Nach einer Welle der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen in den 1980er und 1990er Jahren möchten viele Gemeinden jetzt wieder stärker die Daseinsvorsorge direkt gestalten. Dabei stellt sich die Frage „privat oder staatlich“ nur bei solchen Angeboten, die tatsächlich öffentliche Güter darstellen. Ob diese Güter von öffentlichen Unternehmen oder privat unter restriktiven Rahmenbedingungen und strenger Kontrolle effizienter angeboten werden können, ist schwer zu entscheiden. Zumindest erhalten die Gemeinden bei einer Rekommunalisierung auf wichtigen Gebieten wie der Energie- und Wasserversorgung bessere Steuerungsmöglichkeiten.
Rekommunalisierung – Eine Variation über das Thema „Staat oder Privat?“
Die Debatte um (Re-)Kommunalisierung, also um die Übernahme (privat-)wirtschaftlicher Tätigkeiten durch kommunale Stadtwerke, ist im Kern eine Variation über das klassische Thema „öffentlich oder privat“. Diese Debatte verläuft in der ökonomischen Zunft in (langen) Wellen.1 War im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Skepsis gegenüber zu viel staatlicher Tätigkeit verbreitet, bewegten die Erfahrungen von Weltwirtschaftskrise und Krieg viele Ökonomen dazu, dem öffentlichen Engagement weit mehr Raum, bis hin zur Verstaatlichung von „Schlüsselindustrien“, zu geben. Die Gegenposition hierzu brach sich politisch wirkungsmächtig in der Privatisierungs- und Liberalisierungsära unter Margaret Thatcher, gestützt von einer wieder gestiegenen Skepsis der ökonomischen Zunft gegen zu viel wirtschaftliche Staatstätigkeit, Bahn.
Allerdings bemühte sich bereits Alfred Marshall um eine differenzierte Position zur Frage „öffentlich oder privat“ als er versuchte, den Kampfbegriff des „Laissez faire“ wie folgt umzudeuten: „Thus a new emphasis is given to the watchword, Laissez faire: – Let everyone work with all his might: and most of all let the Government arouse itself to do that work which is vital, and which none but Government can do efficiently.“2
Damit hat Marshall vor über hundert Jahren bereits die zentralen Themen formuliert. Der Staat soll nur ausnahmsweise wirtschaftlich tätig werden und zwar dann, wenn es von der Gesellschaft für wichtig erachtet wird, also ein öffentliches Interesse vorhanden ist, und wenn eine öffentliche Institution diese wichtige Aufgabe besser bewältigt als ein privates Unternehmen. Auch bei Stadtwerken wird über Aufgaben und optimale Eigentümerstruktur diskutiert, und die Rekommunalisierungsdebatte führt damit die skizzierte Wellenbewegung in der allgemeinen ökonomischen Debatte im Kleinen nach.
Die richtige Fragestellung – und zwei (Teil-)Antworten
Um sich auf die richtigen Fragen konzentrieren zu können, ist es hilfreich, zunächst Unstrittiges festzuhalten. Weitgehend unstrittig ist, dass sich öffentliche wirtschaftliche Aktivität auf Bereiche mit Marktversagen beschränken soll. Dabei sind im Kontext der Rekommunalisierung vor allem natürliche Monopole relevant. Das ist nicht zuletzt daran erkennbar, dass sich die Debatte an auslaufenden Konzessionsverträgen für Versorgungsnetze entzündet hat (aber nicht darauf beschränkt ist). Es geht also nicht um das Gegensatzpaar „Markt oder Staat“, sondern schlicht um die Frage der Eigenerstellung durch die Kommune oder der Beauftragung eines (dann regulierten) privaten Unternehmens.
Als gewichtiges Argument gegen die Eigenerstellung durch kommunale Stadtwerke gilt die vermutete höhere Effizienz privater Unternehmen. Für die Kommunalisierung wird ins Feld geführt, dass sie es erleichtert, wichtige kommunale Interessen umzusetzen. Im Folgenden soll argumentiert werden, dass das Effizienzargument in seiner Eindeutigkeit nicht durch die ökonomische Forschung gedeckt ist. Das Argument pro Kommunalisierung ist jedoch ebenfalls nicht wirklich überzeugend – letztlich geht es hierbei darum, kommunale Stadtwerke zur Finanzierung kommunalpolitischer Ziele zu nutzen, wogegen letztlich neben rechtlichen vor allem auch Kontroll- und Transparenzprobleme sprechen.
Nicht „Markt oder Staat“, sondern „Privat oder Staat“
Die Spielarten der (Re-)Kommunalisierung sind vielfältig. Das gilt sowohl für den Inhalt (was wird kommunal betrieben?) als auch für die Form (wie ist der kommunale Einfluss gestaltet?).3 Ein interessantes Beispiel wird von Roland Schäfer, Bürgermeister von Bergkamen und Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, beschrieben. Bergkamen gründete zusammen mit den Nachbargemeinden Bönen und Kamen die Gemeinschaftsstadtwerke Kamen-Bönen-Bergkamen, die 1995 erstmals die Strom- und Gasversorgung aus privater in öffentliche Hand übernahmen. Nach und nach kamen weitere Aktivitäten hinzu: Fernwärme, ein lokales Telekommunikationsnetz; 2006 wurde die Abfallentsorgung statt an private Anbieter an die Stadtwerke vergeben, 2008 der Konzessionsvertrag mit dem privaten Wasserversorger gekündigt und in der Folge de facto ebenfalls durch das kommunale Stadtwerk übernommen.4
Bei all diesen Wirtschaftsaktivitäten liegt häufig in wichtigen Bereichen ein natürliches Monopol vor, am augenscheinlichsten im Bereich der Verteilnetze für Strom, Gas und (Ab-)Wasser. Es geht daher nicht um die Frage „Markt oder Staat?“, denn eine rein marktliche Lösung kann es im Bereich natürlicher Monopole mangels Wettbewerbs nicht geben. Vielmehr geht es um die Frage, ob die jeweilige Dienstleistung besser direkt durch ein öffentliches Unternehmen (oder auch Eigenbetriebe) erstellt wird, oder im Rahmen eines regulierten Wettbewerbs durch ein privates Unternehmen.
Sind private Betreiber natürlicher Monopole effizienter?
Natürlich gibt es Bereiche, in denen öffentliche Unternehmen nichts verloren haben. Das sind all die Bereiche, in denen funktionsfähiger Wettbewerb möglich ist. Kommunale Unternehmen sollten daher nicht in Konkurrenz zu privaten Unternehmen treten. Tun sie das, so zeigt sich, dass ihre Leistungen im Wettbewerb gegenüber Privaten zurückfallen. So lautet dann auch das Fazit in einem Überblicksartikel zu Effekten der Privatisierung: „Research now supports the proposition that privately owned firms are more efficient and more profitable than otherwise-comparable state-owned firms.“5 Allerdings zielt auch das Subsidiaritätsgebot der meisten Gemeindeordnungen gerade darauf ab, kommunale Tätigkeiten in solchen Bereichen zu verhindern, in denen sie in Wettbewerb zu Privaten treten würden.6
Ein in diesem Zusammenhang wichtiges und besonders gut erforschtes Gebiet ist der Stromsektor, im Besonderen die Stromverteilung. Kwoka analysierte eine große Zahl (543) amerikanischer Stromversorger, wovon viele in öffentlichem Eigentum sind (396), und viele vor allem der Privaten ebenfalls in der Stromerzeugung aktiv sind. Die Analyse zeigte, dass private Unternehmen zwar im wettbewerblichen Bereich der Stromerzeugung effizienter sind, nicht aber im Bereich der Verteilung – also im Bereich des natürlichen Monopols.7 Auch das Qualitätsniveau, gemessen an Stromunterbrechungen, ist in den USA, so Kwoka, bei öffentlichen Versorgern höher.
Diese empirischen Beobachtungen stützen ältere theoretische Überlegungen zur Regulierung unter asymmetrischer Information. Wenn der Gegenstand der Regulierung gut vertraglich fixierbar und gerichtlich überprüfbar ist, dann kommen die Vorteile effizienterer Anreize innerhalb einer privaten Organisation zum Tragen. Sind aber zusätzliche, schwieriger vertraglich zu regelnde Gegenstände (wie Qualität, bzw. die Verantwortung für Qualitätsreduzierung) wichtig, gilt dies nicht mehr zwingend. Denn private Unternehmen werden dann tendenziell Kostenreduzierungen zu Lasten der Qualität vornehmen, wogegen es bei öffentlichen Unternehmen diesen Fehlanreiz nicht gibt.8 Auch wenn für Deutschland kaum Analysen, die mit denen von Kwoka vergleichbar sind, durchgeführt wurden, so lässt sich doch vermuten, dass es zumindest keine starke Evidenz für die Hypothese gibt, dass Private zwangsläufig einen Effizienzvorteil beim Betrieb von Verteilnetzen genießen.
Diese Überlegungen beziehen sich auf eine gegebene Unternehmensstruktur. Eine weitere wichtige Frage ist, ob und wie eine effiziente Unternehmenslandschaft aussieht, wenn man in langer Frist Veränderungen des Unternehmenszuschnitts mitbetrachtet.9 In verschiedenen internationalen Studien ist gut belegt, dass es für die im Kontext der Rekommunalisierung betrachteten Sektoren deutliche Größen- und Verbundvorteile gibt. Für Kanada zeigt Yatchew, dass deutliche Größenvorteile existieren und dass Stromversorger, die weitere Versorgungsleistungen anbieten (z.B. Wasser und Abwasserentsorgung), ebenfalls Kostenvorteile genießen.10 Für Europa und bei zusätzlicher Berücksichtigung von Qualitätskomponenten kommen Growitsch et al. zu ähnlichen Ergebnissen.11
Unterstellt man für Deutschland ebenfalls Größenvorteile (was nicht ganz klar ist),12 so wäre zu fragen, ob eher eine kommunale oder eine private Eigentümerstruktur geeignet wäre, durch Zusammenschlüsse die richtige Größe zu erreichen. Auch wenn es regionale kommunale Zusammenschlüsse gibt (siehe das Beispiel Bergkamen), so wird man vermuten, dass eher private als kommunale Anteilseigner bereit sind, Eigentum an Stadtwerken aufzugeben, um Größenvorteile zu realisieren.
Weniger klar ist dies für Verbundvorteile. Hier könnte man vermuten, dass eher die Kommunen bereit sind, ein komplexes Portfolio vor Ort zu führen. Privaten, gegebenenfalls internationalen, Investoren könnten die Feinheiten der unterschiedlichen Regulierungen von Gas, Strom, Wasser, Abwasser, Verkehr, etc. zu kompliziert erscheinen. Auch besteht hier eher die Gefahr des „Rosinenpickens“, also der Verzicht der Übernahme verlustbringender Aktivitäten, auch wenn diese Verbundvorteile erzeugen mögen (beispielsweise öffentliche Bäder, Personennahverkehr).
Beschränkt man sich in der Diskussion sinnvollerweise auf kommunale Aktivitäten im Bereich natürlicher Monopole, so scheint es kein grundsätzliches Votum gegen einen öffentlichen Betrieb aus Effizienzgründen zu geben. Öffentliche Unternehmen scheinen hier nicht zwangsläufig ineffizienter zu sein als private. Allerdings würde man die empirischen Ergebnisse vermutlich überinterpretieren, wenn man die dokumentierten (leichten) Effizienzvorteile öffentlicher Unternehmen als hinreichenden Grund für eine (Re-)Kommunalisierung betrachtete.
Kommunale Stadtwerke zur Quersubventionierung kommunalpolitischer Ziele
Für „Staat“ in Form der Kommune spricht gerade der gewollte politische Einfluss auf die Geschäftspolitik der Stadtwerke. So fasst der Verband kommunaler Unternehmen die Vorteile einer Konzessionsvergabe an „eigene“ (d.h. kommunale) Stadtwerke wie folgt zusammen: „Kommunale Energieversorgungsunternehmen sind wichtige Arbeitgeber und vergeben Aufträge und Investitionen überwiegend an Unternehmen in der Region. Außerdem können Stadtwerke ihre Kommunen bei der Realisierung strategischer Ziele unterstützen, beispielsweise beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel oder beim Ausbau des Breitbandnetzes. Die Gewinne aus dem Netzbetrieb fließen nicht mehr an Dritte, sondern an die Eigentümerkommunen. So können andere Aufgaben der Daseinsvorsorge finanziert werden.“13
Die häufig vorgebrachte „Stärkung der lokalen Wertschöpfung“ droht zumeist mit Effizienzverlusten einherzugehen. Das gilt ganz offensichtlich für eine bevorzugte Auftragsvergabe an lokale Zulieferer, denn das birgt die Gefahr, dass preiswertere Dritte übergangen werden. Gleiches gilt für die Vorstellung, durch kommunale Betriebe Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu sichern. Denn dies impliziert, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben, bei denen die Grenzproduktivität zu gering ist oder sogar für solche Tätigkeiten noch ausgebildet wird. Letztlich führt dies zu einer Ressourcenbindung in ineffizienten Bereichen.
Auch die Verfolgung kommunaler Energiepolitik mithilfe von Stadtwerken ist zumeist kritisch. Ideen wie „kommunale Energieautarkie“, im Besonderen im Kontext von Strom aus erneuerbaren Energien, negieren die Verbundvorteile eines großen Stromsystems. Auch dass das kommunale Fördern von Strom aus erneuerbaren Energien im Rahmen des europäischen Cap-and-Trade-Systems für CO2 (zumindest kurzfristig) keinen Klimabeitrag leistet, stellt deren ökonomische Sinnhaftigkeit in Frage.
Gleichwohl sind Ziele wie lokale Beschäftigungsförderung oder Energiepolitik wichtig und ernst zu nehmen, wenn sie demokratisch legitimiert sind und die entstehenden Ineffizienzen und Kosten bewusst in Kauf genommen werden. Wenn eine Gemeinde ihre Ressourcen für mehr Beschäftigung oder mehr Strom aus Sonne ausgeben möchte, stellt sich allerdings die Frage, wie dies finanziert werden soll. Und grundsätzlich können Einnahmen aus Stadtwerkstätigkeiten für kommunale Beschäftigung, Energiepolitik, Breitbandausbau etc. genutzt werden.
Das Stadtwerk dient hierbei dann ganz wesentlich als Finanzierungsinstrument zur Umsetzung dieser politischen Ziele. Quersubventionierung kann hierbei ganz allgemein als Mittel verstanden werden, die Überschüsse aus bestimmten Bereichen für andere, politisch erwünschte Aktivitäten zu nutzen, worunter z.B. auch kommunale Beschäftigungsförderung (das Stadtwerk verzichtet auf Gewinne und beschäftigt dafür mehr Mitarbeiter als nötig) oder „regionale Wertschöpfung“ (das Stadtwerk kauft teurer ein als notwendig) fallen. Der Verband kommunaler Unternehmen spricht in seiner Aufzählung der Chancen der Rekommunalisierung ganz offen von Möglichkeiten der Quersubventionierung.
Ein relativ willkürlich gewähltes Beispiel hierfür sind die Stadtwerke Bonn. 2004 machten die überwiegend in kommunalem Eigentum befindlichen Stadtwerke Bonn Nullgewinne – so, wie es im Prinzip für ein öffentliches Unternehmen sein sollte. Die „rote Null“ von -0,5 Mio. Euro kam durch massive Gewinne im Bereich Energie und Wasser (+31 Mio. Euro) sowie Entsorgung (+3 Mio. Euro) zustande, die durch die umfangreichen Verluste im öffentlichen Nahverkehr (-34 Mio. Euro) fast genau ausgeglichen wurden. Aus verschiedenen Gründen (Umweltexternalitäten, Stauexternalitäten) kann eine Subventionierung des öffentlichen Nahverkehrs sinnvoll sein. Eine Finanzierung durch eine „Verbrauchsteuer“ (nichts anderes sind erhöhte Preise) auf Güter mit preisunelastischer Nachfrage (wie Energie oder Wasser) kann durchaus effizient (gemäß der Ramsey-Boiteux-Regel) sein.
Zu klären ist dann aber, wie langfristig die Finanzierung der so subventionierten lokalen Beschäftigung gesichert werden kann. Zumindest im Energiesektor ist dies problematisch. Der Wettbewerb im Endkundenmarkt wird eine dauerhafte Finanzierung über höhere Strom- und Gaspreise erschweren. Die Anreizregulierung setzt einer Finanzierung über höhere Netzentgelte Grenzen – es bleibt die Finanzierung über weniger stark restringierte Preise, wie Wasser- oder Entsorgungsgebühren. Aber auch diese geraten zunehmend unter den Druck der Wettbewerbsaufsicht.14
Ein weiteres gravierendes Problem bei der Finanzierung bestimmter Leistungen durch Quersubventionierung innerhalb eines Stadtwerkes ist die fehlende Transparenz. Während Steuern (auf kommunaler Ebene sind die Einflüsse natürlich im Wesentlichen auf die Hebesätze der Gewerbesteuer beschränkt) und Abgaben deutlich in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen werden, gilt dies für die Verschiebung von Deckungsbeiträgen innerhalb der Erfolgsrechnung eines kommunalen Stadtwerks ungleich weniger. Auch wenn sich letztlich eine demokratisch gewählte kommunale Exekutive für die Aktivitäten der von ihr kontrollierten Unternehmen in der Öffentlichkeit verantworten muss, ist die demokratische Kontrolle über derartige Umwege vermutlich deutlich schwächer.
Solche Kontrollprobleme und die ohnehin auf Dauer schwieriger werdende Quersubventionierung legen den Schluss nahe, dass eine Rekommunalisierung zur Finanzierung kommunalpolitischer Ziele eher kritisch zu bewerten ist. Vermutlich ist es notwendig und sinnvoll, für defizitäre kommunale Dienstleistungen explizit Steuern und Abgaben zu verwenden, bzw. zu erheben. Das sichert die Erbringung der Leistung, erhöht die Transparenz und schärft die Kontrolle darüber, ob die Bevölkerung die entsprechenden Leistungen tatsächlich auch haben möchte.
Rekommunalisierung: wenige Argumente dafür, wenige dagegen
Öffentliche kommunale Wirtschaftstätigkeit sollte sich auf Infrastrukturen und damit in der Regel auf Sektoren mit natürlichen Monopolen beschränken. Die Debatte um die (Re-)Kommunalisierung kann und sollte daher weniger ideologiebeladen geführt werden. Denn es geht nicht um die ordnungspolitische Grundsatzdebatte „Markt oder Staat“, da in diesen Sektoren „Markt“ mangels Wettbewerb nicht funktionieren kann. Die erwünschten Effekte des Wettbewerbs müssen hier immer durch eine entsprechende Regulierung simuliert werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob wirtschaftliche Tätigkeiten eher durch ein öffentliches Unternehmen oder durch ein reguliertes privates Unternehmen zu erbringen sind, aus ökonomischer Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Empirische Ergebnisse belegen zumindest keine eindeutige Überlegenheit privater Anbieter; dort, wo schwer kontrahierbare Qualität eine Rolle spielt, scheint sogar eher das Gegenteil zu beobachten zu sein. Gleichzeitig steht zu vermuten, dass private Eigentümerschaft geeigneter ist, Größenvorteile via Fusionen zu realisieren.
Wenn insgesamt kein eindeutiger ökonomischer Beleg zu finden ist, dass (Re-)Kommunalisierung ineffizient ist, bleibt die Frage, ob es starke Gründe gibt, die dafür sprechen. Kommunale Stadtwerke können genutzt werden, um kommunalpolitische Interessen durchzusetzen. Dies kann, wie beim Erhalt von Arbeitsplätzen, wirtschaftliche Ineffizienzen hervorrufen, die aber politisch in Kauf genommen werden. Auch wenn man sogar in einzelnen Fällen ökonomische Argumente für ein solches Vorgehen finden kann, bleibt neben dem Kontroll- und Demokratiedefizit der Zweifel, ob eine solche Finanzierung dauerhaft im liberalisierten Umfeld möglich sein wird.
Die Frage „Privat oder Staat“ kann in dem zur Diskussion stehenden Bereich also letztlich nicht eindeutig beantwortet werden. Auch wenn es wenig originell ist, lautet der Schluss aus diesen Überlegungen, dass es zwar eine Grundskepsis gegen zu viel öffentliche wirtschaftliche Betätigung gibt, es aber vom Einzelfall abhängt, ob eine (Re-)Kommunalisierung im Bereich natürlicher Monopole sinnvoll ist.
- 1 Zum Folgenden vgl. A. Shleifer: State versus private ownership, in: Journal of Economic Perspectives, 12. Jg. (1998), H. 4, S. 133-150.
- 2 A. Marshall: The social possibilities of economic chivalry, in: The Economic Journal, 17. Jg. (März) 1907, S. 7-29, Zitat S. 19.
- 3 Vgl. H. Bauer: Von der Privatisierung zur Rekommunalisierung, in: H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch (Hrsg.): Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, Potsdam 2012, S. 22-23.
- 4 R. Schäfer: Rekommunalisierung – Fallstricke in der Praxis, in: H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch, a.a.O., S. 76.
- 5 W. Megginson, J. Netter: From state to market: a survey of empirical studies on privatization, in: Journal of Economic Literature, 39. Jg. (2011), H. 2, S. 380.
- 6 Siehe z.B. Gemeindeordnung NRW § 105 Abs. 1 Nr. 3. Nur die hessische Gemeindeordnung kennt keine ähnliche Regelung, siehe D. Hauser: Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, Universität Tübingen 2004, S. 132. Im Einzelfall ist allerdings umstritten, welche Tätigkeiten zulässig sind, z.B. auf Grundlage § 107a Abs. 2 GO NRW.
- 7 J. E. Kowka: The comparative advantage of public ownership: evidence from U.S. electric utilities, in: Canadian Journal of Economics, 38. Jg. (2005), H. 2, S. 622-640.
- 8 O. Hart, A. Shleifer, R. Vishny: The proper scope of government: theory and an application to prisons, in: Quarterly Journal of Economics, 112. Jg. (1997), H. 4, S. 1127-1161.
- 9 Siehe hierzu auch C. Growitsch et al.: Anforderungen an die „Unternehmenslandschaft“ zur volkswirtschaftlich bestmöglichen Bewältigung der derzeitigen und zukünftigen Aufgaben im Strom- und Gasmarkt – Brauchen wir eine Re-Kommunalisierung der Energiewirtschaft?, WIK-Consult Bericht, Studie für die RWE AG, 2010.
- 10 A. Yatchew: Scale economies in electricity distribution: A semiparametric analysis, in: Journal of Applied Econometrics, 15. Jg. (2000), H. 2, S. 187-210.
- 11 C. Growitsch, T. Jamasb, M. Pollit: Quality of service, efficiency and scale in network industries: an analysis of European electricity distribution, in: Applied Economics, 41. Jg. (2009), H. 20, S. 2555-2570.
- 12 C. v. Hirschhausen, A. Cullmann, A. Kappeler: Efficiency analysis of German electricity distribution utilities – non-parametric and parametric tests, in: Applied Economics, 38. Jg. (2006), H. 21, S. 2553-2556, argumentieren, dass für Deutschland Größenvorteile von untergeordneter Bedeutung sind.
- 13 Verband kommunaler Unternehmen (VkU): Konzessionsverträge. Handlungsoptionen für Kommunen und Stadtwerke, September 2012, S. 6.
- 14 Siehe die Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts gegen die Stadtwerke Mainz (B8-159/11) und die Berliner Wasserbetriebe (B8- 40/10).
Renaissance öffentlicher Unternehmen? Ein Überblick zu Rekommunalisierungsstudien
Unter dem Schlagwort der Rekommunalisierung wird in Politik und Öffentlichkeit in den letzten Jahren verstärkt darüber debattiert, ob Aufgaben der Daseinsvorsorge, die früher nahezu ausschließlich von öffentlichen Unternehmen erbracht wurden und von denen viele im Laufe der Zeit privaten Unternehmen zur Ausführung übertragen wurden, in den Bereich der „Verfügungsgewalt“ der öffentlichen Hand zurückgeholt werden sollen.1 Trotz Aussagen wie „Die Rekommunalisierung ist in aller Munde“2 liegt allerdings bislang keine hinreichende empirische Absicherung vor, dass Rekommunalisierungen in der Breite realisiert werden und nicht nur „Talk“ als „Action“3 zu verzeichnen ist.
Die Diskussion um die tatsächliche oder vermeintliche Renaissance der öffentlichen Wirtschaft reiht sich ein in die seit langem geführte Debatte um die Frage, in welchem Umfang sich der Staat (einschließlich der Kommunen) zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben wirtschaftlich betätigen sollte. Auf diese intensiv erörterte Fragestellung wurden im Zeitablauf höchst unterschiedliche Antworten gegeben, die in der sehr kontroversen Debatte zum Ausdruck kommen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Umfang staatlicher Tätigkeiten in Deutschland und den meisten anderen Industriestaaten zunächst lange Zeit fast kontinuierlich stark ausgebaut worden. Dieser Trend wurde in den frühen 1990er Jahren unter dem Einfluss des New Public Management und anderer „staatskritischer“ theoretischer Strömungen umgekehrt. In der Folge wurden Privatisierungen forciert und die Vorstellung vom produzierenden Staat wich mehr und mehr der Vorstellung vom wettbewerblich ausgerichteten Gewährleistungsstaat. In jüngster Zeit wiederum werden zunehmend Indizien erkennbar, die eine Renaissance der öffentlichen Wirtschaft vermuten lassen.4
Zielsetzung des Beitrags ist es, einen narrativen Überblick über empirische Studien zu Rekommunalisierungen zu geben (vgl. Tabelle 1), um die wesentlichen Gründe, Treiber und Ziele von Rekommunalisierungsbestrebungen herauszustellen, zu veranschaulichen, in welchen Sektoren tatsächlich Rekommunalisierungen vollzogen werden, und Kriterien für eine erfolgreiche Rekommunalisierung darzulegen. Abschließend werden Herausforderungen für Wissenschaft und Praxis formuliert.
Gründe und Treiber von Rekommunalisierungen
In den analysierten Studien werden größtenteils übereinstimmend die folgenden Gründe und Treiber für Rekommunalisierungsüberlegungen angeführt: 5
- Durch die weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrisen wurde das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Märkte übergreifend erschüttert. In der Folge können sich Politiker bei einer Entscheidung für eine Rekommunalisierung zumeist auf eine breite Unterstützung der Bevölkerung berufen.
- In vielen Fällen wurden die an Privatisierungen gestellten Erwartungen nicht erfüllt. Konkret werden Enttäuschungen hinsichtlich der Qualität der Leistungserbringung und Preissteigerungen genannt. Als Gründe werden die oft nur unzureichenden Abwägungen von Privatisierungsentscheidungen durch die Politik sowie ein Politik- und Marktversagen angeführt; aufgrund der Entstehung von oligopolähnlichen Strukturen war eine Voraussetzung für wettbewerbsorientierte Preise, ein funktionierender Markt, nicht erfüllt.6
- Kommunen verfügen nach nunmehr knapp 20 Jahren managementorientierter Verwaltungsreformen gesamt betrachtend mittlerweile über ein besseres betriebswirtschaftliches Know-how. Dieses neu erwachte Selbstbewusstsein der Kommunen, in den Wettbewerb mit privaten Anbietern zu treten und damit die strategische Position der Kommunalwirtschaft stärken zu können, hat zu einer Wiederbelebung der Selbstverwaltungsidee geführt.
- Die Wahrung des kommunalen Einflusses und die Rückgewinnung kommunaler Steuerungsoptionen bzw. die Sorge, dass die kommunale Selbstverwaltung trotz grundgesetzlicher Garantie faktisch durch Ausgliederung öffentlicher Aufgaben aus der Kernverwaltung Schritt für Schritt ausgehöhlt wird.7 Der hohe Stellenwert dieses Grundes wird in der Studie von Albrecht/Lenk/Rottmann besonders deutlich:8 So führten von den befragten Kommunen, die eine Rekommunalisierung im Energiesektor für vorstellbar halten, 94,2% die Wahrung des kommunalen Einflusses als Grund für eine mögliche Rekommunalisierung an. Weit vor der Nennung einer fehlenden Zielkongruenz zwischen privater und öffentlicher Seite (44,2%), einer fehlenden Kontrolle (20,8%), sozialpolitischer Gründe (20,8%), zu hoher Transaktionskosten (7,5%) und nicht zufriedenstellender Leistungserbringung durch die private Seite (7,5%).
- Als weitere Gründe werden Ökologie- und Ressourcenargumente, das Wettbewerbsrecht (insbesondere Vergabe- und Beihilferecht) mit der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie das gerade kleinere Kommunen vor große Herausforderungen stellende und für einen Ausschreibungswettbewerb notwendige effiziente Ausschreibungsmanagement genannt.9
Ziele einer Rekommunalisierung
Bei der von Albrecht/Lenk/Rottmann durchgeführten Studie10 gaben 80,6% der Befragten an, dass mit einer Rekommunalisierung das Ziel einer zielgenaueren Steuerung und Wahrung des kommunalen Einflusses verfolgt wird. 73,4% verbinden mit einer Rekommunalisierung das Ziel der Einnahmengenerierung. 53,8% der Kommunen, die im Zeitverlauf eine Erhöhung ihrer Einnahmen durch Rekommunalisierung beabsichtigen, wollen auf diese Weise ihren Querverbund sichern, indem sie defizitäre Bereiche durch die Erträge der Energiesparte stützen. Die Sicherung des kommunalen Querverbundes geben 46% der Befragten als Ziel einer Rekommunalisierung an, gefolgt von der Erzielung günstigerer Preise für den Bürger (37,9%) und der Nennung ökologischer Ziele (33,9%).
In der international vergleichenden Studie für den Wassersektor werden als Ziele maßgeblich eine sozial gerechtere, transparentere und effizientere Leistungserbringung angeführt verbunden mit einer höheren Qualität und dem Vorrang von strategischen Nachhaltigkeitszielen vor dem Ziel einer kurzfristigen Gewinnmaximierung.11
Empirische Belege für eine Rekommunalisierung
Die international angelegte Studie von Pigeon et al. im Wassersektor bestätigt, dass in den untersuchten Fällen die genannten Ziele erreicht wurden. Allerdings gilt hierbei zu beachten, dass es sich keineswegs um eine repräsentative Studie handelt, deutsche Kommunen nicht eingeschlossen sind und ausschließlich der Wassersektor betrachtet wird.
Die Studie von Libbe/Hanke/Verbücheln konstatiert zusammengefasst,12 dass es nur bedingt verlässliche Zahlen gibt, mit denen sich der Trend der Rekommunalisierung belegen lässt. Zudem liegt der Fokus der öffentlichen Debatte auf dem Energiesektor. Hier wurden von 2007 bis März 2011 42 Stadtwerke neu gegründet. Dies ist in engem Zusammenhang damit zu sehen, dass dort seit 1998 in erheblichem Umfang materielle Privatisierungen stattfanden und sich nunmehr mit den vielerorts ausgelaufenen Konzessionsverträgen ein „window of opportunity“ geöffnet hat. Im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ist keine breite Rekommunalisierungsentwicklung erkennbar. Dies liegt maßgeblich darin begründet, dass hier die Kommunen primär die Betreiber sind und der Anteil privater Akteure gering ist. Ähnlich ist im städtischen Nahverkehr keine Rekommunalisierung zu erkennen, da dieser Bereich schon von einer kommunalen Eigentümerstruktur geprägt ist. Bei der Abfallentsorgung stellen Libbe/Hanke/Verbücheln eine deutliche Zunahme von Insourcing-Entscheidungen fest, weisen allerdings auf die mehrgestaltige Entwicklung hin: Insourcing wird überwiegend für Sammlung und Transport bestätigt, Outsourcing im Bereich kapitalintensiver Anlagen. Abschließend halten die Autoren fest, dass die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, der städtische Nahverkehr und die Abfallentsorgung entweder seit jeher in höherem Maße durch kommunale Leistungserbringung gekennzeichnet sind oder dort die Kooperation mit privaten Dritten eine seit vielen Jahrzehnten geübte Praxis ist. Für den Krankenhaussektor stellen sie fest, dass hier durchaus ein neues Nachdenken Einzug hält, da Modernisierungsaktivitäten in vielen Krankenhäusern mittlerweile aus Zuschussbetrieben finanziell rentable Geschäfte gemacht haben.
Wollmann kommt in seiner vergleichenden Studie zu dem Ergebnis,13 dass im Wassersektor in jüngster Zeit in Großbritannien keine, in Frankreich, Italien und Deutschland leichte Rekommunalisierungstendenzen zu verzeichnen sind. Im Energiesektor finden sich in Großbritannien, Frankreich und Italien nur leichte, in Deutschland – die Ergebnisse von Libbe/Hanke/Verbücheln und Lenk/Rottmann/Albrecht bestätigend – stark ausgeprägte Rekommunalisierungstendenzen.
Festzuhalten bleibt selbst für den im Fokus stehenden Energiesektor, dass sich zwar rund ein Drittel der befragten Kommunen eine Rekommunalisierung vorstellen können. Konkrete Maßnahmen im Energiesektor bleiben allerdings eher aus und werden nur von 16% der Kommunen geplant.14
Erfolgskriterien
In der Literatur und den analysierten Studien werden Erfolgsfaktoren, Voraussetzungen und Prüfschemata genannt, die zur Zielerreichung hilfreich sein und insbesondere auch ein Scheitern von Rekommunalisierungen verhindern können.
Libbe/Hanke/Verbücheln führen als Erfolgsfaktor eine professionelle Vorbereitung und Umsetzung in Verbindung mit langfristiger Wirtschaftlichkeit(-sberechnung) an.15
Röber bezweifelt, dass trotz managementorientierter Reformen auf der kommunalen Ebene und trotz der Formulierung von Corporate-Governance-Konzepten für öffentliche Unternehmen die Kommunalpolitik und -verwaltung inzwischen besser in der Lage sind, ihre Beteiligungen in Bezug auf politische Sachziele effektiv zu steuern. Mit Blick auf die Formulierung von Erfolgsfaktoren verweist Röber auf die von der OECD formulierten Anforderungen an Staatsbetriebe: „The state should act as an informed and active owner and establish a clear and consistent ownership policy, ensuring that the governance of state-owned enterprises is carried out in a transparent and accountable manner, with the necessary degree of professionalism and effectiveness.“16
Die von McDonald als Ergebnis einer Übersichtsstudie zusammengetragenen und für die Evaluierung von Rekommunalisierungsfällen im Wassersektor angepassten bzw. erweiterten Kriterien können als Grundlage für die Entwicklung von Erfolgsfaktoren dienen.17 McDonald differenziert die Kriterien Gerechtigkeit, Mitbestimmung/Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Entscheidungsfindung, Effizienz im Sinne eines wirtschaftlich effizienten und nachhaltigen Umgangs mit finanziellen Ressourcen, Servicequalität, Rechenschaftspflicht/Accountability, Transparenz, Arbeitsbedingungen, „Ethos“ der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie Nachhaltigkeit und formuliert für jedes Kriterium entsprechende Leitfragen für Fallstudienanalysen.
Ein detailliertes Prüfschema für den Energiesektor findet sich bei Turkowski.18 Dieser empfiehlt vor einer Rekommunalisierung folgende Prüfschritte vorzunehmen: Die Beurteilung eines finanziellen Erfolgs (Gewinne, Steuern, Konzessionsabgaben) unter Berücksichtigung kapitalmäßiger Anforderungen und haushaltsmäßiger Belastungen, die Unterstützung einer umwelt-, klima- und ressourcenschonenden Entwicklung der Kommunen, soziales Engagement und Unterstützung der Gemeinden bei sozialen Aufgaben, Unterstützung der Gemeinden bei ihren notwendigen wirtschaftlichen Aktivitäten, Unterstützung bei der Kommunalen Gesamtentwicklung und Standortpolitik, Einflussmöglichkeiten auf die Produkt-, Preis- und Konditionengestaltung des angestrebten Versorgungsunternehmens, Möglichkeiten lokaler Auftragsvergaben im Rahmen des Vergaberechts, Gewährleistung eines betrieblichen und steuerlichen Querverbunds im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, Akzeptanz des Unternehmens in der Öffentlichkeit sowie optimale Sicherstellung der Anforderungen des Energiewirtschaftsrechts.
Herausforderungen für Wissenschaft und Praxis
Gesamt betrachtend liegen nur wenige repräsentative Befunde zu Rekommunalisierungen vor. Ein eindeutiger übergreifender Trend für Rekommunalisierungen ist derzeit empirisch nicht hinreichend belegt, wobei sich stärkere Rekommunalisierungstendenzen in einzelnen Branchen wie im Energiesektor zeigen. Die Befunde aus der international vergleichenden Fallstudienanalyse für den Wassersektor stimmen mit den Ergebnissen der in Deutschland durchgeführten Studien, insbesondere im Energiesektor, überein. Für eine fundierte Analyse ist ein differenziertes Bild notwendig, weshalb es weiterer repräsentativer Studien zu Rekommunalisierungen und ihren Auswirkungen bedarf.
Dem öffentlichen Beteiligungsmanagement und Public Corporate Governance muss eine anforderungsgerechte Bedeutung zugemessen werden. Als entscheidend wird unter anderem eingeschätzt, wie Dienstleistungen reguliert und öffentliche Interessen gegenüber eigenen Unternehmen und privaten Partnern gesichert werden können. Der Eigentumsfrage in ihrer simplen Form „Staat oder Privat“ wird insgesamt eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Erforderlich ist eine an der jeweiligen Aufgabe ansetzende sorgfältige Einzelfallprüfung. Aufgaben mit hoher strategischer Relevanz sind von öffentlichen Einrichtungen wahrzunehmen, bei allen anderen Aufgaben gilt es, den Anbieter zu ermitteln, der die Leistung in Bezug auf klar definierte Qualitätsstandards am kostengünstigsten bzw. am wirtschaftlichsten erbringen kann. Folglich bietet sich ein vielfältiges Spektrum institutioneller Arrangements für die öffentliche Leistungserbringung an, das die Entwicklung neuer netzwerkorientierter Managementsysteme verlangt.19
Eine Lehre aus den Studien ist, dass es einer klaren Vision zur Ausgestaltung eines öffentlichen Managements, das die Privatisierung gegebenenfalls ersetzen bzw. ablösen soll, bedarf. Insbesondere sind auch Governance-Strukturen erforderlich, die tatsächlich eine verbesserte, d.h. nachhaltige, effektive und effiziente Leistungserbringung bei hoher Qualität und zu anforderungsgerechten Preisen gewährleisten.
Vor jeder Rekommunalisierungsbemühung muss systematisch versucht werden, Fallstricke zu erkennen und zu vermeiden. Zunächst müssen eventuelle Defizite der Privatisierung und der Leistungserbringung durch die öffentliche Hand gründlich analysiert und Lösungen gefunden werden.
Nur dann sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rekommunalisierung geschaffen, es kann aber auch fundiert gegen eine Rekommunalisierung argumentiert werden. Nicht in den Hintergrund geraten dürfen in der Diskussion § 65 Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung bzw. die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen der Gemeindeordnungen: Die öffentliche Hand soll nur dann an einem Unternehmen in privatrechtlicher Rechtsform beteiligt sein, wenn ein wichtiges öffentliches Interesse vorliegt und sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt.
Tabelle 1
Übersicht empirischer Studien zur Rekommunalisierung
Quelle | Sektor | Länder | Methodik |
---|---|---|---|
H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch (Hrsg.): Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, KWI-Schriften, Nr. 6, 2012. | Energie, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, | Deutschland | Erfahrungsberichte, Literaturrecherche, Bestandsaufnahme rechtlicher Handlungsrahmen |
J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln: Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme, DifU-Papers, Berlin 2011. | Energie, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, Krankenhäuser | Deutschland, Exkurs Europa | Sektorale Bestandsaufnahme, Meta-Studie, Literaturrecherche, Telefoninterviews bei ausgewählten Kommunen in der Abfallentsorgung |
T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht: Renaissance der Kommunalwirtschaft – Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen, Leipzig 2011. | Energie | Deutschland | Befragung (postalischer Fragebogen) aller Kommunen mit über 20 000 Einwohnern, Rücklaufquote 14,6% (102 Gemeinden) |
M. Verbücheln: Rückübertragung operativer Dienstleistungen durch Kommunen am Beispiel der Abfallwirtschaft, DifU-Papers, 2009. | Abfallwirtschaft | Deutschland | Kurzstudie anhand von Fallbeispielen, Literatur- und Internetrecherche, Fachgespräche mit kommunalen Experten |
H. Wollmann: Public Service Provisions in European Countries from Public/Municipal to Private Sector – and back to Municipal?, Papier für den 22. IPSA Kongress „Provision of Public Services“, 2012. | Energie, Wasser | Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland | International vergleichende Studie, Längsschnittanalyse |
M. Pigeon, D. A. McDonald, O. Hoedmann, S. Kishimoto: Remunicipilation: Putting Water Back into Public Hands, Amsterdam 2012. | Wasser | Kanada, Frankreich, Argentinien, Tansania, Malaysia | Vergleichende Fallstudienanalyse abgeschlossener Rekommunalisierungen, Interviews, Literaturrecherche |
- 1 M. Röber: Rekommunalisierung lokaler Ver- und Entsorgung – Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven, in: H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch (Hrsg.): Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, KWI-Schriften, Nr. 6, 2012, S. 81.
- 2 W. Frenz: Rekommunalisierung und Europarecht nach dem Vertrag von Lissabon, in: WRP – Wettbewerb in Recht und Praxis, Bd. 54, Nr. 1/2008, S. 75.
- 3 M. Röber, a.a.O., S. 86 f.
- 4 C. Schaefer, L. Theuvsen: Renaissance öffentlicher Wirtschaft: Fakt oder Fiktion?, in: C. Schaefer, L. Theuvsen (Hrsg.): Renaissance öffentlicher Wirtschaft. Bestandsaufnahme – Kontexte – Perspektiven, Baden-Baden 2012, S. 11.
- 5 J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln: Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme, DifU-Papers, Berlin 2011, S. 5; H. Bauer: Von der Privatisierung zur Rekommunalisierung, in: H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch (Hrsg.), a.a.O., S. 23; M. Röber, a.a.O., S. 84 f.; M. Verbücheln: Rückübertragung operativer Dienstleistungen durch Kommunen am Beispiel der Abfallwirtschaft, DifU-Papers, 2009, S. 13 f.; H. Wollmann: Public Service Provisions in European Countries from Public/Municipal to Private Sector – and back to Municipal?, Papier für den 22. IPSA Kongress „Provision of Public Services“, 2012, S. 20 f.; D. A. McDonald: Remunicipilation Works!, in: M. Pigeon, D. A. McDonald, O. Hoedmann, S. Kishimoto: Remunicipilation: Putting Water Back into Public Hands, Amsterdam 2012, S. 8 und 16.
- 6 T. Engartner stellt für die Aufgabenbereiche Gebäudereinigung und Entsorgung auf Basis einer zwischen Mai und Oktober 2008 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführten Studie bei ausgewählten Rekommunalisierungen (Kreis Aachen, Kreis Düren, Stadt Bergkamen) fest: „Viele Kommunen nehmen den Entsorgungsauftrag wieder selbst wahr, weil sich das Abfallgeschäft aufgrund neuer Recyclingtechniken bzw. -kreisläufe („Grüner Punkt“) als profitabel erweist und die Erbringung durch die privaten Anbieter regelmäßig teurer geworden ist.“ Vgl. T. Engartner: Kehrt der Staat zurück? Rekommunalisierungen in den Aufgabenbereichen Entsorgung und Gebäudereinigung, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, 32. Jg. (2009), H. 4, S. 339.
- 7 M. Röber, a.a.O., S. 87 f.; H. Bauer, a.a.O., S. 23.
- 8 T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht: Renaissance der Kommunalwirtschaft – Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen, Leipzig 2011, S. 8.
- 9 J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 5.
- 10 T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht, a.a.O.
- 11 D. A. McDonald, a.a.O., S. 13.
- 12 J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 6 und 12.
- 13 H. Wollmann, a.a.O., S. 18 f.
- 14 M. Röber, a.a.O., S. 87; mit Verweis auf die Studien von T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht, a.a.O.; und M. Verbücheln, a.a.O.
- 15 J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 12.
- 16 M. Röber, a.a.O., S. 88, und die dort zitierte OECD-Quelle (OECD Guidelines on the Corporate Governance of State-Owned Enterprises, 2005, S. 5).
- 17 D. A. McDonald, a.a.O., S. 14.
- 18 P. Turkowski: Handlungsoptionen bei auslaufendem Konzessionsvertrag, in: Verband kommunaler Unternehmen (Hrsg.): Stadtwerk der Zukunft IV, Berlin 2009, S. 75 ff.
- 19 M. Röber, a.a.O., S. 97.
Rekommunalisierung statt Privatisierung: Die richtige Antwort auf veränderte Bedingungen?
Seit Beginn der 1990er Jahre gab es in Deutschland – ähnlich wie in anderen europäischen Ländern – eine Tendenz zur zunehmenden Einbindung privater Unternehmen in die kommunale Aufgabenerfüllung.1 Allerdings war diese Entwicklung von Anfang an von erheblichen, unterschiedlich motivierten Widerständen begleitet. Teilweise sind Versuche zur Privatisierung deshalb über erste Ansätze nicht hinaus gekommen, vielerorts blieb es bei einer Diskussion. Hinzu kommt, dass parallel zur Privatisierung von manchen Kommunen auch versucht wurde, ihre Aktivitäten in sachlicher oder in räumlicher Hinsicht auszuweiten.2 In Anbetracht dieses doch insgesamt beträchtlichen Beharrungsvermögens der überkommenen Strukturen lassen sich die nunmehr seit einigen Jahren laufenden Bestrebungen zahlreicher Kommunen, ihre zuvor privatisierten Aktivitäten wieder zu „rekommunalisieren“, nicht als eine wirkliche „Trendwende“ interpretieren. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass eine beträchtliche Anzahl von Kommunen mit den bisherigen Ergebnissen ihrer Privatisierungsmaßnahmen offensichtlich unzufrieden war bzw. ist und sich von der Rekommunalisierung eine Verbesserung ihrer Situation verspricht.3
Vor dem dargestellten Hintergrund geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, ob es relevante Veränderungen von Rahmenbedingungen gibt, mit denen sich die kommunalen Bestrebungen zur Rücknahme von Privatisierungsentscheidungen plausibel erklären lassen. Soweit sich entsprechende Veränderungen feststellen lassen, wird sodann diskutiert, inwieweit die Rekommunalisierung wirklich eine geeignete Form der Reaktion auf veränderte Bedingungen darstellt.
Was ist Rekommunalisierung?
In der Diskussion über Privatisierung und Rekommunalisierung geht es zumeist nicht um die Frage nach der Notwendigkeit der kommunalen Bereitstellung von Leistungen (im Sinne der Gewährleistung eines gewünschten Leistungsangebots, mit einer bestimmten Quantität und Qualität), sondern um die Frage, ob ein von den kommunalen Entscheidungsträgern gewünschtes Leistungsangebot von den Kommunen in Eigenproduktion („inhouse production“) hergestellt oder bei privaten Unternehmen in Auftrag gegeben („contracting out“) werden sollte. Zur Eigenproduktion im weiteren Sinne gehört auch die Übertragung der Produktion auf eine verselbständigte kommunale Einheit in privater Rechtsform, wenn die Mehrheit der Firmenanteile in kommunalem Eigentum ist. Rekommunalisierung findet immer statt, wenn ein zuvor praktiziertes Contracting out beendet und zur kommunalen Eigenproduktion zurückgekehrt wird.
Die Entscheidung für oder gegen kommunale Eigenproduktion sollte aus ökonomischer Sicht vorrangig davon abhängig gemacht werden, ob mit Hilfe der Eigenproduktion ein Leistungsangebot (in der von einer Kommune jeweils gewünschten Quantität und Qualität) effektiver und effizienter als auf dem Wege eines Contracting out hergestellt werden kann. In kommunalen Entscheidungsprozessen spielen allerdings neben dem von den Bewohnern einer Kommune primär gewünschten Angebot einer kommunalen Leistung im Sinne des „Kernnutzens“4 dieser Leistung vielfach auch verschiedene „Zusatznutzen“ eine wesentliche Rolle; damit sind externe Effekte auf andere Bereiche der kommunalen Politik gemeint. So kann z.B. die lokale Energieversorgung mit Zusatznutzen verbunden sein, wenn gewünscht wird, dass die Energieversorgung klima- und umweltschonend erfolgen soll. Im Zusammenhang mit den in den vergangenen Jahren in Deutschland durchgeführten oder diskutierten Fällen der Rekommunalisierung sind als Zusatznutzen vor allem Vorteile für die Finanz-, Industrie-, Beschäftigungs- sowie Umwelt- und Klimapolitik angeführt worden.
Effektivität und Effizienz im Bereich der Kernnutzen kommunaler Leistungen
Eigentlich müsste eine kritische Betrachtung der Rekommunalisierung damit beginnen, nach der generellen Notwendigkeit der jeweils betroffenen Leistungsangebote zu fragen.5 Eine solche Diskussion würde jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass speziell die kommunale Bereitstellung von kostengünstigen Wohnungen seit langem umstritten ist,6 so dass vieles für einen vollständigen Rückzug der Kommunen aus diesem Bereich spricht – zumindest wenn von möglichen Zusatznutzen abgesehen wird. Sieht man von der totalen Privatisierung ab, so stellt sich zunächst die Frage, ob die Kernnutzen des Leistungsangebots besser und billiger mit einer rein kommunalen Produktion oder mit einer Privatisierung erreicht werden können. In diesem Zusammenhang hat sich in jüngster Zeit an den bislang angeführten Argumenten nichts geändert:7 Private Anbieter haben gegenüber kommunalen Trägern den Vorteil, Know-how von außen einzubringen, was zu einer besseren Versorgung sowie zu niedrigeren Kosten beitragen kann; zudem sind Größenvorteile zu erwarten, wenn die privaten Anbieter in mehr als einer Kommune tätig werden. Die Privaten werden Bestrebungen an den Tag legen, um die Versorgung zu verbessern und die Kosten zu senken, soweit damit ihre Gewinne erhöht werden können. Grundsätzlich ist es natürlich auch möglich, höhere Gewinne zulasten der Versorgungsqualität zu erzielen. Folglich hängt die Möglichkeit, Vorteile aus der Privatisierung zu generieren, nicht zuletzt davon ab, wie gut die Verträge zwischen einer Kommune und den Privaten spezifiziert werden können.8 Dabei ist auch zu regeln, wie auf eine Veränderung wesentlicher Faktoren reagiert werden soll.
Veränderte Rahmenbedingungen in Bezug auf die Vertragsgestaltung können darin gesehen werden, dass manche Kommunen mit ihrer Entscheidung zugunsten privater Produzenten in den vergangenen Jahren ungünstige Erfahrungen gemacht haben.9 Genau genommen sprechen solche Erfahrungen jedoch nicht generell gegen Privatisierungen. Vielmehr sollten die Erfahrungen genutzt werden, um für die Zukunft bessere Verträge auszuhandeln. Dabei sollte dafür gesorgt werden, dass die Kommunen neben einer Stelle für ihr Beteiligungsmanagement auch über eine Instanz verfügen, die für das Monitoring der Leistungen der privaten Anbieter zuständig ist. Zudem sollte vertraglich geregelt werden, dass die privaten Produktionseinheiten die für eine Beurteilung ihrer Leistungen relevanten Informationen an die zuständige Monitoring-Instanz weiterleiten.
Natürlich sind die entsprechenden Maßnahmen (effiziente Ausgestaltung der Verträge; laufendes Monitoring) mit (Transaktions-)Kosten verbunden. Das für eine Rekommunalisierung sprechende Argument, wonach kleineren Kommunen die erforderliche Expertise für ein effizientes Ausschreibungsmanagement fehlt,10 um aus kommunaler Sicht zu günstigen Verträgen mit privaten Produzenten zu gelangen, ist deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist natürlich auch zu fragen, ob kleinere Kommunen über das notwendige Know-how verfügen können, das für den Betrieb von eigenen kommunalen Versorgungseinrichtungen erforderlich ist. Denn auch hinsichtlich der kommunalen Eigenbetriebe oder Unternehmen ist eine effiziente Aufsicht erforderlich.
Relevanz der Zusatznutzen kommunaler Leistungen für finanzpolitische Ziele
Privatisierungen wurden vielfach mit dem fiskalischen Ziel begründet, mit Hilfe eines hohen Preises für den Verkauf kommunalen Eigentums einen wesentlichen Beitrag zur Sanierung des Budgets leisten zu können.11 Die Befürworter der Rekommunalisierung verfolgen demgegenüber das Ziel, aus den kommunalen Betriebseinheiten auf Dauer einen positiven Beitrag für den Kommunalhaushalt zu generieren.12 Hier können auch politökonomische Zusammenhänge eine Rolle spielen: Der Verkauf kann nur einmal zur Stimmenmaximierung eingesetzt werden; ein laufender Finanzstrom eröffnet den kommunalen Entscheidungsträgern demgegenüber immer wieder die Möglichkeit, sich gegenüber den Wählern mit ausgabenwirksamen „Wohltaten“ zu profilieren.
Die meisten Bereiche des kommunalen Leistungsspektrums, in denen Privatisierungen üblich sind, zeichnen sich durch eine Finanzierung über Preise, Gebühren oder Beiträge und folglich durch die Möglichkeit aus, Gewinne zu erzielen. Ein wesentliches Argument zugunsten der kommunalen Produktion kann deshalb darin gesehen werden, dass auf diesem Weg für die Kommunen höhere Einnahmen als im Fall der privaten Produktion – bei der auch die Privaten einen Teil der Gewinne behalten – generiert werden können. Die diesem Argument zugrunde liegende Zielsetzung, kommunale Unternehmen zur Gewinnerzielung einzusetzen, ist problematisch. Erstens fehlt es an Transparenz hinsichtlich der Frage, welchen Beitrag der einzelne Nutzer einer mit Gewinn erbrachten Leistung für die Finanzierung des kommunalen Haushalts erbringt. Zweitens haben Preise, Gebühren und Beiträge tendenziell eine regressive Verteilungswirkung. Und drittens können hohe Gebührensätze negative Effekte auf die Ansiedlung von Unternehmen und privaten Haushalten haben.
Die angeführten Einwände gelten auch dann, wenn die Gewinne der kommunalen Unternehmen nicht an den allgemeinen Haushalt abgeführt werden, sondern unmittelbar zur „Quersubventionierung“ anderer (verlustbringender) Bereiche eingesetzt werden (z.B. zur Finanzierung des ÖPNV oder städtischer Grünanlagen).
Ungeachtet der grundsätzlichen Kritik am fiskalischen Ziel der Rekommunalisierung ist durchaus einzuräumen, dass dieses Ziel aufgrund der allgemeinen Krise des kommunalen Einnahmensystems in den letzten Jahren unverändert relevant geblieben ist.13 Es ist nachvollziehbar, wenn die Kommunen jede Möglichkeit nutzen, um ihre finanzielle Situation zu verbessern. Gleichwohl wäre es natürlich besser, wenn sich der Gesetzgeber endlich dazu durchringen könnte, eine nachhaltige Reform der kommunalen Einnahmen in die Wege zu leiten; damit würde das fiskalische Ziel der Rekommunalisierung an Relevanz verlieren.
Neben den bislang diskutierten Gewinnabführungen wird für die Rekommunalisierung auch das Ziel der Maximierung von kommunalen Erträgen aus der Gewerbe- und Einkommensteuer angeführt.14 Dieses Ziel kann für eine Kommune besser erreicht werden, wenn die für die Produktion ihrer kommunalen Leistungen erforderlichen Inputs überwiegend innerhalb ihres Territoriums zum Einsatz kommen. Dies ist bei einem kommunalen Unternehmen eher der Fall als bei einem privaten Anbieter. Allerdings werden private Anbieter ja gerade deshalb gewählt, weil von ihnen Größenvorteile erwartet werden – was unter anderem durch eine räumliche Konzentration von Inputfaktoren erreicht werden kann.
Ein spezieller – und erst in jüngster Zeit stärker betonter – Aspekt des Ziels, Steuererträge zu maximieren, bezieht sich auf Inputs im Rahmen der örtlichen Produktion im Bereich der Energieerzeugung.15 In diesem Kontext wird offenbar davon ausgegangen, dass ein kommunales Unternehmen eher als ein privates Unternehmen dazu bereit sein könnte, dezentrale Verfahren der Energieerzeugung einzusetzen, mit der Folge eines erhöhten Gewerbe- und Einkommensteueraufkommens in jenen Kommunen, in denen Energieerzeugung bislang nicht oder nur in einem geringen Umfang betrieben wurde. Ungeachtet der klimapolitischen Dimension dieser Argumentation stellt sich vor allem die Frage, weshalb ein privates Unternehmen nicht dazu bereit sein könnte, für eine dezentrale Energieerzeugung zu sorgen. Entweder ist die dezentrale Energieerzeugung aufgrund der hierfür erforderlichen Umbaumaßnahmen grundsätzlich ein Verlustgeschäft; dann wird auch die Rekommunalisierung mit hohen Kosten verbunden sein. Oder das private Unternehmen verfügt über eigene Anlagen zur Energieerzeugung, die es weiterhin nutzen will. Im zuletzt angeführten Fall wäre unter rein fiskalischen Aspekten zu prüfen, ob über Vereinbarungen zur Erhöhung der Gewinnabführungen des privaten Unternehmens gegebenenfalls mehr Finanzmittel für eine Kommune mobilisiert werden könnten als mit Hilfe einer kommunal gesteuerten dezentralen Energieversorgung.
Welche Rolle spielen industrie- und beschäftigungspolitische Ziele?
Mit Hilfe von kommunalen Versorgungsstrukturen kann grundsätzlich auch in kleineren Städten und/oder strukturschwachen Regionen die Existenz von Headquarters gesichert werden.16 Private Versorgungsunternehmen erzielen einen Teil ihrer Effizienzvorteile infolge der räumlichen Konzentration bestimmter unternehmerischer Funktionen, nicht zuletzt im dispositiven Bereich. Mit dem Verlust entsprechender Funktionen kann in einer Stadt eine deutliche Lücke bei der Beschäftigung von höher qualifizierten Personen entstehen, die auch auf andere Bereiche negativ ausstrahlen kann. Möglicherweise hat dieser Aspekt aufgrund der allgemeinen Diskussion über die Bedeutung von Headquarters für die lokale Wirtschaftsentwicklung in jüngster Zeit zugenommen. Soweit die Bewohner einer Kommune bereit sind, auf mögliche Effizienzvorteile zugunsten der Förderung von Headquarters zu verzichten, kann diese Politik akzeptiert werden. Allerdings müssen die Bewohner hinreichend über ihre möglichen höheren Belastungen informiert werden. Zudem wäre es für die lokale Entwicklung eigentlich immer günstiger, wenn sich die Politik auf die Förderung der Entstehung von neuen Unternehmen im privaten Sektor konzentrieren würde.
Kommunale Unternehmen können dazu beitragen, relativ gut entlohnte Beschäftigungsverhältnisse auch für Personen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu garantieren und gegen ein mögliches „Lohndumping“ anzugehen.17 Auch diese Zielsetzung hat ihren Wert. Allerdings könnte mit Hilfe der angeführten Argumentation der kommunale Sektor beliebig ausgeweitet werden. Zudem stellt sich die Frage nach einem gerechten Zugang zu entsprechenden Beschäftigungsverhältnissen.
Speziell im Zusammenhang mit der Energieversorgung lässt sich zusätzlich das bereits erwähnte Argument anführen, wonach mit Hilfe kommunaler Versorgungsunternehmen der Übergang zu einer dezentralen Energieerzeugung eher zu erreichen wäre, mit der auch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort verbunden wären. Soweit die Energieerzeugung bislang außerhalb einer Kommune erfolgte, sind für sie mit der dezentralen Energieerzeugung natürlich mehr lokale Jobs verbunden.18 Dies lässt sich allerdings auch mit Hilfe eines privaten Versorgungsunternehmens erreichen.
Umwelt- und klimapolitische Ziele
Weitere Vorteile einer kommunalen Produktion werden darin gesehen, dass mit ihrer Hilfe umwelt- und klimapolitische Ziele eher als im Fall der privaten Produktion erreicht werden können. Auch dies gilt speziell für den Bereich der Energieversorgung. Hier haben sich die Rahmenbedingungen dahingehend verändert, dass heute große Teile der Bevölkerung für die „Energiewende“ im Sinne einer stärkeren Nutzung regenerativer Energien sowie einer Steigerung der Energieeffizienz eintreten. Wie bereits erläutert wurde, wird in diesem Zusammenhang offenbar davon ausgegangen, dass private Anbieter nicht hinreichend dazu bereit wären, für die von vielen Bürgern befürwortete dezentrale Energieerzeugung zu sorgen. Soweit dies zutrifft, sollte allerdings zunächst im Einzelfall geprüft werden, ob die privaten Anbieter mit Hilfe von Zuschüssen und/oder einer Neuaushandlung der bisherigen vertraglichen Regelungen zu einer stärkeren Dezentralisierung ihrer Energieerzeugung veranlasst werden können, bevor zur Eigenproduktion übergegangen wird. Ob die Eigenproduktion in Anbetracht ihrer oben angeführten allgemeinen Nachteile – selbst unter der Annahme, dass es durch die Dezentralisierung zu einer kostengünstigeren Energieerzeugung kommen würde – tatsächlich effizienter als ein privater Anbieter sein kann, ist zumindest fraglich.19
Fazit
Es konnte gezeigt werden, dass hinter den aktuellen Bestrebungen zur Rekommunalisierung sowohl einige relevante Veränderungen von Rahmendaten (wie etwa neuere Erkenntnisse über die Bedeutung von Headquarters für die lokale Wirtschaft, der verstärkte Wunsch in der Bevölkerung, die „Energiewende“ zu beschleunigen oder neue Möglichkeiten der lokalen Wertschöpfung im Bereich der Energieerzeugung) als auch einige allgemeine kommunale Problemlagen (wie der „fiscal stress“ der Kommunen) stehen. Rekommunalisierung ist jedoch nur eine mögliche Reaktion auf die veränderten Rahmendaten bzw. allgemeinen Problemlagen. Gerade in Bezug auf die fiskalischen Aspekte wäre es besser, wenn sich die Kommunen verstärkt für die längst überfällige Reform des kommunalen Einnahmensystems einsetzen würden, als die kommunalen Unternehmen immer mehr als „Melkkühe“ für ihr allgemeines Budget zu nutzen. Hinsichtlich lokaler klimapolitischer Zielsetzungen ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weshalb sich diese mit einem privaten Energieversorgungsunternehmen nicht realisieren lassen sollten. Gleiches gilt für die meisten Zusatznutzen der kommunalen Eigenproduktion, vielleicht mit Ausnahme der erwarteten positiven Effekte in Bezug auf lokale Headquarters. Die Gewichtung dieser Zusatznutzen in Relation zu möglichen Kostensteigerungen sollte mit größter Sorgfalt erfolgen – sie muss natürlich jeder Kommune selbst überlassen bleiben.
- 1 Vgl. hierzu H. Wollmann: Die traditionelle deutsche kommunale Selbstverwaltung – ein „Auslaufmodell“?, in: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 41. Jg. (2002), H. 1, S. 24-51.
- 2 Zur Befürwortung derartiger Aktivitäten vgl. z.B. U. Steckert: Liberalisierung, Wettbewerb und Sinnkrise in der Kommunalwirtschaft – 33 Feststellungen und Thesen, in: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, 41. Jg. (2002), H. 1, S. 70.
- 3 Ein Überblick über Umfang und Ausprägungen der Rekommunalisierung findet sich bei J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln: Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme, Difu-Paper, Berlin 2011, S. 6-12.
- 4 Vgl. zum Begriff des Kernnutzens z.B. P. Kotler, F. Bliemel: Marketing-Management, 9. Aufl., Stuttgart 1999, S. 671.
- 5 Vgl. hierzu z.B. H. Zimmermann: Kommunalfinanzen, 2., überarbeitete Aufl., Berlin 2009, S. 61-81.
- 6 Vgl. etwa J. Eekhoff: Ordnungspolitischer Rahmen für die Rolle der Kommunen bei der Wohnungsversorgung, in: P. Haug, M. T. W. Rosenfeld, D. Weiß (Hrsg.): Zur Zukunft der kommunalen Wohnungspolitik in Deutschland und Europa, IWH-Sonderheft, Nr. 3/2012, Halle 2012, S. 24.
- 7 Vgl. P. Haug, M. T. W. Rosenfeld: The Reform of Local Public Services of General Interest in Europe, in: Applied Economics Quarterly Supplement (Beihefte der Konjunkturpolitik), Bd. 55, 2004, S. 32-42.
- 8 Vgl. zu dieser Problematik der Vertragsgestaltung die Darstellung bei H. Mühlenkamp: Öffentliche Unternehmen aus der Sicht der Neuen Institutionenökonomik, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 29, H. 4, 2006, S. 413-415.
- 9 Vgl. J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 5.
- 10 Vgl. ebenda. Auch die zunehmende Komplexität des auf EU-Regulierungen basierenden Vergaberechts kann zur Verstärkung der Rekommunalisierungstendenzen beigetragen haben.
- 11 Ein in diesem Zusammenhang vielfach genannter, besonders prominenter Fall war der Verkauf der städtischen Wohnungsfirma WOBA in Dresden an einen privaten Eigentümer. Vgl. z.B. H. Bauer: Von der Privatisierung zur Rekommunalisierung – Einführende Problemskizze, in: H. Bauer, C. Büchner, L. Hajasch (Hrsg.): Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, KWI-Schriften, Bd. 6, Potsdam 2012, S. 17.
- 12 Zum empirischen Befund einer sehr hohen Relevanz dieser Zielsetzung für die aktuellen Rekommunalisierungsbestrebungen vgl. T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht: Renaissance der Kommunalwirtschaft – Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen, Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge, Leipzig 2011, S. 10.
- 13 Speziell für den Bereich der Abfallentsorgung lässt sich mit dem Preisanstieg für Sekundärrohstoffe auch eine höhere Gewichtung des Ziels der Einnahmenerzielung begründen, vgl. J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 10.
- 14 Vgl. z.B. ebenda, S. 7.
- 15 Zu den möglichen Effekten veränderter Strukturen im Bereich der Energieversorgung auf die örtliche Beschäftigung und das kommunale Steueraufkommen (sowie zusätzlich auf kommunale Einnahmen aufgrund der Verpachtung von Boden sowie der Gewinnabführung von kommunalen Unternehmen) vgl. B. Hirschl et al.: Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien, Schriftenreihe des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Nr. 196/10, Berlin 2010, http://www.ioew.de/publikation-single/Kommunale_Wertschoepfung_durch_Erneuerbare_Energien/?tx_t3ukioew_pi1%5Bpointer%5D=6&cHash=2a2c5a71f7784f1a68873f7155904a98 (4.2.2013).
- 16 Vgl. hierzu exemplarisch zur Motivation der Stadt Dresden: „Stadtrat stimmt dem Kauf der GESO-Energieholding zu“, Pressemitteilung der Stadt Dresden vom 19.3.2010, http://www.dresden.de/de/02/035/01/2010/03/pm_065.php?lastpage=zur, (6.2.2013).
- 17 Vgl. J. Libbe, S. Hanke, M. Verbücheln, a.a.O., S. 5; vgl. zu dieser Motivation der Kommunen auch H. Bauer, a.a.O., S. 15.
- 18 Vgl. B. Hirschl et al., a.a.O. Hinsichtlich des teilweise erwarteten Booms im Bereich des Handwerks ist darauf hinzuweisen, dass dieser in erster Linie während der Investitionsphase entstehen dürfte.
- 19 Zum empirischen Befund, demzufolge im Bereich der Energieversorgung aus Sicht der Kommunen das Lenkungsziel eindeutige Priorität vor dem Ziel der Effizienz hat, wenn eine Rekommunalisierung angestrebt wird, vgl. T. Lenk, O. Rottmann, R. Albrecht, a.a.O., S. 17.
Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen – Chancen und Risiken
Jahrelang, so schien es, galt in Deutschland das Postulat „Privat vor Staat“. Die Privatwirtschaft sei automatisch effizienter, qualitativ besser oder finanziell günstiger. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Privatisierungen kein Allheilmittel sind. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen mehr Teilhabe, wollen die Dinge verstehen und hinterfragen sie heutzutage kritischer. Dieses mag auch eine Entwicklung sein, die aus den Erfahrungen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise resultiert. Die Menschen in den Städten und Gemeinden nehmen die Leistungen ihrer kommunalen Unternehmen wie der Stadtwerke bewusster wahr und schätzen sie mehr als noch vor einigen Jahren. Hierbei handelt es sich allerdings auch um einen Trend, der sich bereits vor der Krise abgezeichnet und nun verstärkt hat. Als die Stadt Leipzig beispielsweise Mitte 2008 rund 50% ihrer Stadtwerke an einen französischen Konzern verkaufen wollte, formierte sich hiergegen der Wille der Bürgerschaft. Unter dem Motto „Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt“ sammelte eine Bürgerinitiative mehr als 42 000 Unterschriften, führte ein Bürgerbegehren durch und erwirkte einen Bürgerentscheid mit dem Ergebnis, dass sich mehr als 80% dafür aussprachen, dass die Stadtwerke Leipzig weiter vollständig kommunales Eigentum bleiben sollten. An diesem Bürgerentscheid beteiligten sich mehr Bürgerinnen und Bürger, als an der Wahl des Oberbürgermeisters.
Fragt man die Kunden, ob sie lieber kommunal oder privat versorgt werden wollen, dann bestätigt sich dieser Trend. 81% der Verbraucher bringen ihr Vertrauen eher den örtlichen Stadtwerken entgegen als privaten Großunternehmen oder Konzernen. 70% würden eine Privatisierung ihrer Stadtwerke eher ablehnen, so die Ergebnisse einer Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).
Die Kommunalwirtschaft in Deutschland ist ausgesprochen erfolgreich. Die ca. 235 000 Beschäftigen in diesem Sektor erwirtschaften 2010 Umsatzerlöse von rund 95 Mrd. Euro. Das sind 235 000 sichere Arbeitsplätze. Der Bereich Energiewirtschaft weist außerdem eine überdurchschnittliche Ausbildungsquote auf. In den Flächenländern ist die Zahl der kommunalen Unternehmen zwischen 2000 und 2009 um rund ein Fünftel auf knapp 13 258 Unternehmen angestiegen.
Kommunalwirtschaft hat in Deutschland Tradition
Kommunales Wirtschaften hat in Deutschland eine lange und erfolgreiche Tradition. Die Gründe dafür sind so einfach wie naheliegend: Die Kommunalwirtschaft hat einen örtlichen Bezug. Sie ist in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelt und richtet sich nach den konkreten Bedürfnissen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Sie wird kontrolliert durch die Städte und Gemeinden, also letztlich durch die Bürgerinnen und Bürger, die bei den Kommunalwahlen bestimmen können, ob sie mit dem vor Ort Geleisteten zufrieden sind oder einen Wechsel wünschen.
Die Ausgestaltung der Daseinsvorsorge, also von Dienstleistungen der Kommune, an deren Erbringung ein allgemeines öffentliches Interesse besteht, kann dabei wirtschaftlich oder nicht-wirtschaftlich sein, im Wettbewerb oder als Monopol erfolgen, gewinnbringend, kostendeckend oder zuschussbedürftig sein. Die Bandbreite reicht von der Energie- und Wasserversorgung, über Abwasser- und Abfallentsorgung, Feuerwehr, Friedhöfe, Krankenhäuser, sozialen Wohnungsbau und ÖPNV bis zu kulturellen, sportlichen und sozialen Angeboten. Zentrale Idee der Daseinsvorsorge ist die Orientierung am Gemeinwohl, verstanden als Gesamtinteresse der Bürgerschaft. Das Gemeinwohl beinhaltet Gedanken wie Ver- und Entsorgungssicherheit, Nachhaltigkeit, Transparenz, Erschwinglichkeit einer Leistung für breite Bevölkerungsschichten sowie Erhalt von Qualitäts-, Umwelt- und Sozialstandards. Gemeinwohl steht zwar im Widerspruch zu dem Ziel reiner Profitmaximierung, nicht aber im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichem Denken oder Gewinnerzielung.
Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge ist allerdings politisch nicht unumstritten. Immer wieder wird sie in der öffentlichen Debatte dem Vorwurf von Ineffizienz und Intransparenz, mangelnder Flexibilität und fehlender Modernität ausgesetzt. Tatsächlich aber stellen sich die kommunalen Unternehmen dem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft in vielfacher Weise. In Zeiten, in denen Klimaschutz und Mobilität eine immer größere Bedeutung erlangt, bieten Stadtwerke zunehmend abgestimmte Mobilitätskonzepte beispielsweise durch Förderung von Elektro-Autos oder E-Bikes in Kombination mit Ökostrom an. Durch das Angebot von Online-Anwendungen oder Apps können Kunden praktisch und bequem an Informationen oder Fahrscheine gelangen und selbstverständlich ist kommunalen Unternehmen auch immer daran gelegen, Prozesse zu optimieren. So können speziell geschulte Serviceeinheiten von öffentlicher Seite betriebene „shared-service-center“ technische oder büromäßige Standardfunktionen oft effizienter umsetzen als die Kernorganisation des Unternehmens.
Auch Vorwürfe, Kommunen würden sich in daseinsvorsorgefremden Bereichen engagieren, bedürfen einer genaueren Betrachtung. Der Bürger erwartet von seiner Kommunen immer mehr einen „Rundum-Service“. Wenn ein Verkehrsunternehmen nicht nur Fahrkarten, sondern auch Konzertkarten verkauft, ist dieses Nebengeschäft eine entsprechende Serviceleistung, die den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen gerecht werden möchte.
Kein Tafelsilber, sondern Essbesteck
In den 1980er und 1990er Jahren haben viele Städte und Gemeinden ihre Leistungen, etwa im Bereich der Abfallentsorgung, privatisiert. Als die Finanz- und Wirtschaftskrise die Kommunen 2009 mit voller Wucht traf und sie ein Defizit von über 7 Mrd. Euro verbuchen mussten, wurde in einigen Medien gemutmaßt, dass die Städte und Gemeinden wieder verstärkt auf Privatisierungen oder den Verkauf von Beteiligungen setzen. Das entsprach nicht den Tatsachen. Denn hierbei handelt es sich nicht um ein nachhaltiges Konzept gegen Finanznöte. Das kommunale Vermögen, sei es in Form eines kommunalen Unternehmens mit den daraus entwickelten wirtschaftlichen Aktivitäten oder aber beispielsweise in Gestalt des kommunalen Wohnungsbestandes, ist ein wesentlicher Baustein zur Gestaltung der lokalen Politik. Es handelt sich im Regelfall also nicht um Tafelsilber, das lediglich zu besonderen Anlässen benötigt wird und auf das im Zweifelsfall verzichtet werden kann, sondern um das „Essbesteck“ der Städte und Gemeinden. Mit diesem kann Ansiedlungs- und Arbeitsmarktpolitik gestaltet werden. So ist die Ausbildungsquote in kommunalen Betrieben höher als in der Privatwirtschaft. Erlöse aus einem Verkauf haben nur einen Einmaleffekt, der sich nicht wiederholen lässt. Dauerhafte Gewinnausschüttungen der Unternehmen fallen dafür künftig weg. Anders verhält es sich auch nicht hinsichtlich des kommunalen Wohnungsbestandes, der ein Grundpfeiler für eine soziale Stadtentwicklungspolitik ist. Sind die Wohnungen privatisiert, kann dieses in Zeiten eines angespannten Wohnungsmarktes die Situation noch verschärfen.
Die Privatisierungswelle verdeutlichte vor allem den finanziellen, aber auch den gesellschaftlichen Druck, unter dem die Städte und Gemeinden damals standen. Auch wenn die angespannte Haushaltslage vielerorts heute noch vorherrscht, gibt es mittlerweile zahlreiche Neugründungen oder Rückkäufe von Stadtwerken. Die Motivation ist dabei weniger, eine neue Einnahmequelle (wieder) zu erschließen. Vielmehr steht hinter dieser Entwicklung der Wunsch, Gestaltungsmacht zurückzugewinnen. Eine Gemeinde kommunalisiert nicht, bloß um auch wirtschaftlich tätig zu sein. Ziel ist nicht die wirtschaftliche Betätigung als solche, sondern der Wunsch, mitzugestalten.
Gestaltungsmacht als Chance
Die in der Gestaltungsmacht liegenden Potentiale äußern sich in vielfältigster Weise. Durch die direktere Steuerung des Stadtwerkes durch Rat und Verwaltung kann beispielsweise die Stadtentwicklung viel gezielter verfolgt werden. Wenn eine Stadt ein lokales Klimaschutzkonzept hat, kann dieses besser umgesetzt werden, wenn sie über ihre Stadtwerke den Einsatz erneuerbarer Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung vorantreibt.
Kommunale Unternehmen helfen zudem, Gewinne vor Ort zu behalten und die Wertschöpfung in den Regionen zu steigern. Davon profitieren nicht nur das örtliche Handwerk, sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Ein kommunal geführtes Unternehmen ermöglicht aber auch eine flexiblere und kurzfristige Reaktion auf Bürgerwünsche und neue Anforderungen und somit letztlich mehr Bürgernähe. Wie wichtig das ist, zeigt sich gerade am Beispiel der Energiewende. Das Thema Energie ist sehr emotional besetzt und wird von allen Bürgern und den Medien mit großem Interesse und viel Aufmerksamkeit verfolgt.
Selbstverständlich spielen auch finanzielle Erwägungen bei der kommunalwirtschaftlichen Betätigung eine Rolle. Gewinnabführungen und Steuermehreinnahmen sind auch den Städten und Gemeinden willkommen. Eine Chance liegt sicherlich auch darin, auf diese Weise vielerorts überhaupt dauerhaft defizitäre Leistungen der Daseinsvorsorge – wie den Betrieb eines Schwimmbades – bereitstellen zu können. Im Gegensatz zu einem großen Aktienunternehmen sind die finanziellen Erwägungen allerdings regelmäßig nicht die zentralen Motive der Institution.
Augen nicht vor Risiken verschließen
Nicht immer ist es die beste Lösung, ein Unternehmen wieder zu kommunalisieren. Chancen und Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden. Die Risiken sind vor allem wirtschaftlicher Natur. Entscheidungserheblich sind hier beispielsweise die Folgekosten, die möglicherweise entstehen und in Bezug zu den Refinanzierungsmöglichkeiten gesetzt werden müssen. Eine Übernahme des örtlichen Stromnetzes kann z.B. schnell einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Dafür fehlt in vielen Gemeinden schlicht das Geld. Trotzdem gibt es Alternativen. Etwa indem ein kapitalkräftiger Partner gesucht wird, der im Rahmen einer Beteiligungslösung hilft, den Netzkauf zu finanzieren. Es gibt viele Alternativen wie eine Kooperation mit einer anderen Gemeinde, die Eingehung einer öffentlich-privaten Partnerschaft oder aber auch genossenschaftliche Lösungen, die in Betracht gezogen werden können.
Kein Prinzipienkampf
Die Parole „Privat vor Staat“ ist so falsch, wie es umgekehrt falsch wäre, vorrangig auf staatliche Anbieter zu setzen. Der Wettbewerb braucht beide, private und staatliche, in diesem Fall kommunale Anbieter. Die Frage Kommunalisierung bzw. Rekommunalisierung darf nicht zu einem ideologischen Prinzipienkampf werden. Hier ist Sachlichkeit geboten. Konkret muss vor Ort entschieden werden, ob eine Aufgabe besser von einem privaten oder einem kommunalen Unternehmen oder im Rahmen einer Zusammenarbeit erledigt werden soll. Es gibt keinen Königsweg und keinen Weg, der überall der gleiche ist. Entscheidungserheblich muss sein, was aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist und was im Interesse der Bürger liegt.
Und weil im Einzelfall zu entscheiden ist, dürfen die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nicht so verändert werden, dass den Kommunen diese Entscheidung aus der Hand genommen wird. Denn dann wird der Wettbewerb um die besten Lösungen verhindert. Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn alle Teilnehmer die gleichen Chancen haben. Benachteiligt man die Kommunen und kommunalen Unternehmen in diesem Wettbewerb von vorneherein, degradiert man sie zu Lückenbüßern. Ihnen bliebe der defizitäre Rest. Denn sie können sich – anders als private Unternehmen – von ihren gesetzlichen Aufgaben wie der Wasserversorgung oder der Müllabfuhr nicht einfach verabschieden, wenn das Geschäft nicht mehr lukrativ ist. Die Gemeinde möchte aber mehr sein als ein Ausfallbürge, sondern für eine konstante und adäquate Versorgung stehen.
Insbesondere der Energiesektor ist gefragt
Die im Sommer 2011 beschlossene Energiewende hat dem Trend zur Stärkung der Kommunalwirtschaft nochmals einen Schub gegeben. Ein wesentlicher Baustein zum Gelingen der Energiewende wird die Dezentralisierung der Stromerzeugung und -versorgung sein. Wichtige Zukunftsfragen, wie z.B. die Elektromobilität, der Ausbau alternativer Energien und die Breitbanderschließung im ländlichen Raum werden ohne wirtschaftliches Engagement der Städte und Gemeinden kaum möglich sein. All diese Bereiche hängen eng mit einer modernen Stromversorgung zusammen. Kommunale Stromnetze können ein wichtiges Steuerungselement sein und Wertschöpfung vor Ort erhalten. In vielen Kommunen laufen derzeit oder in naher Zukunft die Konzessionsverträge für Strom und Gas aus. Die Mehrzahl dieser Verträge wird in den nächsten Jahren neu verhandelt werden müssen. Allen Kommunen in Deutschland nunmehr zu raten, ein eigenes Stadtwerk zu gründen oder den Betrieb des Stromnetzes in die eigene Hand zu nehmen, wäre allerdings verfehlt. Das muss jeweils im Einzelfall vor Ort entschieden werden.
Überzeugungsarbeit in Europa bleibt
Auch wenn die Mehrheit der Deutschen kommunalwirtschaftlichen Betätigungen positiv gegenübersteht, so bedeutet dieses nicht, dass keine Überzeugungsarbeit mehr zu leisten ist. Die gewachsenen und erfolgreichen Strukturen der kommunalen Daseinsvorsorge und der Erbringung von Diensten vor Ort werden mehr und mehr in Frage gestellt, als im europäischen Binnenmarkt der reine Marktgedanke Raum greift. Der Wettbewerbsgedanke darf jedoch nicht alleiniges Leitbild europäischer Politik sein. In Deutschland wird traditionell die kommunale Daseinsvorsorge auch als Bestandteil einer sozialen Marktwirtschaft verstanden – eines Marktmodells, in der die öffentliche Hand im Interesse der Bürgerschaft und der Wirtschaft eine leistende und gewährleistende Rolle spielt. Die Zielsetzung der Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarkts wird im seit 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon ausdrücklich um das Ziel einer wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft ergänzt. Hierauf ist auf europäischer Ebene immer wieder hinzuweisen.
Selbstverständlich gelten die Regeln des deutschen und des europäischen Wettbewerbsrechts auch für kommunale Unternehmen, wenn sie am Markt agieren. Dort, wo sich kommunale Unternehmen im freien Wettbewerb befinden, muss dieser fair, transparent und nach den Regeln des Marktes erfolgen. Verdeckte Subventionierungen durch die Stadt und damit unzulässige Beihilfen im Sinne des europäischen Rechts sind nicht akzeptabel. Allerdings dürfen die Regeln auch nicht so ausgestaltet werden, dass sie der Aufgabenerfüllung der Daseinsvorsorge zuwiderlaufen oder sie gar unmöglich machen. Dazu gehören auch die derzeitigen Überlegungen zur Ausgestaltung der EU-Dienstleistungskonzessionsrichtlinie, wonach Kommunen ihre Wasserversorgung unter bestimmten Voraussetzungen europaweit ausschreiben müssen. Zahlreiche Stadtwerke, die in der Regel neben der Wasserversorgung noch andere Sparten bedienen, wie Energie oder Abfallentsorgung, müssten sich demnach nach einer Übergangsfrist ab 2020 einem Konzessionsvergabeverfahren stellen.
Gerade der europaweit führende Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland bei gleichzeitig sozialverträglichen Gebühren, ist auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen. Dieser Standard darf nicht leichtfertig durch ein einseitig an den Maximen des Vergaberechts orientiertes Ausschreibungsverfahren und damit durch die Gefahr einer „Zwangsprivatisierung“ durch die Hintertür ausgehebelt werden.
Wenn die Wasserversorgung nach der derzeit vorliegenden EU-Richtlinie auch zukünftig in kommunaler Hand gehalten werden soll, müsste sie in vielen Städten umorganisiert werden. Das heißt, die Wasserversorgung müsste als eigenständige 100%ige Tochter der Kommune ausgegliedert werden. Eine Umstrukturierung verursacht allerdings mehr Bürokratie und höhere Kosten, etwa durch eine Extra-Rechnungslegung, Datenbank- und Kundenpflege und wäre reine Förmelei. Damit steht die Richtlinie im Widerspruch zum Vertrag von Lissabon, der die kommunale Selbstverwaltung im Rahmen der Daseinsvorsorge betont. Die Wasserversorgung gehört hier ausdrücklich dazu. Daher muss unabhängig von ihrer Rechtsform die kommunale Wasserwirtschaft dort in kommunaler Hand bleiben können, wo Kommunen dieses wünschen.