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Unternehmen der digitalen Wirtschaft wie Google, Facebook, Amazon usw. sind in Europa allgegenwärtig, zahlen aber nur wenig Steuern. Die Finanzminister einiger wichtiger EU-Mitgliedstaaten haben deshalb eine umsatzbasierte Ausgleichsteuer auf Internetunternehmen vorgeschlagen. Ein solches Steuerinstrument verletzt jedoch wesentliche Regeln des internationalen Steuerregimes. Eine Erweiterung des Betriebstättenbegriffs in Richtung einer „digitalen Betriebstätte“ könnte hingegen sinnvoll sein. Substanzielle Steuerzahlungen der Internetgiganten wären aber nur zu erwarten, wenn sich die Besteuerung von Unternehmen künftig stärker am Standort des Konsums orientiert (Bestimmungslandprinzip).

Mitte September 2017, gut eine Woche vor der deutschen Bundestagswahl, gab es einen überraschenden Vorstoß der Finanzminister Frankreichs, Italiens, Spaniens und Deutschlands. Man könne nicht länger akzeptieren, so ein gemeinsames Schreiben,1 dass die Unternehmen der Digitalwirtschaft in der EU Geschäfte betreiben, aber nur minimal Steuern zahlen. „Economic efficiency is at stake, as well as tax fairness and sovereignty.“ Natürlich unterstütze man die laufenden Reformen des internationalen Steuersystems auf G20-/OECD-Ebene und in der EU, doch
„[t]hese initiatives must nevertheless be complemented“. Die Finanzminister schlagen eine sogenannte Ausgleichsteuer (equalization tax) auf Unternehmen der digitalen Ökonomie vor. Die Steuer soll den Umsatz derjenigen Unternehmen belasten, die sich bislang der Unternehmensbesteuerung in Europa weitestgehend oder völlig entziehen können, weil sie nur geringe oder keine physischen Anknüpfungspunkte für eine Besteuerung in der EU bieten.

In der Tat steht die allumfassende Präsenz von Google, Amazon, Apple, Netflix usw. in einem eigentümlichen Verhältnis zu ihrem verschwindend geringen Beitrag zum europäischen Steueraufkommen. Und das liegt nicht etwa daran, dass all diese Unternehmen nicht profitabel sind – ganz im Gegenteil. Auf den ersten fünf Plätzen der Unternehmen mit den weltweit höchsten Börsenbewertungen stehen vier Tech-Unternehmen: Apple, Alphabet (Google), Microsoft und Amazon.2 Auf Platz 6 steht Facebook. Dass diese Unternehmen in den europäischen Staaten omnipräsent sind, aber kaum Steuern zahlen, macht die EU-Finanzminister der Mitgliedstaaten verständlicherweise nervös.

Der mittlerweile von sechs weiteren Finanzministern unterzeichnete Vorschlag einer Ausgleichsteuer sieht keine Details vor; über die genaue Ausgestaltung lässt sich also nur spekulieren. Ansatzpunkt für die Besteuerung soll der Umsatz des Unternehmens im jeweiligen Staat sein. So heißt es in dem vom französischen Wirtschafts- und Finanzminister Le Maire initiierten Positionspapier der Finanzminister: „The amounts raised would aim to reflect some of what these companies should be paying in terms of corporate tax.“3 Auf Grundlage des Umsatzes soll also eine Art Soll-Gewinn errechnet werden, den ein Unternehmen mit einem solchen Umsatz üblicherweise hat. Auf diesen fiktiven Gewinn zahlt das Unternehmen dann den normalen Unternehmensteuersatz. In Deutschland wäre dies die Körperschaftsteuer. Ob und in welcher Höhe in Deutschland auch Gewerbesteuer zu zahlen wäre, lässt sich zurzeit nicht bestimmen. Zu klären wäre hier insbesondere die Frage, welcher Kommune der fiktive Gewinn zugerechnet wird.

Die Ausgleichsteuer stößt jedoch nicht auf einhellige Zustimmung in der EU. Einige kleinere Länder wie Luxemburg und Irland haben Bedenken und warnen vor möglichen Kollateralschäden. Auch das einige Tage später veröffentlichte Kommuniqué der EU-Kommission mit dem Titel „A Fair and Efficient Tax System in the European Union for the Digital Single Market“ argumentiert viel vorsichtiger und bezeichnet die Ausgleichsteuer lediglich als eine mögliche Zwischenlösung („more immediate, supplementary and short term measures that should be considered to protect the direct and indirect tax bases of Member States“).4 Für die Kommission steht vielmehr eine behutsame Weiterentwicklung des Betriebstättenbegriffs im Zentrum, um die Besteuerung der digitalen Ökonomie friktionslos ins internationale Regelwerk zu integrieren. Statt auf Revolution setzt die Kommission also auf die Evolution des bestehenden Systems.

Man würde dem Vorstoß der Finanzminister nicht gerecht, wenn man die Ausgleichsteuer ausschließlich aus ökonomisch-materieller Perspektive betrachten würde. Die Initiative reiht sich in eine Folge von symbolischen Akten ein, die die Handlungsfähigkeit Europas bezeugen sollen (Emmanuel Macrons Vorschlag eines gemeinsamen Budgets, Norbert Röttgens Vorschlag einer deutsch-französischen Anleihe etc.). Wenn die Finanzminister der vier großen Eurostaaten Einigkeit erzielen, dann strahlt das auf die heimischen Wähler, die internationalen Partner der EU – und nicht zuletzt auf die Unternehmen, um deren Besteuerung es hier geht, aus.5 Auch muss man berücksichtigen, dass die Besteuerung der zumeist US-basierten Unternehmen in Frankreich eine Herzensangelegenheit ist, die zu Beginn des Sommers einen schweren Rückschlag erlitt, als ein Gericht die französische „Google-Steuer“ als unrechtmäßig einstufte.6 Nicht zuletzt stellt der Vorschlag vor dem Hintergrund der laufenden OECD-Beratungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft einen strategischen Zug dar, der die Entschlossenheit der EU signalisieren soll, die Reform des internationalen Steuersystems voranzutreiben. Wenn es nicht gemeinsam klappt, so wird den internationalen Partnern wie den USA signalisiert, dann machen wir es eben allein. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Vorstoß die Reformbereitschaft auf globaler Ebene voranbringt oder sie konterkariert.

Die Besteuerung digitaler Unternehmen

In der Unternehmensbesteuerung gilt fast überall auf der Welt das Prinzip der Quellenbesteuerung. Im Wesentlichen heißt das, dass Gewinne verbucht und besteuert werden sollen, wo sie erzeugt werden, d.h. dort wo Produktion und Wertschöpfung verortet sind. Dies ist ein eingängiges Prinzip, wenn man es mit alleinstehenden Unternehmen ohne internationale Präsenz zu tun hat. Schwierig wird es erst, wenn multinationale Unternehmen ins Spiel kommen, die über Betriebstätten oder Konzerngesellschaften in mehreren Staaten verfügen und einer einheitlichen Leitung unterstehen.

Dann nämlich stellt sich die Frage, in welchem Unternehmensteil der gemeinsam erzielte Gewinn zu Steuerzwecken verbucht werden soll. Infrage kommen alle Standorte des Unternehmens, die als Unternehmenssitz oder Betriebstätte gelten. Aus Sicht des Unternehmens(-verbunds) ist dies – vorbehaltlich unterschiedlicher Beteiligungsverhältnisse an Konzerngesellschaften – eine im betriebswirtschaftlichen Ergebnis irrelevante Fragestellung.7 Denn unabhängig vom Ort der Buchung wird der Gewinn irgendwann als Dividende in den Taschen der Unternehmenseigentümer landen. Die Besteuerung aber ist ortsgebunden und kann sich von Standort zu Standort unterscheiden. Daher kann es zwecks Steuervermeidung attraktiv sein, in Hochsteuerländern keine Anknüpfungspunkte (Nexus) für eine Besteuerung zu bieten, indem die wirtschaftlichen Aktivitäten unterhalb der Betriebstättenschwelle gehalten werden, oder soweit dies nicht möglich ist, zumindest den Gewinn möglichst andernorts zu verbuchen, wo die Quellensteuern niedrig sind.

Aus steueroptimierender Sicht ist es also attraktiv, wenn möglich keine Betriebstätte in Hochsteuerländern zu unterhalten, d.h. sie als Produktionsstätte zu meiden und als Absatzmärkte aus dem niedriger besteuerten Ausland zu bedienen. Lässt sich eine Betriebstätte nicht verhindern, so lassen sich Quellensteuern vermeiden oder reduzieren, indem Gewinne ins niedriger besteuernde Ausland verschoben werden.

Ein zentrales Gestaltungsinstrument hierfür sind zielgerichtete Manipulationen der Verrechnungspreise für den grenzüberschreitenden Handel zwischen den verbundenen Unternehmensteilen. Zwar müssen Verrechnungspreise entsprechend den Vorgaben der OECD für Besteuerungszwecke dem Fremdvergleichsmaßstab (Arm’s Length Standard) genügen, d.h. sie müssen sich innerhalb einer Bandbreite marktüblicher Preise bewegen, die sich unverbundene Unternehmen in Rechnung stellen würden. Das zu kontrollieren ist jedoch leichter gesagt als getan, denn für viele Güter, die innerhalb eines multinationalen Unternehmens gehandelt werden, existieren keine adäquaten Vergleichsmaßstäbe. Es ist schließlich Wesensmerkmal von Unternehmen allgemein, dass sie Waren und Dienstleistungen gerade dann selbst herstellen, wenn es dafür keinen funktionierenden Markt (der als Vergleichsmaßstab gelten könnte) gibt. Es bestehen somit trotz steuerrechtlicher Verrechnungspreiskontrollen noch hinreichend Gestaltungsspielräume für multinationale Unternehmen.

Hinzu kommt das Ausnutzen zahlreicher Inkonsistenzen, die entstehen, wenn Unternehmen in mindestens zwei nicht-harmonisierten Steuersystemen agieren. Diese können zu doppelter Nichtbesteuerung führen, etwa dank „hybrider“ (national je unterschiedlich beurteilter) Gestaltungen, oder auch zu sogenannten „staatenlosen Einkünften“.

All diese Probleme sind nicht neu und kein Spezifikum der digitalen Wirtschaft. Was die Internetökonomie besonders macht, ist weniger ein qualitativer als ein quantitativer Unterschied.8 Vor allem sind ihre Produkte im Vergleich zur analogen Wirtschaft häufig nicht-physisch (Daten, Algorithmen, Netzwerke), was die Vermeidung einer Betriebstättenpräsenz im Absatzmarkt begünstigt. Hohen Entwicklungskosten stehen hier üblicherweise sehr geringe variable Kosten gegenüber. Dementsprechend hoch ist der Wertschöpfungsanteil geistigen Eigentums (intangible assets), das sich ohne reale Kosten grenzüberschreitend verlagern lässt. Die Verrechnungspreise für die Nutzung dieses Eigentums (etwa in Form von Lizenzgebühren) lassen sich nur schwer kontrollieren. So gibt es beispielsweise zum Suchalgorithmus von Google keinen adäquaten Vergleichsmaßstab. Ein Google-Patent ist einzigartig – dementsprechend groß ist der Spielraum, den das Unternehmen bei der Verlagerung von Gewinnen und damit bei der Gestaltung seiner Steuerlast hat. Selbst wo inländische Betriebstätten bestehen, ist bzw. wäre ihnen nach diesen herkömmlichen Maßstäben damit nur ein vergleichsweise geringer, ihrer bloßen Hilfsfunktion entsprechender Gewinn zuzuweisen.

OECD-Initiativen wie die BEPS-Empfehlungen (für Base Erosion and Profit Shifting) und darauf aufbauende Koordinierungsmaßnahmen innerhalb der EU haben zum Ziel, die steuermotivierte Manipulation von Verrechnungspreisen zu begrenzen sowie doppelte Nichtbesteuerung durch den Einsatz hybrider Instrumente zu vermeiden. Seit einiger Zeit ist jedoch klar, dass dieser Ansatz zu kurz greift, um die effektive Besteuerung der Internetunternehmen in der EU substanziell zu erhöhen. Denn zum einen hat die BEPS-Initiative den Betriebstättenbegriff nur ganz behutsam ausgedehnt und erfasst damit nach wie vor keine Internetunternehmen ohne physische Präsenz. Zum anderen verhindern auch die Anti-BEPS-Maßnahmen nicht, dass der in der EU verortete Wertschöpfungsanteil teilweise sehr klein gerechnet werden kann und wird, zumal die Umsetzung zahlreicher Empfehlungen noch aussteht.

Das Problem hinsichtlich digitaler Unternehmen lässt sich also zweiteilen. Zum einen erfasst die derzeit geltende Betriebstättendefinition vielfach die Aktivitäten im Absatzmarkt nicht, obwohl dort eine augenscheinlich substanzielle Präsenz vorliegt. Zum anderen lassen die geltenden Regeln zu, dass den existierenden Betriebstätten in der EU nur wenig Gewinn zugewiesen wird. Auf der einen Seite stellt sich also die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich eine wirtschaftlich substanzielle, aber nicht physische Präsenz systemkonform zum Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht des Absatzmarktes heranziehen lässt, und auf der anderen Seite, ob dieses Kriterium auch einen substanziellen steuerlichen Zugriff erlaubt.

Die digitale Betriebstätte

Die von den EU-Finanzministern und nachfolgend von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge begründen nur vage, warum den EU-Mitgliedstaaten ein Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne drittstaatsbasierter Internet-Unternehmen zukommen sollte. Im Wesentlichen wird darauf verwiesen, dass diese Unternehmen ein hohes Einkommen in der EU erzielen. Der staatliche Fiskal­appetit ist für sich genommen aber – auch völkerrechtlich – kein hinreichend tragfähiges Argument, um einen inländischen Besteuerungszugriff zu begründen. Um ein multinationales Unternehmen an der Quelle besteuern zu können, muss vielmehr ein hinreichender wirtschaftlicher Nexus zur betreffenden Steuerjurisdiktion bestehen.9

Im internationalen Unternehmensteuerrecht gilt traditionell das Betriebstättenprinzip. Damit wird als Anknüpfungspunkt eine zeitlich wie physisch hinreichend verfestigte unternehmerische Präsenz im Quellenstaat vorausgesetzt. § 12 der Abgabenordnung (AO) definiert die Betriebstätte als „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.“ Als Beispiele werden die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- oder Werkstätten, Warenlager sowie Ein- oder Verkaufsstellen und einige andere mehr genannt.

Die digitale Ökonomie benötigt teilweise keine solchen Betriebstätten im herkömmlichen Sinne mehr, um innerhalb eines Staates erhebliche Umsätze zu generieren. So haben Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime usw. in den vergangenen Jahren einen Großteil des früheren Marktes für Videotheken übernommen. Abgesehen allenfalls von Serverkapazitäten verfügen diese Unternehmen jedoch über keinerlei physische Präsenz in der jeweiligen Marktjurisdiktion. Der nun lancierte Vorschlag einer Ausgleichsteuer zielt vor allem auf Unternehmen, die bislang in der EU aktiv sind, aber unterhalb der Betriebstättenschwelle agieren. Unter diesen Umständen haben die Mitgliedstaaten bislang keinen Zugriff auf die Gewinne.

Die dem geltenden Betriebstättenbegriff immanente Voraussetzung hinreichender physischer Präsenz bietet einige praktische Vorteile. Steuerschulden müssen verifiziert und durchgesetzt werden können. Wenn ein Unternehmen Gebäude, Maschinen und Mitarbeiter innerhalb der Grenzen der Steuerjurisdiktion hat, gibt dies dem besteuernden Staat die Möglichkeit von Steuerinspektionen und einer zwangsweisen Durchsetzung des Steueranspruchs durch Zugriff auf das lokal vorhandene Vermögen. Ohne eine solche Präsenz ist dies deutlich schwieriger. Jedenfalls wäre die Steuererhebung dann verstärkt auf internationale Kooperation angewiesen. Die Bereitschaft zu internationaler Kooperation in Steuerfragen hat zwar in den letzten Jahren zugenommen, was sich nicht zuletzt in den erfolgreichen BEPS-Verhandlungen sowie zahlreichen Ergänzungen der EU-Amtshilferichtlinie niedergeschlagen hat. Die praktische Umsetzung dieser Initiativen ist aber vielfach noch mangelhaft und ineffizient, und insbesondere beim Informationsaustausch auf Ersuchen kann nicht überall und in gleichem Maße eine effektive Kooperation vorausgesetzt werden. Es wäre vor diesem Hintergrund gewagt, das Steuersystem künftig weitestgehend von der Kooperationsbereitschaft der Nationalstaaten abhängig zu machen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine deutliche Ausweitung des Besteuerungszugriffs bei rein „virtueller“ Präsenz im Inland vor allem US-basierte Internet-Unternehmen treffen würde. Es ergäbe demnach eine gewisse Asymmetrie zugunsten der EU, was die Erträge der Kooperation angeht; dies dürfte eine politische Einigung erschweren.

Schon deshalb ist es nicht sinnvoll, jedem Unternehmen, das in der EU seine Güter verkauft, allein deshalb und unabhängig von seiner physischen Präsenz auch einen steuerlichen Nexus zuzuschreiben. Davon abgesehen wäre es auch wertungswidersprüchlich, eine dahingehende Sonderregelung für Internet-Unternehmen zu schaffen. Denn es ist kein spezifisches Merkmal der digitalen Ökonomie, dass Güter ausländischer Anbieter ohne Betriebstätte im Inland in größerem Ausmaß konsumiert werden. Es handelt sich dabei schlicht um Importe, die in der EU der Mehrwertsteuer unterliegen, aber nicht der Körperschaft-, Gewerbe- oder Einkommensteuer.10 Es wäre also zu klären, inwiefern sich das Angebot der digitalen Unternehmen aus dem Ausland von klassischen Waren- und Dienstleistungsimporten unterscheidet. Gelingt dies nicht, lässt sich kaum argumentieren, warum dem Inland gerade (nur) bei digitalen Diensten ein Besteuerungsrecht auf Gewinne zufällt – auch wenn es noch so erstrebenswert erscheint, ein Stück vom riesigen Gewinnkuchen der Internetriesen zu ergattern.

Ein möglicher Ansatzpunkt liegt in der aktuell geltenden Betriebstättendefinition selbst: Die Betriebstätte soll der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Man könnte also unterstellen, dass hinreichende Wertschöpfung innerhalb der Grenzen eines Landes eine Betriebstätte begründet. Da Wertschöpfung in der analogen Wirtschaft eine physische Präsenz (in Form von Gebäuden, Maschinen und Arbeitskräften) voraussetzt und da letztere besser messbar ist als allein die Wertschöpfung, konnte der bisher geltende Betriebstättenbegriff auf die physische Präsenz abstellen, die in diesem Sinne die Wertschöpfung als Proxy-Variable erfasst. Der Aufstieg der digitalen Ökonomie macht die Definition nun reformbedürftig.

Unter diese Prämisse stellt sich die Frage, ob in den nun im Fokus stehenden Unternehmen in substanziellem Umfang Wertschöpfung (value creation) im Inland stattfindet. In einigen Fällen lässt sich diese Frage klar verneinen. Wenn etwa Netflix-Videos auf allen Bildschirmen in Deutschland laufen, ist Netflix präsent. Doch ähnliche Präsenz hatten schon vor dem Internetzeitalter Filme aus Hollywood und Popmusik aus England, ohne dass dies einen Steuernexus begründet hätte. Es muss zum bloßen Absatz von Waren oder Dienstleistungen also noch ein zusätzliches Element hinzutreten, das eine besondere Verbindung der produktionsseitigen Wertschöpfung mit dem Inland begründet.

Doch wo die Wertschöpfung stattfindet, ist nicht einfach zu bestimmen – und das ist genau das Problem, das die Besteuerung digitaler Unternehmen so kompliziert macht. Die Maschine, die in der analogen Ökonomie noch in einer Fabrikhalle stand, ist im Fall von Google nun ein Algorithmus, der auf einem Server liegt – und auch dort nicht zwangsläufig einen festen Standort hat. In diesem Sinne ist der Ort der Produktion kein adäquates Kriterium zur Bestimmung des Ortes der Wertschöpfung. Zwei mögliche alternative Kriterien kommen hier in Frage: der Ort der Herstellung zentraler (und standortspezifischer) Inputgüter sowie der Ort der Leistungserbringung.

Zentrale Inputgüter

Suchmaschinenanbieter, soziale Netzwerke und ähnliche Internetdienstleister sammeln und verwerten personenbezogene Daten von den Nutzern ihrer meist kostenlosen Services. Mittels künstlicher Intelligenz werden daraus Nutzerprofile sowie weitere Erkenntnisse von wirtschaftlichem Wert gewonnen (data mining). Diese können dann durch individualisierte Werbung oder durch anderweitige informationsbasierte Dienstleistungen geschäftlich genutzt werden. Die Informationsgewinnung ist dabei notwendigerweise standortgebunden. Indem die Dienstleistungen (wie die Benutzung von Suchmaschinen) oder Waren (wie intelligente Kühlschränke etc.) konsumiert werden, entstehen Daten – der Ort des Konsums ist also gleichzeitig der Ort der Produktion der Inputgüter. Die Einwilligung in die Datenerhebung wird nicht entlohnt, sondern im Tausch gegen ebenfalls „kostenlose“ Dienste erworben. Doch handelt es sich hier um Inputgüter von zentraler Bedeutung mit ausgeprägtem Inlandsbezug. Denn Daten von Konsumenten außerhalb Deutschlands wären beispielsweise für Unternehmen, die in Deutschland werben wollen, ohne Wert. So entsteht der Wert der Dienstleistung aus der Kombination eines Algorithmus, der Rechenleistung von Computern und Servern sowie den Daten deutscher Nutzer. Standort der Produktion könnte überall sein. Doch nur ein Faktor ist hier standortspezifisch: die deutschen Daten.

Und auch die Leistungserbringung, also die Verwertung der Daten, ist im genannten Beispiel zielgerichteter Werbung notwendig standortgebunden. So hat etwa individualisierte Werbung, wie Google sie anbietet, ja gerade deshalb einen wirtschaftlichen Wert, weil sie individualisiert auf den Bildschirmen der jeweiligen Nutzer angezeigt wird. Die Leistung, für die Google bezahlt wird, muss also in Deutschland erbracht werden. Die in die Millionen gehende Zahl von Screens, auf denen die von Google geschaltete Werbung erscheint, sind in diesem Fall mit unzähligen Litfasssäulen vergleichbar, die ebenfalls einen hinreichenden steuerlichen Nexus begründen könnten.

Jedenfalls eine Kombination beider Faktoren, d.h. der Einsatz standortspezifischer wesentlicher Inputgüter (wie Nutzerprofile deutscher User) zwecks standortgebundener Verwertungshandlungen im Inland könnten ein Besteuerungsrecht durch den deutschen Staat begründen. Für ein derartiges „Verwertungsprinzip“ bestehen bereits Vorbilder im Außensteuerrecht Deutschlands und zahlreicher EU-Mitgliedstaaten.11 Auf der Ebene des OECD-Musterabkommen wäre es hingegen ein Novum, das sich jedoch folgerichtig in das Bekenntnis der BEPS-Initiative einfügen würde, demjenigen Staat Besteuerungsrechte zuzuweisen, in dem signifikante Betriebsfunktionen zur Wertschöpfung beigetragen haben.12

Das Abstellen nicht allein auf die standortgebundene Verwertungshandlung, sondern auf den damit notwendig verbundenen Einsatz von dort zuvor gewonnenen Daten als zentralem Produktionsfaktor grenzt diese Art von Nexus von den regulären Importfällen ab. Es erleichtert zudem bei den großen Internet-Unternehmen auch die Kontrolle und Durchsetzung des Steueranspruchs. Denn zwecks Datenerhebung sind die betroffenen Steuerpflichtigen auf eine weithin sichtbare (Internet-)Präsenz in Gestalt virtueller Netzwerke angewiesen und unterliegen darum bei Nicht-Compliance auch erheblichen Reputations- und Marktzugangsrisiken, was die Bereitschaft zur Steuerehrlichkeit und Kooperation mit den nationalen Steuerbehörden fördern dürfte.

Gesetzestechnisch bestünde die Herausforderung bei der Umsetzung eines solchen Besteuerungskonzeptes vor allem in der Formulierung hinreichend trennscharfer Kriterien bzw. Definitionen für „zentrale standortspezifische Inputgüter“, für einen hinreichend engen Zusammenhang mit nachfolgenden inländischen Verwertungshandlungen und für eine aus Gründen der Steuerpraktikabilität wünschenswerte hinreichende Sichtbarkeit und Verfestigung des Inlandsbezugs. Solche Definitionen und Kritieren müssen dahingehend „zukunftsfest“ sein, dass sie nicht auf bestimmte Geschäftsmodelle begrenzt sind und auch mögliche disruptive Entwicklungen in der digitalen Ökonomie zulassen.

Signifikante virtuelle Präferenz

Grundvoraussetzung für die Geltendmachung einer inländischen Besteuerungshoheit könnte vor diesem Hintergrund zunächst eine „signifikante virtuelle Präsenz“ des Steuerpflichtigen sein, die entweder zur Datengewinnung oder zur Datenverwertung (oder zu beidem) beiträgt. Der Unterhalt einer eigenen physischen Infrastruktur im Inland wäre für eine signifikante Präsenz nicht notwendig (aber natürlich möglich). Die Signifikanz der Präsenz könnte am Volumen des Datenverkehrs festgemacht werden und eher nicht an der Zahl der Nutzer.13 Der Schwellenwert, der die Signifikanz begründet, sollte so gewählt werden, dass nur mittlere und größere Internet-Anbieter betroffen wären, bei denen auch eher eine effektive steuerliche Kontrolle und eine Kooperationsbereitschaft zu erwarten ist.

Hinzukommen muss die Nutzung „zentraler standortspezifischer Inputgüter“ in dem Sinn, dass immaterielle Wertschöpfungsfaktoren, die für die Einkünfte generierende Leistungserbringung essenziell bzw. nicht substituierbar sind, einen spezifischen Inlandsbezug aufweisen. Dabei könnte es sich namentlich um Daten zu inlandsansässigen Nutzern bzw. inländischen Nutzungsvorgängen oder inlandsbelegenen Gegenständen handeln. Dritte Voraussetzung wäre dann möglicherweise noch die qualifizierte Verwertungshandlung. Es könnte insoweit möglicherweise schon genügen, dass die vom Steuerpflichtigen generierten und abgesetzten immateriellen Güter, Informationen oder Leistungen einen spezifischen Inlandsbezug aufweisen (z.B. zu bestimmten inlandsansässigen Personen bzw. Institutionen, inlandsradizierten Vorgängen, zu im Inland belegenen Sachen etc.), der wesentlich auf die vorherige Gewinnung von Daten oder sonstigen immateriellen Inputgütern im Inland zurückzuführen ist. Darüber hinaus könnte dann noch verlangt werden, dass die Verwertungshandlung selbst unmittelbar auf inländische Infrastruktur zurückgreifen muss (nicht notwendig in Gestalt eigener virtueller Präsenz). Nicht notwendig, aber natürlich ausreichend wäre dabei eine Verwertung über eben jene virtuelle Präsenz bzw. über dasselbe Netzwerk, das schon zur Datensammlung genutzt wurde (der „Google-Fall“).

Treffen die vorgenannten Kriterien für eine signifikante virtuelle Präsenz auf die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens zu, würde dies eine „digitale oder virtuelle Betriebstätte“ begründen. In diesem Fall müsste in Deutschland die (Körperschaft-, Gewerbe- oder Einkommen-)Steuer erklärt werden und das entsprechende Einkommen nach Abzug aller Kosten versteuert werden. Beispielsweise müsste Google das Einkommen aus der in Deutschland geschalteten Werbung nach Abzug einer Lizenzzahlung an das Google-Mutterunternehmen für die Nutzung des Suchalgorithmus in Deutschland versteuern.

Wird eine signifikante virtuelle Präsenz hingegen nicht festgestellt, was insbesondere beim E-Commerce (Amazon usw.) der Fall sein würde, lässt sich auf Grundlage der vorstehenden Überlegungen die Erfassung gerade nur von online operierenden Unternehmen nicht begründen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die Schaffung und Unterhaltung eines inländischen Vertriebsnetzwerks nur im Online-Handel einen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung von Besteuerungsrechten bilden sollte. Eine allgemeine dahingehende Reform wiederum dürfte nicht unbedingt im Interesse der Exportnation Deutschland liegen. Eine Ausgleichsteuer schließlich, die selbst dann zugreifen würde, wenn der reformierte Betriebstättenbegriff keine Anwendung findet, ist jedenfalls in hohem Maße fragwürdig – zumindest dann, wenn das allgemeine Prinzip der Quellenbesteuerung weiterhin Geltung haben soll.

Grenzen und Weiterentwicklung des Quellensteuerprinzips

Unter die Definition einer virtuellen Betriebstätte würde nur ein Teil der Aktivitäten fallen, die in den nun veröffentlichten Kommissionspapieren als Beispiel für die nicht hinzunehmende Nichtbesteuerung von Tech-Unternehmen genannt werden. Doch selbst soweit bei manchen ausländischen Internetunternehmen eine inländische Betriebstätte angenommen werden kann – etwa ein Auslieferungslager oder ein ständiger Vertreter, oder eventuell künftig eine „digitale Präsenz“ –, zieht das nicht notwendigerweise die Besteuerung eines signifikanten Anteils am Unternehmensgewinn nach sich. Denn der einer inländischen Besteuerung unterliegende Gewinn wird den Betriebstätten über interne Verrechnungspreise zugewiesen. Für Besteuerungszwecke müssen diese Verrechnungspreise dem Fremdvergleich standhalten. Die bisher geltenden Regeln des Fremdvergleichs lassen es zu, dass gerade die Unternehmen der digitalen Ökonomie einen Großteil ihrer Einkünfte nicht in der EU besteuern. Und es ist alles andere als geklärt, ob dies tatsächlich einen Regelmissbrauch darstellt oder nicht. Denn Quellenbesteuerung bedeutet ja gerade die Besteuerung der Wertschöpfung – und diese kann, etwa im Fall von Google, tatsächlich zum größten Teil dort vermutet werden, wo der Code geschrieben wird. Dass Google selbst in den USA nicht sein volles Einkommen versteuert, widerspricht dem aus Sicht der EU-Staaten nicht. Diese müssten lediglich klären, ob Google innerhalb ihrer Jurisdiktion steuerpflichtig wäre.

Die nun lancierten Überlegungen lassen sich vor diesem Hintergrund auch so lesen, dass es allgemein als inakzeptabel angesehen wird, dass Unternehmen, die hohes Einkommen in der EU erzielen, hier nicht der Unternehmensbesteuerung unterliegen.14 Letztere sollte sich in diesem Fall stärker am Ort des Konsums orientieren und weniger am Ort der Produktion. Dieser Ansatz findet sich auch in dem bis vor kurzem von den US-Republikanern favorisierten Vorschlag einer Unternehmensbesteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip. Es ist zumindest bemerkenswert, dass die nun vorgeschlagene Ausgleichsteuer eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser sogenannten Destination-Based Corporate Cash-Flow Tax (DBCFT) hat. Bei letzterer unterliegen Importe der vollen Besteuerung, während Exporte vollständig freigestellt werden. Die Ausgleichsteuer lässt sich ebenfalls als Importsteuer unter Freistellung des Exports verstehen – freilich nur auf spezifische Unternehmen begrenzt, ohne Abstimmung auf das übrige System von Unternehmens- und Konsumsteuern, und ohne den Anspruch, allgemein handelsneutral zu sein.

Die Destination Tax bietet Schutz vor Gewinnverlagerung ins Ausland und ist auch nicht in gleichem Maße auf die physische Präsenz in Form einer Betriebstätte angewiesen. Zwar stellen sich auch hier bedeutende handelsrechtliche Fragen, jedoch ist dazu bereits ausgiebig argumentiert worden, dass – anders als bei der nun vorgeschlagenen Ausgleichsteuer – zumindest auf mittlere Sicht keine allgemeine Doppelbesteuerung oder sonstige Handelsnachteile zu befürchten sind. Doch wer die Destination Tax als möglichen Endpunkt einer Entwicklung sieht, die nun mit einer Ausgleichsteuer begonnen wird, sollte sich nicht täuschen: Das Ziel, am Gewinneinkommen der Internetgiganten zu partizipieren, verfehlt auch die Destination Tax. Preis- und Wechselkursanpassungen immunisieren – so die aus der Theorie abgeleitete Vorhersage – ausländische Investoren vor der Steuer. Belastet werden die Reingewinne einheimischer Investoren. Letztere sind aber nur zu einem kleinen Teil in den US-Unternehmen der Digitalökonomie engagiert.15

Trotzdem mag es sein, dass schon aus Gründen der politischen Akzeptanz eine stärkere Betonung des Bestimmungslandprinzips auch in der Unternehmensbesteuerung zukunftsträchtig ist. Doch handelt es sich hier um eine grundlegende Umorientierung des internationalen Steuersystems, die auf OECD-Ebene verhandelt und koordiniert werden sollte. Die USA scheinen mittlerweile von einer unilateralen Einführung einer Destination Tax Abstand zu nehmen – zur Erleichterung der Europäer, die nun allerdings mit der Ausgleichsteuer einen ähnlichen Vorstoß wagen.

Ausgleichsteuer

Man kann der Ausgleichsteuer zugute halten, dass sie für die beiden oben diskutierten Probleme – die womöglich nicht mehr zeitgemäße Betriebstättendefinition und fehlende Bestimmungslandorientierung des bisherigen Systems – eine Lösung anbietet. Bedenkt man allerdings, wie langwierig etwa die BEPS-Verhandlungen waren und wie prekär der Wille zur internationalen Koordination in Steuerfragen zurzeit ist, wirkt der Vorschlag der Ausgleichsteuer wie ein grober Klotz.

Die Ausgleichsteuer wirft zunächst erhebliche Probleme bei der Abgrenzung des sachlichen und eventuell auch des persönlichen Anwendungsbereichs auf. So dürfte die Definition eines die Steuerpflicht begründenden digitalen Dienstes schwierig und streitanfällig sein, wie ein Blick ins EU-Mehrwertsteuerrecht und auf das dortige Konzept der „elektronischen Dienstleistung“ zeigt. Dem Vernehmen nach ist außerdem angedacht, Unternehmen erst bei Überschreiten eines hohen Schwellenwerts – in Rede stehen 750 Mio. Euro in Anlehnung an den Schwellenwert für das Country-by-Country-Reporting – zur Kasse zu bitten. Getroffen würden damit absehbar ganz überwiegend US-amerikanische Unternehmen, womit die Regelung in Konflikt mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) geraten könnte. Konkret könnte sie den Vorwurf einer mittelbaren Diskriminierung entgegen dem Gebot der Inländerbehandlung des Art. XVII des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) begründen.16 Auch hinsichtlich der Belastungskonzeption weist dieser Vorschlag eine Reihe von gravierenden Nachteilen und Risiken auf. Indem nicht der reale Gewinn, sondern ein ausgehend vom Bruttoumsatz berechneter fiktiver Gewinn die Bemessungsgrundlage bildet, wird ein Element der Soll-Besteuerung eingeführt. Daraus kann Substanzbesteuerung resultieren, da einige Unternehmen wie etwa Twitter trotz hoher Umsätze Verluste machen.

Vor allem aber fügt sich das Konzept nicht friktionslos in das fortbestehende System des internationalen Unternehmensteuerrechts ein.17 Das im Inland versteuerte Einkommen wäre nach herkömmlichen Prinzipien erneut steuerpflichtig in der Betriebstätte, wo es ordentlich verbucht wird. Die daraus potenziell resultierende Doppelbesteuerung steht in deutlichem Widerspruch zu den etablierten Grundsätzen der internationalen Besteuerung. Je nach der konkreten Ausgestaltung der Ausgleichsteuer kann ein solches Resultat außerdem im Widerspruch zu bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dritten Staaten (namentlich den USA) stehen. Vor allem aber würden damit auch die laufenden Versuche, das herkömmliche System zu reformieren, infrage gestellt werden.

Diskussion und Ausblick

Der Vorschlag für eine Ausgleichsteuer ist vermutlich als ein Akt politischer Symbolik zu verstehen bzw. als Versuch, die Verhandlungen über eine Reform des Betriebstättenbegriffs in Gang zu bringen. Hier soll die Entschiedenheit der EU signalisiert werden, sich nicht mit der geringen europäischen Steuerlast der Internetgiganten abzufinden. Am Ende des Prozesses könnte, so lässt sich hoffen, eine allgemeine Reform der Quellenbesteuerung stehen, die sich in die aktuelle Steuersystematik einfügt.

Alles andere würde die aktuellen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft auf OECD-Ebene (BEPS) und in der EU konterkarieren, die Quellenbesteuerung auf ein einheitliches, der Rechtssicherheit verpflichtetes Fundament zu stellen. Doch wirft der Vorschlag auch ein Schlaglicht auf zwei bedeutende Baustellen im internationalen Steuersystem: die virtuelle Betriebstätte und die „Konsumentenorientierung“ der Unternehmensbesteuerung. Insbesondere die virtuelle Betriebstätte wird in nächster Zeit im Fokus der Bemühungen stehen, das internationale Steuersystem an die Herausforderungen durch die digitale Ökonomie anzupassen.

Wir schlagen vor, den zurzeit geltenden Betriebstättenbegriff behutsam weiterzuentwickeln. Insbesondere ist zur Begründung des Steuerzugriffs an der „signifikanten virtuellen Präsenz“ anzusetzen, die sich durch erhebliche Datengewinnung und -verwertung manifestiert. Vor allem wenn die gewonnenen Daten standortspezifisch sind (also etwa explizit deutsche Nutzerprofile generiert werden), könnte dies den steuerlichen Nexus begründen. In diesem Fall würde im Inland eine virtuelle Betriebstätte festgestellt, die das Unternehmen an diesem Standort gewinnsteuerpflichtig macht.

Zu große Hoffnungen sollte man sich jedoch nicht machen, dass sich auf diese Weise ein signifikant größeres Stück vom Kuchen ergattern lässt. Die internationalen Regeln für Verrechnungspreise lassen erwarten, dass die in einer virtuellen Betriebstätte verorteten Gewinne eher begrenzt wären. Dies würde sich erst ändern, wenn das internationale Steuerregime grundsätzlich reformiert würde – in Richtung einer stärkeren Bestimmungslandorientierung.

  • 1 B. Le Maire, W. Schäuble, P.-C. Padoan, L. de Guindos: Joint Initiative on the Taxation of Companies Operating in the Digital Economy, Political Statement, 2017, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Europa/ECOFIN_und_Eurogruppe/2017-09-18-eurogruppe-informeller-ecofin-nachbericht-september-anl3.html (30.10.2017).
  • 2 PricewaterhouseCoopers (PwC): Global Top 100 Companies by market capitalisation, Update vom 31.3.2017, http://www.pwc.com/top100 (3.11.2017).
  • 3 B. Le Maire, W. Schäuble, P.-C. Padoan, L. de Guindos, a.a.O.
  • 4 European Commission: A Fair and Efficient Tax System in the European Union for the Digital Single Market, COM(2017) 547 final, Brüssel, 21.9.2017, https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/1_en_act_part1_v10_en.pdf (3.11.2017).
  • 5 Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, dass einzelne Mitgliedstaaten der EU unilaterale Maßnahmen verabschiedet haben oder planen. Ihnen wird signalisiert, dass unilaterale Maßnahmen nicht notwendig sind, weil Brüssel handlungsfähig sei. So heißt es etwa in einem Diskussionspapier der estnischen EU-Präsidentschaft: „Every year that we spend analysing and discussing the ultimate best solution to the challenges of digital economy, businesses are suffering from unequal competition, countries are losing valuable tax revenues, and unilateral measures are undermining the Internal Market.“ EU Presidency: Discussion on corporate taxation challenges of the digital economy, Presidency Issues Note for the informal ECOFIN Tallinn, 16.9.2017.
  • 6 G. Sebag: Google Spared $1.3 Billion Tax Bill With Victory in French Court, 12.7.2017, https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-07-12/google-wins-french-court-fight-over-1-3-billion-tax-bill (3.11.2017).
  • 7 Kontrollprobleme, die aus Prinzipal-Agenten-Konstellationen entstehen, können es aus Sicht der Eigentümer attraktiv erscheinen lassen, einem Tochterunternehmen möglichst wenig Liquidität zu überlassen. In diesem Fall hätten interne Verrechnungspreise nicht nur aus steuerlicher Sicht Bedeutung, sondern auch aus der Managementperspektive. Die Interaktionen beider Effekte untersuchen z.B. M. Köthenbürger, M. Stimmelmayr: Taxing multinationals in the presence of internal capital markets, in: Journal of Public Economics, 138. Jg. (2016), S. 58-71.
  • 8 Eine aktuelle Übersichtsstudie zur digitalen Wirtschaft zeigt, dass die Digitalisierung Kostenreduktionen in fünf Bereichen mit sich bringt: „Search costs, replication costs, transportation costs, tracking costs, and verification costs“; vgl. A. Goldfarb, C. Tucker: Digital Economics, NBER Working Paper, Nr. 23684, 2017, S. 1. Insbesondere die letzten beiden Arten der Kostenersparnis tragen dazu bei, die Besteuerung zu erleichtern, sowohl auf Seiten der Verwaltung als auch der Steuerzahler.
  • 9 Vgl. OECD Model Tax Convention 2014, Commentary on Article 7, Rz. 11. In der ökonomischen Literatur wird dieser Aspekt des Quellensteuersystems häufig vernachlässigt. Eine Ausnahme bildet J. Becker, C. Fuest: The Nexus of Corporate Income Taxation and Multinational Activity, in: FinanzArchiv/Public Finance Analysis, 68. Jg. (2012), H. 3, S. 231-251.
  • 10 Der Verweis auf angebliche Wettbewerbsverzerrungen und steuerliche Aufkommensverluste führt an dieser Stelle auch nicht weiter. Denn natürlich haben kostengünstige und technologisch raffinierte Importe seit jeher den einheimischen Unternehmen Probleme bereitet – das ist nicht erst seit der Verdrängung lokaler Videotheken durch Netflix so. Der Wettbewerb mit Importgütern ist nie vollkommen fair in dem Sinne, dass es gleiche Lohnkosten und Steuern gibt – auch dies ist kein Spezifikum der Digitalwirtschaft. Und wenn Importe die heimische Industrie verdrängen, führt das ceteris paribus natürlich zu Aufkommensverlusten, die aber durch eine Ausweitung der Exportindustrie prinzipiell aufgefangen werden können.
  • 11 Vgl. auch aus französischer Perspektive: N. Colin: Task Force on Taxation of the Digital Economy, 2013, https://www.hldataprotection.com/files/2013/06/Taxation_Digital_Economy.pdf (1.11.2017).
  • 12 Die Berücksichtigung allein der Datensammlung durch Unternehmen der digitalen Ökonomie zur Bestimmung des steuerlichen Nexus wird im Abschlussbericht einer Expertengruppe der EU-Kommission abgelehnt. Dort heißt es über die Neudefinition einer digitalen Betriebstätte: „there is currently no valid justification for such a fundamental change specifically for digital activities. There is no convincing argument why the collection of data via electronic means in a country should in itself create a taxable presence in that country.“ EU Commission: Report of the Commission Expert Group on Taxation of the Digital Economy, 28.5.2014. Skeptisch auch D. W. Blum: Permanent Establishments and Action 1 on the Digital Economy of the OECD Base Erosion and Profit Shifting Initiative – The Nexus Criterion Redefined?, in: Bulletin for International Taxation, 69. Jg. (2015), H. 6/7, S. 314 (321).
  • 13 Ansonsten würde etwa die Meldung eines mit dem Internet verbundenen Geräts, dass es eingeschaltet ist, selbst dann keine signifikante Präsenz darstellen, wenn es tausend- oder millionenfach genutzt wird.
  • 14 McLure nennt dies „Entitlement“, also die Ansicht, dass Einkommen, das innerhalb der eigenen Grenzen erzielt wurde, auch dort versteuert wird. Dies lässt sich vom „Benefit Principle“ unterscheiden, das besagt, dass Unternehmen dann steuerpflichtig sein sollten, wenn sie staatliche Leistungen in Anspruch nehmen – was natürlich sowohl im Quellenland als auch im Bestimmungsland der Fall sein kann. Vgl. C. McLure Jr.: Alternatives to the Concept of Permanent Establishment, in: CESifo Forum, 1. Jg. (2000), H. 3, S. 10-16.
  • 15 Die Funktionsweise der Destination Tax bei globaler sowie unilateraler Einführung durch die USA im Detail: vgl. J. Becker, J. Englisch: A European Perspective on the US Plans for a Destination Based Cash Flow Tax, Oxford University, Centre for Business Taxation, Working Paper, 2017.
  • 16 Die EU hat sich insbesondere vorbehaltlos verpflichtet, grenzüberschreitenden Werbedienstleistungen einen diskriminierungsfreien Marktzutritt zu gewährleisten, vgl. WTO: Schedule of Specific Committments, Subpart I.F.a, GATS/SC/31, S. 38.
  • 17 Dies würde auch z.B. für eine De-Minimis-Regel gelten, nach der Unternehmen dann steuerpflichtig wären, wenn sie in einem Staat eine bestimmte Umsatzschwelle überschreiten, vgl. z.B. C. McLure Jr. , a.a.O.

Title:A Bigger Piece of the Pie – Taxing the Profits of Internet Giants

Abstract:Google, Facebook and other companies from the digital economy are pervasive in the European economy, but they pay only small amounts of taxes. Therefore, the finance ministers of four major EU Member States have proposed an equalisation tax on the turnover of these internet firms. In this paper, the authors argue that such a tax would violate important principles of the existing international tax regime. It seems more promising to further develop the definition of the permanent establishment (PE) in the direction of a “virtual PE”. However, a bigger bite out of the profit pie can only be expected if the international taxation regime evolves towards a more destination-based tax framework.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2217-z

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