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Der Handelsstreit um Solarmodule zwischen der EU und China wurde Ende Juli 2013 mit einem Kompromiss beigelegt. Die Autoren stellen dar, welche Folgen dies auf Preise, Mengen und die Verteilung der Marktanteile hat. Sie sind der Auffassung, dass es zu weiteren Verzerrungen des Marktes kommen wird, weil weiterhin in allen Ländern – nur teilweise ökologisch motivierte – Subventionen üblich sind. Die extremen Handelsungleichgewichte kommen allerdings vor allem dadurch zustande, dass die EU die Nachfrage und China die Produktion subventioniert. Ein globaler Lösungsansatz wäre erforderlich.

Am 27.7.2013 gab der Außenhandelskommissar der Europäischen Union, Karel De Gucht, den Kompromiss im Handelsstreit um Solarmodule zwischen der Europäischen Kommission und der chinesischen Regierung bekannt.1 Damit konnte der Handelsstreit, der im September 2012 mit der Eröffnung einer Antidumping-Untersuchung der Kommission gegen chinesische Photovoltaik-Produzenten begonnen und sich zuletzt Anfang Juli 2013 mit chinesischen Antidumping-Verfahren gegen europäische Spezialchemie-Hersteller zugespitzt hatte, vorerst beigelegt werden. Zumindest wurde eine Eskalation zu einem veritablen Handelskrieg in letzter Minute vermieden, denn für den 6.8.2013 war eine weitere erhebliche Verschärfung der europäischen Antidumping-Maßnahmen gegen China angekündigt.

Was ist von dieser Einigung in letzter Minute zu halten? Ist sie eine „halbgare Lösung“, die durch Preisabsprachen und Mengenbegrenzungen die marktwirtschaftlichen Mechanismen aushebelt?2 Oder ist sie eine Blamage, weil die europäische Kommission im Konflikt mit China „eingeknickt“ ist?3 Zwischen diesen Extrempositionen schwankt das Urteil der deutschen Wirtschaftspresse. Hier soll der Kompromiss vor dem Hintergrund der Lage in der weltweiten Photovoltaik-Branche bewertet und in die Systematik der Welthandelsorganisation (WTO) – die den Hintergrund für diesen Handelsstreit bildet – eingeordnet werden.

Das Antidumping-Verfahren der Europäischen Kommission

Am 6.9.2012 initiierte die Europäische Kommission eine Antidumping-Untersuchung gegen die Importe von kristallinen Photovoltaik-Produkten aus China. Da solche Verfahren Zeit brauchen, hat die Kommission von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, vor dem endgültigen Abschluss ihrer eigenen Untersuchung Importzölle auf chinesische Photovoltaik-Produkte als vorläufige Schutzmaßnahme der europäischen Photovoltaik-Branche zu erheben. Ab dem 6.6.2013 wurde auf die Produkte aller chinesischen Hersteller der einheitliche Ad-Valorem-Zollsatz von 11,8% erhoben. Am 6.8.2013 sollte diese vorläufige Maßnahme enden und die Zölle sollten auf herstellerspezifisch differenzierte Werte steigen, die bekannt gegeben wurden. Die Berechnung dieser Zollsätze erfolgte auf der Basis einer Stichprobe von Importeuren und chinesischen Produzenten, die in drei Gruppen eingeteilt wurden: chinesische Hersteller (Zollsätze zwischen 37,3% und 67,9%) allgemein, chinesische Hersteller, die nicht in der Stichprobe erfasst wurden (Zollsatz von 47,6%) und alle anderen Herstellerfirmen (Zollsatz von 67,9%).4 Die Zollsätze wurden nach der WTO-Regel des geringeren Zollsatzes berechnet (Lesser Duty Rule). Dazu werden zwei Fragen gestellt: 1. Um welchen Prozentsatz verkaufen die chinesischen Produzenten unter ihren Kosten? 2. Um welchen Prozentsatz liegen die europäischen Marktpreise unter den kostendeckenden Preisen für europäische Hersteller? Die erste Frage führt zur sogenannten Dumpingspanne (Dumping Margin), die zweite zur Schadensspanne (Injury Margin).5 Der geringere der beiden Werte wird zur Bestimmung des Antidumpingzolls verwendet.

Tabelle 1 zeigt die Dumping- und die Schadensspannen für die Top 10 der weltweiten Solarzellen- und -modulhersteller. Die Rangordnung der Unternehmen wurde nach ihrem Marktanteil 2011 bestimmt. Es zeigt sich, dass sechs Hersteller unter den Top 10 aus China stammen. Dies und insbesondere auch der rasche Aufstieg einzelner Unternehmen (teilweise verursacht durch Joint Ventures, z.B. Hareon Solar) zeigt die enorme Dynamik der chinesischen Photovoltaik-Produktion. Tatsächlich orientierten sich die verhängten Zollsätze jeweils an der Schadensspanne. Als Reaktion auf die vorläufigen Schutzmaßnahmen erließ die chinesische Regierung Antidumpingzölle auf die Importe von Toluidin, einer Chemikalie, die bei der Produktion von Farben, Medikamenten und Pestiziden eingesetzt wird. Die chinesischen Zölle auf europäische Chemikalien betragen bis zu 36,9%, mit Ausnahme der deutschen Lanxess AG, die nur einen Zoll von 19,6% entrichten muss. Damit wird deutlich, worum es hier geht: durch gezielte Maßnahmen soll Druck auf den Kontrahenten ausgeübt werden, um ihn an den Verhandlungstisch zu zwingen und Zugeständnisse zu erreichen.

Tabelle 1
Marktposition und Schutzzölle der führenden Solarproduzenten
  Unternehmen Herkunfts­land Rang Dumping­spanne in % Schadens­spanne in % Zoll­satz in %
Top 10 Solarzellenhersteller1
1 Suntech Power China 1 1 71,5 48,6 48,6
2 First Solar USA 2 3 - - -
3 JA Solar China 3 2 99,0 58,7 58,7
4 Yingli Green Energy China 4 4 96,2 37,3 37,3
5 Trina Solar China 5 5 93,3 51,5 51,5
6 Motech China 6 7 88,5 47,6 47,6
7 Canadian Solar Canada 7 13 - - -
8 Hareon Solar China 8 45 88,5 47,6 47,6
9 Sunpower USA 9 11 - - -
10 Gintech Taiwan 10 9 - - -
Top 10 Solarmodulhersteller2
1 Suntech Power China 5 1 71,5 48,6 48,6
2 First Solar USA 2 2 - - -
3 Yingli Solar China 1 3 96,2 37,3 37,3
4 Trina Solar China 3 4 93,3 51,5 51,5
5 Sungen Solar China - 5 - - -
6 Sharp Japan 6 6 - - -
7 Sunpower USA 8 7 - - -
8 Hanwha Solarone China 10 8 - - -
9 Jinko Solar China 7 9 88,5 47,6 47,6
10 REC Norwegen 9 10 - - -

1 Rang 2011 bzw. 2010.

2 Rang 2012 bzw. 2011.

Quellen: Photon. Das Solarstrom-Magazin, H. 4/2012, S. 42-75; dass., H. 4/2013; Europäische Kommission: Verordnung der Kommission (EU), Nr. 513/2013, in: Amtsblatt der Europäischen Kommission vom 4.6.2013.

Der Kompromiss

In der Einigung zwischen der EU und China haben sich 70% der chinesischen Hersteller in Form einer freiwilligen Selbstbeschränkung (sogenanntes „Price Undertaking“ im Jargon der WTO6) bereit erklärt, den Mindestimportpreis von 56 Cent pro Watt für Photovoltaik-Produkte zu übernehmen. Des Weiteren wurde eine maximale aber zollfreie Einfuhrmenge für die chinesischen Produkte und eine gleichzeitige Deckelung der importierten Gesamtmenge auf sieben Gigawatt pro Jahr festgesetzt. Die restlichen chinesischen Hersteller müssen ab dem 6.8.2013 die vorläufigen Antidumpingzölle in Höhe von 47,6% bezahlen. Die freiwillige Verpflichtung soll zunächst bis Ende 2015 gelten. Die endgültige Zustimmung der Europäischen Kommission zu dem Kompromiss erfolgte am 2.8.2013. Die Kommission zeigt sich überzeugt, dass der Kompromiss den europäischen Photovoltaik-Markt stabilisieren und die europäischen Anbieter wieder wettbewerbsfähig machen wird. Am 7.8.2013 beschloss die Kommission ergänzend, das laufende Antisubventionsverfahren fortzuführen. Eine endgültige Entscheidung in diesem Verfahren und in dem ebenfalls weiterlaufenden Antidumping-Verfahren wird zum 5.12.2013 erwartet.7

Der ausgehandelte Kompromiss wird von den europäischen Photovoltaik-Produzenten scharf kritisiert. Sie fassen ihn als Freibrief für einen weiteren Verkauf zu Dumpingpreisen auf und haben eine Klage beim Europäischen Gerichtshof angekündigt. Auf chinesischer Seite waren die Reaktionen auf den Kompromiss überwiegend positiv. Die Aktienkurse der großen Photovoltaik-Produzenten stiegen nach der Entscheidung am Montag bei Suntech um 8,51%, Yingli 5,24%, Trina 4,42%. Die offiziellen Verlautbarungen des Handelsministeriums8 und der Nachrichtenagentur Xinhua9 waren ebenfalls positiv. Die chinesische Handelskammer (CCCME) sprach davon, dass die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestpreisen durch eine große Zahl von chinesischen Photovoltaik-Produzenten mitgetragen wird, und dass ein Marktanteil von ca. 60% in Europa dauerhaft möglich sei. Nun müssen die chinesischen Exporteure die jährliche Quote von 7 GW unter sich aufteilen. Die Konkurrenz ist groß. Die CCCME hat einen ersten Verteilungsvorschlag erstellt, der aber äußerst umstritten ist.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen in der deutschen und europäischen Photovoltaik-Branche sind von dem ausgehandelten Kompromiss zu erwarten? Die vereinbarten Mindestpreise und Höchstmengen bedeuten zwar das Ende des Handelsstreits, aber gleichzeitig auch den Anfang einer komplexen Wirkungskette am europäischen Markt für Photovoltaik-Produkte. Wir erläutern dies anhand des Marktdiagramms in Abbildung 1. Die Geraden NE und AE bezeichnen die europäische Nachfrage nach Photovoltaik-Produkten und das entsprechende Angebot aus europäischer Produktion. Die Gerade AEC bezeichnet das Gesamtangebot aus europäischer und chinesischer Produktion.10 Ohne staatliche Preisregulierung ergibt sich der Dumpingpreis PD, bei dem chinesische Produzenten den weitaus größten Marktanteil haben.11 Bei vollständigem Protektionismus – und dies wäre bei den angedrohten Antidumpingzöllen von fast 70% der Fall gewesen – kommen chinesische Importe komplett zum Erliegen, so dass bei einem Angebot ausschließlich aus europäischer Produktion der Preis auf das Niveau PP ansteigt. Der ausgehandelte Kompromiss enthält einen Mindestpreis UP (Undertaking-Preis) und eine Höchstmenge UM (Undertaking-Menge), die zu dem europäischen Angebot unabhängig vom herrschenden Marktpreis maximal hinzukommen darf. Das Gesamtangebot am Markt (AU) nach dem Kompromiss entspricht der kombinierten Menge von europäischem Angebot und chinesischer Undertaking-Menge.

Welches neue Marktgleichgewicht sich nun ergibt, hängt letzten Endes von der Kombination mehrerer Faktoren ab: Undertaking-Preis, Undertaking-Menge, Photovoltaik-Förderung in Europa und ganz entscheidend auch von der Elastizität der europäischen Nachfrage. In unserer Grafik haben wir für die Elastizität einen mittleren Wert unterstellt, mit der Folge, dass die ausgehandelte Höchstmenge den Marktpreis über den ausgehandelten Mindestpreis anhebt. Wir halten dies für das wahrscheinlichste Ergebnis. Ob dies tatsächlich eintreten wird, werden die kommenden Monate zeigen. Tatsache ist jedoch, dass die Lage am europäischen Photovoltaik-Markt nicht nur von chinesischen Exporten beeinflusst wird, sondern ganz entscheidend auch von der Entwicklung der europäischen Nachfrage – und diese wiederum hängt von der weiteren Entwicklung der europäischen Förderpolitik für erneuerbare Energien (EE) ab.

Abbildung 1
Der Solarkompromiss und der europäische Photovoltaik-Markt
31497.png

Die Probleme der chinesischen Photovoltaik-Branche

Wie konnte es geschehen, dass die großen chinesischen Photovoltaik-Produzenten in die „Antidumping-Falle“ der Europäischen Kommission getappt sind? Man kann wohl davon ausgehen, dass sie als weltweit operierende Unternehmen über hinreichendes Know-How im Bereich des internationalen Marketings verfügen, um sich der Gefahren einer allzu aggressiven Preispolitik auf Auslandsmärkten bewusst zu sein. Die WTO-Spielregeln für Antidumping-Verfahren (die als Rahmenordnung auch für die Antidumping-Regeln der EU relevant sind) stellen den betroffenen Ländern erhebliche Freiheitsgrade zur Verfügung, um sich gegen Billigpreiskonkurrenz zur Wehr zu setzen. Außerdem sind Antidumpingzölle im Photovoltaik-Bereich für chinesische Produzenten nichts Neues. Die EU ist nach den USA der zweite Absatzmarkt, der sich auf diese Weise gegen chinesische Photovoltaik-Importe zur Wehr setzt. Aus chinesischer Sicht gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen Europa und den USA: Europa ist als Absatzmarkt für chinesische Photovoltaik-Produzenten viel wichtiger als die USA. Deshalb haben die europäischen Schutzmaßnahmen eine erheblich größere wirtschaftliche Bedeutung und werden in Peking sehr viel ernster genommen.

Der Kern des Problems liegt in massiven Überkapazitäten bei der Produktion von Photovoltaik-Zellen und -Modulen im Vergleich zur chinesischen Nachfrage auf dem Inlandsmarkt. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die chinesische Photovoltaik-Produktion die chinesische Photovoltaik-Installation nahezu um das Zehnfache übersteigt. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Produktionen und der Installationen in China.12 Der jährliche Zuwachs an Produktionskapazität hat sich insbesondere in den letzten Jahren auf über 100% erhöht, sie verdoppelt sich somit jedes Jahr. Im Vergleich dazu war der Zuwachs der heimischen Installation sehr gering. Dadurch entstand eine freie Exportkapazität von über 90% der chinesischen Produktion.

Abbildung 2
Überkapazitäten am chinesischen Photovoltaik-Markt
31189.png

1 Die freie Exportkapazität wurde als Differenz zwischen Produktion und Installation in % der Produktion, jeweils pro Jahr, berechnet.

Treiber dieser enormen Ungleichgewichte zwischen Produktion und Installation von Photovoltaik-Produkten ist die Subventionspolitik der chinesischen Regierung. Wohlgemerkt: Subventionen sind in allen Ländern üblich, die in der Oberliga der Photovoltaik mitspielen (wollen). Es geht also nicht um die Frage, ob subventioniert wird, sondern nur wie. Weltweites Vorbild war lange das deutsche Gesetz über erneuerbare Energien, das die Installation von Photovoltaik-Anlagen (und anderen Erneuerbare-Energien-Anlagen) durch Einspeisevergütungen fördert und diese durch Umlagen auf den Strompreis finanziert. Die Einspeisevergütungen sind verbunden mit der Abnahmepflicht für erneuerbare Energien bei den Netzbetreibern. Dieses Subventionierungsmodell ist völlig WTO-regelkonform, da die Subventionen indirekt allen Anbietern von Erzeugungstechnologien von erneuerbaren Energien zugute kommen können, unabhängig davon, ob es sich um in- oder ausländische Produzenten handelt. Deutschland wurde durch die Subventionen von erneuerbaren Energien zum größten Absatzmarkt für Photovoltaik-Anlagen. Anfangs waren es vor allem deutsche Anbieter, die die Nähe zum Markt in First-Mover-Vorteile umsetzen und führende Marktpositionen besetzen konnten. Es entstand eine Win-Win-Situation. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurden zum einen die umweltpolitischen Ziele für die Ausweitung sauberer Energieerzeugung erreicht und zum anderen eine recht erfolgreiche Industriepolitik zugunsten deutscher Produktionsstandorte betrieben.

Die WTO-konforme deutsche Art der Finanzierung per EEG-Umlage führt bekanntlich zu einer schleichenden Steigerungen des allgemeinen Strompreises und damit faktisch zu einer Umverteilung von der breiten Masse der privaten Stromkunden zu denjenigen, die wirtschaftlich in der Lage sind, sich auf kommerzieller oder privater Ebene an der Erzeugung von erneuerbaren Energien zu beteiligen. Ein Schwellenland wie China, das schon jetzt unter einer massiven Einkommens- und Vermögensungleichheit leidet, kann sich eine vergleichbare Förderung der Photovoltaik-Energie durch Umverteilung aus politischen Gründen nicht leisten. China konnte nicht davon ausgehen, dass es durch seine Subventionen First-Mover-Vorteile für heimische Unternehmen erzeugen würde, denn die Spitzenplätze am Weltmarkt waren schon besetzt. China hat deshalb in viel stärkerem Ausmaß als europäische Länder auf direkte Subventionen für Photovoltaik-Produzenten gesetzt. Sicher gab es Programme zur Förderung von Photovoltaik-Installationen (z.B. Golden Sun Program), doch der Schwerpunkt der chinesischen Solarförderung liegt bei der Subventionierung von Investitionen sowie von Forschung und Entwicklung der entsprechenden Unternehmen (Förderinstrumente: Erstattungen für Zinszahlungen, Elektrizitätskosten und Steuern, sowie Kreditgarantien etc.). Die finanzielle Unterstützung fließt vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie, von den Regionen und schließlich auch von den Banken, die in China auf Weisung der Regierung ihre Kreditpolitik anpassen müssen. Wenn Europa und insbesondere Deutschland als größter Markt für Photovoltaik-Produkte auf die Subventionierung der Nachfrage, und wenn China auf die Subventionierung der Produktion dieser Photovoltaik-Produkte setzt, dann ist unvermeidlich, dass extreme Ungleichgewichte in der Handelsbilanz zwischen den beiden Regionen auftreten. Der ausgehandelte Kompromiss zwischen der Europäischen Kommission und der chinesischen Regierung kann vielleicht kurzfristig die Auswirkungen dieser Ungleichgewichte lindern. Wenn aber die beiden Konfliktparteien nicht ihre Subventionspolitik ändern, dann wird das grundlegende Problem bestehen bleiben und der Kompromiss wird keinen längerfristigen Bestand haben können.

Preissteigerungen auf dem europäischen Photovoltaik-Markt – aber bitte nicht zu stark

Bekanntlich wurde das Antidumping-Verfahren gegen die chinesische Photovoltaik-Branche auf Initiative der Europäischen Kommission vorangetrieben, während sich die Bundesregierung zusammen mit der Mehrheit der Mitgliedsländer der EU dagegen aussprach. Diese nach außen demonstrativ gezeigte Opposition gegen das Verfahren der Kommission muss man nicht unbedingt wörtlich nehmen. Es steckt darin auch ein gutes Maß der bekannten „Mehr-Ebenen-Politik“ der EU. Die Kommission trat in diesem Konflikt als „Bad Guy“ auf, und gab damit der Bundesregierung und anderen die Möglichkeit, sich als „Good Guy“ zu positionieren. Tatsache ist, dass deutsche Photovoltaik-Produzenten das Antidumping-Verfahren mit initiierten und großes Interesse an einer Abschottung des europäischen Photovoltaik-Marktes gegenüber chinesischen Importen haben. Tatsache ist aber auch, dass die deutschen Photovoltaik-Projektierer und -Installateure schon längst nicht mehr ausschließlich auf Photovoltaik-Produkte aus heimischer Erzeugung setzen, sondern vielmehr auf chinesische Zulieferer angewiesen sind.

Die unmittelbare „Lösung“ des Handelsstreits besteht in Zugeständnissen der chinesischen Seite in Form von Preiserhöhungen der chinesischen Produzenten. Dies wird die Lage für europäische Produzenten von Photovoltaik-Zellen und -Modulen erleichtern, denn durch Preiserhöhungen chinesischer Anbieter, die schon jetzt in der Gesamtheit eine marktbeherrschende Stellung erlangt haben, werden die Marktpreise für die betreffenden Produkte ansteigen, wodurch für europäische Produzenten die Chance besteht, aus der Verlustzone herauszukommen. Sicherlich wird dies nicht allen gelingen, weiterhin wird großer Wettbewerbsdruck bestehen, dem schwächere Anbieter zum Opfer fallen werden. Die Marktbereinigung wird sich also weiter fortsetzen, wenn auch in gebremster Form.

Was aber für die einen die Lösung (oder zumindest die Abschwächung) Ihrer Probleme darstellt, bedeutet für andere den Beginn völlig neuer Probleme. Dies betrifft die europäischen und insbesondere die deutschen Solar-Installateure und -Projektierer, die sich auf der Basis der Billigimporte aus China gut eingerichtet hatten. Für manche von ihnen sind diese geradezu die Lebensversicherung, die ihr wirtschaftliches Überleben ermöglicht. Photovoltaik-Zellen und -Module werden wahrscheinlich als billige Massenprodukte für Deutschland Importprodukte bleiben, wie sie es faktisch seit einigen Jahren sind. In den Wertschöpfungsketten, in denen diese Produkte eine Rolle spielen, werden deutsche Unternehmen auf ausländische Zulieferer zurückgreifen – und daran ist nichts Schlechtes. Die Zeiten, als deutsche Unternehmen mit Exporten von Photovoltaik-Massenware zu den auf dem Weltmarkt Führenden gehörten, sind vorbei. Deutsche Unternehmen werden ihre Positionen in den transnationalen Wertschöpfungsketten finden, wie es auch in vielen anderen Branchen der Fall ist. Dies wird Deutschland – wahrscheinlich eines der weltweit am stärksten industriell vernetzten Länder – sicher gelingen. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen, welche Produkte von ausländischen Zulieferern bezogen werden und welche Produkte der Photovoltaik-Branche weiterhin in Deutschland hergestellt werden können. Die Wirtschaftspolitik sollte sich mit Versuchen zurückhalten, hier durch industriepolitische Maßnahmen einzugreifen. Und am allerwenigsten bieten die grobschlächtigen Verfahren der Welthandelsordnung die Möglichkeit, indirekte Industriepolitik zu betreiben. Mindestpreise zur Beilegung eines Antidumping-Streits, wie gerade mit China ausgehandelt, haben faktische industriepolitische Konsequenzen, sie sind aber viel zu stark politisiert und dem Spiel von Partikularinteressen ausgesetzt, als dass sie für eine zielgerichtete Wirtschaftssteuerung eingesetzt werden könnten.

Weltfremde Regeln der WTO zur Streitbeilegung

Dass ein Antidumping-Streitfall durch ein „Price Undertaking“ beigelegt wird, ist nichts Ungewöhnliches. Es ist eher der Normalfall für die Beilegung solcher Konflikte. In den Ländern, in denen Antidumping-Verfahren ihren historischen Ursprung haben, gibt es viele empirische Untersuchungen dazu. Die existierenden Antidumping-Regeln in der Welthandelsordnung können aber wettbewerbsfeindliche Konsequenzen haben, weil ein scharfer Preiswettbewerb zwischen Unternehmen unterbunden wird. Eine Abschaffung des Dumping- bzw. Antidumping-Artikels im GATT (dem im Güterhandel relevanten Vertragswerk der WTO) hat keine Aussicht auf Verwirklichung.

Aber ganz andere Probleme in der Welthandelsordnung der WTO sind hier als „weltfremd“ zu bezeichnen. Die WTO gibt ihren Mitgliedsländern enorme Freiheitsgrade bei der Diagnose von Dumping an die Hand. In einem Markt mit Subventionen führt dies dazu, dass jeder jedem Dumping nachweisen kann. Ein Instrument, das nach Belieben unfaire Handelspraktiken anzeigen kann, verliert am Ende seine Glaubwürdigkeit. Dazu passt, dass die starken WTO-Mitglieder – und dazu gehören die EU und China mit Sicherheit – sich ihre Regeln im Rahmen der Welthandelsordnung selbst geben. Der Handelsstreit zwischen der EU und China verläuft nicht nach der Schablone der WTO. Ginge es nach dieser, so würde die Schlichtung des Streits anonymen Gremien von Spezialisten des Welthandelsrechts überlassen. Wenn sich die EU und China in einem einig sind, dann darin, dass sie dies nicht wollen. Sie agieren zwar formal im Rahmen der Welthandelsordnung, aber de facto nicht in ihrem Geiste.

Ist ein WTO-Mitgliedsland durch ein Antidumping-Verfahren eines anderen Landes betroffen, so müsste der Rechtsweg zum Schiedsgericht der WTO führen, wo es gegen den Antidumpingzoll Beschwerde einlegt. Keinesfalls aber sollte ein Antidumping-Verfahren durch ein Anti-Antidumping-Verfahren gekontert werden, das nur deshalb angestrengt wurde, um eine Drohkulisse zu erzeugen. Doch genau dies ist im Handelsstreit zwischen der EU und China der Fall. Beide Partner erzeugen Drohpotenziale, die sie als Einsätze auf den Verhandlungstisch legen können. Sollten die Verhandlungen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen, kann der unzufriedene Partner dem anderen „Schmerz zufügen“, indem er ihn in gezielt ausgewählten Bereichen seines Außenhandels mit Antidumping oder Anti-Subventions-Verfahren überzieht. Dies ist möglich, weil der Vorwurf des Dumpings gerade im Bereich der erneuerbaren Energien so leicht erhoben werden kann. Ein entsprechend geschultes Team aus Ökonomen und Juristen kann das erreichen. Diese Möglichkeiten stehen also Ländern offen, die über das entsprechende Know-How in Form von speziellem Humankapital (Experten für die Welthandelsrunde) verfügen und die gleichzeitig einen großen Binnenmarkt besitzen, zu dem sie den Zugang nach Belieben gewähren oder entziehen können. Entwicklungsländer, so wird im Umkehrschluss deutlich, verfügen in der Regel nicht über diese Voraussetzungen und werden deshalb in der Welthandelsordnung benachteiligt.

Doch es sind nicht nur die Normen des Verfahrens zur Streitbeilegung, die durch die starken Länder umgangen werden, es sind auch die WTO-Regeln zu Subventionen selbst, die an den Realitäten der betroffenen Märkte vorbeigehen. Hinter diesen Regeln steht die Vorstellung, dass Länder Subventionen abbauen sollten, wenn diese den Welthandel in unfairer Weise verzerren. Nun will aber die EU (wie auch andere große Photovoltaik-Produzenten) keinesfalls, dass China Subventionen im Photovoltaik-Bereich abbaut, vielmehr sind solche Subventionen äußerst erwünscht. Sie sollen aber auf die richtige Weise ausgestaltet sein, damit sie nämlich die heimische chinesische solare Energieerzeugung und so auch die Nachfrage nach Photovoltaik-Technologie fördern. Deutschland hat als erstes Land vorgemacht, wie man erneuerbare Energien WTO-konform subventionieren kann, indem man den Vorwurf „spezifischer Subventionen“ vermeidet. Subventionen sollen nicht gezielt zur Stärkung heimischer Unternehmen im weltwirtschaftlichen Wettbewerb vergeben werden. Zwar vermeidet das deutsche EEG diesen Vorwurf, doch auch die deutsche Subventionspolitik hatte bei ihren Gestaltern immer eine industriepolitische Komponente, die nie verheimlicht wurde. Durch das Wirken sogenannter „First-Mover-Vorteile“ sollten inländische Unternehmen durch die Förderung erneuerbarer Energien in eine frühe Führungsposition an dem entstehenden Markt für die Erzeugungstechnologien erneuerbarer Energien gebracht werden, eine Führungsposition, die sie dann nie mehr verlieren würden – so die Vorstellung, die sich allerdings als trügerisch erwiesen hat, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben. Zwar ist das deutsche EEG längst kein Internationales Vorbild mehr, aber dennoch ist sicher, dass staatliche Förderung und Subventionierung bei erneuerbaren Energien auch in Zukunft die Regel bleiben wird.

Das Denkmodell der klassischen Ökonomie, wonach Märkte gleichsam naturgegeben existieren und die Politik mit effizienzverbessernden oder -verschlechternden Maßnahmen (Zölle, Subventionen) interveniert, greift bei erneuerbaren Energien zu kurz. Diese Märkte entstehen erst durch Rahmenbedingungen regulativer und finanzieller Art, die die Politik vorgibt. Sie existieren nicht trotz, sondern wegen der Politik. Der Subventionskodex der WTO ist nicht geeignet, die grundlegenden Probleme des Welthandels bei erneuerbaren Energien und ihren Erzeugungstechnologien zu lösen. Die endgültige Legitimation für die Subventionierung erneuerbarer Energien liegt in den wachsenden weltweiten Umweltproblemen, insbesondere im Klimawandel und seinen Folgen. Dies sind globale Probleme, die auch einer globalen Lösung bedürfen. Die Förderung erneuerbarer Energien spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine Subventionspolitik, die im nationalen Denken gefangen ist und eine Welthandelspolitik, die in der intergouvernementalen Perspektive verharrt, sind hier in einer Sackgasse angekommen. Erforderlich ist nicht weniger als eine internationale Verständigung darüber, wie erneuerbare Energien als globale Aufgabe auch global gefördert werden können.

Title:Compromise in the Photovoltaic Trade Conflict Between China and the European Union

Abstract:At the end of July 2013 the photovoltaic (PV) trade conflict between China and the European Union was resolved through a compromise whose key elements are price and quantity undertakings promised by China. A minimum price and a maximum export quantity should help to calm PV markets for the time being. Yet the fundamental disequilibria which led to the trade conflict persist. China needs to address its huge domestic excess capacity by reducing subsidies for PV production while vigorously promoting installation. Industrial countries need to address the mismatch between national PV subsidisation policies and the dynamics of global PV markets. If unresolved, further trade conflicts will be inevitable. In solving their bilateral problems, China and the EU have largely bypassed the WTO regime for conflict resolution, thus further revealing the weaknesses of this regime.

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DOI: 10.1007/s10273-013-1565-6

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