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Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist an drei Forscher „für ihre empirische Analyse von Vermögenspreisen“ verliehen worden. Zwei der Laureaten haben ganz unterschiedliche Sichtweisen auf die Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten: Während Fama die Effizienzmarkthypothese vertritt, sieht Shiller dort eher Herdenverhalten. Hansen wiederum hat Schätzmethoden zur Untersuchung der Finanzmärkte entwickelt.

Wenige Jahre nach Ausbruch der größten Finanz- und Wirtschaftskrise hat die diesjährige Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises1 teilweise zu heftigen, häufig negativen Kommentaren geführt. Manche fragten sich, warum ausgerechnet Finanzmarktökonomen diesen Preis bekamen, da doch die Finanzmarktwissenschaft („Finance“) die Krise offensichtlich nicht verhindert hat und ihre Arbeiten sie auch nicht klar vorhergesehen haben. Diese Kritik mag spontan einleuchten, doch sie zeigt auch eine gewisse Differenz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und wissenschaftlichem Werk. Diese Differenz ist das Leitthema in der folgenden selektiven Diskussion der diesjährigen Nobelpreisvergabe.

Unzweifelhaft provoziert gerade Eugene F. Fama mit seinen Aussagen den gesunden Menschenverstand. Sein in diesem Zusammenhang viel zitierter Satz, es gebe keine spekulativen Blasen an Finanzmärkten, kann man eigentlich nur missverstehen.2 Gerade nach den dramatischen Krisen der letzten Jahre – wie Neuer-Markt-, Subprime-Immobilien- und Bankenkrise – und den damit einhergehenden Umverteilungswirkungen klingt Fama geradezu ideologisch. Wenn das keine spekulativen Blasen waren, was dann? Interessanterweise provoziert auch Robert J. Shiller in der Öffentlichkeit den Mainstream gerne.3 So hat er schon Spitzensteuersätze von 80% befürwortet, um so notfalls gewünschte Umverteilungseffekte zu erzielen. Andere Gruppen verschreckt er mit der Vorstellung, ausgerechnet Makrorisiken nicht über den Staat, sondern über geeignete Instrumente an Finanzmärkten abzusichern. Nur der Dritte in diesem Trio, Lars P. Hansen, fällt nicht mit solch starken Aussagen auf. Er ist Methodiker, hat neben vielen wichtigen Beiträgen insbesondere die Schätzmethode „Generalized Method of Moments“ (GMM) entscheidend mitentwickelt. Die Weiterentwicklung der Momentenschätzer liefert konsistente Schätzer für Modellparameter auch unter sehr allgemeinen Bedingungen. Dies ist besonders auch an Finanzmärkten bedeutsam, weil gerade Renditen typischerweise nicht normalverteilt sind. All dies bringt ihn aber nicht in den Fokus der Öffentlichkeit.

Stark vereinfacht könnte man sagen, Fama argumentiert im wirtschaftspolitischen Sinn sehr konservativ, Shiller im US-amerikanischen Sinn liberal, während Hansen eher unpolitisch bleibt. Diese Haltungen passen gut zu ihren akademischen Arbeiten, vielleicht haben sie sogar die Auswahl der Themen und Vorgehensweisen geprägt. Aber diese Grundeinstellung, die die öffentliche Wahrnehmung dominiert, ist nicht identisch mit dem wissenschaftlichen Werk. Dies zeigt sich exemplarisch anhand der Hypothese effizienter (Finanz-)Märkte.

Effizienzmarkthypothese

Den namensgebenden Aufsatz zu dieser Hypothese hat Fama 1970 publiziert.4 Allerdings hat er sich in den 1960er Jahren bereits in zahlreichen Studien mit der Prognostizierbarkeit von Aktienkursen beschäftigt. Im Wesentlichen hat er immer wieder festgestellt, dass dies kaum möglich ist. Dabei hat er implizit Standards gesetzt, die eine überzeugende Analyse einhalten muss, um einen möglichen Anlageerfolg zu ermitteln. Dies ist eine bis heute bedeutsame Leistung. Insbesondere beinhaltet dieser Standard drei Elemente: Erstens muss die Rendite von Finanzmarktanlagen in Relation zum damit einhergehenden Risiko gesetzt werden. Das damals sich durchsetzende Kapitalmarktmodell (Capital-Asset-Pricing-Modell – CAPM) hat dafür einen ersten Anhaltspunkt geliefert, aber zum Industriestandard wurde es erst in den folgenden 20 Jahren. Zweitens muss die Prognose strikt an den verfügbaren Informationen orientiert sein – im Nachhinein ist man schlauer und kann leicht argumentieren, warum sich Finanzmarktpreise in bestimmte Richtungen entwickeln „mussten“. Drittens muss jede aktive Anlagepolitik, die als erfolgreich gelten will, die Benchmark eines Marktportfolios schlagen, bei dem kaum Transaktionskosten anfallen.

Wenn man diese analytischen Standards beachtet, dann ist es schwierig Anlagestrategien oder Investoren zu finden, die Prognosefähigkeit besitzen. Dies ist der Kern der Effizienzmarkthypothese. Ein erfolgreicher Prognostiker müsste ja etwas wissen oder in einer Form nutzen, was andere nicht tun. Aber warum sollten andere diese grundsätzlich verfügbaren Informationen nicht verwenden, wenn man damit prognostizieren kann? Im Grunde also sorgt der Wettbewerb auf Märkten dafür, dass die verfügbare Information auch genutzt wird und sich dementsprechend in den Preisen niederschlägt.5 Unter den drei unterschiedenen Informationsarten legt Fama besonderen Wert auf Fundamentalinformationen über Volkswirtschaften, Unternehmen und Wirtschaftspolitik: Wenn diese Informationen in die Kurse voll einfließen, dann sind Finanzmärkte „halb-streng“ informationseffizient.

So überzeugend diese Grundidee scheint, so schwierig ist es sie empirisch zu testen. Eigentlich ist ein Modell erforderlich, das die Preisbildung beispielsweise von Aktienkursen vollständig abbilden kann. Tatsächlich gibt es so viele Einflüsse, dass dies illusorisch erscheint. Fama präferiert deshalb den Ansatz der Ereignisstudien, um zu prüfen, ob und wie fundamentale Informationen sich in Kursen niederschlagen.6 Dabei wird in einem überschaubaren Zeitfenster geprüft, wie eine fundamentale Nachricht und der Kurs (bzw. die Rendite) zusammenhängen. Bei Gültigkeit der Effizienzmarkthypothese würden „gute“ Nachrichten zu einer schlagartigen Kurssteigerung führen und umgekehrt. Tatsächlich kann man dieses Muster robust an Finanzmärkten beobachten.

Allerdings ist dieser Test recht selektiv auf Einzelwerte in einem engen Zeitfenster und meist ohne Bewertung der Höhe der Preisänderungen bezogen. Weitergehend sind insofern Ansätze des Asset Pricing, die das ursprüngliche Kapitalmarktmodell (CAPM) erweitern. Hierzu zeigen Fama und French in mehreren Aufsätzen, dass die Renditen von Aktien im Vergleich zueinander (im Querschnitt) nicht nur davon abhängen, wie stark ein Titel mit der allgemeinen Marktentwicklung korreliert ist. Dieses „Marktrisiko“ wird sinnvoll durch zwei weitere empirische Risikofaktoren ergänzt.7 Erstens spielt die Unternehmensgröße eine Rolle: kleinere Unternehmen werfen oft höhere Renditen ab. Zweitens spielt die Bewertung eine Rolle, weil niedrig bewertete Aktien im Vergleich zu Aktien mit starkem Unternehmenswachstum ebenfalls höhere Renditen abwerfen. Diese höheren Renditen werden als Kompensation für Risiken verstanden, beispielsweise bei kleineren oder niedriger bewerteten (wachstumsschwächeren) Unternehmen mit einem höheren Anlagerisiko.

In der Summe werden diese drei Risikofaktoren als Fama-French-Faktoren bezeichnet und inzwischen meist noch um einen Momentum-Faktor ergänzt. Anlagestrategien, die den Markt schlagen können, und sowohl diese vier Risikofaktoren als auch die anderen von Fama geforderten Standardelemente berücksichtigen, sind rar. Insofern stellt die Finanzmarktforschung hier deutlich höhere Hürden für die Praxis auf als noch vor 20 Jahren. Eine Konsequenz aus dieser offensichtlicheren Schwierigkeit, den Markt zu schlagen, ist die zunehmende Bedeutung von Indexfonds, die sich strikt an Markindices orientieren und bei ihren Anlageentscheidungen auf eigene Prognosen sowie daraus folgende aktive Strategien verzichten.

Zeitvariable Risikoprämien

Allerdings machen weder Ereignisstudien noch Risikofaktormodelle eine Aussage darüber, ob ein Aktienmarkt insgesamt angemessen bewertet ist. Genau hier setzt die Arbeit von Shiller ein. Bekannt geworden ist er mit empirischen Studien, die die Effizienzmarkthypothese mit dem Argument kritisieren, dass verfügbare Informationen über Dividenden letztlich Renditeprognosen über Aktien zulassen.8 Diese wichtige Debatte hat dazu geführt, die Bedeutung zeitvariabler Risikoprämien herauszuarbeiten. Insofern ist Prognostizierbarkeit dann kein Problem für die Theorie, wenn die unterschiedlichen Renditen genau eine Kompensation für die damit einhergehenden Risiken darstellen. Dies kann man sich so vorstellen, dass beispielsweise sehr prozyklische Aktien im Allgemeinen eine höhere Rendite aufweisen (sollten) als Zyklus-neutrale Werte oder vielleicht noch intuitiver, dass länger laufende Anleihen aufgrund ihres höheren Risikos im Allgemeinen eine höhere Rendite abwerfen als Tagesgeld.

Aus einer Sichtweise, wie sie Shiller vertritt, lautet die nächste Frage, ob denn die zeitvariablen Risikoprämien selbst wiederum gut zu verstehen sind. Falls nicht, hätten sie immunisierenden Charakter, denn dann wäre jede schwer verständliche Rendite (jeder entsprechende Preis an Finanzmärkten) immer der Reflex entsprechender Risikoprämien. Solch ein Verständnis der Finanzmärkte könnte man nicht mehr kritisch hinterfragen. Shiller argumentiert, dass die Bereitschaft risikobehaftete Titel zu halten, stärker schwankt als es ökonomisch rational scheint und insbesondere von sozialen Faktoren getrieben ist.

Soziale Dynamik

Sein grundlegender Aufsatz hierzu erschien 1984 unter dem programmatischen Titel „Stock Prices and Social Dynamics“.9 Dessen Überlegungen sind später ausgebaut und auf verschiedene Gebiete ausgeweitet worden. Unter anderem sind die Grundüberlegungen auch gut in seinen populär gewordenen Büchern erkennbar.10 Hier jedoch soll es um eine alternative Sichtweise zu Finanzmärkten gehen, die nicht nur deren Effizienz kritisiert (wie es Shiller beispielsweise in den genannten Studien gemacht hat), sondern die eine Art Gegenentwurf liefert. In der Fachwissenschaft hat sich Shiller damit gegenüber Fama nicht durchsetzen können, doch er hat zweifellos wichtige Impulse gegeben, die das Fach mit der neuen Forschungsrichtung „Behavioral Finance“ deutlich bereichert haben.11

Schon der Begriff „soziale Dynamik“ ist eine Provokation in der Finanzwirtschaftslehre. Deren Bemühen geht ja gerade darum zu zeigen, dass Preise letztlich von ökonomisch nachvollziehbaren Determinanten bestimmt werden und eben nicht von – sicherlich vorhandenen – irrationalen Akteuren. Kaum jemand wird solche Einflüsse bestreiten, doch bereinigen rationale Akteure deren Fehlverhalten, das dadurch letztlich nicht maßgeblich für Preise und Renditen ist – jedenfalls idealtypisch.

Shiller dreht sozusagen die Beweislast um: Davon ausgehend, dass soziales Verhalten „normal“ ist – er verweist hier auf Moden aller Art – fragt er, warum es an Finanzmärkten anders zugehen sollte. Diese Frage wird vor allem Nichtökonomen sofort einleuchten und Shiller präsentiert in seinem Aufsatz ausreichend Befunde, dass erstens Finanzmärkte nicht immer informationseffizient sein müssen und zweitens Menschen in ihren Entscheidungen sozialen Einflüssen unterliegen. Sein Aufsatz hat fast schon suggestive Kraft und ist auch heute noch lesenswert. Dennoch hat sich diese Sicht in der Wissenschaft nicht dominant durchgesetzt.12 Warum eigentlich?

Dafür mag es verschiedene Gründe geben, darunter auch Interessenlagen von Fachvertretern, Abgrenzung zu Nachbardisziplinen usw., aber der vielleicht wichtigste Grund liegt in der unzureichenden konstruktiven Alternative. Sowohl Shillers Aufsatz zur sozialen Dynamik als auch die Richtung der Behavioral Finance insgesamt sind stärker in ihrer Kritik als in ihrer Konstruktion und auch stärker in der Erklärung einzelner Phänomene als in der Gesamtsicht. Bezogen auf den genannten Aufsatz ist beispielsweise aus der Kritik der Effizienzmarkthypothese und der Existenz sozialer Dynamik nicht zwingend zu schließen, dass deshalb soziale Prozesse die entscheidenden Treiber für Preisbildungsprozesse sind. Man müsste dafür zeigen, wie sich solche Prozesse an den Finanzmärkten umsetzen und daraus testbare Hypothesen ableiten. Dies geschieht dort nicht und insofern ist der Aufsatz sehr anregend, aber es gelingt noch nicht, eine echte Alternative zur Effizienzmarkthypothese zu entwerfen.13 Eine schlüssige Alternative mag es (noch) nicht geben und dies wirkt sich nachteilig aus. Doch es liegen zahlreiche Erkenntnisse vor, die unter anderem von Shiller angestoßen wurden und die die wissenschaftliche Sichtweise auf Finanzmärkte und deren Effizienz stark verändert haben. Davon möchte ich hier die Rolle sozialer Dynamik in Form von Herdenverhalten herausgreifen.14

Herdenverhalten

Die von Shiller beschriebene „soziale Dynamik“ hat unter anderen Namen Eingang und Verbreitung in die Finanzmarktforschung gefunden, zum einen unter dem Label „Sentiment“ und zum anderen noch prominenter unter der Bezeichnung „Herdenverhalten“. Auch dieser Begriff ist Programm, denn natürlich soll Herdenverhalten an Mitläuferverhalten erinnern, also dass Transaktionen getätigt werden, weil andere es tun, nicht weil die Akteure es aus eigener Erkenntnis für richtig halten. Das Perfide ist hier, wie häufig in der Wirtschaftswissenschaft, dass Herdenverhalten zwei Seiten hat – es kann aus der Perspektive funktionierender Märkte hilfreich oder schädlich sein. Herdenverhalten ist dann hilfreich, wenn es als Lernen begriffen wird. Akteure folgen anderen, von denen sie (zu Recht) vermuten, dass sie einen Vorsprung haben. Durch ihre imitierende Aktion reduzieren sie diesen Vorsprung und intensivieren tendenziell den Wettbewerb. Herdenverhalten ist aber dann schädlich, wenn die Akteure an Finanzmärken entweder anderen „blind“ folgen und damit tendenziell Preisbewegungen verstärken oder wenn sie die eigene Information generell außer Acht lassen und damit den Markt als Mechanismus der Informationsaggregation schwächen.

Empirisch lässt sich gleichgerichtetes Verhalten gut beobachten (wobei berücksichtigt werden muss, dass jedem gleichgerichteten Verhalten im selben Umfang ein genau entgegengesetztes Verhalten gegenüber steht, also jedem Käufer ein Verkäufer). Allerdings ist nicht einmal klar, ob die Akteure auf dieselbe Information gleichgerichtet reagieren oder ob Herdenverhalten vorliegt. Bei Herdenverhalten ist es naturgemäß schwierig die Motive auszumachen: Die Finanzmarktforschung beschränkt sich meist auf indirekte Hinweise, beispielsweise wie sich verschiedene Gruppen verhalten, die mit guten Gründen als mehr oder gut informiert gelten können, wie Institutionelle Investoren im Vergleich zu Privatanlegern.

Da es hinreichend Studien gibt, die Herdenverhalten nicht nur bei schlechter informierten Privatanlegern, sondern auch bei professionellen Akteuren feststellen, ist davon auszugehen, dass es den Finanzmärkten zu einem gewissen Grad immanent ist. Dieses Verhalten treibt zu einem gewissen Grad immer wieder Preise in eine Richtung. Das Ergebnis anhaltender Kursentwicklungen ist offensichtlich ganz ähnlich wie das sogenannte Momentum, das in der Fama-French-Denkweise den vierten Risikofaktor darstellt.15 Insofern schließt sich der Kreis. Fama würde hier wohl von (Über-)Renditen ausgehen, die für eingegangenes Risiko kompensieren. Unzählige Studien haben Erklärungsansätze für das Momentum-Phänomen geliefert, wenngleich es keine etablierte Erklärung gibt, die mit dem Standard-Verständnis von Finanzmärkten konsistent wäre.16 Shiller hingegen würde bei Momentum wohl die behavioristische Erklärung präferieren, derzufolge das Verhalten der Akteure das Phänomen erzeugt, ohne dass die fundamentalen Daten dies „erfordern“ würden.

Famas Effizienz, Shillers Ineffizienz

Keine Frage, die beiden Nobelpreisträger haben ein unterschiedliches Verständnis davon, wie Finanzmärkte funktionieren. Aber dieser Gegensatz im Gesamtbild, der in ihren politiknahen Aussagen noch prononcierter hervortritt, ist kein Gegensatz in den wissenschaftlichen Erkenntnissen.17 Fama spricht nicht zufällig von der Effizienz der Finanzmärkte und verwendet nicht den umfassenderen Begriff der Funktionalität. Sein Begriff ist deutlich einzelwirtschaftlich beeinflusst, wie es auch in seinen Methoden, am offensichtlichsten in den Ereignisstudien, zum Ausdruck kommt. Selbst sein Drei-Faktoren-Modell hat primär die relative Bewertung einzelner Aktien zu anderen Aktien im Fokus. Insofern ist es auch kein Wunder, wenn spekulative Blasen für ihn kein Forschungsgegenstand sind; sie sind im Wortsinne „kein Thema“ für seine Art Forschung. Shiller kommt dagegen stärker aus einer volkswirtschaftlichen Richtung und stellt entsprechend andere Fragen. Sein Thema ist weniger ein Vergleich wie die Aktien zueinander stehen, als die Bewertung des gesamten Marktes in Relation zur Gesamtwirtschaft. Soziale Dynamik ist schon vom Konzept her ein Ansatz, der auf den Gesamtmarkt zielt und nicht so sehr auf einzelne Titel.

Insgesamt konkurrieren beide von ihrem wissenschaftlichen Paradigma her und in ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen. Als Wissenschaftler jedoch, und darum geht es in diesem Beitrag, ergänzen sie sich eher, selbst beim Thema (in-)effizienter Finanzmärkte. Neben ihren fruchtbaren Impulsen für weitere Forschung haben beide Einfluss auf die Praxis: Von Fama lernen vor allem (professionelle) Anleger, die demütiger werden, wenn sie seine Forschungsergebnisse beachten. Von Shiller lernen stärker Wirtschaftspolitiker, die die Eigendynamik der Finanzmärkte berücksichtigen und Effizienz nicht mit Funktionalität verwechseln.

  • 1 Die Begründung findet sich auf der Webseite www.nobelprize.org/nobel_prizes/economic-sciences/laureates/2013.
  • 2 Beispielsweise in E. F. Fama: Es gibt keine Blasen an den Märkten, Interview in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.10.2013.
  • 3 Vgl. beispielsweise U. J. Heuser: Ein Ökonom und Gentleman, in: DIE ZEIT vom 17.10.2013.
  • 4 E. F. Fama: Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, in: Journal of Finance, 25. Jg. (1970), H. 2, S. 383-417.
  • 5 Dieser Bezug der Effizienzmarkthypothese auf die Idee, dass es eigentlich um harten Wettbewerb geht, findet sich besonders prägnant bei B. G. Malkiel: The Efficient Market Hypothesis and Its Critics, in: Journal of Economic Perspectives, 17. Jg. (2003), H. 1, S. 59-82.
  • 6 E. F. Fama: Efficient Capital Markets: II, in: Journal of Finance, 46. Jg. (1991), H. 5, S. 1575-1617.
  • 7 Vgl. E. F. Fama, K. R. French: Common Risk Factors in the Returns on Stocks and Bonds, in: Journal of Financial Economics, 33. Jg. (1993), H. 1, S. 3-56.
  • 8 R. J. Shiller: Do Stock Prices Move Too Much to Be Justified by Subsequent Changes in Dividends?, in: American Economic Review, 71. Jg. (1981), H. 3, S. 421-436.
  • 9 R. J. Shiller: Stock Prices and Social Dynamics, in: Brookings Papers on Economic Activity, 1984, H. 2, S. 457-498.
  • 10 Beispielsweise G. A. Akerlof, R. J. Shiller: Animal Spirits: How Human Psychology Drives the Economy, and Why It Matters for Global Capitalism, Princeton 2009.
  • 11 R. J. Shiller: From Efficient Market Theory to Behavioral Finance, in: Journal of Economic Perspectives, 17. Jg. (2003), H. 1, S. 83-104.
  • 12 Neben meinem Eindruck möchte ich auf die jeweiligen Google-Scholar-Zitationen verweisen.
  • 13 Dies kommt auch im direkt anschließend an Shillers Aufsatz abgedruckten Kommentar von Stanley Fisher zum Ausdruck.
  • 14 Sehr wichtig für die Diskussion effizienter Finanzmärkte ist auch die Kritik „limitierter Arbitrage“.
  • 15 M. M. Carhart: On Persistence in Mutual Fund Performance, in: Journal of Finance, 52. Jg. (1997), H. 1, S. 57-82.
  • 16 Vgl. N. Jegadeesh, S. Titman: Profitability of Momentum Strategies: An Evaluation of Alternative Explanations, in: Journal of Finance, 56. Jg. (2001), H. 2, S. 699-720.
  • 17 Während manche Kommentare die Unterschiedlichkeit oder Gegensätzlichkeit von Fama und Shiller betonen, sieht das Nobelpreiskomitee ihre Ergänzung hinsichtlich der betrachteten Fristen, indem Fama auf die kurze und Shiller eher auf die lange Frist abstellten. Komplementarität betont auch Martin Weber, wenn er von Marktphasen spricht, solchen mit und ohne Spekulationsblasen (also sozusagen Shiller- oder Fama-Märkten). Hier wird eine Ergänzung der beiden Wissenschaftler hinsichtlich einzel- bzw. gesamtwirtschaftlicher Perspektive hervorgehoben.

Title:Efficient Financial Markets and Social Dynamic

Abstract:This year’s Nobel laureates in economics have a different understanding about the functioning of financial markets. However, this overall contradiction – which is even more pronounced in their policy statements – is no contradiction regarding scientific insights. In this respect they rather complement each other, even regarding the topic of (in)efficient financial markets.


DOI: 10.1007/s10273-013-1614-1