragen auf, wenn sie mit Regelugen kombiniert wird, bei denen bestimmte Dienste oder Inhalte nicht auf das Inklusivdatenvolumen angerechnet werden bzw. die Möglichkeit für Dienste- und Inhalteanbieter besteht, auf eine Übertragung ihres Angebots über Managed Services außerhalb des Best-Effort-Internets auszuweichen. Entscheidend dafür, ob dadurch ein staatlicher Handlungsbedarf zum Erlass weitergehender Netzneutralitätsregelungen ausgelöst wird, ist, ob das bestehende kartellrechtliche Instrumentarium Strategien wirksam kontrollieren kann, bei denen entweder vertikal integrierte Endkundenanbieter eigene Angebote bevorzugen oder durch Exklusivvereinbarungen mit unabhängigen Dienste- oder Inhalteanbietern die Wettbewerbschancen anderer Anbieter gefährden. Maßgeblich hierfür ist unter anderem, ob sich die entgeltliche Bevorzugung bestimmter Inhalteanbieter unabhängig von einzelunternehmerischer Marktmacht für Endkundenanbieter als unternehmerisch rational erweist, ohne dass von einer wirksamen Kontrolle durch das Wechselverhalten der Endkunden ausgegangen werden kann. Wesentlich für die Frage nach einem staatlichen Handlungsbedarf ist auch, welche Entwicklung das Best-Effort-Internet nimmt. Sofern es sich so weiterentwickelt, dass alle Dienste und Inhalte darüber grundsätzlich – wenn vielleicht auch nicht immer in optimaler Qualität – verfügbar sind, sind entgeltliche Vereinbarungen zwischen Endkunden- sowie Dienste- und Inhalteanbietern weniger problematisch als bei einer Verschlechterung der relativen Best-Effort-Qualität.

Entwurf einer Netzneutralitätsverordnung

Auf nationaler Ebene hat das BMWi im Nachgang zur Einführung der Volumentarife durch die Deutsche Telekom zunächst am 17.6.2013 gleichwohl einen Entwurf für eine Netzneutralitätsverordnung (NNVO-E) vorgelegt,21 dem am 31.7.2013 eine überarbeitete Fassung folgte.22 Der Entwurf unterscheidet zwischen einer Datenübertragung im offenen Internet einerseits und Managed Services andererseits. Letztere sollen dadurch gekennzeichnet sein, dass ein Anbieter eine Datenübermittlung von Anfang bis Ende kontrolliert, indem er hierfür beispielsweise eine dedizierte Infrastruktur nutzt, die vom offenen Internet logisch oder physikalisch getrennt ist.23 Im Gegensatz zur Open Internet Order der US-amerikanischen FCC wird dabei nicht zwischen festen und mobilen Internetzugängen unterschieden.24

Innerhalb von Managed Services ist es Endkundenanbietern erlaubt, einzelne Dienste und Inhalte nur entgeltlich zu übermitteln und diesbezüglich auch Exklusivvereinbarungen mit ausgewählten Anbietern abzuschließen.

Auch im offenen Internet können Endkundenanbieter nach dem Verordnungsentwurf Qualitätsklassen anbieten, bei denen eine Entgeltdifferenzierung vorgenommen wird. Hier soll allerdings nach § 2 NNVO-E ein marktmachtunabhängiges Diskriminierungsverbot gelten, das es Endkundenanbietern nicht nur untersagt, eigene Angebote gegenüber denen unabhängiger Dritter zu bevorzugen, sondern auch Exklusivvereinbarungen mit einzelnen Dienste- bzw. Inhalteanbietern abzuschließen, mit denen diesen ein bevorzugter Zugang zu Endkunden eingeräumt wird. Zulässig sollen nach § 2 Abs. 3 NNVO-E nur Qualitätsklassen sein, die sich inhaltsneutral ausschließlich an technischen Erfordernissen orientieren. Zulässig sind darüber hinaus Netzwerkmanagementmaßnahmen, mit denen Engpasssituationen im Internet vermieden bzw. aufgelöst werden.

Um die Wechselwirkungen zwischen dem Angebot von Managed Services und offenem Internet besser beurteilen zu können, enthält der Verordnungsentwurf darüber hinaus in § 5 NNVO-E eine Berichtspflicht der Bundesnetzagentur über die Fortentwicklung des Best-Effort-Internet. Auf diese Weise sollen Einschränkungen des Best-Effort-Internet aufgrund einer möglichen Zunahme von Managed Services frühzeitig erkennbar werden, um gegebenenfalls regulatorisch auf Grundlage von § 41a Abs. 2 TKG Mindestqualitätsstandards für den Internetzugang verbindlich festzulegen. Der Verordnungsentwurf enthält dementsprechend (noch) keine Verpflichtung zum Ausbau des Best-Effort-Angebots.

Ein marktmachtunabhängiges Diskriminierungsverbot stellt stets einen weitreichenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar, der die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle nachhaltig behindern kann. Ein solcher Eingriff sollte auf Situationen beschränkt werden, in denen eine klare Gefährdungslage vorliegt. Bei deren Ermittlung hätte es nahegelegen, zunächst die Abgrenzung des relevanten Marktes zu klären. Würden vertragliche Beziehungen zwischen Endkunden- und einzelnen Diensteanbietern durch das Wechselverhalten der Endkunden angemessen kontrolliert, so wäre eine Gefährdungslage nur dann gegeben, wenn sich die Endkundenanbieter gleichwohl und unabhängig voneinander für vertikale Ausschlussstrategien entscheiden würden. Der Verordnungsentwurf schließt vertikale Sonderverbindungen unabhängig hiervon aus. Volumentarife für den festen Internetzugang lässt hingegen auch der Verordnungsentwurf weiterhin zu.

Netzneutralität in der Single-Market-Initiative der EU

Die Netzneutralitätsdebatte vollzieht sich zunehmend auf der europäischen Ebene, so dass fraglich ist, ob in Deutschland tatsächlich eine Netzneutralitätsverordnung in Kraft treten wird. Dies gilt umso mehr, als die Europäische Kommission am 11. September den Entwurf für eine Verordnung zur Schaffung eines europäischen Binnenmarkts für Telekommunikation veröffentlicht hat, der unter anderem netzneutralitätsspezifische Fragen aufgreift.25

Abweichend vom bisherigen Ansatz, der die Gewährleistung eines offenen Internets ausschließlich durch die Sicherstellung von Wettbewerb auf der Ebene der Endkundenanbieter sowie die Vorgabe von Transparenz hinsichtlich möglicher Abweichungen einer neutralen Datenübertragung erreichen wollte,26 enthält der vorliegende Verordnungsentwurf konkrete Regelungen zur Netzneutralität, wobei er kein Gebot einer absoluten Gleichbehandlung von Daten im Internet enthält. Vielmehr geht auch der Verordnungsentwurf davon aus, dass vorrangig Dienste- und Inhalteanbieter einerseits sowie Endkundenanbieter andererseits über das Angebot bestimmter Übertragungsqualitäten verhandeln und entsprechende Vereinbarungen treffen dürfen. Daneben sehen die Art. 19 und 20 des Verordnungsentwurfs sogar vor, dass es ein europäisches standardisiertes Vorleistungsprodukt für das Angebot von Qualitätsklassen geben soll (Assured service of quality connectivity product), für das in Art. 19 Abs. 2 eine Verhandlungspflicht normiert wird. Auf diese Weise soll die netz- und länderübergreifende Entwicklung und das Angebot von Qualitätsklassen sogar regulatorisch durch eine Standardisierung gefördert werden.

Im Hinblick auf die vorliegend untersuchten Volumentarife für Internetzugänge wird durch Art. 23 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs deren Zulässigkeit sogar ausdrücklich festgelegt. Im Gegensatz zur NNVO-E sieht der europäische Regelungsvorschlag allerdings vor, dass die Netzbetreiber dazu verpflichtet sind, das offene Best-Effort-Internet dynamisch fortzuentwickeln (Art. 24 Abs. 1). Darüber hinaus sollen bestimmte Mindestqualitätsstandards für das offene Internet verbindlich vorgegeben werden (Art. 24 Abs. 2). Diese werden ergänzt um Monitoringpflichten für das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und die nationalen Regulierungsbehörden, um Einschränkungen des offenen Internets frühzeitig feststellen zu können. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Managed Services und Qualitätsklassen nicht zur einer Einschränkung des offenen Internets führen. Insgesamt ist der europäische Verordnungsentwurf damit deutlich offener für vertikale Sondervereinbarungen zwischen Netzbetreibern und Dienste- bzw. Inhalteanbietern als der deutsche Entwurf für eine Netzneutralitätsverordnung.

Zusammenfassung und Bewertung

Volumenbasierte Endkundeninternettarife werfen als solche keine Netzneutralitätsfragen auf und indizieren daher keinen staatlichen Handlungsbedarf für Netzneutralitätsregelungen, die über diejenigen hinausgehen, die sich für marktbeherrschende Anbieter aus dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot ergeben.

Sofern bei der Berücksichtigung der Daten, die im Rahmen eines vertraglich vereinbarten Datenvolumens auf das inkludierte Volumen angerechnet werden, differenziert wird, wirft dies Netzneutralitätsfragen auf. Dies gilt sowohl bei einem Verständnis von Netzneutralität als Null-Preis-Regel als auch als Nicht-Diskriminierungs-Regel. Soweit hiervon lineare Rundfunkprogramme erfasst werden, kann ausgehend von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als mögliche Rechtfertigung für ihre bevorzugte Behandlung die verfassungsrechtliche Sondersituation des Rundfunks ins Feld geführt werden.

Soweit andere Dienste und Inhalte nicht auf das inkludierte Datenvolumen angerechnet werden, kann dies potenziell negative Auswirkungen auf nicht-kommerzielle Angebote, aber auch auf andere kommerzielle Anbieter haben. Daneben eröffnet es die Möglichkeit für vertikale Strategien der Endkundenanbieter, die im Fall vertikaler Integration in einer Bevorzugung eigener Dienste bestehen können. Außerdem ist auch eine Differenzierung zwischen unabhängigen dritten Dienste- und Inhalteanbietern möglich. Zu bedenken ist hierbei allerdings, dass für marktmächtige Endkundenanbieter das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot gilt. Ein Handlungsbedarf für darüber hinausgehende Diskriminierungsverbote wird nur unter bestimmten Bedingungen ausgelöst, die im Verordnungsentwurf nicht abschließend dargelegt sind.

Soweit die Bundesregierung im Rahmen des ihr zustehenden politischen Entscheidungsspielraums gleichwohl eine Netzneutralitätsverordnung erlassen will, würde dies nach dem vorliegenden Verordnungsentwurf dazu führen, dass Volumentarife zwar grundsätzlich zulässig blieben, allerdings keine Exklusivvereinbarungen mehr zwischen Netzbetreibern und einzelnen Dienste- und Inhalteanbietern erlaubt wären. Zulässig blieben Managed Services, die außerhalb des offenen Internets angeboten werden, sowie an technischen Erfordernissen orientierte Qualitätsklassen. Die Voraussetzungen, unter denen die gesonderte Behandlung von Managed Services mit einem strikten Diskriminierungsverbot im offenen Internet konsistent ist, sind nicht abschließend geklärt.

Im Gegensatz dazu ist nach dem Entwurf für eine europäische Verordnung über einen einheitlichen Telekommunikationsbinnenmarkt die Einführung von Qualitätsklassen unabhängig von technischen Erfordernissen sogar regulatorisch vorgegeben. Selektive Vertikalvereinbarungen über einen bevorzugten Zugang bestimmter Diensteanbieter zum Endkunden im Rahmen von Volumentarifen wären demnach zulässig, solange der Endkundenanbieter nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Dieser Vorschlag hat aus ökonomischer Sicht den Vorteil, dass innovative Dienste die Möglichkeit haben, auch dann einen geeigneten Zugang zu Kunden zu erhalten, wenn besondere Anforderungen im Best-Effort-Netz nicht erfüllt werden können.

Title:Flexible Business Models in Telecommunication and the Net Neutrality Debate

Abstract:The net neutrality debate concerns the differential treatment of data on the Internet and the pricing models used by end-user internet service providers (IPSs). In particular, end-user ISPs may want to prioritize certain services and charge on the sender or the receiver side for this activity. In the policy debate it is asked whether regulatory intervention is warranted to restrict such behavior. The introduction of new end-user tariffs for fixed-line Internet access by Deutsche Telekom has heated up the debate in Germany. At the national level, the German Ministry of Economics and Technology has prepared a draft regulation on net neutrality, which aims at limiting the differential treatment of data transmission on the internet including the access networks and, thus, to protect the “Open Internet”. The European Commission has prepared an alternative draft regulation for a single European market in telecommunications, which contains provisions for an “Open Internet”. In this article, the authors investigate the extent to which the new tariff structure by Deutsche Telekom relates to the net neutrality debate. They also provide a first critical analysis of the proposals by the German Ministry of Economics and Technology and the European Commission.


DOI: 10.1007/s10273-013-1585-2