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Der Welthandel wächst seit 2012 anders als in den vergangenen Jahrzehnten schwächer als das globale Bruttoinlandsprodukt. Diese Entkopplung deutet auf strukturelle Veränderungen hin. Besonders die deutschen Exporte sind von dieser Entwicklung betroffen und dürften daher auch in den nächsten Jahren nur verhalten wachsen.

Nach einem Einbruch während der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009 erholte sich der Welthandel in den Jahren 2010/2011 relativ kräftig. Seit 2012 dümpelt er allerdings vor sich hin und wächst sogar schwächer als das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dies steht im klaren Gegensatz zu der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte und war ein Hauptgrund für die insgesamt enttäuschende Entwicklung der Weltwirtschaft in den vergangenen drei Jahren. Strukturelle Veränderungen sprechen dafür, dass sich der Welthandel auch in den nächsten Jahren relativ schwach entwickeln und bis 2019 im Durchschnitt nur unwesentlich stärker als das globale BIP (gut 3½%) expandieren dürfte (vgl. Abbildung 1).1

Dies wird wohl weitreichende Folgen für die offene deutsche Volkswirtschaft haben, deren Exporte in den vergangenen Jahrzehnten etwa im Gleichlauf mit dem globalen Handelswachstum expandierten. Deutschland profitierte eindeutig von der zunehmenden internationalen Handelsverflechtung, und deutsche Unternehmen waren beim Aufbau globaler Wertschöpfungsketten überdurchschnittlich erfolgreich. Die bei gegebenem Wachstum der Weltwirtschaft schwächere Entwicklung des Welthandels zeigt sich bereits seit 2012 in einer weniger dynamischen Entwicklung der deutschen Exporte. Für Deutschland stellen sich daher folgende Fragen: Geht die schwächere Entwicklung der deutschen Exporte auf temporäre zyklische Faktoren zurück oder auf strukturelle, dauerhafte Veränderungen? Kann der Export in den nächsten Jahren seine bisherige Rolle als Wachstumstreiber erfüllen?

Abbildung 1
Langfristige Entwicklung des realen Welthandels und des globalen Bruttoinlandsprodukts
in % gegenüber dem Vorjahr
31593.png

Quellen: Internationaler Währungsfonds: Internationale Finanzstatistiken; Deutsche Bank Research.

Zusammenspiel günstiger Faktoren sorgte für deutschen Exportboom

In den vergangenen Jahrzehnten konnte Deutschland seine Position unter den weltweit größten Exporteuren – trotz des Aufstiegs der Schwellenländer und im Gegensatz zu den übrigen großen Industrieländern – stets verteidigen (vgl. Tabelle 1). Deutschland profitierte damit deutlich stärker als andere Länder von der zunehmenden Globalisierung, die dafür sorgte, dass der Welthandel in den vergangenen Jahrzehnten stärker als das globale BIP wuchs (1970 bis 2013: 5,6% gegenüber 3,6%). Dies war insbesondere in den 1990er Jahren der Fall, als der Welthandel mehr als doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft expandierte. Der globale Offenheitsgrad – definiert als das Verhältnis von Welthandel zu Welt-BIP – stieg von etwa 15% Anfang der 1990er Jahre auf aktuell 25%. Die verstärkte internationale Arbeitsteilung bewirkte eine deutliche Erhöhung der globalen Wohlfahrt, insbesondere in den Schwellenländern.

Tabelle 1
Welthandel und deutsche Exporte
in % gegenüber dem Vorjahr
  Globales BIP-Wachstum Globales Handels­wachstum Deutsches Export­­wachstum
1970 bis 2013 3,6 5,6 5,3
1970 bis 1979 4,0 6,4 5,4
1980 bis 1989 3,2 3,7 4,8
1990 bis 1999 3,1 6,6 5,6
2000 bis 2009 3,8 5,1 4,6
2010 bis 2013 4,0 6,8 6,9

Quellen: Internationaler Währungsfonds; Deutsche Bank Research.

Die Haupttreiber hinter dem kräftigen Anstieg des Handels waren

  • die Integration der Schwellenländer in die internationale Arbeitsteilung – vorausgegangen waren politische Reformen und zum Teil Revolutionen, die, unterstützt von weitreichenden Handelsabkommen, den raschen Aufholprozess vorantrieben – sowie
  • technologischer Fortschritt, der grundlegende Veränderungen der Organisation von Arbeit und Produktionsmethoden auslöste und die Handelskosten deutlich senkte.

Öffnung der Schwellenländer

Mit der Liberalisierung der Handels- und der Finanzmärkte lösten die großen Schwellenländer massive Veränderungen bei den historisch gewachsenen Handelsbeziehungen aus und intensivierten den internationalen Wettbewerb. Der Anteil der Schwellenländer am globalen Handel erhöhte sich von 28% (1978) auf fast 50% (2013).2 Von der deutlich gestiegenen Nachfrage nach Investitionsgütern profitierten insbesondere die deutschen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die häufig die Weltmarktführerschaft innehatten.

Vor allem die Öffnung der beiden bevölkerungsreichsten Länder – China und Indien – mit 2,6 Mrd. Menschen oder 40% der Weltbevölkerung übte einen enormen Kostendruck auf die Unternehmen in den Industrieländern aus. Hinzu kamen die massiven politischen und ökonomischen Veränderungen in Osteuropa. Um sich nach dem Zerfall des Comecon in die internationale Arbeitsteilung zu integrieren, implementierten die osteuropäischen Länder weitreichende Strukturreformen und modernisierten und erweiterten ihre Produktionskapazitäten.

Die Öffnung Chinas begann Ende der 1970er Jahre mit der von Deng gestarteten Reform und Öffnungspolitik, die den Fokus auf die Industrie legte. Seit 2009 ist China der weltweit größte Exporteur von Waren (vgl. Abbildung 2). Im Gegensatz dazu startete Indien den Liberalisierungsprozess etwa zehn Jahre später und fokussierte sich auf den Dienstleistungssektor. Bis jetzt bleibt die indische Wirtschaft im Vergleich zur chinesischen allerdings relativ geschlossen.

Abbildung 2
Exporte wichtiger Handelsnationen
in % des globalen Warenhandels
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Quelle: UNCTAD: UNCTADstat.

Während sich beide Länder anfänglich auf die Massenproduktion von einfachen Waren, beispielsweise Textilien, Bekleidung und Schuhe, konzentrierten und damit ihren Lohnkostenvorteil ausspielten, kletterten sie kontinuierlich die Wertschöpfungskette in den Bereich der rasant wachsenden Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) hinauf. China drängte vor allem in den Bereich der Elektronik und Indien in den IKT-Dienstleistungsbereich. In der Folge reallozierten sie ihre Produktionsfaktoren immer mehr in Bereiche mit höherer Produktivität.3

Der verschärfte internationale Wettbewerb von den Niedriglohnländern mit ihrem fast unerschöpflichen Arbeitsangebot erhöhte den Druck auf die globalen Löhne, dämpfte die Preissteigerungen und damit auch die langfristigen realen Zinsen.4 Die deutschen Unternehmen konnten ihre internationalen Marktanteile nur dadurch sichern, dass sie ihre Effizienz steigerten und innovierten, um die Technologieführerschaft nicht zu verlieren. Als Folge der erhöhten Importe, die Unternehmen zu Outsourcing und Offshoring zwangen, verringerte sich die Arbeitsnachfrage nach geringer qualifizierten Arbeitskräften im Inland.

Globale Wertschöpfungsketten vertieften die internationale Arbeitsteilung

Die Möglichkeiten durch die Fortschritte im IKT-Bereich Tätigkeiten zu automatisieren oder die Wertschöpfungskette über verschiedene Stufen und Länder hinweg aufzuspalten, erhöhte den Druck auf geringer qualifizierte Arbeitskräfte, die Routineaufgaben ausführen, zusätzlich.5 Unternehmen konnten ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den Aufbau globaler Wertschöpfungsketten erheblich steigern, entweder durch den Aufbau von Tochterunternehmen, der Beteiligung an bzw. der Übernahme von ausländischen Unternehmen (Offshoring) oder durch den Einkauf von Zwischenprodukten über externe Anbieter (Outsourcing).6 Multinationale Unternehmen, aber vor allem die Konsumenten, profitierten von geringeren Preisen infolge eines verschärften Wettbewerbs, einer größeren Vielfalt an Zwischenprodukten und einer effizienteren Produktion. Beispielsweise können multinationale Unternehmen auf zusätzliche internationale Expertise zurückgreifen, wenn sie Teile der Produktion an spezialisierte Unternehmen vergeben. Zudem wird die Erschließung ausländischer Märkte erheblich vereinfacht, wenn Teile der Produktion vor Ort erfolgen. Notwendig für das reibungslose Funktionieren globaler Wertschöpfungsketten sind weitreichende Handelsabkommen, Rechtssicherheit, das Vorhandensein spezialisierter Dienstleister, die Handelsfinanzierung und IKT.

Der Übergang von einer rein nationalen zu einer globalen Wertschöpfungskette sorgte für einen deutlichen Anstieg des Anteils der ausländischen Wertschöpfung an den Exporten (vgl. Abbildung 3).7 Aufgrund der geografischen Nähe kam Deutschland die Öffnung der osteuropäischen Länder besonders zugute. Die deutsche Wirtschaft nutzte – dank der deutlich niedrigeren Lohnkosten – die neuen Möglichkeiten der Auslagerung von Teilen der Wertschöpfungskette intensiv und dies nicht nur in Richtung Osteuropa, sondern vor allem auch nach Asien. Dies veränderte die Güterstruktur des deutschen Warenhandels durch die zunehmende Bedeutung von Vorleistungsgütern. Der Anteil von importierten Vorleistungsgütern an den Exporten stieg von 19% (1995) auf 28% (2008).

Abbildung 3
Ausländischer Wertschöpfungsanteil an den Exporten
in % der Exporte
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Quellen: OECD-WTO: Statistics on Trade in Value Added (TIVA); Deutsche Bank Research.

Handelskosten fielen

Diese Integration wurde erst durch weitreichende Handelsabkommen – Senkung von Zöllen, Abbau von nicht-tarifären Handelsbeschränkungen – und gesunkenen Transportkosten infolge von technologischem Fortschritt und steigendem Automatisierungsgrad im Logistiksektor möglich. Die Handelskosten fielen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich, insbesondere für Hochlohnländer.8 Rechtsunsicherheit, Korruption und teilweise nicht funktionierende Verwaltungen stellen in einigen Schwellenländern aber nach wie vor eine erhebliche Belastung dar.

Multilaterale Verhandlungen brachten nur zähe Fortschritte, exemplarisch hierfür sind die seit 2001 geführten Doha-Verhandlungen. War es relativ einfach, sich auf eine Absenkung der Zölle zu einigen, so stellte sich der darauf folgende Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen und die Einigung auf internationale Standards ungleich schwieriger dar. Deshalb fanden Abschlüsse zunehmend in Form regionaler Handelsabkommen (RTA) statt (vgl. Abbildung 4). Die weltweite Zahl an RTA verzehnfachte sich fast seit Anfang der 1990er Jahre. RTA sind allerdings nur die zweitbeste Lösung, da sie typischerweise durch den Effekt der Handelsumlenkung einen Nachteil für die Nicht-Mitglieder darstellen. Für Deutschland bewirkte vor allem der europäische Integrationsprozess tiefgreifende Veränderungen, der mit der Gründung der EWWU den Höhepunkt erreichte.

Abbildung 4
Zahl regionaler Handelsabkommen
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Quellen: WTO: Regional Trade Agreements Information System; Deutsche Bank Research.

Deutsches Exportwachstum dürfte wie der Welthandel weiter enttäuschen

Nach der Erholung der deutschen Exporte in den Jahren 2010/2011 schwächte sich das Exportwachstum ab und auch 2014 kam es zu keiner nachhaltigen Belebung. Das Wachstum der Exporte dürfte bei rund 4% liegen (vgl. Abbildung 5). Dies ist etwas stärker als das Wachstum des Welthandels, so dass Deutschland seine internationale Position sogar leicht ausbauen kann. Dämpfend wirkt aber insbesondere die schwache globale Investitionsentwicklung, die aufgrund der hohen Handelsintensität relativ zu anderen BIP-Komponenten den Welthandel überproportional bremst. Die schwache Investitionsentwicklung geht auf globale Überkapazitäten, eine schwache Rohstoffpreisentwicklung, erhöhte geopolitische Risiken und eine hohe Unsicherheit über den globalen Ausblick (EWWU, China) zurück.

Dabei belastet die enttäuschende Dynamik in der Eurozone die deutschen Exporte besonders stark. Dies dürfte in den nächsten Jahren anhalten, da der noch in erheblichem Umfang nötige Schuldenabbau im privaten und öffentlichen Sektor das Wachstum schwächt. Im Gegensatz dazu wirkt die Entwicklung in den asiatischen Schwellenländern stützend. Infolge der US-getriebenen Erholung der Weltwirtschaft (Prognose: 2015 3,4%, 2016 3,7%) dürfte die zyklische Schwäche der Investitionen und der Exporte langsam auslaufen.

Die Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft weg von der globalen Werkbank hin zu einer konsumgetriebenen Dienstleistungsgesellschaft dürfte die Nachfrage nach Investitionsgütern mittelfristig schwächen, was vor allem den deutschen Maschinen- und Anlagenbau belastet.

Abbildung 5
Ausblick für die deutschen Exporte
in % gegenüber dem Vorjahr
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1 Vorlauf von 3 Monaten. 2 Purchasing Managers Index.

Quellen: Deutsche Bundesbank; ifo; Markit; CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis; Deutsche Bank Research.

Tempo der Handelsliberalisierungen hat sich verlangsamt

Die Zölle wurden in den vergangenen Jahrzehnten bereits merklich reduziert. Die deutschen Exporte können daher nur durch eine Einigung auf den weiteren Abbau bei nicht-tarifären Handelshemmnissen einen Wachstumsschub erhalten. Eine Einigung zu erzielen ist in diesen Bereichen, wie beispielsweise die staatliche Auftragsvergabe, Direktinvestitionen, Dienstleistungen, geistiges Eigentum, Arbeits- und Umweltstandards und in der Landwirtschaft, allerdings deutlich schwieriger. Einen Hoffnungsschimmer lieferte Ende vergangenen Jahres die Absichtserklärung, in Bali das Handelserleichterungsabkommen (TFA) zu beschließen, das bis Mitte 2014 unterzeichnet werden und bis Mitte 2015 in Kraft treten sollte. Mitte 2014 scheiterte eine Einigung allerdings an der Ablehnung durch Indien, Kuba, Venezuela und Bolivien. Kürzlich wurde dem TFA aber doch von allen Ländern zugestimmt. Die Ratifizierung und tatsächliche Umsetzung dürfte aber wahrscheinlich mehrere Jahre dauern und die positiven Effekte begrenzt sein, da ein Großteil des Bali-Pakets schon unilateral implementiert wurde.9

Bei den derzeit verhandelten RTA könnte eine erfolgreiche Einigung zwischen den USA – dem drittgrößten Zielland deutscher Exporte – und der EU auf die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) für einen deutlichen Schub bei den deutschen Exporten sorgen. Die Verhandlungen sind allerdings ins Stocken geraten und ein Abschluss dürfte bestenfalls in einigen Jahren erfolgen.

Sollte es bei den anderen laufenden RTA-Verhandlungen (Trans Pacific Partnership – TPP, Comprehensive Economic Partnership – RCEP), an denen die europäischen Länder nicht teilnehmen, zu einem Abschluss kommen, hätte dies tendenziell durch die zu erwartende Handelsumlenkung einen negativen Effekt auf den deutschen Außenhandel. Zudem könnten bestehende deutsche Wertschöpfungsketten mit den asiatischen Ländern weniger attraktiv sein und auseinandergerissen werden. Hinzu kommt, dass die Zahl der von den G20-Ländern erlassenen restriktiven Handelsmaßnahmen kontinuierlich steigt und den Handel dämpft.

Abbildung 6
Langfristbeziehung zwischen deutschen Exporten, Terms of Trade und globalem Bruttoinlandsprodukt
Index 1970 = 100
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Quellen: IWF; Deutsche Bank Research.

Schwache deutsche Exportentwicklung wohl durch niedrigere Handelselastizität

Um auf einem formaleren Weg zu überprüfen, ob es einen Bruch bei dem Zusammenhang zwischen dem globalen BIP-Wachstum und den deutschen Exporten seit 2012 gab, wird hier die tatsächliche Entwicklung der deutschen Exporte seit 2012 mit der geschätzten Entwicklung des Handelsmodells verglichen (vgl. Abbildung 6). Ein Fehlerkorrekturmodell (zweistufige Engle-Granger-Schätzung) wird mit den deutschen Exporten, den Terms of Trade und dem globalen BIP über den Stützzeitraum von 1977 bis 2008 geschätzt. Mit diesem werden die kurz- und langfristigen Abhängigkeiten zwischen den drei Variablen abgebildet. Zwischen den drei Variablen besteht historisch eine Langfristbeziehung, wie die Kointegrationsbeziehung zwischen den Variablen zeigt (1. Stufe des Modells). Abweichungen von der langfristigen Beziehung sind demgemäß temporär. Liegt beispielsweise das Niveau der Exporte infolge einer Abschwungphase unter dem sich aus der Langfristbeziehung ergebenen, ist ein erhöhtes Exportwachstum nötig, um zur Langfristbeziehung zurückzukehren. Dies bedeutet, dass der Anpassungsterm in der Kurzfristbeziehung des Modells (2. Stufe des Modells), in der die Veränderung der Exporte mit dem globalen BIP-Wachstum, der Veränderung der Terms of Trade und dem Anpassungsterm korreliert werden, signifikant negativ ist. Die Kurzfristbeziehung des Modells beschreibt die tatsächliche Entwicklung der deutschen Exporte bis 2011 sehr gut. Dies weist darauf hin, dass historisch Abweichungen von der Langfristbeziehung temporär waren. Für 2012 und 2013 ergibt die Modelllösung des Fehlerkorrekturmodells jedoch ein deutsches Exportwachstum, das deutlich über dem eingetretenen liegt. Die tatsächliche Entwicklung liegt sogar außerhalb des 10%-Konfidenzintervalls des Modells. Das Modell kann die tatsächliche Entwicklung somit seit 2012 nicht mehr erklären, was als Indiz für einen Strukturbruch angesehen wird.

Dies steht im Einklang mit den oben diskutierten zyklischen und strukturellen Faktoren, die auf eine geringere Handelselastizität des globalen BIP-Wachstums und/oder auf eine Niveauverschiebung hindeuten. Wir berechnen verschiedene Szenarien (historisch: Elastizität 1,3 und Konvergenz), in denen unterschiedliche Elastizitäten und Niveauverschiebungen unterstellt werden. Das Szenario, das die tatsächliche Entwicklung der deutschen Exporte in den Jahren 2012 und 2013 am besten nachzeichnet, ist das mit einer geringeren Elastizität und einer dauerhaften Niveauverschiebung nach unten, d.h. keine Konvergenz zum langfristigen Gleichgewicht des Modells. Dies bedeutet, dass die deutschen Exporte bei gegebenem Wachstum der Weltwirtschaft und gegebenen Veränderungen der Terms of Trade langsamer wachsen dürften, als es in der Vergangenheit der Fall war (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7
Exportwachstum bei gegebenem globalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
Durchschnitt, in % gegenüber dem Vorjahr
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Quellen: IWF; Deutsche Bank Research.

Das Szenario deutet somit darauf hin, dass die beeindruckende Entwicklung der Exporte in den vergangenen drei Jahrzehnten das Ergebnis verschiedener günstiger Faktoren war, von denen zumindest einige an Wirkung verlieren. Daher dürfte die Dynamik des Handels in den nächsten Jahren schwächer sein als die historische Korrelation. Unterstützt werden dürften die deutschen Exporte allerdings von der Abwertung des Euro, die eine Verschlechterung der Terms of Trade zur Folge haben dürfte. Im Zeitraum von 2014 bis 2019 rechnen wir mit einem durchschnittlichen Wachstum der realen deutschen Exporte im unteren Bereich des Korridors zwischen 4% und 6%.

Der Kostendruck auf die Löhne in Deutschland dürfte aber anhalten. Die großen Schwellenländer werden alles daran setzen, die Wertschöpfungsketten weiter hinaufzuklettern und damit einen immer stärkeren Lohndruck auch auf höher qualifizierte Beschäftigte ausüben. Zudem dürfte die Verlagerung der vor allem unter dem Einsatz gering qualifizierter Arbeitskräfte hergestellten Teile der Produktion in die Schwellenländer mit den geringsten Lohnkosten anhalten. Soll die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen bewahrt und damit die hohen weltweiten Marktanteile sowie ihre Technologieführerschaft verteidigt werden, ist es wichtig, dass die Unternehmen ihre Effizienz weiter kontinuierlich erhöhen, innovativ sind und in die Zukunft investieren. Voraussetzung hierfür ist aber vor allem ein günstiges Umfeld auf dem Heimatmarkt. Die Reformen der großen Koalition – Mindestlohn, Rentenpaket, Energiewende – verursachen eher Sorgenfalten und verringern die Attraktivität des Standorts Deutschland.

  • 1 H. Peters, S. Schneider: Sluggish global trade – cyclical or structural? Global Economic Perspectives, Deutsche Bank Research, 26.11. 2014.
  • 2 Vgl. UNCTAD: UNCTADstat.
  • 3 I. Bensidoun, F. Lemoine, D. Unal-Kesenci: The integration of China and India into the world economy: a comparison, in: The European Journal of Comparative Economics, 6. Jg. (2009), H. 1, S. 131-155.
  • 4 M. P. Dooley, D. Folkerts-Landau, P. M. Garber: The Revived Bretton Woods System’s First Decade, Deutsche Bank Research, Special Report, 16.8.2014.
  • 5 G. Michaels, A. Natraj, J. Van Reenen: Has ICT Polarized Skill Demand? Evidence from Eleven Countries over Twenty-Five Years, in: The Review of Economics and Statistics, 96. Jg. (2014), H. 1, S. 60-77; R. Baldwin: Integration of the North American economy and new-paradigm globalisation, CEPR Discussion Papers, Nr. 7523, 2009.
  • 6 G. Grossman, E. Rossi-Hansberg: Trading Tasks: A Simple Theory of Offshoring, in: American Economic Review, 98. Jg. (2008), H. 5, S. 1978-1997; O. Cadot, C. Carrére, V. Strauss-Kahn: Trade Diversification: Drivers and Impacts, in: M. Jansen, R. Peters, J. M. Salazar-Xirinachs (Hrsg.): Trade and Employment: from Myths to facts, ILO, Geneva 2011.
  • 7 H.-W. Sinn: Die Basar-Ökonomie: Deutschland: Exportweltmeister oder Schlusslicht?, 2. Aufl., 2005; R. Aichele, G. Felbermayr, I. Heiland: Neues aus der Basarökonomie, in: ifo Schnelldienst, 66. Jg. (2013), H. 6.
  • 8 J.-F. Arvis, B. Shepherd, Y. Duval, C. Utoktham: Trade Costs in the Developing World: 1995-2010, World Bank, Policy Research Working Paper, Nr. 6309, 2013.
  • 9 S. Evenett, A. Jara: Building on Bali: A Work Programme for the WTO, A VoxEU.org eBook, CEPR, 2013.

Title:Sluggish German Exports – Cyclical or Structural?

Abstract:After world trade slumped in 2009 due to the global financial crisis, it rebounded strongly in 2010 and 2011. Since 2012, however, global trade growth has been anaemic and, in contrast to past decades, has been even lower than global GDP growth. The little momentum generated since 2012 points towards structural changes which effect German exports especially negatively. Therefore, German export growth should be relatively muted in the coming years. The authors forecast average real German export growth at the lower end of a range of 4%­-6% between 2014 and 2019, despite being buttressed by a depreciation of the euro.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1788-9