Die Ökonomie des Teilens hat sich – gestützt auf Internetplattformen – in viele Wirtschaftsbereiche hinein ausgedehnt. Hat das neue Transaktionsmodell das Potenzial, die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung grundlegend zu transformieren? Dabei fanden die Transaktionen zunächst noch innerhalb des bestehenden institutionellen Gefüges statt. Doch mit ihrer zunehmenden Bedeutung zeigen sich Konflikte und institutionelle Inkonsistenzen. Wie die Aktivitäten in der Sharing Economy zu differenzieren sind und welche Regeln entsprechend angewandt werden sollten, sind Fragen, die der konstruktiven Diskussion bedürfen.
Der Sharing Economy wird ein zunehmendes Interesse gewidmet – nicht nur von den Akteuren, die in diesem Segment tätig sind, sondern ebenso in zahlreichen Medienberichten. Wettbewerbs- und Steuerbehörden sowie die Politik beschäftigen sich inzwischen mit ihr, und nicht zuletzt ist sie zu einem Thema in der Wissenschaft geworden. Das ausgeprägte Interesse bringt eine zunehmende Bedeutung zum Ausdruck, die durch das Auftreten bekannter Plattform-Unternehmen sowie einen Anstieg ihrer Nutzerzahl unterstrichen wird. Nicht nur die Umsätze in diesem Bereich haben zugenommen, sondern auch die vermuteten Potenziale1 und die Informiertheit der Öffentlichkeit. Als Ausdruck dieser Entwicklungen wird die Sharing Economy häufig zu den großen Trends in Wirtschaft und Gesellschaft gezählt2 und ein gesellschaftlicher Transformationsprozess vorhergesehen. Doch die große Aufmerksamkeit ist wohl auch dadurch bedingt, dass die Inhalte der Sharing Economy und damit die Kriterien ihrer Abgrenzung zu traditionellen Transaktionsbeziehungen von Anbietern und Nachfragern bisher diffus geblieben sind. Eine belastbare Einschätzung ihrer Potenziale sowie ihrer Wirkungen im Hinblick auf ihre vielfältigen Ziele setzen jedoch eine solche Abgrenzung voraus. Diese sowie eine Kategorisierung der praktizierten Geschäftsmodelle sind auch Voraussetzungen für die Auslotung der wirtschaftspolitischen Konsequenzen der Sharing Economy. Diese werden aus dem institutionellen Gefüge abgeleitet, in das die Sharing Economy eingebunden ist.
Wirtschaftspolitische Einordnung
Die noch unscharfen Konturen der Sharing Economy erschweren eine Analyse ihrer wirtschaftspolitischen Dimensionen. Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, dass die Sharing Economy auf ein institutionelles Gefüge trifft, das für die traditionellen Transaktionsformen3 geschaffen wurde. Daher haben sich institutionelle Inkonsistenzen herausgebildet, die nicht nur die aktuellen Konflikt- und Diskussionslinien hervorbringen, sondern auch wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf zur Folge haben. Dieser ist jedoch – anders als die meist aufgeregten Diskussionen nahelegen – nicht punktuell auf die Transaktionen der Sharing Economy begrenzt, sondern er ist deutlich umfassender, wenn die gesellschaftspolitischen Perspektiven berücksichtigt werden. Im Weiteren wird von einer Institutionenhierarchie4 ausgegangen, deren Basis gesellschaftliche Werte (Werteebene) bilden, aus denen die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens abgeleitet werden. Diese können in ihrer Gesamtheit als Gesellschaftsvertrag verstanden werden, der unter anderem die gesellschaftliche und wirtschaftliche Arbeitsteilung beinhaltet, so auch die an den Staat delegierten Aufgaben, die gesellschaftlichen Solidaritätsmechanismen und Regulierungstatbestände. Im Kern geht es um die Definition von Verfügungsrechten und deren Zuweisung an die einzelnen Gesellschaftsmitglieder (Regelebene).5 So ergeben sich die institutionellen Grundlagen für die Anreiz- und Steuerungssysteme der Gesellschaft (Governanceebene), die dann schließlich zu konkreten Transaktionen führen, die durch explizite oder implizite Verträge institutionalisiert werden (Transaktionenebene). Auf dieser Ebene wird die Sharing Economy sichtbar.
Werteebene der Sharing Economy
Wenn nach den Ursachen für die Entstehung der Sharing Economy gefragt wird, sollte die Werteebene nicht vernachlässigt werden, denn die Korrespondenz eines neuen ökonomischen Transaktionsmodells mit einer geänderten Gesellschaftsordnung ist ein wichtiges Anliegen vieler ihrer Vertreter. So wird die gemeinsame Nutzung von Ressourcen ohne Eigentumsübertragung nicht nur durch einen Wandel in gesellschaftlichen Wertvorstellungen begründet, sondern die Sharing Economy soll geradezu ein Instrument zur Schaffung einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Gesellschaftsordnung sein, die gleichzeitig die wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe von Gesellschaftsmitgliedern erhöht. Menschen könnten durch eine solche Transformation der Abhängigkeit von dominanten Unternehmen und Dienstleistern entgehen, mit gleichen Ressourcen könnten mehr Wünsche erfüllt und ein Aufbrechen der traditionellen Konsummuster ermöglicht werden.
Mit dem Wandel des (derzeit eher fremdbestimmten) Konsumenten zum (eher selbstbestimmten) Nutzer würde eine Zerstörung von als ungerecht eingeschätzten Geschäftsmodellen einhergehen. In diesem Prozess wäre es möglich und notwendig, Regeln zu hinterfragen, die die alten Geschäftsmodelle schützen. Die Sharing Economy wird nicht zuletzt als ein Instrument angesehen, die Transformation in eine Gesellschaft zu bewirken, die stärker auf altruistische Anreizstrukturen und Koordinationsmechanismen sowie menschliche Sinnerfüllung setzt.6 So würden sich in dieser vor allem jene Unternehmen als wettbewerbsfähig herausstellen, die Gemeinschaftsgüter herstellen und die nicht mehr nach den Regeln der kapitalistischen Wirtschaftsordnung arbeiten.
Normative Vermutungen und offene empirische Fragen
In diesem Argumentationsmuster ist die Sharing Economy sowohl Ergebnis eines bereits erfolgten Wertewandels als auch Instrument für eine Veränderung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Da ein solcher Transformationsprozess inhaltlich bislang kaum skizziert ist, wird vernachlässigt, dass er nur durch Veränderungen auf der Regel- und auf der Governanceebene erfolgen kann. Auf diesen sind also die wirtschaftspolitischen Herausforderungen angesiedelt, deren Bewältigung über die Perspektiven der Sharing Economy entscheiden werden. Dabei stellen sich folgende Fragen:
- Existiert tatsächlich ein breiter gesellschaftlicher Konsens über eine Transformation der Gesellschaftsordnung, die auch starke Einflüsse auf die Wirtschaftsordnung hätte? Wenn ja, wäre es naheliegend, einen solchen Prozess nicht zu behindern, ihn sogar institutionell zu unterstützen und temporäre Friktionen abzufedern.
- Welche Wirtschaftsbereiche sind für die Sharing Economy geeignet, und welchen Anteil an den Gesamttransaktionen kann diese erreichen? Handelt es sich um ein „abgrenzbares Randphänomen“ oder geht es um allumfassende neue Koordinationsmechanismen, die „das Wirtschaften“ verändern würden? Eine sachlich begründete fundierte Vorstellung über eine zukünftig mögliche oder erwünschte Transaktionsstruktur ist Voraussetzung für Regeln, denen die einzelnen Transaktionsklassen zu genügen haben. Dies beinhaltet z.B. Festlegungen, ob Anreize für eine Substitution traditioneller Transaktionsformen geschaffen werden sollen oder ob ein einheitlicher Ordnungsrahmen für alle Transaktionen entstehen und alles Weitere dem Wettbewerb überlassen werden soll. Dies hängt wiederum davon ab, ob es sich bei den angebotenen Leistungen der Sharing Economy um Substitute zu traditionellen Transaktionen handelt. Entstehen also zusätzliche Problemlösungen und Leistungen auf einzelnen bestehenden Märkten oder bilden sich zusätzlich neue Märkte? Werden die Entwicklungen als Innovationen eingeschätzt, deren Entstehung und Diffusion durch regulatorische Ausnahmen und/oder finanzielle Unterstützungen gefördert werden sollen, oder steht der Schutz der bestehenden Transaktionsmodelle im Vordergrund?
- Ist die Sharing Economy überhaupt geeignet, nachhaltiges Wirtschaften und die Teilhabe zusätzlicher Gesellschaftsmitglieder zu fördern, und ist sie diesbezüglich dem traditionellen Modell überlegen? Ob die Sharing Economy tatsächlich nachhaltige Strukturen hervorbringt, ist bisher offen. Empirisch gesicherte Erkenntnisse über die Flexibilität der Produktion in den betroffenen Branchen, Nachfrageeffekte gesunkener Preise (z.B. bei Taxifahrten), Angebotseffekte entstehender Gewinnmöglichkeiten (z.B. bei Übernachtungen), Auswirkungen auf komplementäre Wirtschaftssektoren sowie eine Veränderung der Lebensdauer intensiver genutzter Güter können den Intentionen entgegenwirken. Solche Rebound-Effekte sind zu vermuten.7 Die Ausweitung der Teilhabe von Menschen spiegelt sich in zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen, Einkommenserzielungsmöglichkeiten sowie Konsum- und Ausbildungschancen wider. Wenn in der Sharing Economy und in komplementären Bereichen der traditionellen Ökonomie zusätzliche Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten für Selbständige entstehen, erhalten Menschen Chancen zur Teilhabe, die bisher nicht vorhanden waren. Ob es dazu kommt und welche gegenläufigen Kollateraleffekte dabei auftreten, ist bisher nur schwer abzuschätzen.
Transaktionenebene der Sharing Economy
Welches sind die Aktivitäten der Sharing Economy, die heute auf ein institutionelles Gefüge treffen, das auch die Freiräume und Restriktionen für wirtschaftliche Transaktionen enthält? Die Vielfalt der Aktivitäten und ihrer Ausgestaltung ist offensichtlich. Die vereinnahmende Bezeichnung Sharing Economy lenkt den Fokus mehr auf das Gemeinsame als auf Differenzierungen und Abgrenzungen. Geeignete Kriterien für eine Differenzierung sind die Leistungen sowie die Motive der Akteure. So ortet PwC8 in einer Befragung der deutschen Bevölkerung Leistungen der Sharing Economy in den Bereichen Medien und Entertainment (z.B. Spotify), Handel und Konsumgüter (z.B. Kleiderkreisel), Automobil und Transport (z.B. Uber), Dienstleistungen wie Reparaturhilfen (z.B. AlleNachbarn), Hotel und Gastronomie (z.B. AirBnB) sowie Finanzen, vor allem Kredite für Privatpersonen von Privatpersonen (z.B. auxmoney). Deloitte9 unterscheidet im Rahmen einer Studie für die Schweiz als wichtigste Bereiche der Sharing Economy Transport (Personentransport, Gütertransport und Parkplatzmanagement), Unterkunft (Privatraum, Büroraum), Güter (Weiterverkauf und Vermietung), Dienstleistungen (Kochen, Arbeit, Lernen) und Finanzielle Dienstleistungen (Crowdfunding, Moneylending).
Vielfältige Aktivitäten und Motive
Eine Differenzierung sollte zusätzlich berücksichtigen, welche Akteure in der Sharing Economy tätig sind. Sind dies ausschließlich private Individuen, die auf diese Weise ihre Konsumwünsche erfüllen, jedoch nun zusätzlich und zwar ohne Rückgriff auf Unternehmen auch zu Anbietern werden? Alternativ treten auch Unternehmen direkt als Anbieter oder Nachfrager auf, weiten ihren Aktivitätsraum auf die Sharing Economy aus oder kooperieren mit deren Akteuren. Diese Differenzierung ist nicht gleichbedeutend mit jener nach den Motiven der Akteure. So können den Transaktionen hauptsächlich einzelwirtschaftliche Interessen – explizit auch die Gewinnerzielung – zugrunde liegen, was für Anbieter und für Nachfrager gilt. Es handelt sich dann letztlich um kommerzielle Modelle, auch wenn sie heute solchen im Hinblick auf regulatorische und steuerliche Regelungen meist nicht gleichgestellt sind.
Sie sind von den Handlungen jener Akteure abzugrenzen, denen eine solche Absicht fehlt und deren Motive darin bestehen, zur Schaffung eines wie auch immer definierten gesellschaftlichen Wertes beizutragen. Typische Beispiele sind die Nachbarschaftshilfe in unterschiedlichen Ausprägungen, die Organisation von Lebensmitteltafeln oder das Community Gardening. Anders als in den kommerziellen Geschäftsmodellen soll in diesem Segment der Sharing Economy das Leistungs-Gegenleistungsprinzip explizit ausgeschlossen werden. Dabei soll hier nicht hinterfragt werden, ob entsprechende Werte auch in der individuellen Zielfunktion der Akteure enthalten sind, was die Unterscheidung zur ersten Gruppe weniger trennscharf machen könnte.
Ob manche der Aktivitäten der Sharing Economy zu verbieten wären, weil sie sich regulatorischen Vorgaben entziehen, oder ob manche gar zu fördern wären, weil sie gesellschaftlich positiv eingeschätzte Entwicklungen in Gang bringen können, kann nur auf der Grundlage weiterer Differenzierungen auf der Governanceebene beantwortet werden.
Governanceebene der Sharing Economy
Während auf der Transaktionenebene die einzelnen Transaktionen umgesetzt werden, wird auf der übergeordneten Governanceebene eingegrenzt, welche Transaktionsinhalte und Koordinationsmedien in der Sharing Economy auf Grundlage des aktuellen institutionellen Rahmens überhaupt möglich sind. Den Inhalt der Transaktionen – das erste Governancemerkmal – bilden Ressourcen und die damit verbundenen Nutzungsrechte, ohne einen Übergang des Eigentums. Davon versprechen sich die Vertreter der Sharing Economy nicht nur eine effizientere Nutzung von Ressourcen, sondern auch eine größere Flexibilität des Angebots. Es könnte zu einer besseren Auslastung bestehender Kapazitäten kommen, wenn nur kurzfristig genutzte Ressourcen bzw. die auf ihnen beruhenden Leistungen ausgetauscht würden. Während die Beschaffung der meist langlebigen Güter wie Autos, Wohnungen, Haushaltsgeräte, Werkzeuge etc. nach Spitzenlastanforderungen erfolgt oder eben nicht beliebig teilbar ist, bietet die Sharing Economy Mechanismen, die verfügbaren Kapazitäten besser zu nutzen und damit die Fixkosten bei meist geringen variablen Kosten – im Extremfall Grenzkosten von Null – besser umzulegen.10
Mit der damit verbundenen Stückelung von Transaktionen kann das Angebot zusätzlich präferenzgerechter und flexibler werden. Während für die Gesellschaft insgesamt positive Wohlfahrtseffekte entstehen, steigt der Nutzen für den einzelnen Akteur mit der Zahl der Akteure auf der anderen Marktseite.11 Während die Abgrenzung zu traditionellen Transaktionen der fehlende Eigentumsübergang ist, sind eingeschränkte Verfügungsrechte kein neues Transaktionsmerkmal, sondern werden auch in Form von Miete, Pacht etc. praktiziert.
Genossenschaftliche, kapitalistische oder geschenkte Plattformen
Das zweite Governancemerkmal besteht in der Art der Koordination von Anbietern und Nachfragern. Sie erfolgt durch Plattformen,12 die nicht nur die Wohlfahrtseffekte weiter erhöhen, sondern auch einen Austausch für bisher nicht marktlich gehandelte Leistungen ermöglichen. Durch das Internet kann eine Plattform heute deutlich wirkungsvoller organisiert werden als in der Vergangenheit. Erleichtert wird dies durch das mobile Internet, auf das via Apps und Smartphones zugegriffen werden kann. Die Kosten der Informationsbeschaffung (über die Tauschpartner und über deren Verhalten) sowie der Abwicklung der Transaktionen sind deutlich gesunken. Es ist zu berücksichtigen, dass die Senkung sowohl der Informations- als auch der Abwicklungskosten nicht nur für die Sharing Economy gilt, sondern auch für die Ökonomie der herkömmlichen Transaktionen. Man denke etwa an den Online-Handel. Dass Informationsasymmetrien über das Internet kostengünstiger abgebaut werden können, ist kein Spezifikum der Sharing Economy. Deren Besonderheit ist vielmehr die Kombination der beiden Governancemerkmale. Das Internet und die verfügbaren Zugangswege erleichtern die Organisation der temporären Nutzung überschüssiger Ressourcen.
Im Zusammenhang mit den Plattformen sind aber Differenzierungen angebracht.
- Es macht einen eklatanten Unterschied, wer die Plattform zur Verfügung stellt. Sind die Nutzer der Plattform (Anbieter und/oder Nachfrager) auch die Eigentümer, tätigen sie plattformspezifische Investitionen, entwickeln die Plattform weiter und erhalten somit die Gewinne. Dies ist der Kern der „genossenschaftlichen Variante“.13 Alternativ wird die Plattform von externen Investoren angeboten, was inzwischen als „Plattformenkapitalismus“ problematisiert wird. Plattformen können aber auch als Transfer von Kommunen oder Stiftungen zur Verfügung gestellt werden. Die unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse bringen unterschiedliche Anreizstrukturen und distributive Effekte mit sich.
- Von Bedeutung ist, welche Leistungen vom Organisator der Plattform erbracht werden. Es macht einen Unterschied, ob ausschließlich das technische Medium für die Abwicklung und Bewertung der Transaktionen bereitgestellt wird, oder ob zusätzliche Leistungen, z.B. Qualitätskontrolle, Definition von Standards, Auswertung von Informationen, strategische Überlegungen für eine Weiterentwicklung angeboten werden.14 Solche Leistungen werden dann wichtiger, wenn es zu einem Wettbewerb um die Nutzer der Plattformen kommt, auch wenn diese mehrere Plattformen nutzen.
- Es ist zu unterscheiden, wie die Plattform-Leistungen von den Nutzern vergütet werden. Dies können Einzelleistungsvergütungen, Transaktionsgebühren, Mitgliederpauschalen, kombinierte Gebührenmodelle, aber auch Geld- oder Sachspenden sowie staatliche Transfers sein. Die mit der Sharing Economy erwarteten Vorteile, die resultierenden wirtschaftspolitischen Konsequenzen und die Verteilungswirkungen der Sharing Economy hängen sehr stark von der Organisation der Plattformen ab. Das Zusammenwirken von Anbietern und Nachfragern der Leistungen sowie der Organisatoren der Plattform führt zu einer Kooperationsrente, deren Aufteilung die einzelwirtschaftlichen und die gesellschaftlichen Wirkungen der einzelnen Modelle der Sharing Economy wesentlich beeinflusst.
Auf der Governanceebene zeigt sich, ob und in welchen Bereichen Wettbewerb zwischen den Transaktionen der Sharing Economy und den traditionellen Transaktionen entsteht, ob sich hybride Transaktionsformen herausbilden, oder es zu einer strikten Segmentierung zwischen den traditionellen Transaktionen und jenen der Sharing Economy kommt. Das resultierende Transaktionsmuster wird aber auf der Regelebene bestimmt.
Regelebene der Sharing Economy
Dass sich die Sharing Economy herausgebildet hat und dass sich in ihr unterschiedliche Geschäftsmodelle ausdifferenzieren konnten, war im Rahmen des bestehenden institutionellen Gefüges möglich und wurde toleriert, solange ihre Ausmaße bescheiden blieben. Doch mit ihrer zunehmenden Bedeutung zeigen sich Konflikte und institutionelle Inkonsistenzen. Den Akteuren der Sharing Economy wird einerseits vorgeworfen, dass sie unter Umgehung von Regulierungen und vorgeschriebenen Standards, die traditionelle Anbieter als Restriktionen zu beachten haben, Wettbewerbsvorteile beanspruchen, während dies andererseits als willkommener Prüfstand für Regulierungsstandards betrachtet wird, die Unternehmen der traditionellen Ökonomie vor Wettbewerb schützen. Ist der Prozess also als schöpferische Zerstörung oder als Umgehung gesellschaftlich erwünschter Restriktionen für Transaktionen zu interpretieren? Diese Diskussion zielt auf die Regelebene ab, die sich auf die wesentlichen Regeln der Wirtschaftsordnung bezieht. Es ist diese Ebene, auf der ordnungspolitische Weichenstellungen zu treffen sind, die die Zukunft der Sharing Economy entscheiden. Bislang wird kontrovers diskutiert, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen sind. Wie bereits ausgeführt, bestehen Informationsdefizite erstens darin, ob die Sharing Economy überhaupt in der Lage ist, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Sinngebung zu erreichen und den traditionellen Transaktionsformen überlegen ist, und zweitens, welches Potenzial im Vergleich zu den traditionellen Wirtschaftssegmenten erschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund kann es nur darum gehen, Regeln für einen fairen Wettbewerb zwischen den Transaktionsformen zuzulassen. Dies bedeutet, dass Transaktionen der Sharing Economy grundsätzlich auch den Restriktionen zu unterwerfen sind, die für alle anderen Transaktionskategorien gelten. Sollten sie hingegen komparative Vorteile im Hinblick auf die Verwirklichung der propagierten Ziele aufweisen oder besondere ökonomische Merkmale, die eine regulative Bevorzugung nahelegen, so ist dies zu berücksichtigen. Losgelöst davon ist die Prüfung der aktuellen Regulierungsstandards in jenen Branchen, in denen die Sharing Economy ihre Schwerpunkte hat, zu empfehlen.
Regeln für einen fairen Wettbewerb
Einen fairen Wettbewerbsprozess zu organisieren oder auch nur zuzulassen, ist deswegen so wichtig, weil mit ihm weitreichende distributive Wirkungen verbunden sind. Diese bestehen nicht nur in einer Umverteilung von der traditionellen in die Sharing Economy, sondern können über den Marktzutritt sowie die Ausgestaltung der Leistungen regulatorisch verzerrt werden. Innerhalb der Sharing Economy sind die Distributionseffekte stark vom Eigentum an der Plattform abhängig. Schließlich kann es zu einer Umverteilung von Unternehmen zu privaten Haushalten dann kommen, wenn letztere kommerzielle Aktivitäten durchführen, ohne dass sie die regulatorischen Restriktionen der Unternehmen zu beachten haben. Verteilungseffekte entstehen auch dann, wenn die gesetzlich definierten Steuertatbestände in der Sharing Economy umgangen werden können oder wenn deren Transaktionen von vorneherein nicht einbezogen sind, etwa weil unternehmerische Aktivitäten von privaten Haushalten ausgeübt werden oder weil die Vorteile nicht pekuniärer Natur sind. Auch Nachbarschaftshilfe kann sich in ein kommerzielles Transaktionsmodell wandeln, wenn die Transaktionsvolumina ansteigen. Steuergesetze sind also dahingehend zu prüfen, ob die Sharing Economy adäquat einbezogen wird, oder ob es im Zuge eines Transformationsprozesses zur Aushöhlung der Steuerbasis kommt.
Zu prüfen sind auch die Auswirkungen der Sharing Economy auf die Solidaritätsmechanismen der Gesellschaft, die Ausgestaltung der sozialen Absicherung sowie die Institutionen des Arbeitsmarktes. Die Grenzen zwischen Freizeit, Erwerbstätigkeit und selbstständiger Tätigkeit dürften unschärfer werden. Häufig wird befürchtet, dass in den traditionellen Sektoren Arbeitsplätze verloren gehen, die neuen Einkommensmöglichkeiten jedoch mit prekären Arbeitsbedingungen oder mit unattraktiver Soloselbständigkeit verbunden sein könnten.15 Die typischen Langfristbeziehungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern, an die sozial- und steuerrechtliche Tatbestände geknüpft sind, könnten an Bedeutung verlieren, während kurzfristige Projektbeziehungen zwischen Privaten in den Vordergrund treten. Somit sind alle Regeln auf den Prüfstand zu stellen, die Beschäftigungsverhältnisse zum Ansatzpunkt haben, z.B. Rentenversicherung, Versicherungspflicht, Beiträge an und Ansprüche aus Versorgungssystemen.
Zusammenfassend zählen die Organisation und Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, die Definition der Steuertatbestände sowie die an die unselbständige Tätigkeit gebundenen Konsequenzen neben den Freiheitsgraden in der generellen Ausgestaltung von Transaktionen zwischen Anbietern und Nachfragern und die Festlegung von sektorspezifischen Regulierungstatbeständen zu den grundlegenden Regeln, die bereits heute von der Sharing Economy betroffen sind. Umso mehr werden sie Anpassungen erfordern, wenn sich die Sharing Economy weiter ausbreitet. Es geht dann darum, heute vorhandene institutionelle Inkonsistenzen abzubauen und ordnungspolitische Weichenstellungen vorzunehmen. In Befragungen16 äußern Menschen, die der Sharing Economy gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt sind, Befürchtungen im Zusammenhang mit der Qualität der Leistungen, Sicherheit, Datenschutz und Hygiene sowie mit einer unklaren Gesetzeslage im Hinblick auf Steuerpflichten und regulatorische Vorgaben sowie dem Fehlen eines umfassenden Versicherungsschutzes. Solche Erwartungen sind nicht frei von Widersprüchen. So fällt auf, dass einerseits traditionelle Transaktionen mit ihren Standards überwunden werden, andererseits aber die Transaktionen der Sharing Economy gerade mit solchen Standards versehen werden sollen.
Empirie der Sharing Economy
Die Sharing Economy ist nicht in einem institutionellen Vakuum entstanden, sondern die gültigen Regeln der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung haben sie ermöglicht. Wahrscheinlich haben sie sogar zu ihrer Entstehung beigetragen, weil sich die Interpretation von Restriktionen, die Priorität von Werten oder die Akzeptanz von Allokations- und Verteilungseffekten verändert haben. Mittels einer Kombination innovativer Transaktionsinhalte und -medien entstanden neue Wege, nicht nur einzelwirtschaftliche Vorteile zu erzielen, sondern auch darüber hinausgehende Werte zu generieren. Je stärker sich die Sharing Economy ausbreitet und sich ihre Geschäftsmodelle ausdifferenzieren, je ähnlicher diese jedoch digitalen Märkten werden und je stärker die kommerziellen Aspekte in den Vordergrund treten, umso mehr tritt der Wettbewerb zwischen traditionellen Transaktionsformen und jenen der Sharing Economy in den Blickwinkel. Zunehmend stellt sich daher die Frage, ob die aktuellen Regeln tatsächlich einen fairen Wettbewerb um die besten Transaktionsformen zulassen oder ob es inzwischen um einen Wettbewerb von Vorteilen geht, die durch Regeln generiert werden, die die aktuellen Entwicklungen auf der Transaktionenebene steuern können. Dies ist dann der Fall, wenn sie umgangen werden können, weil sie wichtiger gewordene Tatbestände nicht einbeziehen oder weil sie deren Bedeutung nicht adäquat berücksichtigen.
Welche Bedeutung die Sharing Economy in unserer Gesellschaft erlangen wird und welche sie haben soll, ist heute nur schwer abzuschätzen. Vor diesem Hintergrund ist aber ein Analyserahmen notwendig, der eine konstruktive Diskussion darüber strukturieren kann, welche wirtschaftspolitischen Konsequenzen mit der Sharing Economy verbunden sind. Dabei sollte klar geworden sein, dass ein Handlungsbedarf auf der Regelebene und nicht auf der Transaktionenebene zu erfüllen ist. Um ihn zu konkretisieren, ist deutlich mehr „Empirie der Sharing Economy“ bezüglich Ausgestaltung und vor allem Wirkungen erforderlich als heute verfügbar ist.
- 1 Vgl. für Schätzungen des Potenzials der Sharing Economy Deloitte: Sharing Economy: Teile und verdiene! Wo steht die Schweiz?, 2015. https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/ch/Documents/consumer-business/ch-de-cb-sharing-economy-teile-und-verdiene.pdf; sowie PwC: Share Economy. Repräsentative Bevölkerungsbefragung, 2015. https://www.pwc.de/de/digitale-transformation/assets/pwc-bevoelkerungsbefragung-share-economy.pdf.
- 2 Vgl. z.B. bereits B. Walsh: Today’s Smart Choice: Don’t Own. Share, Time, 17. März 2011. http://content.time.com/time/specials/packages/ article/0,28804,2059521_2059717_2059710,00.html.
- 3 Unter den „traditionellen Transaktionsformen“ oder der „traditionellen Ökonomie“ werden in diesem Beitrag vereinfacht die Transaktionen jenes Teils der Wirtschaft verstanden, der nicht zur Sharing Economy zählt, also vor allem die Transaktionen auf Güter- und Faktormärkten.
- 4 Vgl. O. E. Williamson: The New Institutional Economics: Taking Stock, Looking Ahead, in: Journal of Economic Literature, Vol. 38, 2015, S. 595-613.
- 5 Die Bezeichnung Regelebene vernachlässigt nicht, dass auch auf der Werte- und auf der Governanceebene Regeln wirken. Es geht um die grundlegenden Regeln der Wirtschaftsordnung, deren Gestaltung und Veränderung durch eine Gesellschaft möglich ist.
- 6 Vgl. eine breite Diskussion gesellschaftlicher und gesellschaftspolitischer Konsequenzen, die sich stark auf die Publikation von J. Rifkin: The zero marginal cost society, New York 2014, stützt.
- 7 Vgl. dazu W. Eichhorst, A. Spermann: Sharing Economy: Mehr Chancen als Risiken?, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 6.
- 8 Vgl. PwC: Share Economy. Repräsentative Bevölkerungsbefragung, 2015, https://www.pwc.de/de/digitale-transformation/assets/pwc-bevoelkerungsbefragung-share-economy.pdf.
- 9 Vgl. Deloitte, a.a.O.
- 10 Vgl. wieder J. Rifkin, a.a.O.; sowie bereits M. Weitzman: The Share Economy: Conquering Stagflation, reprint, Boston 1984.
- 11 Vgl. dazu auch H. Dittmann, B. Kuchinke: Ordnungsökonomische Aspekte der Sharing Economy, in: ORDO, Bd. 66, 2015, S. 243-262.
- 12 Häufig wird nicht berücksichtigt, dass auch der Markt der traditionellen Ökonomie letztlich eine Plattform darstellt.
- 13 Vgl. dazu ausführlich T. Theurl: Ökonomie des Teilens: Governance konsequent zu Ende gedacht, in: Wirtschaftsdienst, 95. Jg. (2015), H. 2.
- 14 Es handelt sich bei dieser Differenzierung nicht um die Unterscheidung zwischen Asset-Hub-Sharing- und Peer-to-Peer-Sharing-Networks, sondern um eine weitere Differenzierung innerhalb der Peer-to-Peer-Sharing-Networks. Abgrenzungskriterium ist also nicht, ob die Plattform die (einige der) Ressourcen besitzt, die als Grundlage der gehandelten Leistung dienen, sondern ob die Plattform neben Austausch und Evaluation Plattformleistungen anbietet. Vgl. D. Rauch, D. Schleicher: Like Uber, but for Local Governmental Policy: The Future of Local Regulation of the “Sharing Economy”, George Mason University Law and Economic Research Paper Series, Research Paper Nr. 15-01, Fairfax 2015. http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2549919
- 15 Vgl. dazu die empirischen Ergebnisse von W. Eichhorst, A. Spermann, a.a.O.
- 16 Vgl. wieder PwC: Share Economy, a.a.O.