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Kryptowährungen wie der Bitcoin sind mit dem Ziel gestartet, Finanzintermediäre wie Zentralbanken und Geschäftsbanken teilweise durch die Distributed-Ledger-Technologie zu ersetzen. Dies ermöglicht Transaktionen auf einer Peer-to-Peer-Basis. Die Autoren zeigen, wie gut die neue Währungskonkurrenz die Geldfunktionen erfüllt und welche komparativen Vorteile sie mit sich bringt. Zudem werden die Auswirkungen auf Konzeption und Durchführung der „traditionellen“ Geldpolitik skizziert.

Einen Vermögensgegenstand, der die Tauschmittelfunktion erfüllt, bezeichnet man als Geld. Die Erscheinungsformen des Geldes haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, vom Warengeld über Münzen und Papiergeld zu stoffwertlosem Giralgeld. Die jüngste Entwicklung sind Kryptowährungen wie das von Satoshi Nakamoto konzipierte und mit der Bezeichnung „Bitcoin“ versehene System.1 Insbesondere zwei Eigenschaften sind kennzeichnend für Kryptowährungen: Weil sie die Blockchain-Technologie nutzen, kann bei Geldgeschäften aller Art auf die Einschaltung eines vertrauenswürdigen Dritten verzichtet werden. Bei Finanzgeschäften sind dies in der Regel die Geschäftsbanken, bei grenzüberschreitenden Geldtransfers die Zentralbanken.2 Zudem erodiert das staatliche Notenmonopol. Bisher werden Kryptowährungen ausschließlich von Privaten emittiert, es gibt hierbei keine Abhängigkeiten von staatlichen Institutionen. Damit fällt auch der reale Ertrag aus der Geldemission (Seigniorage) ausschließlich den Privaten zu.

Die Zentralbanken sind sich der Herausforderungen bewusst, entsprechend haben sie die Kryptowährungen auf ihre Forschungsagenda gesetzt.3 Die Problemfelder sind vielfältig: Kann die Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme weiterhin gewährleistet werden? Welche Faktoren bestimmen die Nachfrage nach Kryptowährungen und inwieweit substituiert dies die Nachfrage nach herkömmlichem Zentralbankgeld? Welche Rückwirkungen auf die Wirkungsweise und die Ausgestaltung der Geldpolitik sind zu erwarten? Können Zentralbanken der Erosion des Notenmonopols durch Ausgabe eigener Kryptowährungen entgegenwirken?

Sind Kryptowährungen Geld?

Ökonomen definieren Geld als alles, was allgemein zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen sowie zur Begleichung von Schulden akzeptiert wird. Diese Definition wird meist mit Hilfe der drei Geldfunktionen (Tauschmittel, Recheneinheit, Wertaufbewahrung) konkretisiert. Insbesondere das Kriterium der generellen Akzeptanz ist für Kryptowährungen (noch) nicht erfüllt, sodass ihnen von den Zentralbanken, aber auch in der einschlägigen Fachliteratur die Geldeigenschaft abgesprochen wird.4 Allerdings ist allen Beteiligten bewusst, dass dieses Verdikt eine Momentaufnahme ist. Nicht zuletzt die extrem dynamische technologische Entwicklung kann sehr schnell eine Neubewertung erforderlich machen.

Ähnlich wie Papiergeld oder Giralgeld haben Kryptowährungen keinen intrinsischen Wert. Ein Nutzer wird sie nur dann als Tauschmittel akzeptieren, wenn er darauf vertrauen kann, dass zu einem zukünftigen Zeitpunkt eine hinreichend große Zahl von anderen Akteuren bereit sein wird, sie wieder gegen Güter und Dienstleistungen einzutauschen. Diese Vertrauensabhängigkeit ist allen Währungen immanent, insbesondere gilt sie im selben Maße für ein gesetzliches Zahlungsmittel. Durch die Festlegung eines gesetzlichen Zahlungsmittels kann der Staat zwar versuchen, ein solches Vertrauen zu generieren, aber die Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels ist weder notwendig noch hinreichend für die Tauschmittelfunktion. Sowohl gesetzliche Zahlungsmittel als auch Kryptowährungen sind sogenanntes Außengeld, d.h. dem Vermögen gemessen in Euro oder in Bitcoins steht keine gleichhohe Verbindlichkeit eines anderen Akteurs gegenüber. Beim Euro oder beim US-Dollar ist eine Banknote juristisch zwar eine Forderung gegenüber der Zentralbank, mithin für die Zentralbank eine Verbindlichkeit. Aber da die Verbindlichkeit keine Verpflichtung zum Umtausch der Banknote in Güter oder Dienstleistungen beinhaltet, steht sie im wahrsten Sinne des Wortes nur auf dem Papier. Um als Tauschmittel zu dienen, müssen gesetzliche Zahlungsmittel wie auch Kryptowährungen gleichermaßen besagtes Vertrauen gewinnen, beispielsweise durch das Erzeugen von Wertstabilität.

Die Zahl und das Volumen der in Kryptowährungen abgewickelten Geschäfte sind bisher vergleichsweise gering. Derzeit (Stand März 2017) werden weltweit etwa 300 000 Transaktionen pro Tag mit Hilfe des Bitcoin-Netzwerks getätigt, die technische Kapazität von ca. sieben Transaktionen pro Sekunde ist damit zur Hälfte ausgeschöpft. Im Vergleich dazu werden allein in Deutschland werktäglich ca. 25 Mio. Überweisungen durchgeführt, und etablierte Online-Bezahlverfahren wie Visa oder Mastercard leisten bis zu 2000 Transaktionen pro Sekunde.5 Bei den Kryptowährungen sind die technologischen Restriktionen noch gravierend, aber von der ersten Generation einer neuen Technologie sollte man nicht mehr erwarten als die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Systems, und die ist zweifelsohne gegeben.

Kryptowährungen sind ein Netzwerk-Gut − dies ist für die Etablierung als Tauschmittel ungleich bedeutsamer als die aktuellen technologischen Restriktionen. Warum sollten Kunden auf Kryptowährungen umsteigen, wenn sie nur in wenigen Geschäften akzeptiert werden? Und warum sollten Geschäftsinhaber sie akzeptieren, wenn nur wenige Kunden damit zu zahlen wünschen? Weil der Konsum von Netzwerk-Gütern mit positiven externen Effekten einhergeht, stellt der Markt eine „zu geringe“ Menge zur Verfügung. Selbst wenn alle Beteiligten die grundsätzliche Überlegenheit der neuen Zahlungstechnologie kennen und akzeptieren, können Netzwerkeffekte plus Wechselkosten den Übergang zur neuen Technologie verhindern. Die dezentrale Organisation des Systems erschwert das Erreichen der kritischen Masse an Nutzern, gleichwohl dürfte das Überwinden dieser Schwelle die Nagelprobe sein, die letztlich über den Erfolg von Kryptowährungen entscheidet. Eine Hyperinflation gesetzlicher Währungen oder die Ernennung einer Kryptowährung zum gesetzlichen Zahlungsmittel würden das Verlassen des inferioren Gleichgewichts erleichtern, aber mit solchen Szenarien ist nicht zu rechnen.6

Nun ist die Verwendung einer Zahlungstechnologie in der Regel keine 0-1-Entscheidung. Der typische Konsument nutzt zwei oder drei Methoden, beispielsweise Bargeld für die täglichen Einkäufe und Kreditkarten für größere Transaktionen. Eine neue Zahlungsmethode wie die Kryptowährung muss daher nicht für alle Transaktionen nach allen Kriterien wie Kosten, Geschwindigkeit oder Sicherheit den bisherigen Technologien überlegen sein. Die Überlegenheit in einzelnen Teilbereichen reicht aus, um eine substanzielle Verbreitung zu finden. Wie empirische Studien zeigen, reagieren Konsumenten durchaus sensibel bei der Wahl der Zahlungsmethode, wenn die neue Technologie besser zu ihren Bedürfnissen passt.7

Etwas paradox zumindest beim Bitcoin: Die Verwendung als Tauschmittel ist begrenzt, gerade weil er ein erfolgreiches Wertaufbewahrungsmittel ist. Wie Abbildung 1 veranschaulicht, sind die Wertsteigerungen des Bitcoins im Vergleich zum US-Dollar zumindest seit 2013 exorbitant. Die Wertsteigerungen sind alles andere als stetig, aber eine Buy-and-hold-Strategie erscheint lukrativ. Neben dem Interesse an einer neuen Technologie ist die Funktion als Wertanlage das bedeutsamste Motiv für das Halten von Bitcoins. Zumindest für die US-Konsumenten ist dieses Motiv wichtiger als die Nachfrage nach Bitcoins, um Käufe von Gütern und Dienstleistungen abzuwickeln.8 In eine ähnliche Richtung deutet die Verwendung neu geschürfter Bitcoins, sie werden mehrheitlich nicht verausgabt, sondern bleiben als Vermögensanlage in den Händen des Miners.9

Abbildung 1
Volatilität des Bitcoin-Dollar-Wechselkurses im Vergleich zum Euro-Dollar-Wechselkurs
Volatilität des Bitcoin-Dollar-Wechselkurses im Vergleich zum Euro-Dollar-Wechselkurs

Quelle: Die Abbildung basiert auf Daten von Quandl und eigenen Berechnungen.

Die Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel ist unter Hinweis auf die extreme Volatilität des Bitcoin-Kurses (vgl. Abbildung 1) durchaus strittig. Die Tagesschwankungen des Bitcoin-Wechselkurses zum US-Dollar betragen häufig mehrere Prozent, sodass ein intertemporaler Vermögens­transfer von heute nach morgen oder übermorgen mitunter nicht wertstabil erfolgt. Die hohe Volatilität reflektiert den geringen Liquiditätsgrad des Bitcoin-Marktes. Angesichts der derzeit rund 16 Mio. umlaufenden Bitcoins ist das Handelsvolumen gering, und wie bei einem „thin market“ zu erwarten, führen bereits kleinere Änderungen in Angebot und/oder Nachfrage zu substanziellen Kursausschlägen. Weil die Zahl der maximal umlaufenden Bitcoins technologisch fixiert ist, wird auch zukünftig der Bitcoin-Markt wenig liquide sein, die hohe Kursvolatilität wird sich nicht mindern. Für risikoscheue Konsumenten mag dies ein hinreichender Grund sein, gar nicht erst mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin zu experimentieren. Auf jeden Fall ist dies eine zusätzliche Hürde für die allgemeine Akzeptanz als Zahlungsmittel. Die hohe Kursvolatilität generiert zwei weitere Effekte:

  1. Spiegelbild des Wechselkursrisikos ist die Unsicherheit über den Realwert einer Transaktion. Dies gilt für Käufer wie auch Verkäufer einer Ware. Letztere reagieren hierauf häufig mit dem Einsatz eines Dienstleisters (einer Software), die den sofortigen Umtausch von eingenommenen Bitcoins in Euro oder US-Dollar vornimmt und den Gegenwert dem Verkäufer gutschreibt. In diesem Fall zahlen die Konsumenten zwar mit Bitcoin, aber es ist unklar, ob man wirklich sagen kann, dass die Verkäufer Bitcoin akzeptieren.10
  2. Die hohe Kursvolatilität verhindert die Nutzung des Bitcoins als Recheneinheit. Auch die Unternehmen, die Bitcoin akzeptieren, formulieren ihre Preise in Euro bzw. US-Dollar, der Bitcoin-Preis ergibt sich erst nach Umrechnung mit dem aktuellen Wechselkurs. Hinderlich für die Funktion als Recheneinheit ist zudem die große Zahl von Nullen, die sich bei der Umrechnung ergeben, so kostet beim heutigen Wechselkurs das 50-Cent-Brötchen rund 0,0005 Bitcoin. Aufgrund des rein digitalen Charakters der Kryptowährung ist dies indes ein lösbares Problem, die Skalierung ließe sich unschwer auf ein für die Konsumenten leichter handhabbares Maß verändern.

Relative Stärken der Kryptowährungen

Um sich dauerhaft als Zahlungsmittel durchzusetzen, müssen Kryptowährungen zumindest bezüglich einzelner Eigenschaften als „besser“ eingestuft werden als die bisherigen Währungen bzw. Zahlungsmethoden. Ein erster primär makroökonomischer Gesichtspunkt ist die schon angesprochene Wertstabilität. Die bisherige Währungsgeschichte ist zu einem großen Teil eine Geschichte von Untergängen, wieder und wieder wurden von den Regierungen Währungen über Inflationen wertlos gemacht. Die Auslagerung der Geldpolitik auf eine regierungsunabhängige Zentralbank ist eine vergleichsweise junge Entwicklung, die hier einen Riegel vorgeschoben hat. Aber die Zentralbankunabhängigkeit lässt sich per Gesetz schnell wieder ändern, sie ist fragil. Zudem können auch unabhängige Zentralbanken eine unsolide Geldpolitik betreiben.

Kryptowährungen überwinden diese Probleme rigoros. Zumindest bisher erfolgt die Ausgabe von Kryptowährungen ausschließlich durch Private, keine Regierung und keine andere Zentralinstanz ist hier involviert. Der Anreiz zur Inflationierung durch Private (ein häufig vorgebrachtes Argument gegen den privaten Währungswettbewerb à la Hayek) entfällt aus zwei Gründen. Zum einen gibt es keine private Einzelperson, die die Kryptowährungen emittiert, die neu geschaffenen Währungseinheiten fallen an diejenigen, die eine kryptografische Aufgabe als erstes lösen. Dieser Prozess des Minings erfolgt nach transparenten und für alle einsehbaren Regeln, jeder kann grundsätzlich daran teilnehmen. Zum anderen wird über die Höhe des Geldangebots nicht diskretionär entschieden, sondern das Geldangebot folgt über die Lösung der kryptografischen Aufgaben den Regeln der Mathematik. Beim Bitcoin ist das Angebot auf rund 21 Mio. Einheiten begrenzt, eine Inflationierung des Bitcoins ist damit definitiv ausgeschlossen. Andere Kryptowährungen wie der Peercoin fixieren das Angebot nicht in absoluter Höhe, sondern lassen auch langfristig eine positive Wachstumsrate zu. Dass die Bindung an mathematische Regeln aus ökonomischer Sicht nicht uneingeschränkt sinnvoll ist, wird weiter unten noch diskutiert werden.

Auf der mikroökonomischen Ebene erlaubt die Blockchain-Technologie die Umgehung traditioneller Finanzintermediäre, gerade Geschäftsbanken droht eine Erosion ihrer Geschäftsmodelle. Ähnlich wie beim Peer-to-Peer-Lending, wo unter Nutzung von Plattformen Kreditgeber auf direktem Weg finanzielle Ressourcen an Kreditnehmer transferieren, können mittels der Blockchain Überweisungen direkt zwischen Zahlern und Zahlungsempfängern vorgenommen werden. Die Technologie gewährleistet, dass bei einem gewünschten Geldtransfer von Frau A zu Herrn B nur Herr B der tatsächliche Empfänger sein kann, dass Frau A nachweislich über das entsprechende Guthaben verfügt und dass der Betrag tatsächlich von Frau A kommt. Eine vertrauenswürdige dritte Person oder Institution wie die Geschäftsbank, die diese Fragen für Frau A und Herrn B bisher klärt, ist nicht vonnöten.

Die von den traditionellen Finanzintermediären erhobenen Bearbeitungs- bzw. Überweisungsgebühren erlauben eine grobe Schätzung des Einsparpotenzials. Den Extrempunkt bilden grenzüberschreitende Überweisungen, dort betragen die Gebühren durchschnittlich 8,9% des Überweisungsbetrags.11 Bei Kreditkartenunternehmen wie Visa und Mastercard sind 2% bis 3% des Umsatzes als Gebühr zu zahlen, PayPal erhebt eine Gebühr von 1,9% des Verkaufswerts plus 0,35 Euro pro Transaktion. Diesen Einsparungen sind indes die Gebühren gegenüberzustellen, die Bitcoin-Zahlungsdienstleister wie BitPay oder Coinbase beim Umtausch von traditionellen Währungen in Bitcoin et vice versa verlangen, derzeit rund 1% des Umtauschbetrags. Ob Bitcoin-Geschäfte ihren heutigen Kostenvorteil dauerhaft behalten, wird gelegentlich unter Hinweis auf vermutlich ansteigende Transaktionsgebühren infrage gestellt.12 Die derzeit dominierende Entlohnung der Miner in Form von neuen Bitcoins wird als Reflex des immer komplexeren Mining-Prozesses durch Gebühren ersetzt werden müssen, über deren Höhe zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden kann.

Ein unstrittiger Pluspunkt: Über die Blockchain bzw. das Bitcoin-System abgewickelte Transaktionen haben einen Geschwindigkeitsvorteil. Auf traditionellem Weg vorgenommene Überweisungen dauern innerhalb der EU einen Werktag, bei Überweisungen in die USA rund fünf Werktage und bei Überweisungen in Entwicklungsländer bis zu 20 Werktage. Dies ist anachronistisch. Beim Bitcoin-System müssen die jeweiligen Informationen (Sender, Betrag, Empfänger etc.) in einem Block aufgenommen werden, die Erzeugung eines Blocks dauert ungefähr zehn Minuten. Eine Transaktion gilt üblicherweise nach sechs Blöcken als bestätigt, mithin sind Transaktionen innerhalb einer Stunde als sicher zu betrachten. Beim Litecoin reduziert sich die Abwicklungszeit auf rund 15 Minuten. Die Reaktion der Zentralbanken auf diese technologische Entwicklung ließ ein wenig auf sich warten, aber derzeit arbeiten sie intensiv an der Entwicklung von Instant-Payment-Systemen, die diesen Nachteil der bankmäßigen Abwicklung des Zahlungsverkehrs zumindest abmildern.13

Sicherheitsaspekte

Wenn sich Kryptowährungen durchsetzen sollen, müssen sie ihren Nutzern ein Maß an Sicherheit bieten, das zumindest mit den traditionellen Währungen vergleichbar ist. Dies bedeutet insbesondere, dass Transaktionen fälschungssicher sein müssen. Im Wesentlichen lassen sich die Risiken eines Kryptowährungs-Systems in zwei Gruppen einteilen: Risiken, die innerhalb des Netzwerks entstehen, und Risiken, die an der Schnittstelle, also bei der Verwendung des Netzwerks entstehen. Zu den inneren Risiken gehören die Sicherheit der Kryptografie, die Deanonymisierung von Nutzern, die Möglichkeit des „double spending“ und die Sicherheit des Konsensusalgorithmus.

Im direkten Vergleich überwiegen die Schnittstellen-Risiken. In der bisher rund achtjährigen Nutzung der Bitcoin-Blockchain sind keine substanziellen technischen Fehlfunktionen bekannt geworden, und auch wenn die Sicherheit der Kryptografie ein grundsätzliches Problem ist,14 die von Nakamoto gewählte Verschlüsselungstechnik ist (bisher) als sicher einzustufen.

Intensiv diskutiert wird das Konzept der Pseudonymität, das Transaktionen für Dritte nicht einsehbar machen soll. Bargeld bietet die „perfekte“ Anonymität gegenüber Außenstehenden, nur die am Tausch unmittelbar Beteiligten sind involviert. Den Gegenpol bilden herkömmliche Banküberweisungen, bei denen die Einsichtnahme und das Zurückverfolgen von Transaktionen zumindest für die jeweilige Bank unproblematisch sind, die Weitergabe beispielsweise an staatliche Behörden wie das Finanzamt ist kaum zu unterbinden. Kryptowährungen beschreiten hier einen Mittelweg: alle Transaktionen sind auf der Blockchain festgehalten und für alle Netzwerkteilnehmer öffentlich einsehbar. Aber die Transaktionen liegen nur unter Pseudonymen vor. Sie sind lediglich durch Zahlungsadressen identifiziert, die durch ein Private-Public-Key-Paar erzeugt werden. Diese verhindern in erster Instanz eine Identifikation der Nutzer, auch wenn eine völlige Deanonymisierung – zumindest unter gewissen Voraussetzungen – nicht ausgeschlossen werden kann.15

Hervorgehoben wird zudem oft die Möglichkeit von 51%-Angriffen auf das Bitcoin-System: es gilt die Blockchain, die von der Mehrheit der Rechenleistung akzeptiert wurde. Verfügt ein Angreifer über diese Mehrheit, kann er rückwirkend Blöcke und damit auch eigene Transaktionen verändern. Kurzum, der Angreifer kann entscheiden, welche Transaktion in der Blockchain abgebildet wird.16 Dadurch unterliegt das Netzwerk einem systemimmanenten Risiko. Allerdings sind die hierfür notwendigen Rechnerkapazitäten heute derart umfangreich und damit kostenintensiv, dass dieses Risiko als gering einzustufen ist. Eine Neubewertung ist gegebenenfalls erforderlich, sollte es zu einer noch stärkeren Konzentration bei den Mining Pools kommen.

Deutlich kritischer für die Sicherheit ist die Schnittstellen-Problematik. Die Mehrzahl der Kryptowährungs-Transaktionen erfolgt unter Zuhilfenahme von Zahlungsdienstleistern, die die Umwandlung von traditionellen Währungen in Kryptowährungen et vice versa vornehmen, die in einer Online-Wallet den Private Key speichern etc. Der Kryptowährungs-Nutzer greift hier also auf einen Dritten zurück, dem er – ähnlich einer Geschäftsbank – vertrauen muss. Auch im Kryptowährungs-System treten also Intermediäre auf. Diese sind nicht nur ein potenzielles Angriffsziel, sondern können selbst in betrügerischer Absicht handeln. Die Konsequenz ist das Risiko eines entsprechenden Vermögensverlustes. Bei traditionellen Finanzintermediären tritt dasselbe Problem auf, das Kryptowährungs-System ist diesbezüglich eine relative Verbesserung, da es die Verwendung von Intermediären zumindest zum Teil obsolet werden lässt und keinen dauerhaften Einsatz von Intermediären voraussetzt. Ein ähnliches Verlustrisiko ergibt sich bei Geschäften mit kleinen Transaktionsvolumina. Hier wollen Kunden wie Händler in der Regel nicht warten, bis die Transaktion in der Blockchain bestätigt ist, gerade der Händler trägt damit ein Restrisiko. Dies gilt grundsätzlich auch bei Kartenzahlungen, aber hier gibt es − anders als bei Kryptowährungs-Systemen − Versicherungslösungen, die das Risiko eines Zahlungsausfalls begrenzen.

Ein wesentlicher Vorteil von Kryptowährungen ist die Abwesenheit von Falschgeld. Jeder Nutzer kann, basierend auf der Kenntnis der gesamten Transaktionshistorie, prüfen, ob eine Transaktion valide ist und sie (gegebenenfalls nach einer Wartezeit bzw. wenn die Transaktion durch eine gegebene Zahl von Blöcken bestätigt wurde) akzeptieren. Um die Sicherheit der Transaktionshistorie zu gewährleisten, werden bestimmte Referenzblöcke fest im Quellcode des Bitcoin-Systems festgehalten und damit final fixiert.17

Da Kryptowährungen letztlich softwaregesteuert sind, lassen sich Risiken und Sicherheitslücken nicht mit letzter Sicherheit eliminieren. Dies gilt jedoch im selben Maße für die traditionellen Zahlungssysteme, sodass zusammenfassend festzuhalten bleibt, dass Kryptowährungen in Bezug auf die technische Sicherheit traditionellem Geld nicht nachstehen, sondern möglicherweise sogar überlegen sind, sofern die Nutzer entsprechende Rahmenbedingungen einhalten.

Regionale Verteilung des Bitcoins

Kryptowährungen kennen keine Staatsgrenzen und keine regionalen oder geografischen Hindernisse, die die Nutzung einschränken. Ihr digitaler Charakter erlaubt eine denkbar einfache globale Verwendung. Gleichwohl ist für nationale Akteure das Ausmaß der regionalen Verwendung von Kryptowährungen von großem Interesse, denn die regionale Verteilung gibt Auskunft darüber, wie intensiv sie von den Kryptowährungen tatsächlich betroffen sind. Zu nennen sind hier beispielsweise die deutschen Geschäftsbanken, für die die Intensivierung des Wettbewerbs vehement ist, wenn Kryptowährungs-Transaktionen in Deutschland eine weite Verbreitung finden. Analoges gilt für nationale Behörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die gegebenenfalls aufsichtsrechtlich einschreiten muss, da sie Kryptowährungs-Transaktionen als Finanzinstrumente in der Form von Rechnungseinheiten eingestuft hat. Oder die Geldpolitik: Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte die Kryptowährungen praktisch ignorieren, wenn Bitcoin & Co. nicht im Euroraum, sondern fast ausschließlich in China oder in den USA verwendet würden.

Bei einer regionalen Einordnung muss zwischen der Schaffung und der Nutzung der Kryptowährungen unterschieden werden. Die Schaffung der wichtigsten Kryptowährung, des Bitcoins, lässt sich anhand der Daten des Mining-Prozesses regional lokalisieren. Mindestens 99% der Blöcke auf der Bitcoin-Blockchain werden durch Mining Pools erstellt. Dabei zeigt sich eine zweifache Konzentration: Die fünf größten Pools erzeugen zusammen etwa 80% der Blockchain-Blöcke, und vier von diesen fünf Mining Pools operieren (wegen der niedrigen Energiepreise) von China aus. Entsprechend ist der chinesische Renminbi die bedeutsamste Währung im Bitcoin-Handel (31%), gefolgt vom US-Dollar (25%) und dem Euro (9%).18

Die Zuordnung der Nutzer zu bestimmten Ländern gestaltet sich im Vergleich zur Schaffung des Bitcoins ungleich schwieriger, da das System pseudonym ist und somit kein zentrales Verzeichnis existiert, mit dessen Hilfe die Regionalstruktur studiert werden könnte. Mithin müssen andere Datenquellen genutzt werden. Eine erste Informationsquelle ist die Verteilung der weltweit derzeit 126 Handelsplätze.19 Eine klare regionale Schwerpunktsetzung lässt sich nicht identifizieren, die Bitcoin-Börsen verteilen sich über den gesamten Erdball, 37 Börsen finden sich in Asien, 35 in Europa, 19 in Nordamerika, 13 in Südamerika, zwölf in Australien/Ozeanien und drei in Afrika. Das Land mit den meisten Bitcoin-Handelsplätzen ist Großbritannien mit 19 Börsen gefolgt von China mit zwölf Börsen und den USA mit neun Börsen. Deutschland ist mit einer Börse eher Bitcoin-Entwicklungsland.

Betrachtet man die Downloadhäufigkeit der Bitcoin-Software als Approximation der Bitcoin-Nutzung, so sind die USA, China, Deutschland, Großbritannien, Kanada und die Niederlande als Hauptnutzungsgebiete zu identifizieren.20 Korrigiert man diese Zahlen für die unterschiedlichen Bevölkerungsgrößen, ergibt sich jedoch ein etwas anderes Bild: es sind insbesondere die skandinavischen Länder und ihre Nachbarn, die eine höhere Ausbreitung des Bitcoins aufweisen, also eben jene, die schon jetzt – relativ betrachtet – weniger ausgeprägt bargeldaffin sind.

Utopia: eine reine Kryptowährungs-Welt

Kryptowährungen haben heute eine Marktkapitalisierung von rund 20 Mrd. Euro, das entspricht 0,3% der Euro-Geldmenge M1. Die Zentralbanken inklusive der EZB beobachten daher die Entwicklungen bei den Kryptowährungen, aber als unmittelbare „Bedrohung“ werden sie nicht wahrgenommen. Diese Einschätzung mag sich auch mittelfristig als richtig erweisen, wenn die besagte kritische Masse an Nutzern nicht überschritten wird. Dann wären Kryptowährungen eher vergleichbar mit der Vielzahl von Regionalwährungen („Chiemgauer“, „Bürgerblüte“ etc.), deren Rückwirkungen auf die geldpolitische Ausrichtung als vernachlässigbar anzusehen sind.

Aber die Einschätzung kann falsch sein. Zur Skizzierung der Implikationen ist es illustrativ, sich den anderen Grenzfall vorzustellen: eine reine Kryptowährungs-Welt. Angenommen, es gäbe ausschließlich Bitcoins. Eine reine Bitcoin-Welt wird durch Deflation gekennzeichnet sein. Dies ist anhand der Quantitätsgleichung, MV = PY, schnell skizziert. Beim Bitcoin ist die umlaufende Geldmenge M technologisch auf rund 21 Mio. Bitcoins begrenzt. Sofern plausiblerweise die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes V nicht fortlaufend ansteigt, muss bei steigendem Einkommen Y das Preisniveau P fallen. Bisher ist weitgehend unerforscht, wie sich eine Volkswirtschaft mit inhärent angelegter Deflation verhält. Die Anlageform „Geld“ erhält eine positive Realverzinsung, womit sich der Zinsabstand zu anderen Kapitalanlageformen zumindest verringert. Die Erwartung sinkender Preise mag eine Verschiebung der Güternachfrage in die Zukunft zur Folge haben, sodass kurzfristig negative Output-Effekte resultieren. Das Szenario einer deflationären Ökonomie lässt sich umgehen, wenn die digitale Währung nicht mengenmäßig beschränkt ist, sondern auch im Gleichgewicht eine positive Wachstumsrate aufweist. Dies ist beispielsweise beim Peercoin gegeben, was ad hoc aus geldtheoretischer Sicht als überlegene Alternative erscheint.

Eine bisher ungeklärte Frage betrifft die Zinsbildung in einem Kryptowährungs-System. Ähnlich wie Münzen und Bargeld haben Kryptowährungen wie der Bitcoin einen Nominalzins von Null. Sobald traditionelle Währungen jedoch in Form von Depositen gehalten werden, erzielen sie in der Regel eine positive Verzinsung, die von den Kreditnehmern finanziert wird. Dieser heute primär über die Geschäftsbanken laufende Prozess der Finanzintermediation droht in einer mit der Blockchain-Technologie agierenden Kryptowährungs-Welt zu erodieren. Drei alternative Szenarien sind denkbar:

  1. Die Kreditkonditionen werden direkt, also Peer-to-Peer und dezentral, zwischen den Beteiligten vereinbart werden. Dies erfordert indes einen extrem hohen Informationsbedarf bei Sparern wie Investoren.

2. Die Beteiligten suchen Hilfe bei Plattformen wie BitBond oder BTCJam, die auch heute schon Kreditsuchende und Mittelgeber zusammenführen. Die Bestimmung des Zinssatzes hier ist vielfältig und ähnelt dem Crowdfunding.21

3. Realistisch erscheint: Es bildet sich ein System von Wertpapieren und Derivaten, die auf Bitcoin denominiert sind und entsprechend gehandelt werden. Der Zinssatz reflektiert dann Angebot und Nachfrage von auf Bitcoin denominierten Krediten. Ob einer solchen Kryptowährungs-Welt eine ähnliche Fristentransformation gelingt wie den heutigen Finanzintermediären, muss offen bleiben.

Der Realwert einer Kryptowährung wie dem Bitcoin wird heute mit Hilfe des Wechselkurses zum Euro oder US-Dollar gemessen. Sind für einen Bitcoin mehr US-Dollar zu zahlen, so steigt ceteris paribus der Realwert des Bitcoins. Werden im Extremfall die staatlichen Währungen vollständig verdrängt, so stellt sich das Problem der Ermittlung eines adäquaten Preisindexes. Was ist der Realwert eines Bitcoins in einer reinen Bitcoin-Welt? Möglich wäre die Bildung eines harmonisierten Konsumentenpreisindexes, der den Preis eines im Weltmaßstab repräsentativen Warenkorbs widerspiegelt. Gegeben die im Weltmaßstab massiven Unterschiede in den nationalen Präferenz- und damit Konsumstrukturen wäre ein solcher Index indes weitgehend inhaltsleer. In Analogie zum Euroraum bietet sich als Alternative die Verwendung nationaler Indizes an, womit der Realwert des Bitcoins dann von Land zu Land unterschiedlich definiert ist. Die Formulierung aller Preise in derselben Währungseinheit erleichtert die Vergleichbarkeit der Preise, die ökonomisch relevantere Bestimmung der Realwerte ist dagegen unvermindert komplex.

Die Welt als Ganzes ist definitiv kein optimaler Währungsraum im Sinne von Mundell. Das Beiseitelegen des nominalen Wechselkurses als Instrument zur Beeinflussung des realen Wechselkurses und erst recht das Beiseitelegen der nationalen Geldpolitik ist im Euroraum schon umstritten, im Weltmaßstab wäre es abstrus. Dieses Faktum beantwortet die Frage, ob Utopia im Sinne einer reinen Kryptowährungs-Welt überhaupt erstrebenswert ist, mit einem klaren „nein“. Auch ein Wettbewerb mehrerer Kryptowährungen würde hieran nichts ändern, denn die sich einstellenden Wechselkurse zwischen den jeweiligen Kryptowährungen hätten nichts mit den ökonomisch notwendigen Anpassungen zwischen zwei Ländern oder Ländergruppen zu tun. Sollten Kryptowährungen in einem wettbewerblichen Prozess die traditionellen Währungen zum Teil verdrängen, so spricht dies für einen Effizienzgewinn, die resultierende Marktlösung ist grundsätzlich zu begrüßen. Eine vollständige Verdrängung hingegen würde mit dem Verlust von unzweifelhaft erforderlichen Stabilisierungsinstrumenten einhergehen. Aus makroökonomischer Perspektive ist daher der Fortbestand traditioneller Währungen mit traditioneller Geldpolitik der reinen Kryptowährungs-Welt vorzuziehen.

Kryptowährungen und Zentralbankpolitik

Beide Extremszenarien – Kryptowährungen bleiben ein Randphänomen bzw. sie verdrängen die traditionellen Währungen vollständig – erscheinen unrealistisch. Zu rechnen ist mit einer dauerhaften Koexistenz von Kryptowährungen und traditionellen Währungen. Die makroökonomischen Implikationen einer solchen Koexistenz sind bisher weitestgehend unerforschtes Terrain. Eine nennenswerte Ausnahme ist die an der Bank of England entstandene Studie von Barrdear und Kumhof.22 Die Autoren integrieren eine Kryptowährungen in ein „dynamic stochastic general equilibrium“-Modell (DSGE-Modell), wobei das Verhältnis von Kryptowährung und Zentralbankgeld qua Annahme fixiert ist, sodass Geldpolitik als stabilitätspolitisches Instrument erhalten bleibt. Ein interessantes Ergebnis ihrer Analyse: die Implementierung der Kryptowährungen wirkt wie ein Wachstumsmotor, langfristig ist der Output in einer Welt mit Kryptowährungen rund 3% höher als in der Welt ohne Kryptowährungen. Hanl und Schwanebeck kommen zu einem ganz ähnlichen Ergebnis.23 Durch die Kryptowährungen verbessert sich der Prozess der Finanzintermediation, das Zusammenfinden von Sparern und Investoren ist mit weniger Reibungsverlusten verbunden, der gleichgewichtige Realzins vermindert sich, die Kapitalbildung wird forciert.

Die Kryptowährung beeinflusst nicht nur das langfristige Gleichgewicht, sondern auch das Anpassungsverhalten einer Volkswirtschaft bei makroökonomischen Schocks. Ein erster Punkt betrifft die vom Bitcoin-Erfinder Nakamoto genannte Korrektur von geldpolitischen Fehlern, d.h. die traditionelle Geldpolitik wird weniger als Stabilisator denn als Störquelle oder Schockverstärker angesehen. Wie Hanl und Schwanebeck zeigen, wirkt die Kryptowährung in der Tat wie ein Puffer. Geldpolitische Schocks, beispielsweise in Form eines unterwarteten Zinsanstiegs, werden in ihren Auswirkungen auf Output, Konsum und Investitionen abgemildert. Durch die Kryptowährung entsteht ein Substitut für traditionelle Bankgeschäfte, sodass die geldpolitisch induzierte Verteuerung der Bankkredite eine Ausweichreaktion in Richtung Kryptowährung, also eine verstärkte Finanzintermediation über den Kryptowährungs-Kanal, impliziert.

Die Kehrseite der Medaille: Die Geldpolitik verliert an Effizienz. Wenn der Rückgang der Investitionen infolge eines Zinsanstiegs kleiner ausfällt, büßt das Zinsinstrument an Wirksamkeit ein. Kommt es zu Schocks in der Güternachfrage und/oder im Güterangebot, deren Output- und Inflationseffekte durch die Geldpolitik abzufedern sind, so ist die optimale Reaktion der Geldpolitik auf die verminderte Effizienz ein verstärkter Einsatz des Zinsinstruments. Die Geldpolitik wird durch den Kryptowährungs-Kanal also aggressiver agieren.24

Weil die Forschung der Interaktion von Kryptowährungen und Geldpolitik erst am Anfang steht, sind diverse Probleme schlicht als offen zu bezeichnen. Dies gilt zum Beispiel für die veränderte Rolle der Geschäftsbanken im Transmissionsprozess der Geldpolitik. Geht die verstärkte Finanzintermediation mittels Kryptowährungen mit einer verstärkten Wanderung in den Bereich der Schattenbanken einher, so werden nicht zuletzt die Regulierungsbehörden hier aktiv werden. Dies gilt gleichermaßen für etwaige Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität. Die Rolle der Geldpolitik als „lender of last resort“ ist neu zu überdenken. Erwähnt sei zudem, dass Kryptowährungen selbst als Verursacher von Schocks auftreten können. Der Zusammenbruch einer Plattform wie Mt. Gox, der mit dem Verlust von 650 000 Bitcoins einherging, wäre ein Ereignis mit realwirtschaftlichen Auswirkungen, das eine Reaktion der Zentralbanken erzwingen würde.

Schlussbetrachtung

Kryptowährungen haben den engen Zirkel der Computer-Nerds verlassen, sie sind heute lebendiger Bestandteil des Finanzmarktgeschehens. Entsprechend gilt es ihre Funktions- und Wirkungsweise zu verstehen, was aufgrund des recht komplexen technologischen Hintergrunds nicht ganz einfach ist. Sofern technische Weiterentwicklungen die Handhabung weiter erleichtern, haben sie das Potenzial zu einem allgemein akzeptierten Zahlungsmittel. Noch ist dies nicht der Fall, aber die Zentralbanken sind gut beraten, wenn sie das dynamische Feld der Kryptowährungen auf ihre Forschungsagenda setzen und versuchen, die Folgen für die geldpolitische Konzeption sowie für die Wirkungsweise des traditionellen Instrumentensets zu antizipieren.

Dass Kryptowährungen nicht als vorübergehender Hype anzusehen sind, liegt maßgeblich an der technologischen Neuerung der Blockchain, nach dem Internet eventuell „the next big thing“25. Für die Zentralbanken ist die unmittelbare Folge eine massiv verstärkte Konkurrenz im Bereich der Zahlungssysteme. Wenn ein großer Teil der (grenzüberschreitenden) Zahlungen Peer-to-Peer erfolgt, können Zentralbanken die Stabilität des Zahlungsverkehrs nicht mehr im selben Ausmaß gewährleisten. Einige Zentralbanken nehmen die Herausforderung aktiv an und denken darüber nach, die Blockchain-Technologie durch die Herausgabe einer eigenen digitalen Währung für sich selbst zu nutzen.26

  • 1 S. Nakamoto: Bitcoin – A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf.
  • 2 Allgemeinverständliche Beschreibungen der Blockchain-Technologie sowie des Bitcoin-Systems finden sich bei V. Brühl: Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers: Funktionsweise, Marktentwicklungen und Zukunftsperspektiven, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 2, S. 135-142; W. Blocher: The Next Big Thing: Blockchain – Bitcoin – Smart Contracts: Wie das disruptive Potential der Distributed Ledger Technology (nicht nur) das Recht fordern wird, in: Anwaltsblatt, 66. Jg. (2016), H. 8+9, S. 612-618.
  • 3 Vgl. z.B. Europäische Zentralbank: Virtual Currency Schemes – A Further Analysis, Frankfurt a.M. 2015; R. Ali, J. Barrdear, R. Clews, J. Southgate: Innovations in Payment Technologies and the Emergence of Digital Currencies, in: Bank of England Quarterly Bulletin, Q3/2014, S. 262-275.
  • 4 Vgl. D. Yermack: Is Bitcoin a Real Currency? An Economic Appraisal, in: D. K. C. Lee (Hrsg.): Handbook of Digital Currency, Amsterdam, 2015, S. 31-43; S. Lo, C. Wang: Bitcoin as Money?, in: Current Policy Perspectives, Nr. 14-4, 2014, Federal Reserve Bank of Boston.
  • 5 Vgl. Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2014: Dritte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten, Frankfurt a.M. 2015; P. Franco: Understanding Bitcoin: Cryptography, Engineering and Economics, Chichester 2015.
  • 6 Vgl. hierzu W. Luther: Cryptocurrencies, Network Effects, and Switching Costs, in: Contemporary Economic Policy, 34. Jg. (2016), H. 3, S. 553-571.
  • 7 Vgl. S. Koulayev, M. Rysman, S. Schuh, J. Stavins: Explaining Adoption and Use of Payment Instruments by US Consumers, in: RAND Journal of Economics, 47. Jg. (2016), H. 2, S. 293-325.
  • 8 S. Schuh, O. Shy: U.S. Consumers’ Adoption and Use of Bitcoin and other Virtual Currencies, Working Paper, 2015, http://www.banqueducanada.ca/wp-content/uploads/2015/12/us-consumers-adoption.pdf.
  • 9 Vgl. S. Meiklejohn, M. Pomarole, G. Jordan, K. Levchenko, D. McCoy, G. M. Voelker, S. Savage: A Fistful of Bitcoins: Characterizing Payments Among Men with No Names, in: IMC ’13 Proceedings of the 2013 Internet Measurement Conference, S. 127-140.
  • 10 Vgl. M. Rysman, S. Schuh: New Innovations in Payments, NBER Working Paper, Nr. 22358, Juni 2016.
  • 11 Goldman Sachs: All About Bitcoin, in: Global Market Research, Issue 21, März 2014. Aufgrund eines intensiven Wettbewerbs und regulatorischer Initiativen beispielsweise auf EU-Ebene sind die Gebühren in jüngerer Zeit etwas gesunken.
  • 12 Vgl. N. Houy: The Economics of Bitcoin Transaction Fees, in: GATE Working Paper, Nr. 1407, Februar 2014.
  • 13 Vgl. M. Tompkins, A. Olivares: Clearing and Settlement Systems from Around the World: A Qualitative Analysis, Bank of Canada Staff Discussion Paper, Nr. 2016-14, Juni 2016.
  • 14 Vgl. dazu z.B. I. Giechaskiel, C. Cremers, K. B. Rasmussen: On Bitcoin Security in the Presence of Broken Crypto Primitives, IACR Cryptology ePrint Archive, 2016/167.
  • 15 Vgl. S. Meiklejohn, M. Pomarole, G. Jordan, K. Levchenko, D. McCoy, G. M. Voelker, S. Savage, a.a.O.; und A. Biryukov, D. Khovratovic, I. Pustogarov: Deanonymisation of Clients in Bitcoin P2P Network, in: CCS ’14 Proceedings of the 2014 ACM SIGSAC Conference on Computer and Communications Security, S. 15-29.
  • 16 Vgl. S. Nakamoto, a.a.O.
  • 17 Vgl. z.B. I. Giechaskiel, C. Cremers, K. B. Rasmussen, a.a.O.
  • 18 Vgl. Europäische Zentralbank, a.a.O.
  • 19 Vgl. Exchange War: List of Crypto-Exchanges, http://www.exchangewar.info (6.3.2017).
  • 20 Vgl. dazu für eine Analyse der Bitcoin-Nodes auch: J. A. Donet Donet, C. Pérez-Solà, J. Herrera-Joanconmartí: The Bitcoin P2P network, in: R. Böhme, M. Brenner, T. Moore, M. Smith (Hrsg.): Financial Cryptography and Data Security, FC 2014 Workshops, BITCOIN and WAHC 2014, Christ Church, Barbados, 3.3.2014, Revised Selected Papers, Berlin 2014, S. 87-102.
  • 21 Vgl. A. K. Agrawal, C. Catalini, A. Goldfarb: Some Simple Economics of Crowdfunding, in: Innovation Policy and the Economy, 14. Jg. (2014), S. 63-97.
  • 22 J. Barrdear, M. Kumhof: The Macroeconomics of Central Bank Issued Digital Currencies, in: Bank of England Staff Working Paper, Nr. 605 2015.
  • 23 A. Hanl, B. Schwanebeck: Financial Intermediation and Bitcoin: Using Bitcoin as Alternative Investment Vehicles, Präsentation beim DLT Workshop der Universität Kassel im März 2017, https://www.uni-kassel.de/fb07/fileadmin/datas/fb07/5-Institute/IVWL/Michaelis/Kryptow%C3%A4hrungen_als_Geld_der_Zukunft_korrigiert.pdf.
  • 24 Dies ist analog zum sogenannten Kostenkanal der Geldpolitik, vgl. J. Palek, J. Michaelis: Optimal Monetary Policy in a Currency Union: Implications of Country-specific Financial Frictions, in: Credit and Capital Markets, 49. Jg. (2016), H. 1, S. 1-36.
  • 25 Vgl. W. Blocher, a.a.O.
  • 26 Vgl. B. Fung, H. Halaburda: Central Bank Digital Currencies: A Framework for Assessing Why and How, Bank of Canada Staff Discussion Paper, Nr. 2016-22, November 2016.

Title:Cryptocurrencies: A Monetary Policy Problem?

Abstract:Cryptocurrencies such as Bitcoin may revolutionise the financial system by at least partially replacing intermediaries such as central banks and commercial banks. The blockchain technology enables users to perform financial transactions on a peer-to-peer basis. This imposes a serious threat on the financial intermediaries as well as on monetary policy authorities. In this paper, we examine how well cryptocurrencies fulfill the functions of a fiat money and discuss the comparative advantages of cryptocurrencies. We proceed by exploring the implications of digital currencies for the concept and conduct of monetary policy.


DOI: 10.1007/s10273-017-2145-y

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