Innerhalb weniger Jahre haben außer Bayern und Sachsen alle Länder die Sätze der Grunderwerbsteuer deutlich erhöht. Es ist plausibel, dass höhere Steuersätze durch Verhaltensreaktionen zu niedrigeren Immobilienumsätzen führen. Dafür gibt es inzwischen empirische Evidenz, auch für Deutschland. Durch die gesonderte Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich werden negative fiskalische Effekte der Verhaltensreaktionen zum Teil ausgeglichen. Es besteht also ein Anreiz für zusätzliche Steuersatzanhebungen. Der Autor zeigt in verschiedenen Szenarien das Zusammenspiel von Verhaltensreaktionen mit den Regelungen zum Länderfinanzausgleich.
Mit der Föderalismusreform des Jahres 2005 haben die Länder die Autonomie über die Festsetzung des Satzes der Grunderwerbsteuer, die beim Erwerb von Immobilien anfällt, erhalten. Zugleich sollen die Mehreinnahmen aus den Satzanhebungen nicht über den Finanzausgleich zwischen den Ländern nivelliert werden, sondern bei den jeweiligen Ländern verbleiben. Um dies zu gewährleisten, wird der Durchschnittssteuersatz allen Ländern unterstellt und darüber für jedes Land hypothetische Grunderwerbsteuereinnahmen errechnet, die in die Finanzkraftmesszahl des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne und die für den Umsatzsteuervorwegabzug relevanten Steuereinnahmen eingehen.1 Bis 2007 blieb der Satz bundeseinheitlich bei 3,5%, dann hob Berlin als erstes Land den Steuersatz an. Es folgte eine Vielzahl von Steuersatzanhebungen in mehreren Ländern, sodass Deutschland inzwischen im internationalen Vergleich sehr hohe Steuersätze auf Immobilientransaktionen aufweist.2 Nur in Sachsen und Bayern ist der Satz unverändert.
Der starke, sukzessive Anstieg der Grunderwerbsteuersätze ist kritisch zu sehen, da die Grunderwerbsteuer das Verhalten der Akteure verzerren dürfte. Dies mindert die Effizienz und reduziert das Volumen der Bemessungsgrundlage (Zusatzlast der Besteuerung). Umstritten ist, ob die derzeitige Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich einen zusätzlichen Anreiz gesetzt hat, die Steuersätze zu erhöhen, worauf z.B. vom RWI hingewiesen wird.3 Scherf und Dresselhaus argumentieren hingegen, dass der Effekt so gering ist, dass er vernachlässigt werden kann.4
Hier soll nun das Zusammenspiel zwischen den Regelungen des Länderfinanzausgleichs und den Effekten, die Steuersatzänderungen auf das Transaktionsvolumen haben, betrachtet werden. In der Literatur gibt es Evidenz, dass Transaktionssteuern auf Immobilien die Zahl der Transaktionen beeinflussen und somit die Bemessungsgrundlage durch eine Steuersatzanhebung gemindert werden dürfte. Die derzeitigen Regelungen des Länderfinanzausgleichs führen dazu, dass die fiskalischen Verluste, die für sich genommen bei einer Steuersatzanhebung aus dem geminderten Transaktionsvolumen entstehen – also auf die Zusatzlast der Besteuerung zurückgehen, für das jeweils betroffene Land zumindest teilweise ausgeglichen werden. Bei hinreichend großen Effekten auf das Transaktionsvolumen gehen entsprechend große Anreize vom Länderfinanzausgleich aus, die Steuersätze trotz der negativen fiskalischen Effekte durch Verhaltensreaktionen zu erhöhen und eine größere Zusatzlast der Besteuerung in Kauf zu nehmen.
Entwicklung der Grunderwerbsteuersätze und -einnahmen
Im Jahr 2007 hat Berlin als erstes der Länder den Satz der Grunderwerbsteuer angehoben. Für zwei Jahre blieb dies der einzige Fall. Hamburg zog 2009 nach und 2010 Sachsen-Anhalt. In den folgenden Jahren haben dann mehrere Länder ihre Grunderwerbsteuersätze angehoben, zum Teil wiederholt (vgl. Tabelle 1). Der mit den Einnahmen gewichtete Durchschnittssteuersatz stieg somit von 3,5% (2006) auf über 5% im Jahr 2015 (vgl. Abbildung 1). Zum 1.1.2017 hat zudem Thüringen den Steuersatz auf 6,5% erhöht.
Abbildung 1
Durchschnittlicher Grunderwerbsteuersatz
Quelle: eigene Berechnungen.
Quelle: eigene Berechnungen.
Tabelle 1
Anhebungen der Grunderwerbsteuer 2007 bis 2017
Jahr | Land | Satz nach Anhebung in % |
---|---|---|
2007 | Berlin | 4,5 |
2009 | Hamburg | 4,5 |
2010 | Sachsen-Anhalt | 4,5 |
2011 | Brandenburg | 5,0 |
2011 | Bremen | 4,5 |
2011 | Niedersachsen | 4,5 |
2011 | Nordrhein-Westfalen | 5,0 |
2011 | Thüringen | 5,0 |
2011 | Baden-Württemberg | 5,0 |
2012 | Saarland | 4,5 |
2012 | Schleswig-Holstein | 5,0 |
2012 | Berlin | 5,0 |
2012 | Mecklenburg-Vorpommern | 5,0 |
2012 | Rheinland-Pfalz | 5,0 |
2012 | Sachsen-Anhalt | 5,0 |
2013 | Saarland | 5,5 |
2013 | Hessen | 5,0 |
2014 | Bremen | 5,0 |
2014 | Niedersachsen | 5,0 |
2014 | Berlin | 6,0 |
2014 | Schleswig-Holstein | 6,5 |
2014 | Hessen | 6,0 |
2015 | Saarland | 6,5 |
2015 | Nordrhein-Westfalen | 6,5 |
2015 | Brandenburg | 6,5 |
2017 | Thüringen | 6,5 |
Quelle: eigene Darstellung.
Während der durchschnittliche Steuersatz um rund 43% stieg, sind die Steuereinnahmen kräftig expandiert. Sie stiegen von 2007 bis 2015 um über 62% bzw. 6% pro Jahr (vgl. Abbildung 2). Rechnet man die Effekte der Steuerrechtsänderungen ohne die Berücksichtigung möglicher Verhaltensänderungen der Steuerzahler heraus, ergibt sich ein Zuwachs von 12,8% bzw. 1,5% pro Jahr. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Bemessungsgrundlage durch die Steuererhöhungen gedämpft wurde. Aktuelle empirische Arbeiten für Kanada, die Schweiz und Großbritannien weisen zumindest in diese Richtung.5 Für deutsche Daten anhand der Erfahrung der hier dargestellten Steuersatzänderungen finden Fritzsche und Vandrei, dass die Zahl der Transaktionen bei Einfamilienhäusern um 6% sinkt, wenn der Steuersatz um 1 Prozentpunkt steigt.6 In einer eigenen empirischen Analyse, die die Reaktion der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer auf Steuersatzänderungen regressiert, komme ich zu leicht höheren Effekten, aber in der gleichen Größenordnung wie Fritzsche und Vandrei.7
Somit erscheint es nicht zu hoch gegriffen, wenn man unterstellt, dass mit einem Steuersatzanstieg um einen Prozentpunkt die Bemessungsgrundlage um 6% sinkt. Dieser Annahme zu den Verhaltensreaktionen entsprechend wären die Steuereinnahmen, in einer Situation, in der es keine Steuerrechtsänderungen gegeben hätte, um 23,7% bzw. 2,7% pro Jahr gestiegen.
Abbildung 2
Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer
Ist: Einnahmen laut Steuerstatistik. Bei konstanten Steuersätzen: Bemessungsgrundlage wird aus dem Steuer-Ist erschlossen und mit einem Steuersatz von 3,5% multipliziert. Mit Verhaltensreaktion: Es wird die Annahme getroffen, dass durch die Steuersatzerhöhung die Bemessungsgrundlage im Ist verringert wurde. Pro Prozentpunkt Steuersatzanhebung fällt die Bemessungsgrundlage um 6% niedriger aus.
Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.
Grunderwerbsteuer und Länderfinanzausgleich
Die Grunderwerbsteuersätze können seit der Föderalismusreform 2005 autonom von den Ländern bestimmt werden. Die Einnahmen werden dabei im Länderfinanzausgleich nicht im vollen Umfang angerechnet. Wäre dies der Fall, würde es geringere Anreize geben, Mehreinnahmen aus dieser Steuer zu erzielen, da diese dann über den Länderfinanzausgleich zumindest teilweise umverteilt würden.8 Stattdessen wird ein rechnerisches Aufkommen der Grunderwerbsteuer bei der Ermittlung der Steuerkraft des Landes im Länderfinanzausgleich herangezogen. Das Steueraufkommen Yi wird dazu mit einem Korrekturfaktor n multipliziert, der der Quotient des landesspezifischen Steuersatzes Si und des bundesweiten Durchschnittssteuersatzes S* ist:9
Diese Konstruktion zieht nun ihrerseits das Problem nach sich, dass das rechnerische Steueraufkommen eines Landes steigt, wenn andere Länder ihre Steuersätze erhöhen. Das Land, das den Steuersatz erhöht hat, profitiert in nahezu allen Fällen von der Erhöhung des Steuersatzes, selbst bei starken negativen Verhaltensreaktionen. Schließlich ist nicht nur das Aufkommen für die Entscheidung des Landes relevant, sondern die Differenz zwischen dem Aufkommen und dem rechnerischen Aufkommen, da die letztere Größe nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht.
Ein Beispiel: Angenommen Land A hat bisher den Durchschnittssteuersatz S* = 4% auch als landesspezifischen Satz. Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer wird also vollständig im Länderfinanzausgleich berücksichtigt. Das Land verdoppelt den landesspezifischen Satz und zugleich wird angenommen, dass es zu einer – zugegeben – extremen Verhaltensreaktion kommt. Die Transaktionen halbieren sich. Das Steueraufkommen bleibt unverändert. Unterstellen wir weiter, dass das Land nach der Steuererhöhung ein Gewicht von 10% hat. Der Durchschnittssteuersatz wäre dann S* = 4,4%. Die Steuereinnahmen, die im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden, sind um 45% niedriger als die tatsächlichen Steuereinnahmen. Der Differenzbetrag, der sich aus den alten Einnahmen und der Anwendung des hypothetischen Steuersatzes von 4,4% auf die neue Bemessungsgrundlage ergibt, wird zumindest anteilig über den Länderfinanzausgleich erstattet und zugleich hat das Land Einnahmen von 45% des Steueraufkommens, die nicht in den Länderfinanzausgleich eingehen.
Durch die Besonderheit des Länderfinanzausgleichs hat das Land folglich einen deutlich höheren Anreiz, auch extreme Verhaltensreaktionen zu tolerieren. Negative Effekte auf das Transaktionsvolumen durch steigende Steuersätze fallen aus fiskalischer Sicht für die Ländergesamtheit an und nur in geringem Maß für das Land, das die Steuersätze erhöht hat. Der erhöhte Anreiz für das einzelne Land, die Steuersätze anzuheben, führt allerdings effektiv nicht zu einer Besserstellung, wenn alle bzw. viele Länder diesem Anreiz folgen.
Simulation des Länderfinanzausgleichs
Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern besteht aus mehreren Schritten. An dieser Stelle werden der Umsatzsteuervorwegausgleich und der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne in den Simulationen berücksichtigt, Bundesergänzungszuweisungen und Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen dagegen nicht, wobei zu betonen ist, dass die hier diskutierten Effekte durch die genannten Zuweisungen des Bundes nicht aufgehoben oder geschmälert werden dürften. Der Umsatzsteuervorwegausgleich weist den Ländern, die relativ niedrige Pro-Kopf-Einnahmen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuerumlage haben, zusätzliche Anteile am Umsatzsteueraufkommen zu, die über die eigentlichen Pro-Kopf-Anteile hinausgehen. Dabei wir die Grunderwerbsteuer wie im vorherigen Abschnitt beschrieben eingerechnet.
Im Länderfinanzausgleich im engeren Sinne werden die Finanzkraftmesszahl, als Maß der Leistungsfähigkeit, und die Ausgleichsmesszahl, als Maß für den „Bedarf“ ermittelt und verglichen. Die Finanzkraftmesszahl ist im Wesentlichen die Summe aus den Steuereinnahmen und den Einnahmen aus der Förderabgabe eines Landes sowie der Steuereinnahmen der Kommunen des betreffenden Landes. Die Grunderwerbsteuer wird dabei wie bereits dargestellt mit einem hypothetischen Wert angesetzt. Die Ausgleichsmesszahl wiederum basiert auf der Summe der Finanzkraftmesszahlen über alle Länder und wird dann anhand der Einwohnerzahl und bestimmter Zuschläge für Stadtstaaten und einzelne Flächenländer ermittelt. Liegt die Finanzkraftmesszahl höher als die Ausgleichsmesszahl, ist das entsprechende Land ein Geberland, liegt sie niedriger ist es ein Nehmerland. Die Ausgleichszuweisungen bzw. -beiträge werden in Abhängigkeit von der Differenz zwischen Finanzkraftmesszahl und Ausgleichsmesszahl ermittelt, wobei es je nach Größe der relativen Differenz jeweils drei Stufen gibt. Zudem gibt es eine Schranke, die die Beitragshöhe der Geberländer deckelt. Diese Regelung wurde für 2015 nach dem vorläufigen Stand der Berechnungen nicht genutzt, da die Beiträge jeweils unterhalb der Schranke lagen.
In der Simulationsrechnung werden nun die hypothetischen Einnahmen der Grunderwerbsteuer variiert und die Zuweisungen im Umsatzsteuervorwegausgleich sowie die Finanzkraftmesszahlen und die Ausgleichsmesszahlen (über die veränderte Summe) entsprechend angepasst. In bestimmten Fällen werden Verhaltensreaktionen berücksichtigt, wobei angenommen wird, dass das Transaktionsvolumen dauerhaft um 6% sinkt, wenn der Steuersatz um 1 Prozentpunkt angehoben wird. Makroökonomische Rückwirkungen werden außer Acht gelassen. Diese sind nur schwerlich quantifizierbar und kaum den einzelnen Ländern zuzuordnen. Es werden folgende Szenarien berücksichtigt:
- keine Sonderregelung bei der Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer,
- konstante Grunderwerbsteuersätze bei 3,5% (ohne Berücksichtigung von Verhaltensreaktionen),
- konstante Grunderwerbsteuersätze bei 3,5% (mit Berücksichtigung von Verhaltensreaktionen),
- Bayern hebt zum 1.1.2015 den Steuersatz um 1 Prozentpunkt an (ohne Berücksichtigung von Verhaltensreaktionen),
- Bayern hebt zum 1.1.2015 den Steuersatz um 1 Prozentpunkt an (mit Berücksichtigung von Verhaltensreaktionen).
a. Keine Sonderregelung im Länderfinanzausgleich
Würde die gesonderte Berücksichtigung der Einnahmen der Grunderwerbsteuer bei der Berechnung der Finanzkraftmesszahl entfallen, würde dies allen Ländern zugutekommen, deren Steuersätze unter dem Bundesdurchschnitt liegen, allen voran Bayern und Sachsen. Bayern hätte 2015 rund 500 Mio. Euro weniger im Länderfinanzausgleich abführen müssen und Sachsen 120 Mio. Euro mehr erhalten, da ihm dann weniger Einnahmen unterstellt worden wären. Nordrhein-Westfalen hätte hingegen rund 340 Mio. Euro und Hessen 120 Mio. Euro mehr an den Länderfinanzausgleich abgeführt (vgl. Tabelle 2).10 Bemerkenswert ist ferner, dass die Abweichungen der Zahlen zum Länderfinanzausgleich zur Basisvariante zum Teil sehr gering sind, so z.B. für die Länder Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Rheinland-Pfalz. Alle diese Länder haben in der jüngeren Vergangenheit die Steuersätze erhöht. Dadurch, dass die große Mehrheit der Länder die Steuersätze angehoben haben, heben sich die Effekte nahezu auf.
Tabelle 2
Simulationsergebnisse für Grunderwerbsteuer und Länderfinanzausgleich
in Mio. Euro
Basis | a | b | c | d | e | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
LFA1 | GrE- wSt2 |
LFA1 | GrE- wSt2 |
LFA1 | GrE- wSt2 |
LFA1 | GrE- wSt2 |
LFA1 | GrE- wSt2 |
LFA1 | GrE- wSt2 |
|
Nordrhein-Westfalen | -1 062 | 2 534 | -1 401 | 2 534 | -1 114 | 1 480 | -1 189 | 1 741 | -1 055 | 2 534 | -1 076 | 2 534 |
Bayern | -7 531 | 1 570 | -7 035 | 1 570 | -7 406 | 1 570 | -7 316 | 1 570 | -7 547 | 2 019 | -7 463 | 1 898 |
Baden-Württem- berg | -4 074 | 1 604 | -4 052 | 1 604 | -4 031 | 1 126 | -4 032 | 1 236 | -4 079 | 1 604 | -4 091 | 1 604 |
Nieder- sachsen | 1 139 | 825 | 1 167 | 825 | 1 082 | 578 | 1106 | 635 | 1147 | 825 | 1 138 | 825 |
Hessen | -2 719 | 1 151 | -2 840 | 1 151 | -2 684 | 676 | -2 723 | 793 | -2 724 | 1 151 | -2 731 | 1 151 |
Sachsen | 3 355 | 256 | 3 472 | 256 | 3 306 | 256 | 3 346 | 256 | 3361 | 256 | 3 356 | 256 |
Rhein- land-Pfalz | 246 | 432 | 259 | 432 | 219 | 303 | 230 | 333 | 249 | 432 | 244 | 432 |
Sachsen-Anhalt | 1 992 | 134 | 1 997 | 134 | 1 945 | 94 | 1 958 | 103 | 1 998 | 134 | 1 996 | 134 |
Schleswig-Holstein | 99 | 545 | -14 | 545 | 114 | 294 | 80 | 358 | 97 | 545 | 93 | 545 |
Thüringen | 1 907 | 125 | 1 912 | 125 | 1 861 | 87 | 1 874 | 96 | 1 914 | 125 | 1 911 | 125 |
Branden- burg | 1 408 | 277 | 1 408 | 277 | 1 393 | 189 | 1 398 | 210 | 1 410 | 277 | 1 407 | 277 |
Mecklen- burg-Vor- pommern |
1 407 | 171 | 1 411 | 171 | 1 396 | 120 | 1 400 | 132 | 1 409 | 171 | 1 406 | 171 |
Saarland | 401 | 84 | 390 | 84 | 384 | 49 | 385 | 58 | 404 | 84 | 402 | 84 |
Berlin | 3 180 | 960 | 3 039 | 960 | 3 249 | 561 | 3 195 | 659 | 3 171 | 960 | 3 164 | 960 |
Hamburg | -401 | 479 | -367 | 479 | -365 | 372 | -364 | 396 | -406 | 479 | -407 | 479 |
Bremen | 652 | 103 | 654 | 103 | 651 | 72 | 652 | 79 | 653 | 103 | 651 | 103 |
Summe | 11 249 | 11 249 | 7 828 | 8 654 | 11 697 | 11 576 | ||||||
LFA V3 | 14 725 | 14 294 | 14 486 | 14 435 | 14 756 | 14 692 |
1 LFA: Abführungen (-) und Zuweisungen (+) über den Umsatzsteuervorwegausgleich und den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne. 2 GrE-wSt: Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. 3 LFA V: Volumen des Länderfinanzausgleichs (Summe aller Zuweisungen).
Anmerkung: Die Reihenfolge der Bundesländer ergibt sich aus ihrer Einwohnerzahl. Das einwohnerstärkste Land ist zuerst genannt.
Quelle: Bundesministerium der Finanzen, vorläufige Ergebnisse zum Länderfinanzausgleich 2015; eigene Berechnungen.
b. Konstanter Steuersatz von 3,5%, ohne Verhaltensanpassung
In diesem Szenario wird angenommen, dass es zu keinerlei Variation der Steuersätze gekommen wäre, sondern diese auf dem Stand des Jahres 2006 verharrt wären. Hier wird unterstellt, dass trotz der unterbliebenen Anhebung der Steuersätze die Bemessungsgrundlage unverändert geblieben ist, sodass die Steuereinnahmen schlicht aus der Anwendung des Steuersatzes von 3,5% auf die in den Unterlagen zum Länderfinanzausgleich 2015 ausgewiesene Bemessungsgrundlage angewandt wird. Alle Geberländer, abgesehen von Nordrhein-Westfalen, leisten in diesem Szenario geringere Beiträge und die meisten Empfängerländer erhalten niedrigere Ausgleichszahlungen. Ausnahmen sind Berlin und Schleswig-Holstein. Der Effekt scheint insbesondere davon abzuhängen, wie sich das Grunderwerbsteueraufkommen zur gewichteten Einwohnerzahl verhält. Die Berechnungen geben allerdings nicht her, wie sich die Steuersatzanhebung eines einzelnen Landes auswirkt (siehe dazu die Szenarien d und e).
c. Konstanter Steuersatz von 3,5%, mit Verhaltensanpassung
In diesem Szenario würden Hessen und insbesondere Nordrhein-Westfalen mehr in den Länderfinanzausgleich zahlen, da beide durch den inzwischen recht hohen Steuersatz im eigenen Land stärkere Einbußen bei der Bemessungsgrundlage haben dürften. In der kontrafaktischen Situation ohne Steuererhöhung und mit Verhaltensreaktion, also mit einer höheren Bemessungsgrundlage, wäre die Finanzkraft somit gestärkt. In einer ähnlichen Situation befinden sich die Nehmerländer Berlin und Schleswig-Holstein, die beide relativ hohe Steuersätze und Grunderwerbsteueraufkommen haben. Sachsen und Bayern, die Länder mit einem anhaltend niedrigen Grunderwerbsteuersatz, zahlen im Szenario mit Verhaltensreaktion 90 Mio. Euro weniger in den Finanzausgleich ein bzw. bekommen knapp 40 Mio. mehr ausgezahlt als im Szenario b. Der Vergleich der Szenarien b und c zeigt somit, wie die Länder mit niedrigen Steuersätzen über den Länderfinanzausgleich die Mindereinnahmen durch Verhaltensreaktionen in den Ländern, die die Steuersätze angehoben haben, mitfinanzieren. Für die meisten Länder sind die Unterschiede zur Ausgangssituation aber eher gering.
d. Bayern hebt Steuersätze an, ohne Verhaltensanpassung
Dieses Szenario illustriert, dass die „Wirkung“ des Länderfinanzausgleichs von der Relation zwischen Grunderwerbsteuereinnahmen und (gewichteter) Einwohnerzahl abhängt. Bayern hat relativ hohe Grunderwerbsteuereinnahmen, sodass ein Anstieg des Durchschnittssteuersatzes hier über den Länderfinanzausgleich zu, wenn auch moderaten, Belastungen führt. Bayern muss in diesem Szenario etwas mehr abführen. Allerdings wird hier angenommen, dass Preise und Transaktionsvolumen durch die Steuersatzanhebung unverändert bleiben. Die Berechnungen des folgenden Szenarios zeigen, dass hier die bedeutenderen Effekte des Länderfinanzausgleichs zu vermuten sind.
e. Bayern hebt Steuersätze an, mit Verhaltensanpassung
In diesem Szenario hebt Bayern die Grunderwerbsteuersätze analog zum Szenario d an. Im Vergleich zu Szenario d sind die Steuereinnahmen um gut 120 Mio. Euro niedriger. Die Verhaltensanpassungen mindern also die Mehreinnahmen aus der Steuersatzanhebung. Allerdings federt der Länderfinanzausgleich diesen Effekt. Die Abführungen Bayerns sind über 80 Mio. Euro unter denen des Szenarios d. Der Länderfinanzausgleich verteilt im Falle Bayerns die fiskalischen Kosten der Verhaltensanpassungen zu zwei Dritteln auf die anderen Länder.
Die Szenarien zeigen mehrere Aspekte der derzeitigen Regelung zur Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich auf. Im Fall, dass das Verhältnis zwischen (gewichteter) Einwohnerzahl und hypothetischer Grunderwerbsteuereinnahmen unterdurchschnittlich ist, werden Steuersatzerhöhungen durch den Länderfinanzausgleich zusätzlich begünstigt. Negative Effekte aus Verhaltensreaktionen werden aus Sicht des Landes, das die Steuersätze erhöht, durch den Länderfinanzausgleich deutlich gemildert. Zugleich lässt sich auch darstellen, dass, sofern die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer nicht gesondert im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden, dieser die Mehreinnahmen aus der Steuersatzerhöhung deutlich mindert.
Fazit
Derzeit wird die Grunderwerbsteuer anhand des bundesweiten Durchschnittssteuersatzes in den Länderfinanzausgleich für jedes Land einbezogen. Dabei ist das Ziel, eine größere Steuerautonomie der Länder zu erreichen, sodass Mehreinnahmen aus den Steuererhöhungen überwiegend bei den Ländern verbleiben, also kein Anreiz besteht Steuersatzsenkungen zulasten der anderen Länder durchzuführen. In den vergangenen Jahren haben viele Länder die Steuersätze merklich angehoben.
Durch die Regelungen zum Länderfinanzausgleich besteht für das einzelne Land der Anreiz, höhere fiskalische Verluste aus Verhaltensanpassungen in Kauf zu nehmen, da diese durch den Länderfinanzausgleich zumindest zum Teil kompensiert werden, was wiederum zusätzliche Anreize zur Steuersatzerhöhung aus Sicht des einzelnen Landes liefert. Die vermeintliche Lösung des Spannungsfelds zwischen Steuerautonomie und Finanzausgleich, in Form der Anwendung der Durchschnittssteuersätze, induziert ihrerseits folglich Probleme.
Es ist kaum nachvollziehbar, warum die Ländergemeinschaft die durch die Steuersatzerhöhung induzierten Steuerausfälle tragen soll. Eine einfache Lösung wäre es, die Steuern, in denen Steuersatzautonomie herrscht – also die Grunderwerbsteuer – aus dem System des Finanzausgleichs in Gänze herauszunehmen. Da das Pro-Kopf-Steueraufkommen bei dieser Steuer zwischen den Ländern deutlich variiert und stark mit der Finanzkraft korreliert (der Korrelationskoeffizient zwischen Bemessungsgrundlage und Finanzkraft liegt über 0,97), hat man zugunsten der finanzschwachen Länder die Grunderwerbsteuer im „Topf“ gelassen.
Alternativ könnte der Steuersatz, mit dem die Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich berücksichtigt wird, fixiert und eine hypothetische Bemessungsgrundlage, die Verhaltensreaktionen berücksichtigt, berechnet werden. Zwar würde diese Regelung den Länderfinanzausgleich zusätzlich verkomplizieren, und es würde ein nicht unerhebliches Schätzrisiko bei der Berechnung hypothetischer Bemessungsgrundlagen entstehen, doch ließe sich zumindest das Problem angehen, dass durch den Länderfinanzausgleich zusätzliche Anreize für verzerrende Steuern geschaffen werden. Die Berechnungen zum Szenario c im Vergleich zur Basis zeigen, dass beim Umstieg auf dieses Verfahren die Nettoeffekte für die meisten Länder vergleichsweise gering blieben, da inzwischen recht viele Länder Steuersätze nahe dem Durchschnittssteuersatz haben. Dies ist von Bedeutung, da die Länder einer entsprechenden Reform zustimmen müssten und wohl nur kleine fiskalische Effekte toleriert würden.
Der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form endet 2020. Die nachfolgende Regelung sieht vor, dass der Umsatzsteuervorwegausgleich erhalten bleibt und der weitere Ausgleich durch den Bund vorgenommen wird. Die Kritik an der Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer im System des Finanzausgleichs bleibt dadurch unbenommen.
- 1 Im Folgenden werden der Umsatzsteuervorwegausgleich und der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne zusammen als Länderfinanzausgleich bezeichnet.
- 2 Vgl. S. Bechtoldt, R. Freier, J. Geyer, F. Kühn: Acht Jahre nach der Reform der Grunderwerbsteuer: Bundesländer nutzen ihre Spielräume für Steuererhöhungen, in: DIW Wochenbericht, Nr. 50, 2014, S. 1283-1290.
- 3 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI): Probleme der Grunderwerbsteuer und ihrer Anhebung durch die Länder, Essen 2012, S. 14.
- 4 W. Scherf, C. Dresselhaus: Plädoyer für einen Ersatz der Grunderwerbsteuer, in: Wirtschaftsdienst, 96. Jg. (2016), H. 10, S. 740-747.
- 5 Vgl. B. Dachis, G. Duranton, M. A. Turner: The effects of land transfer taxes on real estate markets: evidence from a natural experiment in Toronto, in: Journal of Economic Geography, 12. Jg. (2012), S. 327-354; N. Aregger, M. Brown, E. Rossi: Can a Transaction Tax or Capital Gains Tax Smooth House Prices?, Swiss National Bank Working Papers, 2013-2, Zürich 2013; sowie M. C. Best, H. J. Kleven: Housing Market Responses to Transaction Taxes: Evidence From Notches and Stimulus in the UK, unveröffentlichtes Manuskript, 2015.
- 6 C. Fritzsche, L. Vandrei: The German Real Estate Transfer Tax: Evidence for Single-Family Home Transactions, ifo Working Paper, Nr. 232, München 2016.
- 7 Vgl. J. Boysen-Hogrefe: Steigende Grunderwerbsteuersätze, Verhaltensreaktionen und der Länderfinanzausgleich, Kieler Arbeitspapiere, Nr. 2069, Institut für Weltwirtschaft, Kiel 2017.
- 8 Vgl. S. Homburg: Stellungnahme zur Anhörung der Bundesstaatskommission am 11. März 2004, in: Deutscher Bundestag und Bundesrat (Hrsg.): Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Kommissionsdrucksache 0024, Berlin 2004.
- 9 Vgl. M. Broer: Wirkung einer Feiertagsbereinigung des Länderfinanzausgleichs: eine empirische Analyse des deutschen Finanzausgleichs, DIW Diskussionspapier, Nr. 769, Berlin 2008.
- 10 Details zu den Berechnungen der einzelnen Szenarien stellt der Autor auf Anfrage gerne zur Verfügung.