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Kapital scheint sich im 21. Jahrhundert zunehmend zu konzentrieren. Dies hat nicht nur Thomas Piketty festgestellt. Daten der OECD bestätigen dies mit einer sinkenden Lohnquote in großen europäischen Ländern. Funktionale und personelle Einkommensverteilung müssen aber nicht identisch sein. Daher plädiert der Autor dafür, Arbeitnehmer mit Sparplänen auf breiter Anlagebasis am Kapital zu beteiligen.

Die sich in der Literatur widerspiegelnde Diskussion um die Thesen des französischen Ökonomen Thomas Piketty und sein Werk „Kapital im 21. Jahrhundert“ ist breit gefächert,1 aber ein Aspekt scheint übersehen zu werden: Anstatt Entwicklungen bei der Kapitalkonzentration zu diskutieren und als Lösung eine Vermögensteuer einzuführen wie sie Piketty fordert, wäre es nicht besser der Antagonismus von „Arbeit“ und „Kapital“ würde aufgehoben durch die Förderung der Kapitalbeteiligung? Piketty selbst schlägt zwar eine Reihe von Reformen, vor allem aber eine globale Vermögensteuer vor, rüttelt aber nicht an den Grundpfeilern dieses Antagonismus der beiden Produktivfaktoren. Die Option der Beteiligung von Arbeitnehmern am Kapital blendet Piketty aus. Auch bei der Wiederaufnahme seiner Thesen in einem jüngeren Aufsatz spricht Piketty lediglich von Mitbestimmungsrechten, nicht aber von Miteigentum.2

Würden aus Arbeitnehmern aber gleichzeitig auch Kapitaleigner,

  • würden diese direkt an den Früchten des Kapitals beteiligt. Arbeitseinkommen würde in der Folge durch Kapitaleinkommen ergänzt. Eigentum träte an Stelle der Abhängigkeit von einem die Einnahmen der Vermögensteuer umverteilenden Staat.
  • würden sie an der Wertsteigerung partizipieren;
  • hätten sie als Miteigentümer Mitsprache- und Kontrollrechte.

Tatsächlich könnten beträchtliche Kapitalanteile in Arbeitnehmerhand aufgebaut werden, wie nachfolgende Berechnungen zeigen. Auch scheint es zunehmend bedeutungsvoller zu werden, dass Arbeitseinkommen durch Kapitaleinkommen ergänzt wird, vor allem wenn sich die Tendenz eines rückläufigen Anteils des Arbeitseinkommens am Gesamteinkommen fortsetzen sollte.

Die abnehmende Bedeutung des Arbeitseinkommens

Aus der historischen Betrachtung lassen sich Anzeichen einer Verschiebung vom Arbeits- zum Kapitaleinkommen herauslesen (vgl. Abbildung 1). In den USA ist der Anteil der Löhne und Gehälter am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach den Daten des US Department of Commerce/Bureau of Economic Analysis von knapp 50% während der 1970er Jahre auf knapp 41% Mitte dieses Jahrzehnts gesunken. Anders ausgedrückt: Das Kapitaleinkommen ist nach der einkommensseitigen Betrachtung des BIP auf knapp 60% angewachsen. Deutlich mehr als jeder zweite US-Dollar, der an Einkommen generiert wird, fließt an die Kapitaleigner. In Europa verläuft die Entwicklung je nach Ländern etwas uneinheitlich, es zeigt sich aber auch hier eine Verlagerung weg von den Arbeits- und hin zu den Kapitaleinkommen. In Deutschland ist der Anteil des Arbeitseinkommens seit den 1970er Jahren um fünf Prozentpunkte auf etwas über 40% gefallen. In Großbritannien war die Entwicklung noch deutlicher. Hier fiel der Anteil der Löhne und Gehälter im betrachteten Zeitraum um fast zehn Prozentpunkte auf 42%. In Italien und Frankreich war der Rückgang weniger geradlinig und insgesamt schwächer (vgl. Abbildung 1).

Nun sagt die Verschiebung vom Arbeitseinkommen hin zum Kapitaleinkommen noch nichts darüber aus, wem das Kapital gehört: Die funktionale Einkommensverteilung muss nicht identisch sein mit der personellen Einkommensverteilung. Es stellt sich aber trotzdem aufgrund dieser Entwicklung umso dringlicher die Frage, was getan werden kann, um auch die Arbeitnehmerseite an der zunehmenden Bedeutung des Kapitals zu beteiligen.

Abbildung 1
Anteil des Arbeitseinkommens am Volkseinkommen
in %
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Quelle: OECD, Stand November 2015

Kapitalaufbau erforderlich

Der Bedarf, Kapital in Arbeitnehmerhand zu fördern, speist sich dabei nicht nur aus der hier skizzierten verteilungspolitischen Dimension, die ja gerade Piketty aufwirft, sondern scheint auch aufgrund der technologischen wie demografischen Entwicklung erforderlich. Marin und Autor z.B. führen den relativen Rückgang des Arbeitseinkommen auf die zunehmende Technologisierung zurück, wodurch vor allem die mittleren Einkommensbereiche verdrängt würden.3 Aber auch die von den Vereinten Nationen prognostizierte demografische Entwicklung dürfte sich auf die Bedeutung der Arbeitseinkommen auswirken.4

Kasten 1
Methode zur Berechnung der beispielhaften Wirkung von Kapitalbeteiligung

Aufgrund der unterschiedlichen Datenquellen und Datenreihen, die miteinander in Bezug gesetzt werden mussten, wurde die Berechnung zur Kapitalbeteiligung in mehreren Schritten vollzogen. Der betrachtete Zeitraum ergab sich dabei aus der verfügbaren Datenbasis, die es nicht zuließ, auf einheitlich verfügbare Daten vor 1992 zuzugreifen. Es wurde ein möglichst langer, von Berechnungsmethode und Quellen her für alle Länder vergleichbarer Datensatz gesucht. Bei diesem sollten die erhältlichen Zeitreihen möglichst wenig, z.B. durch Interpolation, approximiert werden müssen. Hauptquelle war Eurostat.

In einem ersten Schritt wurden Arbeitsmarktpartizipationsraten für verschiedene Altersgruppen (15 bis 64, 15 bis 24, 25 bis 54, 55 bis 64-Jährige) von 1992 bis 2014 abgerufen. Diese Zahlen wurden durch Daten der OECD um die Gruppe der 65- bis 69-Jährigen (2000 bis 2013) ergänzt. Von Eurostat stammen ebenfalls die Arbeitslosenraten in den jeweiligen Altersgruppen für den Zeitraum 1995 bis 2013.

Da statt der Partizipationsraten am Arbeitsmarkt, die Zahl der beschäftigten Personen (= Sparer) genutzt wird, wurden aus den Population Statistics der UN die Bevölkerungszahlen pro Land und Jahr für die betrachteten Lebensabschnitte (15 bis 64, 15 bis 24, 55 bis 64) errechnet. Da in einigen Ländern nicht für jedes Jahr die Bevölkerungszahlen in dieser Genauigkeit verfügbar waren, wurden die fehlenden Jahre durch lineare Interpolation ergänzt – mit dem Ergebnis, dass die Bevölkerungszahlen für alle Altersgruppen von 1992 bis 2013 für die fünf Länder genutzt werden konnten. Aus diesen Datensätzen wurden dann die Erwerbspersonen abgeleitet (also nicht nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten). Mangels Daten für die Jahre 1992 bis 1994 musste für diese Jahre mit den Arbeitslosenzahlen von 1995 gerechnet werden. Um Ab- und Zugänge am Arbeitsmarkt zu erfassen, wurde mangels genauerer Daten unterstellt, dass die Neurentner durch eine äquivalente Zahl von Neuzugängen am Arbeitsmarkt ersetzt wurden.

Außer Neuzugängen am Arbeitsmarkt und aus dem Arbeitsleben ausscheidenden Rentnern konnten keine Fluktuationen, wie sie z.B. durch Arbeitszeitunterbrechungen, durch Arbeitslosigkeit und durch eine geänderte Lebensarbeitszeit auftreten, oder andere mögliche Unterbrechungen des Sparplans berücksichtigt werden, d.h. es wurde angenommen, dass die Berufstätigen durchgängig sparen, um dann mit Renteneintritt die Ersparnisse zu entnehmen, was das Ergebnis wegen des Zinseszinseffektes positiv verzerrt.

Auch konnte nicht berücksichtigt werden, dass für manche Jahrgänge das Ansparen in Aktien möglicherweise nicht attraktiv war, da sie z.B. mit dem Investieren 1992 begannen, aber wenige Jahre danach wegen Renteneintritts ausschieden. Entsprechend wird hier der Sparbeitrag gegenüber dem zu erwartenden Verhalten überzeichnet.

Da nicht unterstellt werden konnte, dass alle Berufstätigen zum 65. Lebensjahr einheitlich in Rente gehen und über die Veränderung der Partizipationsrate nach 65 keine Daten vorlagen, musste der schrittweise Übergang in die Rente vor und nach dem Alter von 65 Jahren geschätzt werden. Dazu wurde der jährliche Rückgang der durchschnittlichen Partizipationsraten mit der Bevölkerungsgruppe der 25- bis 54-Jährigen als Ausgangspunkt über die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen bis hin zur Gruppe der 65- bis 69-Jährigen mit einer linearen Interpolation der jährlichen Partizipationsrate zwischen dem Alter 55 und 65 angenähert. Die Veränderung dieser Raten wurde dann auf die durchschnittliche Bevölkerungszahl der 55- bis 65-Jährigen angerechnet. Die Summe dieser „Rentner“ bildet eine gute Näherung der jährlich austretenden Bevölkerung. Für die vernachlässigte früher oder später ausscheidende Bevölkerung wird in der Näherung ein halber Prozentpunkt aufgeschlagen.

Zur Abbildung der Kapitalmarktentwicklung wurden die Benchmarkfamilie von MSCI1 genutzt und jeweils der Jahresdurchschnitt des Indexstandes zugrunde gelegt. Der Vorteil dieser Familie gegenüber den bekannteren, nationalen Benchmarks wie dem DAX 30 und dem CAC 40 ist, dass diese eine konsistente Berechnungsmethodik für 75 Länder ermöglicht. Dabei werden mindestens 85% der tatsächlichen Marktkapitalisierung des betrachteten Landes erfasst. Die Berechnung erfolgt mit dem „Freeflow“. Es gehen also nur solche Wertpapiere in die Performancebetrachtung ein, die auch tatsächlich handelbar sind und sich nicht z.B. im strategischen, langfristigen Besitz einiger Investoren befinden.

Da sich der Betrachtungszeitraum über die Phase der Europäischen Währungsunion hinaus erstreckt, wurden die Ergebnisse für zwei unterschiedliche Anlageformen ermittelt. Zuerst wurde unterstellt, dass der Sparplan in den jeweiligen nationalen Index erfolgte. Dann wurde das Ergebnis für eine breiter gestreute Anlageform berechnet. Das heißt es wurde untersucht, was sich ergeben hätte, wenn die nationalen Sparbeiträge insgesamt in den MSCI Europa geflossen wären.

Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse erfolgten die Berechnungen auf Euro-Basis. Wechselkurseffekte zu den nationalen Währungen vor der Währungsunion bzw. dem britischen Pfund wurden entsprechend vernachlässigt.

Effekte der Sparbeiträge auf die Kursentwicklung konnten nicht berücksichtigt werden. Dies hätte zu einer Glättung der Volatilität und zu insgesamt höheren Preisen durch die stetige Nachfrage nach Aktien führen müssen.

Sofern nicht anders vermerkt, wurden die Daten der einzelnen Quellen über die Datenbank Thomson Reuters Datastream abgerufen.

  • 1 Für weitere Informationen vgl. www.MSCI.com.

Die bisherigen in Deutschland angebotenen Möglichkeiten, Kapital (beispielsweise zur Altersvorsorge) aufzubauen, sind jedoch nur teilweise befriedigend. Die gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber, ihren Angestellten einen von fünf Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) anbieten zu müssen, sowie die Einführung der Riester- und Rüruprente als Schritte in Richtung Kapitalaufbau mittels kapitalgedeckter Altersvorsorge schafft aber kein unternehmerisches Kapital in Arbeitnehmerhand. Der Kapitalaufbau erfolgt, je nach Produkt und Ausgestaltung unterschiedlich, überwiegend in Anlageformen, die vor allem in Hinblick auf die zu erwartende Rendite Staatsanleihen ähnlich sind. Dabei beschränkt nicht zuletzt die gesetzliche Garantievorgabe Anlagemöglichkeiten wie Renditeaussichten. Auf diesem Weg ist weder der Erwerb von Eigentumsrechten an unternehmerischen Kapital möglich, noch die Partizipation an Risikoprämien auf der Renditeseite. Gerade in Zeiten von Niedrig- oder sogar Negativzinsen ist dies ein entscheidender Nachteil.5 Die Altersvorsorge bietet zudem nicht die Bildung unternehmerischen Kapitals in Arbeitnehmerhand, verbunden mit den entsprechenden Eigentumsrechten. Auch die Anfang 2016 von drei Staatsministern aus Hessen ins Gespräch gebrachte „Deutschland-Rente“ löst dieses Problem nicht.6 Wie den ersten Stellungnahmen zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um einen weiteren Durchführungsweg der Altersvorsorge, mit Kapitaldeckung zwar, aber durchgeführt von der Deutschen Rentenversicherung mit dem Anlageziel Staatsanleihen.

Es fehlt ein Weg, unternehmerisches Kapital mit den entsprechenden Eigentumsrechten zu erwerben, und die Aussicht auch an der Risikoprämie beteiligt zu werden. Genau hier setzt die Kritik Pikettys an.7 Seine Aussagen zur zunehmenden Kapitalakkumulation sind, aus historischer Perspektive wie mit Blick auf die Zukunftsprojektion nur zu verstehen, wenn unternehmerische Tätigkeit mit einer entsprechend höheren Rendite für die eingegangenen Risiken entlohnt wird. Piketty liest sich geradezu als Aufruf, Kapitalbeteiligung in breiter Hand zu fördern, um der Konzentration zu begegnen. Was Piketty als „fundamentales Gesetz des Kapitalismus“ postuliert, ist nichts anderes als die Erkenntnis, dass auf Risikokapital aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Risikoprämie zu erwarten ist. Da Piketty unter „r“ den durchschnittlichen Realzins einer Volkswirtschaft subsummiert, bleiben die unterschiedlichen Risikoprämien und damit auch die unterschiedlichen Renditen auf die jeweiligen Anlageformen aber unberücksichtigt – und damit ein wichtiger Treiber für die Verteilung.8

Zwar gab es in der Vergangenheit immer wieder Ansätze zur Förderung der Kapitalbeteiligung, insbesondere der Mitarbeiterbeteiligung, diese ist aber kaum über den steuerlich nur beschränkt geförderten Erwerb von Mitarbeiteraktien hinaus gekommen, und bleibt den Mitarbeitern von Aktiengesellschaften vorenthalten.9 Fakt ist, dass die Beteiligung am unternehmerischen Risikokapital in Deutschland immer noch unterentwickelt ist. So berichtet das Deutsche Aktieninstitut, dass 2015 9 Mio. Personen Deutsche Aktien und/oder Aktienfonds besitzen. Das entspricht in etwa 14% der Bevölkerung über 14 Jahre. Allerdings sind nach dieser Erhebung nur 1,1 Mio. Deutsche Belegschaftsaktionäre.10

Kapitalbeteiligung: Aus Arbeitnehmern werden Eigentümer

Wie realistisch es wäre, Kapitalbeteiligung in breiter Hand der Beschäftigten zu erreichen, verdeutlicht das Beispiel einiger europäischer Staaten.11 Dabei wurde unterstellt, die Erwerbstätigen in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien hätten sich von 1992 bis Ende 2015 mit einem Sparplan von monatlich 50 Euro an dem jeweiligen nationalen Aktienmarkt bzw. alternativ am gesamteuropäischen Aktienmarkt beteiligt. Als Durchführungsweg wurde exemplarisch die Kapitalbeteiligung mittels Aktien(fonds)sparplänen gewählt, da die Anteile fungibel sind, Diversifikation leicht möglich ist und historische Kursdaten vorliegen. Beispielhaft wurden Indizes der MSCI-Benchmarkfamilie12 den Sparplänen unterlegt. Die Indizes nach MSCI haben, anders als die bekannteren Indizes wie z.B. der DAX 30 oder CAC 40, eine einheitliche Berechnungsgrundlage, und sie bilden die jeweiligen Aktienmärkte zu mindestens 85% der tatsächlichen Marktkapitalisierung ab.

Dass auch kleine Sparbeiträge über längere Zeiträume zu umfangreicher Kapitalbeteiligung führen können, zeigt sich, wenn der Kapitalaufbau in Relation zur Marktkapitalisierung der betrachteten Aktienmärkte oder zum BIP, als Maß für die Wertschöpfung der jeweiligen Ökonomie, gesetzt wird. Hätte der Sparprozess 1992 begonnen, so würden die Erwerbspersonen der fünf Nationen Ende 2015 (ohne die Berücksichtigung von Steuern auf Kapitaleinkünfte und ohne Kosten für die Kapitalanlage) einen Anteil von gut 48% der Marktkapitalisierung der im MSCI Europa enthaltenen Firmen besitzen. Das entspricht einem Gegenwert von rund 3,8 Billionen Euro.

Bezogen auf die nationalen MSCI-Benchmarks wird noch deutlicher, wie selbst kleine Beiträge über die Zeit Kapital in privater Hand bilden können.13 Hätten die Erwerbstätigen Deutschlands, Italiens oder Spaniens über 24 Jahre (von Anfang 1992 bis Ende 2015) in ihre jeweiligen nationalen Aktienmärkte mittels eines Sparplans investiert, so würden ihnen rechnerisch heute die daran enthaltenen 54 Firmen zu über 100% gehören. In Frankreich und Großbritannien lägen die Anteile merklich niedriger, was in der unterschiedlichen Marktkapitalisierung und den Beschäftigtenzahlen begründet liegt (vgl. Tabelle 1). Gemessen am BIP der fünf Länder würde der Gegenwert der Kapitalbeteiligung knapp 39% des BIP dieser Ländergruppe betragen. In Abhängigkeit von der sehr unterschiedlichen Wirtschaftskraft und Marktkapitalisierungen würde der Anteil der Kapitalbeteiligung am BIP, den die Anlieger erreicht hätten, zwischen knapp 28% (Italien) und 60% (Spanien) schwanken. Im Falle Deutschlands würde sich die Kapitalbeteiligung auf knapp 44% des BIP belaufen.

Tabelle 1
Gesamtwirtschaftliche Ergebnisse der Sparplanbetrachtung
  Durchschnittliche Rendite p.a. Gesamtertrag davon Dividende Anteil am MSCI Europa Anteil am nationalen MSCI Kapitalbeteiligung/ BIP
  in % in Euro in %
Deutschland 10,16 28 649 14 411 14,55 105,26 43,59
Italien 8,34 11 664 10 575 8,18 126,73 27,62
Spanien 12,49 37 929 24 665 5,75 126,25 60,59
Frankreich 9,70 23 610 13 485 9,23 48,82 33,09
Großbritannien 9,12 21 793 14 735 10,70 34,23 35,89
Durchschnitt 10,42 27 517 16 052 48,40 45,68 38,82

Sparplan über 50 Euro pro Monat von 1992 bis 2014 pro Person, investiert in den jeweiligen nationalen MSCI-Index: Resultate, Stand 31.12.2015.

Quelle: Morgan Stanley Capital International (MSCI), Eurostat, eigene Berechnungen; Datenstand: Januar 2016.

Kapitalbeteiligung: Grundlage für Kapitaleinkommen

Aber nicht nur gesamtwirtschaftlich ist das Ergebnis im Sinne einer breiten Kapitalbeteiligung beachtlich, es hätte sich auch ein erster Schritt in Richtung erhöhter Kapitaleinkommen ergeben.

Die Sparer hätten im Falle Deutschlands über den betrachteten Zeitraum eine Rendite im Durchschnitt der Jahre (gemessen am MSCI Europa) von über 10% auf ihre Ersparnisse p.a. erzielt.14 Die über die gesamte Laufzeit eingezahlten 14 400 Euro hätten einen Ertrag von knapp 29 000 Euro erbracht, d.h., den Investoren stünde nach 24 Jahren ein Betrag von jeweils gut 43 000 Euro zur Verfügung, sofern sie in den MSCI Europa und nicht alternativ in die jeweiligen nationalen Benchmarks investiert hätten. An (reinvestierten) Dividenden wären ihnen insgesamt etwas mehr als 14 000 Euro zugeflossen.

Interessant ist das Ergebnis auch, wenn statt einheitlich in den MSCI Europa in die jeweiligen nationalen Märkte investiert worden wäre. Je nach Wahl der Benchmark wären die Investitionen mit zwischen 8,3% (MSCI Italien) und 12,5% (MSCI Spanien) im Durchschnitt der Jahre verzinst worden (vgl. Tabelle 1). Das hätte auf die pro Investor über den betrachteten Zeitraum eingezahlten 14 400 Euro einen Gesamtertrag von knapp 12 000 Euro (Italien) bzw. knapp 38 000 Euro (Spanien) erbracht. Der Anteil der Dividenden wäre dabei beträchtlich gewesen und hätte sich als ein deutlich stetigerer Beitrag gezeigt, als die Kursgewinne es waren. Für Italien hätte der Dividendenbeitrag mit über 10 000 Euro den Gesamtertrag fast erreicht. Das zeigt, dass die Kursverluste aufgrund der Euro-Schuldenkrise im Falle Italiens noch nicht ausgeglichen wurden, da der Performancebeitrag aus Kursgewinnen über diesen Zeitraum marginal war, gerade auch im Vergleich mit den anderen Ländern, die deutlich stärkere Performancebeiträge aus Kursgewinnen aufzeigen. Was sich auch zeigt: Ein breit gestreutes Investieren in den MSCI Europa wäre in aller Regel gegenüber der Investition in die jeweiligen nationalen Aktienmärkte attraktiver gewesen. Auch die breitere Diversifikation spricht dafür.

Das erzielte Kapital würde auch die Kapitaleinkünfte gerade in Anbetracht der demografischen Entwicklung stärken. Eine einfache Berechnung verdeutlicht dies, wenn man annimmt, dass ein Anleger aus Deutschland über den gesamten Betrachtungszeitraum in einen breiten Korb europäischer Aktien investiert und nichts entnommen hätte. Bei einer Dividendenrendite von 3% (was europäische Aktien Ende 2015 erzielten) auf 43 000 Euro würde er heute über 1200 Euro im Jahr an Kapitaleinkünften erzielen. Das mag für ein Alterseinkommen noch zu gering sein, kann aber schon als erfreuliches Zusatzeinkommen erachtet werden.

Politische Optionen

Die hier vorgenommene schematische Betrachtung kann Ausgangspunkt für weitere Überlegungen und Politikmaßnahmen sein, wenn es darum geht, Kapitalbeteiligung und Kapitaleinkommen zu fördern. Wie die Berechnungen zeigen, könnten auch mit kleineren Beiträgen über die Zeit beträchtliche Anteile an unternehmerischem Kapital in Arbeitnehmerhand aufgebaut werden, was helfen würde, nicht nur der von Piketty befürchteten Zunahme der Kapitalkonzentration entgegenzuwirken, sondern auch Arbeits- durch Kapitaleinkommen zu ergänzen. Der Erfolg könnte über die Höhe der Beiträge und die Spardauer noch gesteigert werden. Die Spardauer wurde in dieser Betrachtung von der Verfügbarkeit der Daten begrenzt. Tatsächlich sollte sie sich aber über den gesamten Zeitraum der Erwerbstätigkeit erstrecken, der üblicherweise länger als der hier betrachtete ist.15

Auch wurde der monatliche Sparbeitrag vergleichsweise niedrig angesetzt, um möglichst vielen Erwerbstätigen die Beteiligung zu ermöglichen. Geringverdiener ließen sich mit niedrigeren Beiträgen durch die gewählte Fondslösung sehr flexibel integrieren. Auch wäre zu überlegen, den gesetzlichen Rentenbeitrag zu reduzieren, um die dann frei werdenden Beiträge alternativ in Kapitalbeteiligung einbringen zu können.

Kombinierbarkeit mit anderen Durchführungswegen der Altersvorsorge

Um die Sparfähigkeit weiter zu stärken, bieten sich verschiedene Optionen an: Die Kapitalbeteiligung durch Sparpläne kann mit bestehenden oder noch zu schaffenden Durchführungswegen staatlicher Förderung kombiniert werden. Im einfachsten Fall ist das die Förderung der vermögenswirksamen Leistungen, da die Einzahlungen auch in Kapitalbeteiligungsformen fließen könnten. Eine steuerliche Gleichbehandlung von Sparplänen zur Kapitalbeteiligung mit den verbliebenen steuerlichen Vorteilen von Lebens- und Rentenversicherungen wäre ebenfalls denkbar, auch könnten Steuerfreibeträge für den Kauf von Mitarbeiteraktien auf weitere Formen der Kapitalbeteiligung ausgeweitet werden. Investivlöhne und andere Formen der Erfolgsbeteiligung könnten ebenfalls genutzt werden, um dann z.B. als Teil der betrieblichen Altersvorsorge erst nachgelagert versteuert zu werden. Die Option der Kapitalbeteiligung sollte bei der aktuellen Diskussion um eine Reform der Betriebsrenten wie auch um die „Deutschland-Rente“ mit berücksichtigt werden.16

Eigentumsrechte durch „Teilhaberfonds“

Was als unmittelbares Zeichen des Kapitaleigentums noch fehlt, ist die Wahrnehmung der Eigentumsrechte. Diese ist bei einer Fondslösung, obwohl Sondervermögen gebildet wird, durch den Fondseigner nicht unmittelbar möglich. Dafür bieten sich zwei Alternativen an:

  • Was hier exemplarisch durch Investitionen in breit diversifizierte Indizes gezeigt wurde, könnte z.B. alternativ für eine Mitarbeiterbeteiligung in Form von Belegschaftsaktien durchgeführt werden. Diese Lösung hätte allerdings den Nachteil fehlender Diversifikation bei der Kapitalanlage und eines „Klumpenrisikos“, da Vermögen und Arbeitsplatz an ein Unternehmen gebunden wären.
  • Alternativ könnten auch „Teilhaberfonds“ als neue Fondsvariante eingeführt werden. Kennzeichen dieser Teilhaberfonds wäre, dass die Stimmrechte der im Fonds enthaltenen Aktien an die Fondseigner (auf Wunsch) zurück übertragen werden. Diese könnten sie ausüben oder über Interessengemeinschaften poolen, die dann die Eigentumsrechte wahrnehmen.

Schlussbetrachtung

In der Gesamtsicht zeigt sich: Der Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit kann über die Zeit aufgehoben werden. Selbst kleine Sparbeiträge können zur umfangreichen Kapitalbeteiligung der Erwerbstätigen führen, was wiederum die Kapitaleinkünfte stärkt und insgesamt eine von Piketty geforderte Umverteilung obsolet erscheinen lässt. Aus Arbeitnehmern könnten gleichzeitig auch Kapiteleigentümer werden. Kapitalbeteiligung ist eine realistische Option (nicht nur) für Deutschland, sondern auch für Europa als Antwort auf die von Thomas Piketty aufgeworfene Debatte.

  • 1 Vgl. T. Piketty: Capital in the Twenty-First Century, Cambridge, London 2014. Sie reicht von dem Vorwurf ökonomischer Evidenz (vgl. H.-W. Sinn: Thomas Pikettys Weltformel, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.5.2014, Nr. 19, S. 29) über falsche Berechnungen und Datengrundlagen (vgl. C. Giles: Piketty findings undercut by errors, http://www.ft.com/cms/s/2/e1f343ca-e281-11e3-89fd-00144feabdc0.html (7.4.2015)) und „Historizismus“ (vgl. K.-H. Paqué: Der Historizismus des Jakobiners, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 15. Jg. (2014), H. 3, S. 271-287) bis hin zur Totalkritik an den unterstellten Formeln und Entwicklungen (vgl. T. H. Mayor: Income Inequality: Piketty and the Neo-Marxist Revival, in: Cato Journal, 35. Jg. (2015), H. 1, S. 96-116; und vgl. S. Homburg: Critical remarks on Pikettys Capital in the twenty-first century - EconBiz, https://www.econbiz.de/Record/critical-remarks-on-pikettys-capital-in-the-twenty-first-century-homburg-stefan/10010349913 (10.1.2015)), um nur einige der Debattenbeiträge zu nennen.
  • 2 Vgl. T. Piketty: Putting Distribution Back at the Center of Economics. Reflections on Capital in the Twenty-First Century, in: Journal of Economic Perspectives, 29. Jg. (2015), H. 1, S. 67-88.
  • 3 Vgl. D. Marin: Die brillanten Roboter kommen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.11.2014, Nr. 271, S. 16; vgl. D. Autor: The Polarization of Job Opportunities in the U.S. Labor Market. Implications for Employment and Earnings, http://economics.mit.edu/files/5554 (8.4.2015).
  • 4 Vgl. UN Population Division, Department of Economic and Social Affairs: World Population Prospects, the 2012 Revision, http://esa.un.org/wpp/ (7.4.2015).
  • 5 Im Februar 2016 wiesen deutsche Staatsanleihen mit Laufzeiten bis zu sieben Jahren eine negative, nominale Rendite auf. Ca. 50% der gesamten ausstehenden deutschen Staatsanleihen hatten damit eine negative Nominalrendite. Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen.
  • 6 Vgl. Hessische Minister: CDU und Grüne schlagen „Deutschland-Rente“ vor, Frankfurter Allgemeine Zeitung, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/vorsorgen-fuer-das-alter/cdu-und-gruene-starten-offensive-deutschland-rente-13981491.html (5.2.2016).
  • 7 Vgl. T. Piketty, Capital ..., a.a.O.
  • 8 Vgl. H.-W. Sinn, a.a.O.
  • 9 Hierzu vgl. S. Brenk-Keller: Die Beteiligung der Mitarbeiter am Produktivkapital – konzeptionelle Entwicklung und praktische Ausgestaltung, Marburg 1997. Im Mai 2015 veröffentlichten zehn Verbände in Deutschland unter Leitung des Deutschen Aktieninstituts einen Aufruf „Für eine Agenda Mitarbeiterkapitalbeteiligung“ als jüngsten Versuch, die Kapitalbeteiligung zu fördern (vgl. Deutsches Aktieninstitut: Für eine Agenda Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Bessere Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen schaffen!, Ein gemeinsamer Aufruf vom 28. Mai 2015, https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/positionspapiere/2015-05-28%20Agenda%20Mitarbeiterkapitalbeteiligung.pdf (7.6.2015).
  • 10 Vgl. Deutsches Aktieninstitut: Positive Signale für die Aktienkultur: Zahl der Aktionäre in 2015 gestiegen; https://www.dai.de/de/presse/pressemitteilungen.html?d=372 (9.2.2016).
  • 11 Für die genaue Berechnung, Angaben zu Datenquellen und die getroffenen Annahmen siehe Kasten 1.
  • 12 MSCI = Morgan Stanley Capital International.
  • 13 Da die Blickrichtung dieser Analyse auf der Frage lag, zu welchen Eigentumsverhältnissen der langfristige Kapitalaufbau führen kann, blieben bei dieser Betrachtung Kurseffekte der hohen, stetig fließenden Sparbeiträge außen vor.
  • 14 Da es sich um einen Sparplan handelt, bei dem zu unterschiedlichen Zeitpunkten Einzahlungen erfolgten, konnte nicht die Gesamtrendite als geometrisches Mittel für die Investition errechnet werden. Als Näherungsmaß für die Schwankungsintensität wurden die jährlichen Renditen der jeweiligen Aktienmarktsegmente errechnet, um daraus dann die durchschnittliche Rendite als arithmetisches Mittel zu errechnen.
  • 15 Naumer zeigt am Beispiel Deutschlands, dass die deutschen Erwerbstätigen über entsprechend längere Zeiträume und dynamisch leicht steigende Sparbeiträge ein sehr viel höheres Vermögen hätten ansammeln können. Nach diesen Berechnungen könnten die Deutschen heute über das 1,7-Fache der Marktkapitalisierung des DAX verfügen (vgl. H.-J. Naumer: Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert, http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2014/09/kapitalbeteiligung-im-21-jahrhundert/ (29.12.2015)).
  • 16 Vgl. o.V.: Mehr Geld für die Betriebsrente, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.2.2016, S. 20.

Title:Capital in the Twenty-First Century: An Answer to Piketty

Abstract:This white paper discusses an aspect that seems to be missing in the debate about Piketty’s “Capital in the 21st Century”: to build the bridge between capital and labour and to spread capital investment over a wide base. Based on historical data, it shows that capital participation could be a realistic option for Germany and for all of Europe. It would therefore be an alternative to the redistribution of wealth suggested by Thomas Piketty, and it would fit very well into the current debate about additional improvements to the private pension system in Germany. Calculations prove that if European employees had contributed small amounts of money to saving plans, they could own approximately 50% of the European stock market. Employees could become capital owners. Labour income could be – at least partly – replaced by capital income.


DOI: 10.1007/s10273-016-1954-8