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Positive Wirkungen für alle

Von Tom Krebs

Immer mehr Menschen wollen urban leben, doch bezahlbarer Wohnraum in den städtischen Ballungsräumen ist ein knappes Gut. Was kann die Politik tun, um die Wohnungsnot in den Städten zu lindern? Viele Ökonomen haben eine einfache Antwort: Vertraue auf den Markt und alles wird gut. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Empfehlung desaströse Konsequenzen für Gesellschaft und Wirtschaft haben kann. Und es gibt gute ökonomische Gründe, der reinen Marktlösung zu misstrauen. Zum einen sind Agglomerations- und Nachbarschaftseffekte wichtig auf dem Wohnungsmarkt. Diese Externalitäten führen dazu, dass vorhandenes Bauland suboptimal verwendet wird. Zudem verursachen sie in Wechselwirkung mit bestehenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten eine exzessive Segregation der Bevölkerung. Zum anderen ist Wohnraum nicht nur ein Konsumgut, sondern beeinflusst auch Produktivität und Bildungschancen. Fehlallokationen auf dem Wohnungsmarkt wirken sich daher negativ auf die Chancengleichheit und das wirtschaftliche Wachstum aus.

Öffentlicher Wohnungsbau (Objektförderung) kann solche Fehlentwicklungen vermeiden. Ein klug konstruierter öffentlicher Wohnungsbau fördert sozial ausgewogene Wohnquartiere und verhindert so exzessive Segregation. Er schließt den Bau der notwendigen Infrastruktur (Freizeit, Kitas, Schulen) ein und zielt darauf ab, Städte für alle Menschen lebenswert zu gestalten. Er erzeugt also keine sozialen Ghettos, wie es im sozialen Wohnungsbau der 1970er Jahre üblich war. Und er hat drei weitere Vorteile im Vergleich zur Marktlösung kombiniert mit Wohngeld (Subjektförderung). Erstens schafft er mehr bezahlbare Wohnungen für die gleiche Menge an Bauland. Zweitens ist er ein effizientes Mittel, spekulative Leerstände zu vermeiden und Mietpreisexplosionen zu begrenzen. Drittens reduziert er die ökonomische Ungleichheit und steigert gleichzeitig die gesamtwirtschaftliche Produktion – er schafft inklusives Wachstum. Die aktuelle Forschung zeigt, dass die positiven Auswirkungen einer gelungenen Wohnraumförderung auf die betroffenen Personen und die Gesamtwirtschaft erheblich sind. Letztlich lohnt sich öffentlicher Wohnungsbau auch für den Staat. Über höheres Wachstum, mehr Beschäftigung und erhöhte Staatseinnahmen finanziert er sich mittel- bis langfristig selbst. Berechnungen auf Basis moderner makroökonomischer Modelle zeigen, dass bereits nach 13 Jahren die öffentlichen Wohnbauinvestitionen fiskalische Überschüsse erzielen würden, die zur Schuldentilgung beitragen könnten. Klug konstruierter öffentlicher Wohnungsbau kann sich also für alle lohnen.

In der Praxis hat sich diese Einsicht teilweise schon durchgesetzt und in den letzten Jahren sind in den deutschen Städten neue Wohnquartiere mit ausgewogener sozialer Mischung entstanden. Zudem hat die Bundesregierung eine Wohnungsoffensive angekündigt. Doch es gibt Probleme in der Umsetzung, die benannt und gelöst werden müssen. Häufig diskutiert werden mögliche „Fehlbelegungen“ von geförderten Wohnungen. Dies ist kein wirkliches Problem, denn häufig sind diese sogar gewollt, um gut funktionierende Nachbarschaften nicht zu zerstören. Deshalb hat Hamburg die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft und Wien relativ hohe Einkommensgrenzen für das Wohnen in geförderten Wohnungen gesetzt. Zudem ist es in der Praxis unproblematisch, die Einhaltung politisch gesetzter Einkommensgrenzen sicherzustellen. Ein wirkliches Problem sind die Kapazitätsengpässe in den kommunalen Verwaltungen und in der Bauwirtschaft. Häufig fehlt das notwendige Fachpersonal, um neue Wohnbauprojekte zu planen oder umzusetzen. Hier könnte ein Bundesinvestitionsfonds helfen, der in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen und Ländern den Wohnbau bundesweit vorantreibt. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um den gemeinnützigen Wohnungsbau in Deutschland dauerhaft zu stärken.

Mehr öffentliche Mittel für den Bau?

Von Friedrich Breyer

In Deutschland ist wieder von einer „Wohnungsnot“ die Rede – und das in einem Land, in dem pro Kopf der Bevölkerung 46 qm Wohnfläche zur Verfügung stehen (17 % mehr als 2000) und in dem 2 Mio. Wohnungen leer stehen. Andererseits sind allein von 2010 bis 2017 die Mieten bei Neu- und Wiedervermietung in den 14 beliebtesten Großstädten – allerdings nach einer sechs Jahre währenden Stagnation – im Schnitt um 34 % gestiegen. Diese Entwicklung stellt vor allem einkommensschwache Haushalte, die eine neue Mietwohnung in einem Ballungsraum suchen, vor große Härten, und es ist eine wichtige Frage, mit welchem Instrument diese am besten abgemildert werden können. Die Antwort, die die Bundesregierung nach dem „Wohnungsgipfel“ am 21.9.2018 gegeben hat, lautet: „Mehr öffentlicher Bau von Sozialwohnungen“.

Der soziale Wohnungsbau weist zwar den Vorteil auf, dass er eine direkte Wirkung auf das Wohnungsangebot hat. Dem steht aber eine Reihe gravierender Nachteile gegenüber: So wird in den meisten Bundesländern die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung nur ein einziges Mal überprüft und auf die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe nach einem Anstieg des Haushaltseinkommens fast überall wegen des Verwaltungsaufwands verzichtet. Modelle, bei denen der Mieter die volle Kostenmiete schuldet, aber einen einkommensabhängigen Mietzuschuss erhält, der alle drei Jahre überprüft wird (wie in Bayern) sind nicht die Regel. Eine neuere Studie von Leo Kaas et al. auf der Grundlage des SOEP zeigte, dass ca. 23 % aller Mieter in Sozialwohnungen der oberen Hälfte (!) der Einkommensverteilung angehören – ein klarer Fall von Fehlsubventionierung. Noch wichtiger erscheint aber die Tatsache, dass es angesichts sich rasch ändernder gesellschaftlicher Trends wie der Landflucht der letzten Jahrzehnte kaum möglich sein wird, für alle einkommensschwachen Haushalte jeweils dort, wo sie hinziehen (müssen), rechtzeitig eine Sozialwohnung zu bauen. Die Bundesregierung will den Ländern in dieser Legislaturperiode 5 Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Bei einem Zuschuss von 50 000 Euro pro Wohnung reicht dies gerade einmal für 100 000 Wohnungen – ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Suche nach einer Sozialwohnung bleibt weiterhin ein Lotteriespiel.

Demgegenüber hat das Instrument Wohngeld als Subjektförderung den Vorteil, dass die Einkommenssituation jedes einzelnen Mieters berücksichtigt und der Bedarf zielgenau gedeckt werden kann, denn dessen Höhe richtet sich neben der Personenzahl nach dem Einkommen und der Miethöhe, beides allerdings in engen Grenzen, die durchaus noch ausgeweitet werden könnten.

Politiker definieren die gegenwärtige Lage auf dem Wohnungsmarkt als einen „Mangel an bezahlbarem Wohnraum“, den sie mit homöopathischen Dosen an sozialem Wohnungsbau therapieren wollen. Sinnvoller wäre es, die Problemstellung aufzugliedern und jedes einzelne Problem mit geeigneten Instrumenten zu lösen: Es fehlt in Ballungsgebieten an Wohnraum; also sollten die Kommunen dort mehr Bauland ausweisen, und es fehlt vielen Haushalten an Kaufkraft; also sollten diese durch Wohngeld in die Lage versetzt werden, sich eine Wohnung am freien Wohnungsmarkt leisten zu können. Dies eine „rein marktwirtschaftliche Lösung“ zu nennen, ist irreführend, denn der Staat reguliert nach wie vor die Flächennutzung und hat es somit in der Hand, dass da gebaut wird, wo der Bedarf am größten ist. Auch Auflagen bezüglich der Qualitätsstandards sind denkbar, wenn befürchtet wird, dass sonst zu viele Luxuswohnungen entstehen würden. Schließlich kann der Staat Diskrepanzen zwischen Wohnungsangebot und -nachfrage auch dadurch entgegenwirken, dass er Behörden nicht mehr in Innenstadtlagen, sondern im Umland ansiedelt. Öffentliche Mittel für den Wohnungsbau sind dagegen weder notwendig noch zielführend.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2353-0