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Manchmal scheint es, als würde die Welt der Währungen aus einer ewigen Kette wiederholter einseitiger Abwertungen bestehen. Startet China mit der mehrmaligen Abwertung seiner Währung im August 2015 eine neue Währungsauseinandersetzung, gar einen Abwertungswettlauf? Oder hat nicht zuerst die Europäische Zentralbank die Abwertung des Euro in den letzten Jahren mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik bewusst herbeigeführt, oder hatte die US-Zentralbank dies nicht mit der Antwort auf die Finanzkrise 2008 initiiert? Manipulieren die Schweizer ihren Franken mit den massiven Interventionen, oder wie steht es um die vielen Schwellenländer mit ihren stark wachsenden Devisenreserven? War Japan das Vorbild, das schon recht früh den Yen mit Käufen fremder Währung niedrig bewertet gehalten hatte? Oder denkt man dabei in Europa auch an die eher unterbewertete D-Mark der 1960er Jahre? Die Liste solcher Beispiele ist ewig lang und in gewisser Weise liegt in der Abwertung oder verhinderten Aufwertung einer Währung immer schon der Keim für die Abwertungen der Währungen anderer Länder. Oder anders gesagt: Nach einer Abwertungsauseinandersetzung steht die internationale Gemeinschaft schon wieder vor der nächsten Abwertungsauseinandersetzung.

Die Debatte um die „angemessene“ Bewertung von Währungen hört aus drei Gründen niemals wirklich auf. (1) Schon die Dynamik des Wirtschaftsgeschehens und die damit einhergehenden ungewissen Erwartungen und Erwartungsumschwünge sorgen für Unsicherheit. Als Beispiel mag die Zinsentwicklung dienen: Höhere Zinsen gehen häufig mit der Aufwertungstendenz einer Währung einher, aber dies hängt auch von der Höhe der Inflation ab (Realzinsen), von der Zinshöhe in anderen Ländern (Zinsdifferenzial) und von den Erwartungen über die zukünftige Zinsentwicklung. (2) Hinzu kommt, dass es keine Einigkeit über das „richtige“ Wechselkursniveau gibt. Zum einen kann die Theorie hier nur begrenzt Hilfestellung bieten, da die verschiedenen Modelle immer nur wesentliche Ausschnitte der Wirtschaftswirklichkeit abbilden und deshalb manchmal zu unterschiedlichen Bewertungen gelangen können. Zum anderen gibt es aber auch unterschiedliche Präferenzen für das wirtschaftspolitische Ziel, das mit Hilfe eines Wechselkurses angesteuert werden soll, und eine angemessene Bewertung des Wechselkurses selbst muss dabei nicht im Vordergrund stehen. (3) Schließlich wird jede Debatte um angemessene Wechselkurse durch die direkte Wirkung einer Währungsveränderung auf andere Länder befeuert: Die Abwertung des Einen ist die Aufwertung der Anderen, und es handelt sich um eine sofort sicht- und spürbare Veränderung. Solch eine von außen auferlegte Änderung wird den Politikträgern vermutlich nur manchmal gefallen und insofern geht es wie in einem Spiel hin und her mit Aktion und Reaktion.

Damit liegt fast immer der nächste Abwertungswettlauf in der Luft. Die wirtschaftspolitische Frage dreht sich deshalb nicht um das Ob, sondern um das Wie: Wie kann man mit den unvermeidbaren Problemen umgehen? Die Antwort führt unmittelbar zur Wahl einer geeigneten Währungsordnung. Bereits der Begriff der Ordnung weist auf deren Kernelement hin, die Ordnung beruht auf Regeln, die eingehalten werden müssen. Der kritische Punkt hierbei ist: Wie bekommt man Staaten dazu, sich einer Ordnung zu unterwerfen? Genau darum geht es nämlich, dass ein Staat sich unterordnet, ein Problem, das in jüngerer Zeit in Europa aus den Diskussionen um Krisenregelung in der EU oder dem Europäischen Währungsraum bekannt ist. Offensichtlich müssen die Verantwortlichen die Vorteilhaftigkeit der Ordnung einsehen und bereit sein, diese Ordnung auch zu verteidigen. Gäbe es keinerlei Einsicht, dann würde „Unordnung“ herrschen und diese führt nach aller Erfahrung zur Desintegration der Weltwirtschaft wie in den 1930er Jahren. Gibt es große Einigkeit über eine Ordnung, kann ein Bretton-Woods-System relativ fester Wechselkurse entstehen (bis 1973). Man soll diese Ordnung aber auch nicht im Nachhinein schön reden, sie war voller Auseinandersetzungen während ihrer Implementierung. Zwischen diesen Polen (Unordnung vs. klare Ordnung) dürfte der Status quo der internationalen Währungsordnung liegen.

Aktuell bestehen verschiedene Arten von Wechselkursfestlegung nebeneinander, und insofern gibt es keine weltweit dominierende Ordnung. Neben einigen wichtigen flexiblen Wechselkursen ist das aktuelle System durch starke politische Eingriffe in die Wechselkursbildung gekennzeichnet: In Europa dominiert eine Währung über die eigentlichen Euro-Mitgliedsländer hinaus und die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer praktizieren Kapitalverkehrskontrollen und Zentralbankinterventionen. Insofern gibt es drei bis vier informelle Währungsblöcke von weltweiter Bedeutung, die sich zueinander bewegen (US-Dollar, Euro, chinesischer Yuan und japanischer Yen) sowie eine größere Zahl Satelliten, die „frei“ drum herum schweben wie das britische Pfund, der Schweizer Franken und andere.

Währungsblöcke und kleinere Spieler kooperieren in einigen Foren. Am auffälligsten ist Kooperation immer noch in Form des Internationalen Währungsfonds, einem Überbleibsel des Bretton-Woods-Systems. Daneben haben sich andere Foren des Austauschs etabliert, wie die stärker politisch inspirierten Foren der G20 und anderer Ländergruppen, oder die stärker fachlich motivierten Foren, die um die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich herum entstanden sind. Diese Formen der Kooperation funktionieren sicher nicht reibungslos, aber es gibt auch keine direkt umsetzbare Alternative dazu. Auch in solch einem losen Rahmen kann die Wirtschaftspolitik drohenden Abwertungswettläufen argumentativ entgegenwirken.

Abwertung ist erstens langfristig nichts Gutes: Die Politik kann immer wieder darauf aufmerksam machen, dass eine Abwertung zwar kurzfristig Wachstum und Beschäftigung bessern kann, langfristig bedeutet sie aber, seine Leistungen „billiger“ zu tauschen, und wer verzichtet z.B. gern auf einen möglichen höheren Lohn? Zweitens schadet ein Abwertungswettlauf allen: Es ist zu betonen, dass in offenen Volkswirtschaften Währungen die Volkswirtschaften miteinander verbinden, weil über sie der Austausch zwischen Ländern stattfindet. So gesehen schaffen Währungen länderübergreifende Märkte und haben damit ähnlich verbindenden Charakter wie der Warenhandel. Ein Währungskrieg ist so schädlich wie ein Handelskrieg. Drittens kann die Kaufkraftparität als Richtschnur dienen: Auch wenn eine wissenschaftlich begründete exakte Festlegung von Wechselkursen unmöglich ist, so kann man doch sicher sagen, dass die Kaufkraftparität mittelfristig die wünschenswerte Richtschnur bildet. Ist viertens ein Land zur Aufwertung bereit? Am wichtigsten ist dabei ein prozeduraler Aspekt: Abwertung und Aufwertung finden immer gleichzeitig statt, wer das eine möchte muss auch eine Vorstellung von dem anderen haben. Wer ist bereit die gegenläufige Kursbewegung hinzunehmen? Wäre man selbst in vergleichbarer Lage bereit dazu? Was mutet man der Gegenseite zu, möchte man selbst so behandelt werden? Wenn man nicht guten Gewissens mit ja antworten kann, dann muss man davon ausgehen, dass eine Abwertung zwar ein Problem löst, aber ein neues Problem erst schafft.

Der nächste Abwertungswettlauf liegt also leider immer in der Luft. Zum Glück ist das Wissen über dessen Schädlichkeit weit verbreitet – die Länder haben einiges zu verlieren und wissen dies. Beim derzeitigen Integrationsstand der Weltwirtschaft gibt es wenig Alternativen zu Gesprächen der beteiligten Länder. Vielleicht kann man dies am ehesten mit anderen Gesprächen zur vertrauensvollen Zusammenarbeit vergleichen, die Schlimmeres verhüten sollen.


DOI: 10.1007/s10273-015-1871-2