Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, ist eine ambitionierte Klimapolitik notwendig. Gleichzeitig eröffnet eine klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands und der EU auch vielfältige ökonomische Chancen. Wo Konflikte mit industriepolitischen Zielen bestehen, lassen sich diese durch treffgenaue und anreizkompatible Entlastungen der Industrie entschärfen. Die anstehende Reform des europäischen Emissionshandels bietet eine Gelegenheit, klima- und wirtschaftspolitische Ziele besser in Einklang zu bringen.

Deutschland und die EU haben sich anspruchsvolle Klimaziele gesetzt: Bis 2030 soll der Treibhausgasausstoß – gegenüber 1990 – auf europäischer Ebene um 40% und in Deutschland um 55% vermindert werden.1 Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen die Emissionen in Deutschland und Europa um 80% bis 95% sinken. Im Lichte der Ziele des Paris-Abkommens und bei einer gerechten Verteilung des verbleibenden globalen Emissionsbudgets wird es notwendig sein, die Minderungsziele am oberen Rand der Spanne zu konkretisieren. Dies kann eine weitere Verschärfung von Zwischenzielen erforderlich machen.

Zugleich ist Deutschland traditionell eine bedeutende und exportstarke Industrienation. Das deutsche Verarbeitende Gewerbe ist ein wichtiger Faktor für Beschäftigung und Wohlstand, es trägt mit 22% zur nationalen Bruttowertschöpfung bei.2 Gleichzeitig ist die Industrie für etwa 30% des Endenergieverbrauchs in Deutschland verantwortlich.3 Ihre direkten Emissionen entsprechen ca. 20% des deutschen Treibhausgasausstoßes; unter Berücksichtigung indirekter Emissionen durch den Bezug von Fremdstrom und -wärme verdoppelt sich dieser Anteil nahezu.4 Der Industrie fällt somit hinsichtlich der klimapolitischen Zielerreichung eine zentrale Rolle zu. Diese besteht einerseits darin, ihren eigenen Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß zu mindern, und andererseits, energieeffiziente und klimaverträgliche Produkte und Prozesse zu entwickeln.

Aufgrund ihrer Doppelrolle als Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft und zentrale Akteurin der deutschen Energiewende wird die Industrie oftmals in einem Spannungsfeld zwischen wirtschafts- und umweltpolitischen Zielen verortet. So wird in der Diskussion um eine ambitionierte Ausgestaltung der nationalen und europäischen Klimapolitik das Argument vorgebracht, diese gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Infolge ehrgeiziger klimapolitischer Maßnahmen, die auch mit einer Verteuerung des Energieverbrauchs einhergehen können, drohten Produktions- bzw. Standortverlagerungen und damit auch die Verlagerung von Emissionen (Carbon Leakage) in weniger strikt regulierte Regionen, wodurch die Maßnahmen letztlich ökologisch wirkungslos blieben. Bei genauer Analyse erweisen sich solche Befürchtungen jedoch als weithin unbegründet. Vielmehr bietet eine klug ausgestaltete Klimapolitik durch die initiierte Modernisierung der Volkswirtschaft auch vielfältige ökonomische Chancen.

Dass die Gefahren einer Schwächung der industriellen Basis nicht überzeichnet werden sollten, zeigt auch ein Blick auf die bisherigen Erfahrungen mit der deutschen Energiewende: Die wachsenden Außenhandelsüberschüsse Deutschlands zeichnen nicht das Bild einer sich deindustrialisierenden Wirtschaft. Auch wenn die beobachtete Investitionszurückhaltung einiger Branchen des produzierenden Gewerbes weiterer Beachtung bedarf,5 lässt sich ein kausaler Zusammenhang dieser Entwicklung mit der Energiewende nicht fundiert belegen. Ebenso konnten erste Evaluierungen der bereits abgeschlossenen Handelsperioden des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) keine signifikante Verlagerung industrieller Aktivität feststellen.6

Heterogene Industriestruktur erfordert eine differenzierte Analyse

Durchschnittlich machen in der deutschen Industrie die Energiekosten nur etwa 2% der Gesamtkosten aus.7 Auch sind die Energiestückkosten (der Anteil der Energiekosten an der Bruttowertschöpfung) der deutschen Industrie als Ganzes im internationalen Vergleich durchaus konkurrenzfähig; sie sind beispielsweise niedriger als in den meisten europäischen Staaten oder in China (siehe Abbildung 1). Grundsätzlich wird die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie von vielen Faktoren (z.B. ein stabiler Ordnungsrahmen, eine leistungsfähige Infrastruktur, Innovationspotenzial, ein gutes Ausbildungssystem) bestimmt, unter denen die Energiekosten oftmals nachrangig sind.8 Eine pauschalisierte Argumentation wird der Komplexität der Thematik generell nicht gerecht. Stattdessen ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, welche die Heterogenität der verschiedenen Branchen berücksichtigt.

Abbildung 1
Energiestückkosten im Verarbeitenden Gewerbe im internationalen Vergleich
in % der Bruttowertschöpfung des Sektors
Energiestückkosten im Verarbeitenden Gewerbe im internationalen Vergleich

Quelle: R. Germeshausen, A. Löschel: Energiestückkosten als Indikator für Wettbewerbsfähigkeit, in: Wirtschaftsdienst, 95. Jg. (2015), H. 1, S. 46-50.

Für die Mehrheit der Branchen, wie z.B. den Maschinen- und Fahrzeugbau, sind Energiekosten von untergeordneter Bedeutung, sodass sie von (klimapolitikinduzierten) Energiepreissteigerungen vergleichsweise wenig betroffen sind. Für einige energieintensive Branchen, in denen Energiekos-ten eine zentrale Rolle spielen, müssen Sorgen hinsichtlich ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit hingegen ernst genommen werden. Zur Vermeidung von Produktionsverlagerungen und Carbon Leakage können energie- und klimapolitische Sonderregelungen für besonders energieintensive Produkte, die zudem einem starken internationalen Preiswettbewerb ausgesetzt sind, nötig sein. Als energieintensiv gelten beispielsweise die Branchen Stahl, Nichteisen-Metalle, Papiergewerbe, Grundstoffchemie und Verarbeitung von Steine-Erden.

Um die Effektivität der Klimapolitik nicht zu untergraben, sind energiepolitische Entlastungen allerdings auf jene Branchen zu beschränken, bei denen sie stichhaltig im Hinblick auf Carbon Leakage oder gravierende Wettbewerbsnachteile begründet werden können. In der bisherigen Praxis zeigt sich jedoch, dass der Kreis der tatsächlich entlasteten Branchen wesentlich umfangreicher ist. Hierdurch droht die Akzeptanz der Energiewende und der europäischen Klimapolitik Schaden zu nehmen. Überdies gehen öffentliche Einnahmen verloren, die für Investitionen in die Transformation des Energiesystems verwendet werden könnten. Eine kritische Überprüfung der zahlreichen energiepolitischen Begünstigungen der Industrie sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene scheint somit dringend geboten.

Reformoptionen für das EU-ETS

Verbesserte Treffgenauigkeit der Carbon-Leakage-Liste

Für den europäischen Emissionshandel zeigt ein Blick auf die Liste der Sektoren, die ihre benötigten Zertifikate weitgehend kostenlos erhalten, die sehr weitreichende Definition wettbewerbsgefährdeter Branchen. Die Branchen auf der Carbon-Leakage-Liste decken mit etwa 95% nahezu sämtliche Industrieemissionen im EU-ETS ab.9 Die derzeit verhandelte Reform des EU-ETS für die vierte Handelsperiode (2021 bis 2030) bietet die Gelegenheit, den Schutz vor Carbon Leakage treffgenauer und gleichsam wirksamer auszugestalten sowie die Anreize für klimaverträgliches Wirtschaften zu stärken.

Bislang werden Branchen in die Carbon-Leakage-Liste aufgenommen, bei denen entweder die Handelsintensität (mit Ländern außerhalb des Geltungsbereichs des EU-ETS) oder die durch den Emissionshandel entstehende zusätzliche Kostenbelastung (gemessen als Anteil an der Bruttowertschöpfung) den Schwellenwert von 30% übersteigt.10 Zudem wird ein kombiniertes quantitatives Kriterium angewendet, wonach Branchen mit einer Handelsintensität von mindestens 10% und einer Kostenbelastung von mindestens 5% ebenfalls als gefährdet gelten. Ferner können Branchen noch auf Basis einer qualitativen Bewertung, deren Kriterien die branchenspezifische Markt- und Gewinnsituation sowie das Emissionsvermeidungspotenzial umfassen, in die Liste aufgenommen werden.

Kritik rufen insbesondere die eindimensionalen Schwellenwerte hervor. Weder ein hoher CO2-Kostenanteil noch eine hohe Handelsintensität allein implizieren ernsthafte Carbon-Leakage-Gefahren. Wird ein Produkt zwar intensiv gehandelt, ist dennoch von geringer Leakage-Gefahr auszugehen, wenn die CO2-Kosten nur einen vernachlässigbaren Anteil der gesamten Produktionskosten ausmachen. Die große Mehrheit aller Branchen auf der Carbon-Leakage-Liste qualifiziert sich indes über jenes Handelskriterium. Bei vielen dieser Branchen beträgt die zusätzliche Kostenbelastung bei Verzicht auf eine Gratiszuteilung weniger als 1% der Bruttowertschöpfung.11 Auch wenn die jeweiligen absoluten Emissionen dieser Branchen meist vergleichsweise gering sind, machen sie kumuliert jedoch ca. ein Viertel der gesamten im EU-ETS erfassten Emissionen der Industrie aus.12

Wird ein Produkt kaum international gehandelt, beispielsweise aufgrund hoher Transportkosten, führt eine substanzielle Kostensteigerung ebenfalls kaum zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland. In diesem Fall sind allerdings noch mögliche Wirkungen auf nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, die eine höhere Handelsintensität aufweisen können, durch verteuerte Vorleistungen zu berücksichtigen.13 Als einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren der deutschen Industrie gilt ihre enge Verzahnung innerhalb heimischer Wertschöpfungsketten, der große Bedeutung für die Sicherstellung von hoher Produktqualität und Innovationsdynamik beigemessen wird. Werden gestiegene Herstellungskosten energieintensiver Vorprodukte an weiterverarbeitende Branchen weitergereicht, könnte deren internatio-nale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden, obwohl sie selbst nicht energieintensiv sind.14 In vielen Branchen übertreffen die indirekten, in Vorprodukten enthaltenen Energiekosten die direkte Energiekostenbelastung.15 Bei Branchen mit sehr hoher Energie- bzw. Emissionskostenintensität sollte daher die Möglichkeit einer qualitativen Prüfung indirekter Leakage-Gefährdungen berücksichtigt werden. Grundsätzlich besteht bei der Analyse von Auswirkungen energiepolitischer Maßnahmen gerade mit Blick auf wirtschaftliche Interdependenzen innerhalb von Wertschöpfungsketten noch weiterer Forschungsbedarf.

In ihrem Vorschlag zur Reform des EU-ETS greift die Europäische Kommission die Kritik an der bisherigen Systematik zur Bestimmung der Carbon-Leakage-Gefährdung auf.16 Der Vorschlag sieht nur noch ein kombiniertes quantitatives Kriterium vor, das sich aus der Multiplikation von Handels- und CO2-Intensität (kg CO2 je Euro Bruttowertschöpfung) ergibt. Liegt dieser Wert für eine Branche oberhalb von 0,2, werden für deren Produktion Zertifikate in voller Höhe der Benchmark-CO2-Intensität kostenlos zugeteilt.17 Für Branchen, bei denen dieser Wert bei mindestens 0,18 liegt, ist eine Gratisallokation von Zertifikaten in voller Höhe nach einer qualitativen Prüfung möglich. Für die übrigen Branchen liegt die kostenlose Allokation weiterhin bei 30% der Benchmark-CO2-Intensität.

Um die Zielgenauigkeit der Regelungen zum Schutz vor Carbon Leakage maßgeblich zu verbessern und Mitnahmeeffekte effektiv zu reduzieren, müsste der Schwellenwert allerdings deutlich höher ausfallen. Mit dem vorgeschlagenen Wert würde die Carbon-Leakage-Liste zwar um ca. zwei Drittel auf etwa 50 verbleibende Branchen verkürzt, jedoch repräsentieren die von der Kürzung betroffenen Branchen lediglich etwa 2% der vom EU-ETS erfassten Emissionen der Industrie.18 Auch das Impact Assessment zur EU-ETS-Reform geht erst bei deutlich höheren Werten für das kombinierte Kriterium von hoher bzw. sehr hoher Carbon-Leakage-Gefahr aus.19 Erreichen Branchen einen ambitionierteren Schwellenwert nicht, könnte ihnen dennoch die Möglichkeit gegeben werden, in einer standardisierten qualitativen Prüfung die Gefährdung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und dadurch den entsprechenden Anspruch auf kostenlose Zertifikatszuteilung nachzuweisen. Dies könnte sehr emissions- und energieintensive Branchen betreffen, deren Produkte nur indirekt über nachgelagerte Wertschöpfungsstufen im internationalen Wettbewerb stehen.

Ferner kann die im Impact Assessment positiv bewertete, im Kommissionsvorschlag jedoch nicht aufgegriffene Option einer mehrstufigen Klassifikation der Leakage-Gefährdung zu einem treffgenaueren Schutz vor Carbon Leakage beitragen. Hierdurch ließe sich der Umfang der Gratiszuteilung von Zertifikaten nach Maßgabe des (durch mehrere Schwellenwerte ermittelten) branchenspezifischen Verlagerungsrisikos staffeln, wie es z.B. im kalifornischen Emissionshandelssystem angelegt ist. Durch eine solche Staffelung und eine Einschränkung des Begünstigtenkreises ließe sich verhindern, dass in der vierten Handelsperiode ein Korrekturfaktor zur Anwendung kommt. Mittels des sektorübergreifenden Korrekturfaktors wird bei Bedarf die Gratiszuteilung für alle Branchen gleichermaßen gekürzt, um so sicherzustellen, dass die vorab festgelegte Menge kostenlos zu verteilender Zertifikate nicht überschritten wird. Durch eine stärkere Fokussierung der Gratiszuteilung, die den Korrekturfaktor verzichtbar macht, wird eine ausreichende Versorgung mit Zertifikaten von Branchen mit tatsächlich hoher Leakage-Gefährdung gewährleistet.

Dynamische Allokation von Emissionsrechten

Auch bei der Zuteilungsmethode für die kostenlose Zertifikatsvergabe stehen Veränderungen an. Bisher wird die Menge kostenlos zugeteilter Zertifikate auf Basis historischer Produktionsmengen und eines produktspezifischen Effizienz-Benchmarks berechnet. Bei dieser Zuteilungsmethode verbleiben allerdings Anreize, die Zertifikatskosten in das Produkt einzupreisen, wodurch der Schutz vor Carbon Leakage geschwächt würde.20 Dies gilt insbesondere, wenn die Zertifikatskosten in Relation zur Gewinnmarge hoch sind und wenn Unternehmen über ungenutzte Produktionskapazitäten außerhalb der EU (bzw. im regulatorischen Ausland) verfügen. Die Erwartung einer Kürzung der Gratiszuteilung in der nachfolgenden Handelsperiode vermindert indes den Anreiz zur vollen Einpreisung der Zertifikatskosten, wenn hierdurch die gegenwärtige Absatz- bzw. Produktionsmenge sinken könnte. Zudem werden die Spielräume für eine Drosselung der heimischen Produktion dadurch begrenzt, dass bei Unterschreiten eines gewissen Produktionsniveaus die Gratiszuteilung unmittelbar reduziert wird.

Für die vierte EU-ETS-Handelsperiode plant die Europäische Kommission, die Menge kostenlos zugeteilter Emissionsberechtigungen stärker an aktuelle Produktionsvolumina der Unternehmen zu koppeln. Zwar erfolgt die Zuteilung grundsätzlich weiterhin auf Basis historischer Produktionsmengen, durch die geplante Anpassung der Zertifikatsallokation an aktualisierte Produktionsdaten zur Mitte der Handelsperiode sowie flexiblere Regeln zur Anpassung an substanzielle Änderungen der laufenden Produktionsmenge macht sie jedoch einen großen Schritt in Richtung dynamischer oder output-basierter Allokation.21 Auch wenn nicht im Kommissionsvorschlag enthalten, wird ein kompletter Umstieg auf die dynamische – d.h. ausschließlich an aktuellen Produktionsmengen orientierte – Allokationsmethode durchaus diskutiert.

Durch die dynamische Allokation können sowohl die Verlagerung von Produktionsaktivitäten innerhalb bestehender Kapazitäten als auch Standortverlagerungen (Investitionsleakage) effektiv vermieden werden, da eine Reduktion der heimischen Produktion zu einer unmittelbaren Verminderung der Zertifikatszuteilung führen würde.22 Ein weiterer Vorteil der dynamischen Zertifikatsallokation läge in ihrer größeren Robustheit gegenüber unerwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen. Wie das Beispiel der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt, können anhaltende Abweichungen vom prognostizierten wirtschaftlichen Wachstumspfad die Anreizwirkung des Instruments Emissionshandel – durch einen massiven und dauerhaften Verfall der Zertifikatspreise aufgrund des auflaufenden Zertifikatsüberangebots – beschädigen. Mit einer dynamischen Allokation könnten nicht zugeteilte Zertifikate direkt der einzurichtenden Marktstabilitätsreserve zugeführt werden, wodurch eine schnellere und passgenauere Steuerung des im Markt befindlichen Zertifikatsvolumens ermöglicht würde. Hierdurch ließe sich die Stabilität des Zertifikatspreises und damit die Investitionssicherheit von Projekten zur Treibhausgasminderung verbessern.23

Verbrauchsseitige Emissionsbepreisung

Mit einer dynamischen Zertifikatsallokation ändert sich auch das Preissetzungskalkül der Unternehmen. Der Wert der mit einer zusätzlichen Produktionseinheit hinzukommenden Gratiszertifikate wird nicht in das Produkt eingepreist, da dem Unternehmen durch die produktionsbedingte Nutzung dieser Zertifikate keine (Opportunitäts-)Kosten entstehen. Die Produktpreise enthalten folglich kein bzw. nur ein stark abgeschwächtes Emissionspreissignal. Eine Internalisierung der Klimakosten und damit eine Veränderung der relativen Preisstrukturen zugunsten klimaverträglicher Produkte findet nicht bzw. sehr unvollständig statt. Anreize für ein klimaschonendes Wirtschaften auf der Verbrauchsseite, d.h. die Substitution von bzw. der sparsame Umgang mit emissionsintensiven Materialien, werden so kaum gesetzt. Allokative Effizienz wird mithin nicht erreicht.24

Diese Schwachstelle einer dynamischen Zertifikatszuteilung ließe sich mittels einer komplementären verbrauchsseitigen Emissionsbepreisung korrigieren. Hierzu böte sich als Ergänzung des EU-ETS eine EU-weite konsumbasierte Abgabe auf besonders energie- bzw. emissionsintensive Materialien, die am stärksten von der Gratiszertifikatsallokation profitieren, an.25 Die Höhe der Abgabe würde sich nach dem CO2-Zertifikatspreis und den – bei Verwendung bester verfügbarer Technik – spezifischen Treibhausgasemissionen bei der Herstellung der Materialien richten, wobei für Letztere auf die produktspezifischen Benchmarks des EU-ETS zurückgegriffen werden kann. Damit kann für die Verbraucher emissionsintensiver Materialien das CO2-Preissignal wiederhergestellt werden, das bei dynamischer Allokation ansonsten auf der Verwendungsseite verloren ginge. Um Carbon-Leakage-Gefahren zu vermeiden, würde die Abgabe gleichermaßen auf heimisch produzierte wie auch auf importierte Güter erhoben, wohingegen exportierte Güter nicht belastet würden. Für importierte weiterverarbeitete Produkte, die größere Mengen emissionsintensiv hergestellter Materialien enthalten, wäre die Abgabe ebenfalls zu entrichten. Die konsumbasierte Klimaabgabe könnte ähnlich bestehenden Verbrauchsteuern, wie z.B. auf Tabak oder Alkohol, ausgestaltet werden, wobei sich die Zahlungsverpflichtung entlang der Wertschöpfungsketten weiterreichen lässt.

Grundsätzlich könnte die Kombination von dynamischer Zertifikatszuteilung mit einer konsumorientierten Abgabe auf besonders energie- und emissionsintensive Materialien Carbon-Leakage-Risiken effektiv vermindern und gleichzeitig finanzielle Anreize zur Treibhausgasreduktion auf der Produktions- und der Verbrauchsseite setzen. Hinsichtlich der Implementierung einer das EU-ETS ergänzenden Verbrauchsabgabe stellen sich allerdings noch einige rechtliche, administrative sowie methodische Fragen. So gilt es vertieft zu prüfen, wie durch eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Konsumabgabe handelsrechtlichen und politischen Bedenken – erfolgreicher als bei Grenzausgleichsmaßnahmen – begegnet werden kann.26 Auch sind die Vorteile einer sachgerechten und anreizkompatiblen Treibhausgasbepreisung gegen die administrativen Kosten dieser Bepreisungsvariante abzuwägen. Allerdings werden viele der erforderlichen Daten bereits ohnehin erfasst, sodass diese Kosten voraussichtlich nicht prohibitiv hoch sein würden. Um den administrativen Aufwand möglichst gering zu halten, würde sich die Abgabe grundsätzlich auf wenige, besonders treibhausgasintensive Materialien beschränken, die zugleich einen Großteil der gesamten industriellen Emissionen ausmachen. In Branchen mit mittleren und geringen Leakage-Risiken, die nicht in den Anwendungsbereich der Konsumabgabe fielen, würde – bei abgestufter Gratisallokation – das Emissionspreissignal zumindest partiell weitergegeben.

Fehlanreize bei nationalen energiepolitischen Entlastungen

Auch auf nationaler Ebene wird der Industrie eine Vielzahl energiepolitischer Entlastungen gewährt – z.B. bei der EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)-Umlage, der Strom- und Energiesteuer, der KWK(Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz)-Umlage, der Offshore-Haftungsumlage, den Netzentgel­
ten –, die häufig ebenfalls mit Verweis auf Carbon-Lea­kage-Gefahren und Sorgen um die internationale Wettbewerbsfähigkeit begründet werden. Trotz dieses Begründungskontextes weisen die Berechtigungsvoraussetzungen oftmals keinen hinreichenden Bezug zu plausiblen Kriterien für die Beurteilung einer Carbon-Leakage-Gefährdung auf.27 Meist wird nur auf die Stromkostenintensität sowie die absolute Abnahmemenge rekurriert. Weder werden Handelsintensität oder Preiselastizität als quantitative Kriterien herangezogen, noch findet eine qualitative Prüfung von Wettbewerbswirkungen statt. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die – auch auf Druck der Europäischen Kommission reformierte – besondere Ausgleichsregelung im EEG. Doch auch hier ist der Begünstigtenkreis weit gefasst und wurde im Zuge der Novellen fortlaufend vergrößert.28 Ernsthafte Gefährdungen der Wettbewerbsfähigkeit infolge einer Begrenzung der Entlastungen sind somit in vielen Fällen nicht zu erwarten. Sofern Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit als Legitimationsgrundlage für Entlastungen angeführt werden, sollten zieladäquat ausgestaltete Berechtigungsvoraussetzungen ein Kriterium für die Handelsauswirkungen eines Energiekostenanstiegs umfassen. Dabei könnte zugleich durch eine kriterienbasierte stärkere Staffelung des Privilegierungsumfangs eine finanzielle Entlastung der nicht begünstigten Stromverbraucher erreicht werden. Zudem ließen sich Transparenz, Konsistenz und administrative Handhabbarkeit der verschiedenen nationalen Entlastungstatbestände verbessern, wenn ihre Berechtigungsvoraussetzungen – soweit sachlich gerechtfertigt – harmonisiert würden.

Eine Gemeinsamkeit aller nationalen Vergünstigungen ist, dass sie kein starkes marginales Energiepreissignal an die Industrieunternehmen aussenden. Um den finanziellen Anreiz der Unternehmen zur Steigerung ihrer Energieeffizienz zu stärken, könnte der entlastungsfähige Stromverbrauch – wo administrativ praktikabel – auf eine Menge begrenzt werden, die einer stromeffizienten Produktionsweise entspricht.29 Hierbei könnte teilweise auf Datengrundlagen zurückgegriffen werden, die bereits für die Strompreiskompensationsregelung im Rahmen des EU-ETS erhoben wurden. Durch Einsatz solcher produktspezifischen Stromverbrauchsreferenzwerte ließe sich auch ein weiterer Fehlanreiz korrigieren, der aus Sprungstellen in den Belastungsfunktionen für die energieverbrauchsbezogenen nationalen Umlagen resultiert.30 So kann die absolute Abgabenbelastung eines Betriebs derzeit bei Überschreiten bestimmter unternehmensbezogener Schwellenwerte hinsichtlich der Energiekostenbelastung sinken, was potenziell mit kontraproduktiven Anreizen zur Energieverbrauchssteigerung einhergeht. Grundsätzlich sollten die Qualifizierungskriterien für Entlastungen daher möglichst auf Prozess-, Produkt- oder Branchenebene und nicht auf Unternehmensebene ansetzen, um Fehlanreize und Wettbewerbsverzerrungen innerhalb einer Branche zu minimieren.

Chancen einer ambitionierten Klima- und Energie(effizienz)politik

Gezielte Entlastungen sind jedoch nicht das einzige Mittel, um steigende Kosten des Energieverbrauchs und daraus resultierende Risiken für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit abzufangen. Ein zentraler Hebel zur Kompensation von Energiepreisanstiegen und zur Stärkung der heimischen Industrie sind Verbesserungen der Energieeffizienz. Zahlreiche Studien belegen große noch vorhandene wirtschaftliche Energieeffizienzpotenziale in vielen Industriebranchen.31 Die bisher unzureichende Erschließung dieser Potenziale ist sowohl auf Hemmnisse innerhalb der Unternehmen als auch auf ein zum Teil inadäquates Design der Instrumente zur Förderung der industriellen Energieeffizienz zurückzuführen. Zur Überwindung der Hemmnisse bedarf es einer langfristig angelegten, integrierten Energieeffizienzpolitik, die von verbindlichen Zielen gestützt wird, sowie eines kohärent ausgestalteten Instrumentenmixes aus ordnungsrechtlichen Standards, finanziellen Anreizen, förderpolitischen Elementen sowie Beratungs- und Informationsprogrammen.32 Darüber hinaus sind jedoch auch das Engagement der Unternehmen und die Selbstorganisation der Wirtschaft gefragt, denn dort ist die Kompetenz, die Vernetzung durch Verbände und vor allem das Vertrauen untereinander, das besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen eine Rolle spielt, vorhanden.

Durch eine effektive Energieeffizienzpolitik lassen sich nicht nur der Energiekostendruck und die Vulnerabilität gegenüber Energiepreisschocks mindern, sondern die Substitution von Energieimporten durch heimische Wertschöpfung entfaltet auch wirtschaftliche Multiplikatoreffekte und es werden Innovationen induziert, die Chancen in stetig wachsenden Märkten für „grüne“ Technologien eröffnen.33 Anstatt eine ambitionierte Energie- und Klimapolitik als Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung wahrzunehmen, sollte der Fokus somit verstärkt auf die Chancen gerichtet werden, die sich hieraus ergeben. Exportfähige Produkt- und Prozessinnovationen, gerade im Bereich der Umwelt- und Energieeffizienztechnologien, werden jedoch nicht dadurch angereizt, dass die Industrie großflächig von Energiepreissignalen abgeschirmt wird. Ferner ist für die Mehrheit der Unternehmen die Verlässlichkeit der Energiepolitik von größerer Bedeutung für Investitionsentscheidungen als moderate Unterschiede in den Energiekosten, sodass eine stabile, rechtssichere Ausgestaltung der energiepolitischen Rahmenbedingungen wichtiger ist als eine maximale finanzielle Entlastungswirkung. Deutschland kann sich mithin aus ökologischer und ökonomischer Vernunft nicht in einen Wettbewerb um die günstigsten Energiepreise begeben, sondern muss seine Wettbewerbsfähigkeit durch innovative, hochwertige Produkte sichern.

Gelingt es, durch ambitionierte Klimapolitik technologische Innovationen anzureizen und durch zielgerichtete Entlastungen industrielle Abwanderung zu verhindern, können durch eine klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands und der EU überdies sogar „negative“ Leakage-Effekte – d.h. eine Dekarbonisierung der industriellen Produktion auch im globalen Maßstab – über den Technologiepfad ausgelöst werden.34 In den klimapolitischen Vorreiterregionen werden energiesparende bzw. klimaschonende Technologien entwickelt und durchlaufen eine Kostendegression, sodass sie schließlich auch in Regionen mit weniger strikter Klimapolitik Wirtschaftlichkeit erreichen. Gerade bei „sauberen“ Technologien sind starke Spillover-Effekte dieser Art zu beobachten.35 Hierdurch kann es insbesondere in Schwellenländern zu sprunghaften Verbesserungen der Produktionstechnologie (Leapfrogging) kommen, wodurch sich große Emissionsminderungspotenziale erschließen lassen.36 Wird das hiesige Innovationstempo durch wenig Ambition beim Klimaschutz gebremst, würde dies auch weltweit den technischen Fortschritt hin zu umweltverträglicheren Produktionsweisen verlangsamen. Eine entschlossene und klug ausgestaltete deutsche und europäische Klimapolitik kann hingegen einerseits – durch klimapolitisch induzierte Technologieführerschaft in wichtigen Zukunftsbranchen – nachhaltige Impulse für die heimische Wirtschaft setzen und anderseits zu einer Beschleunigung der notwendigen Dekarbonisierung auf globaler Eben beitragen.

  • 1 Der vorliegende Aufsatz basiert inhaltlich weitgehend auf dem Kapitel „Anspruchsvoller Klimaschutz und industrielle Wettbewerbsfähigkeit“ im Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU).
  • 2 Vgl. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/04/PD15_124_811.html.
  • 3 Vgl. http://www.ag-energiebilanzen.de/index.php?article_id=29&file
    Name=ausw_28072016_ovk.pdf.
  • 4 Umweltbundesamt: Nationale Trendtabellen für die deutsche Berichterstattung atmosphärischer Emissionen 1990-2013, Dessau-Roßlau 2015.
  • 5 Vgl.https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Volks­wirt­schaftlicheGesamtrechnungen/Inlandsprodukt/InvestitionenPDF_5811108.pdf?__blob=publicationFile.
  • 6 Vgl. H. Bolscher et al.: Carbon Leakage Evidence Project. Fact­sheets for Selected Sectors, Rotterdam u.a.O. 2013; S. Petrick, U. J. Wagner: The Impact of Carbon Trading on Industry: Evidence from German Manufacturing Firms, IfW Working Paper Nr. 1912, Kiel 2014; The World Bank: Carbon Leakage – Theory, Evidence and Policy Design, Washington DC 2015, S. 24 ff.; S. Healy et al.: Review of literature on EU ETS Performance. A literature review and gap analysis of policy evaluations, Freiburg, Darmstadt, Berlin 2015.
  • 7 Vgl. Statistisches Bundesamt: Produzierendes Gewerbe. Kostenstruktur der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden 2012, Wiesbaden 2014.
  • 8 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen: Umweltgutachten 2016. Impulse für eine integrative Umweltpolitik, Berlin 2016, Tz. 102ff.
  • 9 Vgl. S. de Bruyn, D. Nelissen, M. Koopman: Carbon leakage and the future of the EU ETS market. Impact of recent developments in the EU ETS on the list of sectors deemed to be exposed to carbon leakage, Delft 2013, S. 5; Europäische Kommission: Commission Staff Working Document. Impact Assessment. Accompanying the document: Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2003/87/EC to enhance cost-effective emission reductions and low-carbon investments, SWD(2015) 135 final, Brüssel 2015.
  • 10 Für die Berechnung der Kosten wird ein Zertifikatspreis von 30 Euro/t CO2 zugrunde gelegt, obwohl der aktuelle und der für die nächste Dekade prognostizierte Zertifikatspreis weit unterhalb dieses Wertes liegt. Dadurch wird die Kostenbelastung durch das EU-ETS überzeichnet. Bei der Berechnung der Handelsintensität ist zu kritisieren, dass mit dem EU-ETS vergleichbare klimapolitische Maßnahmen in Ländern außerhalb der EU nicht hinreichend berücksichtigt werden. Ergreifen Länder außerhalb der EU Maßnahmen mit ähnlichem klimapolitischen Niveau, besteht kein regulatorisches Gefälle mehr, sodass der Wert für die Handelsintensität um den Handel mit diesen Staaten korrigiert werden sollte.
  • 11 Vgl. Europäische Kommission: Results of carbon leakage assessments for 2015-19 list (based on NACE Rev.2) as sent to the Climate Change Committee on 5 May 2014, Brüssel 2014.
  • 12 Vgl. S. de Bruyn, D. Nelissen, M. Koopman, a.a.O., S. 20.
  • 13 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., Tz. 117 ff.
  • 14 Vgl. G. J. Felbermayr et al.: Entwicklung eines Maßes für die Intensität des internationalen Wettbewerbs auf Unternehmens- oder Sektor­ebene. Kurzgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, München 2013.
  • 15 Vgl. A. Löschel et al.: Stellungnahme zum vierten Monitoring-Bericht der Bundesregierung für das Berichtsjahr 2014. Expertenkommis­sion zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“, Berlin, Münster, Stuttgart 2015, S. 94 ff.
  • 16 Vgl. Europäische Kommission: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizienz von Emissionsminderungsmaßnahmen und zur Förderung von Investitionen in CO2-effiziente Technologien, KOM(2015) 337, Brüssel 2015.
  • 17 Die Benchmark-CO2-Intensität für ein Produkt ergibt sich aus der durchschnittlichen CO2-Intensität (je hergestellter Tonne des jeweiligen Produkts) des effizientesten Zehntels aller Produktionsanlagen.
  • 18 Vgl. Europäische Kommission: Commission Staff ..., a.a.O.
  • 19 Vgl. ebenda.
  • 20 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., Tz. 166.
  • 21 Letztlich stellen damit sowohl der gegenwärtige als auch der von der Kommission für die vierte Handelsperiode vorgeschlagene Allokationsmechanismus eine Mischform aus pauschalisierter vergangenheitsorientierter und dynamischer Gratiszuteilung dar. Somit bewegt sich auch das strategische Verhalten der betroffenen Industrieunternehmen zwischen den für die beiden Zuteilungsmethoden zu erwartenden Verhaltensweisen. Zur dynamischen Allokation vgl. z.B. P. Quirion: Historic versus output-based allocation of GHG tradable allowances: a comparison, in: Climate Policy, 9. Jg. (2009), H. 6, S. 575-592; S. Monjon, P. Quirion: Addressing leakage in the EU ETS: Border adjustment or output-based allocation?, in: Ecological Economics, 70. Jg. (2011), H. 11, S. 1957-1971; B. Borkent et al.: Dynamic allocation for the EU Emissions Trading System. Enabling sustainable growth, Utrecht 2014.
  • 22 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., Tz. 169.
  • 23 Dabei muss gewährleistet bleiben, dass ein stärkeres Wirtschaftswachstum als prognostiziert nicht zum Verfehlen der Emissionsreduktionsziele führt. Übersteigt das Produktionsvolumen die Erwartungen und stehen nicht mehr ausreichend Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve zur Verfügung, könnte die produktspezifische Gratiszuteilung durch Anwendung eines Korrekturfaktors gekürzt werden.
  • 24 Der Anreiz – durch Brennstoffsubstitution und eine energieeffizientere Gestaltung der Produktionsprozesse –, Emissionen bei der Herstellung dieser Materialien einzusparen, bleibt hingegen vollumfänglich erhalten, weil der hierdurch verringerte Zertifikatsbedarf gänzlich gewinnwirksam wird.
  • 25 Vgl. K. Neuhoff et al.: Inclusion of Consumption of carbon intensive materials in emissions trading – An option for carbon pricing post-2020, Climate Strategies Report, London 2016.
  • 26 Zu den Möglichkeiten und Problemen von Grenzausgleichsmaßnahmen als Instrument zur Vermeidung von Carbon Leakage vgl. z.B. Y. Dissou, T. Eyland: Carbon Control Policies, Competitiveness, and Border Tax Adjustments, in: Energy Economics, 33. Jg. (2011), H. 3, S. 556-564; F. Branger, P. Quirion: Would border carbon adjustments prevent carbon leakage and heavy industry competitiveness losses? Insights from a meta-analysis of recent economic studies, in: Ecological Economics, 99. Jg. (2014), S. 29-39; D. Becker et al.: Grenzausgleichsinstrumente bei unilateralen Klimaschutzmaßnahmen. Eine ökonomische und WTO-rechtliche Analyse, in: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht, 36. Jg. (2013), H. 3, S. 339-373; S. Monjon, P. Quirion: Addressing leakage in the EU ETS: Border adjustment or output-based allocation?, in: Ecological Economics, 70. Jg. (2011) , H. 11, S. 1957-1971.
  • 27 Vgl. auch E. Gawel, C. Klassert: Probleme der besonderen Ausgleichsregelung im EEG, in: Zeitschrift für Umweltrecht, 24. Jg. (2013), H. 9, S. 467-479; E. Gawel, A. Purkus: Die Rolle von Energie- und Strombesteuerung im Kontext der Energiewende, in: Zeitschrift für Energiewirtschaft, 39. Jg. (2015), H. 2, S. 77-103.
  • 28 Vgl. www.bafa.de/bafa/de/energie/besondere_ausgleichsregelung_eeg/publikationen/bmwi/eeg_hintergrundpapier_2015.pdf; S. Fiedler, R. Wronski: Energiepreisbericht 2015: Besondere Ausgleichsregelung und Industriestrompreise, FÖS-Studie 09/15, Berlin 2015.
  • 29 Da die Entlastungen bisher für den gesamten Energiebezug oberhalb eines fixen Selbstbehalts gewährt werden und die durchschnittliche Belastung damit einen degressiven Verlauf hinsichtlich der abgenommenen Strommenge aufweist, werden nicht nur ökonomische Effizienzanreize unterlaufen, sondern zudem werden kleinere Unternehmen einer Branche gegenüber größeren Wettbewerbern benachteiligt.
  • 30 § 94 EEG 2014 ermächtigte die Bundesregierung, standardisierte Stromverbrauchsreferenzwerte festzulegen. Von dieser Möglichkeit machte sie allerdings keinen Gebrauch.
  • 31 Vgl. z.B. T. Fleiter, B. Schlomann, W. Eichhammer (Hrsg.): Energieverbrauch und CO2-Emissionen industrieller Prozesse – Einsparpotenziale, Hemmnisse und Indstrumente, Stuttgart 2013; S. Braungardt et al.: Study evaluating the current energy efficiency policy framework in the EU and providing orientation on policy options for realising the cost-effective energy efficiency – saving potential until 2020 and beyond, Karlsruhe, Wien, Rom 2014.
  • 32 Vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, a.a.O., Tz. 141 ff.
  • 33 Vgl. International Energy Agency: Capturing the Multiple Benefits of Energy Efficiency, Paris 2014; M. Pehnt et al.: Energieeffizienz: Potenziale, volkswirtschaftliche Effekte und innovative Handlungs- und Förderfelder für die Nationale Klimaschutzinitiative, Heidelberg u.a.O. 2011; U. Lehr, C. Lutz, M. Pehnt: Volkswirtschaftliche Effekte der Energiewende: Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Osnabrück, Heidelberg 2012.
  • 34 Vgl. R. Gerlagh, O. Kuik: Spill or leak? Carbon leakage with international technology spillovers: A CGE analysis, in: Energy Economics, 45. Jg. (2014), S. 381-388; T. Barker et al.: Carbon Leakage from Unilateral Environmental Tax Reforms in Europe, 1995-2005, in: Energy Policy, 35. Jg. (2007), H. 12, S. 6281-6292; R. Golombek, M. O. Hoel: Unilateral Emis­sion Reductions and Cross-Country Technology Spillovers, in: Ad­vances in Economic Analysis & Policy, 3. Jg. (2004), H. 2, S. 1-27.
  • 35 Vgl. A. Dechezleprêtre, R. Martin, M. Mohnen: Knowledge spillovers from clean and dirty technologies: A patent citation analysis, London 2013.
  • 36 Vgl. A. Dechezleprêtre et al.: Invention and Transfer of Climate Change-Mitigation Technologies: A Global Analysis, in: Review of Environmental Economics and Policy, 5. Jg. (2011), H. 1, S. 109–130; M. Glachant et al.: Greening Global Value Chains. Innovation and the International Diffusion of Technologies and Knowledge, World Bank Policy Research Working Paper 6467, Washington DC 2013.

Title:Reconciling Ambitious Climate Policies with Industrial Competitiveness

Abstract:It is often argued that ambitious domestic climate policies would jeopardize the competitiveness of German and European industry, possibly leading to industrial relocation and carbon leakage. Upon closer scrutiny, however, such concerns are widely unsubstantiated. Instead, economic prosperity and climate protection can be reconciled and even reveal synergies. This requires that relief from energy and climate policy-related burdens is well-targeted and maintains strong incentives for GHG reductions as well as energy efficiency improvements. The upcoming reform of the EU ETS offers an opportunity to make progress towards this end.


DOI: 10.1007/s10273-016-2032-y