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Seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins bis auf 0% gesenkt, und über diverse Wertpapierankaufprogramme pumpt sie in bisher nie dagewesener Form Geld in die Märkte. Damit hat die EZB zwar ihr Ziel, das Zinsniveau an verschiedenen Märkten generell zu senken, erreicht, eine nennenswerte Belebung der Kreditvergabe der Geschäftsbanken an den privaten Sektor in der Eurozone ist jedoch bislang ausgeblieben. Warum aber springt die Kreditvergabe trotz der stark expansiven Geldpolitik nicht an?

Die Transmission über den sogenannten Bankenkanal ist die zentrale Schaltstelle dafür, ob und wie die geldpolitischen Impulse auf das Kreditangebot der Geschäftsbanken wirken. Der Bankenkanal setzt an der geldpolitischen Steuerung der Überschussreserven der Geschäftsbanken bei der Zentralbank an (vgl. Abbildung 1). Demnach kann die Zentralbank die Geldbasis und damit die Reserven der Geschäftsbanken durch eine expansive Geldpolitik erhöhen. Leitzinsänderungen können sich indirekt über die Einlagen der Nicht-Banken auf die Zentralbankreserven der Geschäftsbanken auswirken. Bei einer angespannten Liquiditätslage im Nicht-Bankensektor werden die Nicht-Banken tendenziell Einlagen abziehen, während eine expansive Geldpolitik zu einer entspannten Liquiditätslage und damit zu einer Erhöhung der Einlagen führen dürfte. Bei sonst unveränderten Aktiv- und Passivpositionen steigen damit die Reserven bei der Zentralbank. Durch die steigenden bzw. sinkenden Überschussreserven werden die faktischen Kreditangebotsmöglichkeiten der Geschäftsbanken ausgeweitet bzw. eingeschränkt. Voraussetzung dafür ist, dass die Zentralbankreserven nicht vollständig durch Mittelaufnahme oder Mittelanlage am Kapitalmarkt oder im Interbankenmarkt substituierbar sind.

Abbildung 1
Theoretische Wirkungskette im Bankenkanal bei expansiver Geldpolitik
Theoretische Wirkungskette im Bankenkanal bei expansiver Geldpolitik

Quelle: eigene Darstellung.

Zudem können Leitzinssenkungen im Rahmen einer expansiven Geldpolitik zu einem Rückgang der Kreditrisiken bei den Geschäftsbanken führen. So können durch Vermögenseffekte die Unternehmenswerte steigen, durch sinkende Zinsbelastungen die Cashflows der Unternehmen zur Bedienung von Zins- und Tilgungsleistungen verbessert werden und durch mögliche inflationäre Entwicklungen die reale Schuldenlast der Unternehmen zurückgehen. Diese bonitätsverbessernden Faktoren bewirken, dass das Kreditangebot der Geschäftsbanken tendenziell ausgeweitet wird.

Die EZB hat im Zuge ihrer expansiven Geldpolitik und der damit verbundenen Ausweitung ihrer Bilanzsumme die Geldbasis in der Eurozone erhöht. Dies führte jedoch nicht gleichzeitig zu einem beschleunigten Wachstum der Geldmenge. Die Wachstumsrate des breit gefassten Geldmengenaggregats M3 war sogar niedriger als vor der Finanzkrise, als die Geldbasis nur moderat anstieg. Diese Entwicklung impliziert, dass die Geschäftsbanken trotz der höheren Geldbasis nur eingeschränkt Buchgeld über die Kreditvergabe an den privaten Sektor geschöpft haben.1

Vor diesem Hintergrund stellt Abbildung 2 die wesentlichen liquiditätszuführenden geldpolitischen Geschäfte der EZB mit den Kreditinstituten der Eurozone den liquiditätsabsorbierenden Geschäften gegenüber.2 Die Entwicklung der blauen Flächen zeigt die Ausweitung der Bankenliquidität durch die eingesetzten geldpolitischen Instrumente der EZB. Bis zur Finanzmarktkrise war die Bankenliquidität weitgehend konstant. Mit der Einführung des Mengentenderverfahrens mit Vollzuteilung haben die Geschäftsbanken dann zunächst mehr Zentralbankgeld über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte nachgefragt. Die Zentralbankliquidität über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte hat dabei zunehmend die Refinanzierung über den Interbankenmarkt substituiert und somit die Bedeutung der EZB als Kontrahent bei Geldmarktgeschäften erhöht.3

Abbildung 2
Liquiditätszuführende und -absorbierende Geschäfte der EZB
Liquiditätszuführende und -absorbierende Geschäfte der EZB

Quelle: eigene Darstellung und Berechnungen, Daten: EZB.

Wichtigstes Refinanzierungsinstrument in der Eurozone sind jedoch die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte, die bis 2015 den größten Anteil an der Ausweitung der Zentralbankbilanz ausmachten. Die teils mehrjährige Liquiditätsbereitstellung über die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte hat die Refinanzierungsrisiken im Bankensektor längerfristig gemindert und den Banken damit Spielraum für Bilanzkorrekturen und Verbesserungen der Kapitalausstattung gegeben. Auf diese Weise haben die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte zum Abbau quantitativer Restriktionen beigetragen. Schließlich hat die EZB dem Bankensektor Liquidität über ihre Kaufprogramme zugeführt. Da die Bankenliquidität dabei in gleichem Maße mit dem Kaufvolumen ansteigt, ist sie mit dem Start des Wertpapierankaufprogramms APP Ende 2014 stetig ausgeweitet worden. Die Liquiditätsnachfrage über die Wertpapierpensionsgeschäfte (Haupt- und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte) erfolgt seitdem auf einem konstanten Niveau. Insgesamt ist durch die Kaufprogramme der EZB so eine Verstetigung bei der Bankenrefinanzierung zu erkennen.

Expansiver Impuls versickert in der Einlagenfazilität

Die ausgeweitete Bankenliquidität wurde von den Geschäftsbanken jedoch nicht wesentlich an die Realwirtschaft weitergegeben, da die Banken die bereitgestellte Liquidität nicht aus der Überschussreserve abgerufen bzw. wieder bei der EZB über die Einlagefazilität angelegt haben. Da die Überschussreserven zunächst nicht verzinst waren, haben die Banken ihre überschüssige Liquidität bis Mitte 2012 insbesondere in die bis dato positiv verzinste Einlagefazilität umgebucht. Dadurch konnten die Opportunitätskosten der Überschussliquidität gesenkt werden. Mit der Senkung des Einlagesatzes in den negativen Bereich wurde die Verzinsung der Überschussreserven an den Einlagesatz gekoppelt. Die Opportunitätskosten der Überschussliquidität waren fortan unabhängig von der Nutzung der Einlagefazilität oder Überschussreserven und unterschieden sich entsprechend nicht voneinander. Eine erhöhte Liquiditätsnachfrage und gleichzeitige Wiederanlage bei der EZB erfolgte insbesondere aufgrund von Unsicherheiten in den Interbankenmärkten während der Finanzmarktkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise.4 Im Gegensatz dazu steigt durch die Kaufprogramme der EZB die Überschussliquidität an, ohne dass die Banken einen direkten Einfluss über ihre Nachfrage nehmen.

Zwischen den Veränderungsraten der liquiditätszuführenden und liquiditätsabsorbierenden Geschäfte besteht seit 2008 eine Korrelation von ca. 0,85. Dieser stark positive lineare Zusammenhang verdeutlicht, dass sich die Überschussreserven, festverzinslichen Einlagen und die Inanspruchnahme der Einlagefazilität als liquiditätsabsorbierende geldpolitische Geschäfte seit der Finanzkrise nahezu gleichläufig mit der Liquiditätsausweitung entwickelt haben. Dementsprechend ist die Netto-Liquiditätszuführung in der Eurozone nicht wesentlich gestiegen.

Unterschiedliche Entwicklungen in Kern- und Peripherieländern

Obwohl die geldpolitischen Maßnahmen der EZB die Liquiditätssituation der Banken verbessert haben, ist der Geldmarkt innerhalb der Eurozone gespalten. Die meist solide aufgestellten Banken in den Kernländern können sich weitgehend über den Geldmarkt refinanzieren. Viele bonitätsschwächere Banken in den Peripherieländern haben dagegen aufgrund höherer Gegenparteirisiken nur eingeschränkten Zugang zum Geldmarkt und damit weiterhin Liquiditätsbedarf. Dieser Liquiditätsbedarf wird insbesondere über die Nachfrage nach Zentralbankliquidität abgedeckt.5 In der Folge führt die heterogene Liquiditätsnachfrage im Bankensektor der Eurozone zu einem Kapitalabfluss aus den Peripherieländern in die Kernländer.6 Die Transmission über den Bankenkanal ist daher insbesondere in den Peripherieländern wichtig, da dort die Zentralbankliquidität nur unzureichend substituiert wird.

Neben der Refinanzierung über die EZB werden die quantitativen Kreditangebotsmöglichkeiten auch von weiteren Passivpositionen, insbesondere den Einlagen des privaten Sektors beeinflusst. Einlagen gelten gemeinhin als stabile Refinanzierungsquelle, die nur im Falle extremer Vertrauensverluste gegenüber einzelnen Banken in großem Maße abgezogen werden. Entgegen der Theorie haben die Leitzinssenkungen der EZB jedoch nicht zu einem allgemeinen Anstieg der Einlagen bei den Kreditinstituten geführt. Vielmehr konnte analog zu den Geldmarktaktivitäten ein Einlagenabzug in den Peripherieländern festgestellt werden, während die Kernländer Einlagenzuflüsse verzeichnen konnten.7

Trotz der heterogenen Einlagenentwicklung bestehen in der Eurozone keine Liquiditätsengpässe, da der Refinanzierungsbedarf ausreichend über die EZB als Intermediär abgedeckt werden kann. Die Zentralbank hat mit sämtlichen geldpolitischen Maßnahmen die Liquiditätssituation der Banken verbessert und auf diese Weise die Gefahr möglicher angebotsbedingter Kreditklemmen reduziert.

Kreditrisiken werden höher eingeschätzt

Da keinerlei quantitative Restriktionen hinsichtlich der Kreditangebotsmöglichkeiten bestehen, wird nachfolgend die Einschätzung der Geschäftsbanken bezüglich der Kreditrisiken in der Eurozone geprüft. Die Bewertung des Kreditrisikos durch die Banken wird in diesem Zusammenhang weitgehend von Faktoren bestimmt, die nicht durch die Geldpolitik begründet oder beeinflusst sind. So hat im Zuge der Neubewertung sämtlicher Risiken während der Finanz- und Wirtschaftskrise die Risikoaversion in der Eurozone im Vergleich zur Vorkrisenzeit zugenommen. In Verbindung mit dem konjunkturellen Abschwung und der daraus resultierenden allgemeinen Verschlechterung der Bonitäten sind die Risikoprämien des privaten Sektors signifikant gestiegen. Sie können dabei als Indikator für das durch die Geschäftsbanken bewertete Kreditrisiko angesehen werden. Da zudem ein Zusammenhang zwischen dem Staatsrisiko eines Landes und dem Kreditrisiko der Unternehmen in diesem Land festgestellt werden konnte, sind die Risikoprämien auch als Folge der europäischen Staatsschuldenkrise angestiegen.

Dabei war jedoch ein Auseinanderklaffen der Risikoprämien in der Eurozone zu beobachten. Während in den stark von der Staatsschuldenkrise betroffenen Peripherieländern zunehmend größere Kreditrisiken festgestellt wurden, haben sich die Risikoaufschläge bei Unternehmen in den weniger betroffenen Kernländern tendenziell rückläufig entwickelt. Diesem Effekt konnte die EZB teilweise mit ihren Wertpapierankaufprogrammen entgegenwirken, indem sie über gezielte Marktinterventionen die Risikoaufschläge auf Staatsanleihen der Peripherieländer senkte. Nichtsdestotrotz beeinträchtigen die von den Banken anhaltend hoch eingeschätzten Risiken bei der Bonität und Eigenkapitalausstattung insbesondere der Kreditnehmer in den Peripherieländern weiterhin das Kreditangebot.8

Einerseits wird das Kreditangebot der Geschäftsbanken also durch die Neubewertung der Kreditrisiken seit der Finanzkrise gehemmt. Andererseits fließen in die Kreditangebotsentscheidung der Geschäftsbanken auch Faktoren ein, die in der Theorie des Bankenkanals unberücksichtigt bleiben, in der Eurozone seit der Finanzkrise jedoch maßgeblichen Einfluss auf die Banken und die Kreditvergabe hatten.

Sinkende Profitabilität und strengere Regularien belasten

Einen maßgebenden Einflussfaktor auf das Kreditangebot stellt die Profitabilität der Geschäftsbanken dar. Banken mit einem profitabel aufgestellten Geschäftsmodell tendieren dazu, ihre Bilanzen auszuweiten. Unrentable Banken werden dagegen tendenziell risikoreiche Geschäfte meiden, Kosten senken und eine restriktive Geschäftspolitik verfolgen. Potenzielle Restriktionen aufgrund von Rentabilitätsproblemen können sich auch negativ auf das Kreditangebot auswirken. In diesem Zusammenhang gilt es zu klären, ob die geldpolitischen Maßnahmen der EZB die Profitabilität der Geschäftsbanken gemindert haben. Hinsichtlich der Zinspolitik der Zentralbank konnte dabei in der Literatur überwiegend ein gleichläufiger Zusammenhang zwischen Zinsänderungen und Zinsmargen festgestellt werden. So wurde nachgewiesen, dass Zinserhöhungen im Zuge restriktiver Geldpolitik in der langen Frist auch zu erhöhten Zinsmargen führen.9 Anhaltend niedrige Zinsen im Rahmen einer expansiven Geldpolitik bewirken dagegen tendenziell ein Abflachen der Zinsstrukturkurve.

Da die Banken in der Regel Fristentransformation betreiben und sich kurzfristiger refinanzieren als sie ihre Mittel auf der Aktivseite ausleihen, sinkt folglich die Laufzeitenprämie, was die Profitabilität der Kreditinstitute belastet. Dieser Effekt wird aktuell durch asymmetrische Zinsanpassungen auf der Aktiv- und Passivseite der Bankbilanzen verstärkt. Bei einzelnen Passivpositionen, insbesondere bei Kundeneinlagen, ist durch die Nullzinsen faktisch eine Zinsuntergrenze erreicht, während auf der Aktivseite weitere Zinsrückgänge auch im negativen Bereich möglich sind.10

Auch die unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbank haben in erhöhtem Maße zur Abflachung der Zinsstrukturkurve beigetragen und damit die Profitabilität der Banken gemindert. Zwar wird die Rentabilität anfänglich durch die gesunkenen Refinanzierungskosten verbessert. Dieser Effekt wird jedoch mit der Zeit durch eine zunehmende Zins­anpassung auf der Aktivseite bei neuen oder prolongierten Krediten und Wertpapieren überkompensiert, sodass insgesamt ein negativer Effekt auf die Profitabilität der Banken zu verzeichnen ist.11

Die reine Analyse der Zinsmargenentwicklung zeigt also, dass die Rentabilität der Banken durch die geldpolitischen Maßnahmen der EZB gesunken ist. Bei einer weitergehenden, differenzierteren Betrachtungsweise können jedoch auch positive Effekte auf die Ertragslage der Banken ausgemacht werden. Beispielsweise steigt durch die expansive Geldpolitik der Kurs im Bestand gehaltener Wertpapiere, wodurch bei einem Verkauf außerordentliche Erträge generiert werden können. Zudem kann eine durch die Geldpolitik beeinflusste positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Ertragslage der Banken verbessern. Demnach kann nicht abschließend eingeschätzt werden, ob die Gesamtrentabilität durch die Zentralbankmaßnahmen gesunken ist.12

Überdies beeinflussen die regulatorischen Anforderungen an die Geschäftsbanken das Kreditangebot. Als Reaktion auf die milliardenschweren staatlichen Stützungsaktionen für einzelne europäische Banken während der Finanzkrise sind die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften in der Eurozone verschärft worden, wodurch die Kreditvergabe für die Geschäftsbanken tendenziell unattraktiver geworden ist. Die neuen Anforderungen sind im Basel-III-Regelwerk gebündelt, das Ende 2010 beschlossen wurde und nunmehr seit 2013 schrittweise umgesetzt wird. Die Antizipation der verschärften Bankenregulierung dämpfte das Kreditangebot der Banken jedoch schon im Vorfeld.13

Kernstück der quantitativen Anforderungen von Basel III ist die Etablierung erhöhter Mindesteigenkapitalquoten, die von den Kreditinstituten eingehalten werden müssen. Die erforderliche Gesamtkapitalquote steigt von 8% unter der Vorläuferregelung Basel II stufenweise auf bis zu 13% (2019) unter Basel III. Auch die Anforderungen an anrechenbare Eigenkapitalbestandteile sind erhöht worden, sodass das unter Basel II ausgewiesene Eigenkapital nach Basel III teilweise nicht mehr anerkannt wird. Bei identischer Kapitalausstattung fallen die Quoten unter der neuen Anrechenbarkeit gemäß Basel III geringer aus als die bisherigen Quoten nach Basel II.

Die Verbesserung ihrer Eigenkapitalquoten können die Banken einerseits durch die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital (z.B. durch Kapitalerhöhungen) oder andererseits durch den Abbau risikogewichteter Aktiva erreichen. Da die Beschaffung von neuem Eigenkapital meist aufwendig und limitiert ist, können die Banken ihre Kapitalquoten einfacher über ihre risikogewichteten Aktiva steuern. Deren Höhe bestimmt sich nach der Risikogewichtung der einzelnen Forderungsklassen. Während die Risikogewichtung für Kredite an Unternehmen und Privatpersonen vergleichsweise hoch ist, haben Staatsanleihen oftmals ein Risikogewicht von Null (sogenannte Solva-Null). Folglich wird die Kreditvergabe verhältnismäßig unattraktiver und die Banken investieren verstärkt in Staatsanleihen, während das Kreditangebot an den privaten Sektor reduziert wird.14 Es gibt also eine Abhängigkeit zwischen der Kapitalausstattung von Banken und deren Kreditangebot. Für eine effektive geldpolitische Transmission über den Bankenkanal ist eine solide und ausreichende Eigenkapitalausstattung im Bankensektor erforderlich. Unzureichend kapitalisierte Banken sind hinsichtlich ihrer Kreditangebotsmöglichkeiten eingeschränkt.15 Dadurch lässt sich die ungleiche Kreditvergabe in der Eurozone erklären. Viele Banken in den Peripherieländern können ihre zur Verfügung stehende Liquidität aufgrund unzureichender Kapitalausstattung nicht in zusätzliche Kreditvergabe umwandeln. Die Banken in den Kernländern sind dagegen besser kapitalisiert und weniger in ihrem Kreditangebot eingeschränkt.16

Neben den Eigenkapitalanforderungen sind zudem die Liquiditätsvorschriften unter Basel III erneuert worden. In diesem Zusammenhang können sich insbesondere die Liquidity Coverage Ratio (LCR) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) restriktiv auf die Kreditvergabe der Geschäftsbanken auswirken:

  • Die LCR stellt den hochliquiden Aktiva der Banken die Netto-Zahlungsmittelabflüsse in den nächsten 30 Tagen gegenüber. Die anrechenbaren Aktiva werden dabei in Abhängigkeit ihrer Liquidierbarkeit im Stressfall in unterschiedliche Levels unterteilt. So sind Solva-Null-Staatsanleihen als Level-1-Aktiva vollständig anrechenbar, während notenbankfähige Unternehmensanleihen als Level-2-Aktiva lediglich mit einem Abschlag berücksichtigt werden. Kredite an den privaten Sektor zählen nicht zu den hochliquiden Aktiva, sodass bei den Banken zur Einhaltung der LCR der Anreiz besteht, Umstrukturierungen ihrer Kreditportfolien zugunsten von Staatsanleihen vorzunehmen. Darüber hinaus werden bei der LCR auch nicht in Anspruch genommene Kreditlinien anteilig als Zahlungsmittelabfluss angerechnet. Die Geschäftsbanken könnten in der Folge geneigt sein, diese Kreditlinien zu kürzen, was den Spielraum des privaten Sektors für die Kredit- bzw. Liquiditätsaufnahme einschränken würde.
  • Bei der NSFR wird die verfügbare stabile Refinanzierung der Banken auf der Passivseite ins Verhältnis zur erforderlichen stabilen Refinanzierung für die Aktivseite gesetzt.17 Die Passiva werden dabei in Abhängigkeit ihrer Verfügbarkeit unter Stressbedingungen gewichtet, während sich die Gewichtung der Aktiva insbesondere nach der Kapitalbindung und Liquidierbarkeit bestimmt. Somit soll die Fristentransformation der Banken eingedämmt und die Fälligkeitsstruktur auf der Aktiv- und Passivseite angeglichen werden. Da Kredite an den privaten Sektor gemäß den regulatorischen Anforderungen einen hohen Anteil an langfristiger und stabiler Refinanzierung bedürfen, könnte bei den Banken der Anreiz geschaffen werden, ihr Kreditgeschäft zu reduzieren oder die Kreditlaufzeiten zu kürzen.

Insgesamt stellen die neuen regulatorischen Vorschriften nach Basel III ein Hemmnis für das Kreditangebot der Banken und die geldpolitische Transmission dar. Durch die privilegierte Berücksichtigung von Staatsanleihen bei den regulatorischen Anforderungen steigt deren Attraktivität im Vergleich zur Kreditvergabe. In der Folge werden die Banken ihre Aktiva tendenziell durch Staatsanleihen substituieren und ihr Kreditengagement gegenüber dem privaten Sektor reduzieren.18 Dieser Entwicklung wollte die EZB mit den gezielten, längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO) begegnen und hat die Liquiditätsbereitstellung an die Kreditvergabe geknüpft. Die Ausgestaltung dieser Geschäfte stellt sich jedoch als unzureichend heraus. Beim TLTRO1 mussten die Banken die Mittel vorzeitig nach zwei Jahren zurückzahlen, sofern ihre Kreditvergabe nicht erhöht wurde. Da weder ein permanenter Nachweis über die Verwendung der abgerufenen Mittel erforderlich war, noch Strafzinsen bei alternativer Verwendung erhoben wurden, konnten die Banken die Mittel so für zwei Jahre nutzen, auch um weiterhin Staatsanleihen zu erwerben.19 Beim TLTRO2 besteht zudem das Problem, dass bereits durch die Kaufprogramme der EZB ausreichend Liquidität bereitgestellt wird, sodass eine Refinanzierung über die gezielten, längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte nicht zwingend erforderlich ist. Die vermeintlich positiven Auswirkungen dieser Geschäfte auf die Kreditvergabe scheinen demnach begrenzt zu sein.

Als Ergebnis der Rückgänge aus den Zinserträgen und erhöhten regulatorischen Anforderungen ist eine Konsolidierung der Bankbilanzen erforderlich geworden. Dies wirkt allgemein dämpfend auf das Kreditwachstum in der Eurozone.20 Die Bereinigung der Bankbilanzen verläuft innerhalb der Eurozone jedoch unterschiedlich. Die Widerstandsfähigkeit und Stressresistenz des Bankensektors in den Peripherieländern ist durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, aber insbesondere auch durch die europäische Staatsschuldenkrise stärker belastet worden als in den Kernländern.21 Dies zeigt sich beispielsweise in dem hohen Anteil notleidender Kredite, welche die Kreditinstitute in den Peripherieländern im Vergleich zu den Banken in den Kernländern ausweisen. Die dadurch entstehende Heterogenität hinsichtlich der Solidität und Struktur des Bankensektors in der Eurozone hat maßgeblichen Einfluss auf das Kreditangebot der Geschäftsbanken und bestimmt somit die Effektivität der geldpolitischen Transmission über den Bankenkanal.22

Da in der Eurozone eine weitgehende Abhängigkeit des privaten Sektors von der Bankenfinanzierung besteht und eine ausreichende Substitution des Bankenkredits über den Kapitalmarkt oder andere Finanzierungsformen eher schwierig ist, wirken sich Restriktionen beim Kreditangebot der Geschäftsbanken unmittelbar auf die Finanzierung des privaten Sektors aus.23

Fazit: Risiken und Regulatorien hemmen die Transmission

Resümierend kann festgehalten werden, dass die Transmission über den Bankenkanal von Faktoren gestört wird, die nicht direkt von der Geldpolitik beeinflussbar sind. Zwar stehen den Banken durch die expansive Geldpolitik ausreichende Refinanzierungsmittel zur Verfügung, jedoch führen insbesondere die Neueinschätzung von Risiken als Reaktion auf die Finanzkrise und verschärfte regulatorische Anforderungen zu Umstrukturierungen in den Bankbilanzen. Die Kreditinstitute verstärken primär ihre Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung und verhalten sich tendenziell restriktiver bei der Kreditvergabe. Insgesamt kann so eine Verschiebung der Prioritäten bei den Geschäftsbanken konstatiert werden, die die Transmission der geldpolitischen Impulse über den Bankenkanal hemmt. Aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Lage in den Peripherieländern (höhere Kreditrisiken, mehr notleidende Kredite, geringere Profitabilität der Banken) treten diese Faktoren hier noch verstärkt zutage. Damit ist die Transmission über den Bankenkanal dort, wo sie am nötigsten wäre, am wenigsten wirksam.

  • 1 Vgl. J. Creel, P. Hubert, M. Viennot: The effect of ECB monetary policies on interest rates and volumes, in: Applied Economics, 48. Jg. (2016), H. 47, S. 4477-4501; G. Illing, S. Watzka: Eine Neubewertung der geldpolitischen Reaktionen von EZB und Fed auf die Finanzkrise, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 63. Jg. (2010), H. 22, S. 1206-1211.
  • 2 Die durchgeführten Feinsteuerungsoperationen, strukturellen Operationen sowie die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten aufgrund von Nachschusspflichten (sogenannte Margin Calls) bei Wertpapierpensionsgeschäften werden aufgrund ihrer geringen Volumina nicht berücksichtigt.
  • 3 Vgl. M. Ciccarelli, A. Maddaloni, J. L. Peydró: Heterogeneous transmission mechanism: Monetary policy and financial fragility in the Eurozone, in: Economic Policy, 28. Jg. (2013), H. 75, S. 459-512; D. Giannone, M. Lenza, H. Pill, L. Reichlin: The ECB and the interbank market, in: The Economic Journal, 122. Jg. (2012), H. 564, S. 467-486.
  • 4 Vgl. M. K. Brunnermeier: Deciphering the liquidity and credit crunch 2007-2008, in: Journal of Economic Perspectives, 23. Jg. (2009), H. 1, S. 77-100; C. Garcia-de-Andoain, F. Heider, M. Hoerova, S. Manganelli: Lending-of-last-resort is as lending-of-last-resort does: Central bank liquidity provision and interbank market functioning in the Euro Area, ECB Working Paper Series, Nr. 1886, Frankfurt a.M. 2016, S. 4.
  • 5 Vgl. M. Buchner, U. Neyer: Der Einfluss des (negativen) Einlagesatzes der EZB auf die Kreditvergabe im Euroraum, Düsseldorf Institute for Competition Economics Ordnungspolitische Perspektiven, Nr. 64, Düsseldorf 2015, S. 13; M. Joyce, D. Miles, A. Scott, D. Vayanos: Quantitative easing and unconventional monetary policy – An introduction, in: The Economic Journal, 122. Jg. (2012), H. 564, S. 271-288.
  • 6 Diese Entwicklung kann durch die Salden des Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System 2 (TARGET2) veranschaulicht werden. In den Kernländern reflektieren die überwiegend positiven TARGET2-Salden Liquiditätszuflüsse, während die meist negativen Salden in den Peripherieländern einen Abfluss von Zentralbankgeld widerspiegeln.
  • 7 Auch diese Entwicklung ist aus den TARGET2-Salden ersichtlich. Vgl. P. Cour-Thimann, B. Winkler: The ECB’s non-standard monetary policy measures: The role of institutional factors and financial structure, ECB Working Paper Series, Nr. 1528, Frankfurt a.M. 2013, S. 15; G. Gasperini, A. v. Rixtel: Financial crises and bank funding: Recent experience in the Euro Area, BIS Working Papers, Nr. 406, Basel 2013, S. 11.
  • 8 Vgl. M. Bedendo, P. Colla: Sovereign and corporate credit risk: Evidence from the Eurozone, in: Journal of Corporate Finance, 33. Jg. (2015), S. 34-52; S. Gilchrist, B. Mojon: Credit risk in the Euro Area, NBER Working Paper, Nr. 20041, Cambridge 2014, S. 2 f.
  • 9 Vgl. R. Busch, C. Memmel: Banks’ net interest margin and the level of interest rates, Deutsche Bundesbank Discussion Paper, Nr. 16/2015, Frankfurt a.M. 2015, S. 16.
  • 10 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Juni 2016, Frankfurt a.M. 2016, S. 45 ff.
  • 11 Vgl. F. Lambert, K. Ueda: The Effects of unconventional monetary policies on bank soundness, IMF Working Paper, Nr. 14/152, Washington DC 2014, S. 17 ff.
  • 12 Vgl. Deutsche Bundesbank, a.a.O., S. 50 f.
  • 13 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Januar 2014, Frankfurt a.M. 2014, S. 63.
  • 14 Vgl. M. Demary, M. Hüther: IW Monetary Outlook December 2015 – Weak credit growth hinders Eurozone inflation to increase, Institut der deutschen Wirtschaft Köln Policy Paper, Nr. 37/2015, Köln 2015, S. 3.
  • 15 Vgl. S. J. v. d. Heuvel: The bank capital channel of monetary policy, Pennsylvania 2007, S. 35; G. Tondl: Interest rates, corporate lending and growth in the Euro Area, Wirtschaftsuniversität Wien Economics Working Paper, Nr. 227, Wien 2016, S. 27.
  • 16 Vgl. J. Boeckx, M. Dossche, G. Peersman: Effectiveness and transmission of the ECB’s balance sheet policies, National Bank of Belgium Working Paper Research, Nr. 275, Brüssel 2014, S. 16 f.
  • 17 Die NSFR ist derzeit noch eine Beobachtungsgröße, soll jedoch ab 2018 als Mindeststandard gelten.
  • 18 Vgl. C. Bonner: Preferential regulatory treatment and banks’ demand for government bonds, in: Journal of Money, Credit and Banking, 48. Jg. (2016), H. 6, S. 1195-1221.
  • 19 Vgl. M. O. E. Hennies, M. Raudjärv: Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) – Gedanken zur gegenwärtigen Situation, in: Estonian Discussions on Economic Policy, 23. Jg. (2015), H. 1, S. 14-21.
  • 20 Vgl. M. Demertzis, G. B. Wolff: The effectiveness of the European Central Bank’s Asset Purchase Programme, Bruegel Policy Contribution, Issue 2016/10, Brüssel 2016, S. 3.
  • 21 Vgl. Deutsche Bundesbank: Monatsbericht Januar 2014, Frankfurt a.M. 2014, S. 63.
  • 22 Vgl. M. Darracq Pariès, G. Halaj, C. Kok: Bank capital structure and the credit channel of central bank asset purchases, ECB Working Paper Series, Nr. 1916, Frankfurt a.M. 2016, S. 36; R. A. De Santis, P. Surico: Bank lending and monetary transmission in the Euro Area, in: Economic Policy, 28. Jg. (2013), H. 75, S. 423-457.
  • 23 Vgl. P. Cour-Thimann, B. Winkler, a.a.O., S. 2.

Title:The Transmission Mechanism of Monetary Policy – Where is the Boost to Lending?

Abstract:Despite heavily expansionary monetary policy, lending in the euro area has not increased noticeably in the last few years. This paper examines the banking lending channel as a transmission mechanism of monetary policy, and comes to the conclusion that banks have sufficient liquidity at their disposal, but mainly due to higher credit risks and tighter regulatory requirements do not use their liquidity for further lending. To make things worse, these obstacles have an even stronger effect in the peripheral countries, where lending needs to be boosted in particular, than in the core countries of the eurozone.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2110-9