Trotz jahrzehntelanger Reformdiskussion hat es der Gesetzgeber bisher nicht geschafft, die Grundsteuer verfassungskonform zu gestalten. Das Bundesverfassungsgericht hat die bestehende Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie auf stark veralteten Grundstückswerten beruht. Die Politik will die Grundsteuer nun aufkommensneutral anpassen. Die Frage ist, ob die Steuer künftig auf der Basis von aktuellen Immobilienwerten erhoben wird oder ob sie an anderen Merkmalen ansetzt, beispielsweise der Fläche von Grundstücken und Gebäuden. Alternativ könnte eine kommunale Einkommensteuer ein geeignetes Instrument zum Ersatz der Grundsteuer und zur Stärkung der Finanzautonomie der Gemeinden sein.
Die Grundsteuer ist eine kommunale Steuer auf Grund und Boden, die durch Hebesätze von den einzelnen Städten und Gemeinden in der Höhe variiert werden kann. Sie erbringt pro Jahr insgesamt knapp 14 Mrd. Euro, wovon der Löwenanteil auf gewerbliche Immobilien und Wohnungen entfällt („Grundsteuer B“). Die Grundsteuer A auf land- und forstwirtschaftliche Grundstücke ist dagegen mit einem Aufkommen von lediglich 0,4 Mrd. Euro (2016) vernachlässigbar gering. Steuern auf Grund und Boden haben eine lange Tradition. Als es noch keine verlässliche Möglichkeit zur Erhebung des Einkommens gab, boten sie dem Staat eine vergleichsweise einfache und gerechte Grundlage zur Einnahmenbeschaffung. Für Immobiliensteuern sprach auch immer schon die Tatsache, dass Grund und Boden unbeweglich sind und somit der Steuer kaum ausgeweichen kann. Selbst ein Verkauf des Grundstücks im Falle einer Steuererhöhung schützt den Eigentümer nicht vor deren finanziellen Folgen, denn der mögliche Käufer wird den Kaufpreis entsprechend mindern.
Die Grundsteuer wird auch damit begründet, dass sie die örtlichen Grundeigentümer an den Kosten kommunaler Investitionen beteiligt, die schließlich auch den Wert der Grundstücke erhöhen. Allerdings machen Investitionen nur rund 15 % der kommunalen Ausgaben aus, während Personal und soziale Leistungen mehr als 40 % beanspruchen.1 Zudem gehört die Grundsteuer zu den umlagefähigen Nebenkosten und belastet somit auch die Mieter, selbst wenn sie je nach Marktlage ökonomisch nicht immer vollständig auf diese abgewälzt werden kann. Inwieweit die Höhe der Grundsteuer überhaupt einen Bezug zu den individuellen Vorteilen der jeweiligen Grundeigentümer hat, hängt stark von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Das gleiche gilt für die Frage, inwieweit sie dem Leistungsfähigkeitsgrundsatz der Besteuerung entspricht, wobei es kaum möglich ist, beiden Gesichtspunkten zugleich Rechnung zu tragen. Hier zeigt sich bereits das Grundproblem aller bisherigen Reformansätze, dass nämlich ganz unterschiedliche Ziele und Anforderungen damit verknüpft werden, die letztlich nicht miteinander vereinbar sind.2
Grundsteuerreform als Dauerbrenner
Zur Berechnung der Immobilienwerte als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer wird auf Einheitswerte zurückgegriffen. Diese wurden nach einer aufwändigen sogenannten Hauptfeststellung erstmals zum 1. Januar 1935 festgelegt und sollten eigentlich alle sechs Jahre aktualisiert werden. Tatsächlich erfolgte dies jedoch bisher nur einmal, nämlich zum 1. Januar 1964, und das auch nur in Westdeutschland. Zwar wurden die Grundstücks- und Gebäudewerte seitdem regelmäßig fortgeschrieben, aber Basis blieben die damaligen Wertverhältnisse zwischen den einzelnen Grundstücken. Der Bundesfinanzhof sah darin 2008 einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, da sich diese Wertverhältnisse inzwischen teilweise stark geändert haben. Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. April 2018 entschieden, dass die Basis für die Berechnung der Grundsteuer verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 neu geregelt werden muss.
An Reformplänen für die Grundsteuer hat es nicht gefehlt. Es lassen sich drei Grundideen unterscheiden:3
- Modell A (sogenanntes Südmodell): Bemessung der Grundsteuer nach physikalischen Größen wie Fläche und Art des Grundstücks bzw. der aufstehenden Gebäude, aber ohne Erhebung bzw. Berücksichtigung der Werte. Dies wird derzeit von Bayern und Hamburg (sowie früher auch von Baden-Württemberg und Hessen) favorisiert.
- Modell B (sogenanntes Nordmodell): Bemessung der Grundsteuer wie bisher am Wert des Grundstücks und gegebenenfalls der aufstehenden Gebäude, aber mit aktualisierten bzw. teilweise pauschalisierten Wertansätzen. Für diesen Ansatz sprechen sich Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Berlin und Bremen aus.
- Modell C: Bemessung der Grundsteuer allein am Bodenwert. Dieser Vorschlag wurde unter anderem in einem im Jahr 2000 vom Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung vorgelegten Gutachten gemacht und von namhaften Ökonomen wie z. B. Johann Eekhoff4 unterstützt.
Es gab auch immer wieder Versuche, etwa von Thüringen, zu Kompromisslösungen zwischen diesen verschiedenen Grundansätzen zu kommen (sogenanntes D-Modell). Letztlich scheiterten aber alle Einigungsversuche daran, dass kein Modell allen Zielen zugleich gerecht werden konnte. So ist ein Flächenansatz zwar relativ einfach und wenig streitanfällig, folgt aber offensichtlich weder dem Leistungsfähigkeits- noch dem Äquivalenzgedanken. Die wertbasierten Ansätze wiederum sind extrem aufwändig, wenn sie aktuell sein sollen. Immerhin sind dafür regelmäßig rund 35 Mio. Grundstücke und landwirtschaftliche Betriebe neu zu taxieren, mit allen daraus zu erwartenden Einsprüchen und Rechtsstreitigkeiten. Eine reine Bodenwertsteuer wäre zwar administrativ einfacher zu handhaben, zumal die Bodenwerte ohnehin durch die sogenannten Gutachterausschüsse regelmäßig erhoben bzw. fortgeschrieben werden. Hier stellt sich aber wiederum das Gerechtigkeitsproblem, da die aufstehenden Gebäude dabei außer Acht bleiben.
Abbildung 1
Höhe des Hebesatzes der Grundsteuer B und des notwendigen Zuschlagssatzes
Anmerkung: Als Alternative kommt eine proportionale Gemeindesteuer auf das zu versteuernde Einkommen (unter Berücksichtigung der Freibeträge) infrage.
Quelle: Landesdatenbank NRW: Realsteuerstatistik; eigene Berechnungen.
Es gibt noch zahlreiche andere Zielkonflikte. So wollen die Kommunen verständlicherweise eine möglichst konjunkturunabhängige Einnahmequelle haben, was aber auf Seiten der Steuerpflichtigen zu einer ertragsunabhängigen Substanzbelastung führt. Die Risiken aus Konjunkturschwankungen werden also nicht vermieden, sondern nur auf die Betriebe und Privathaushalte abgewälzt. Schwer miteinander vereinbar sind auch die Zielsetzungen der Leistungsgerechtigkeit und des Umweltschutzes. So belastet eine Bodenwertsteuer zwar die Eigentümer teurer Grundstücke besonders stark, bewirkt aber keine Einschränkung des sogenannten „Flächenverbrauchs“ da man ihr ohnehin nicht ausweichen kann.5
Kommunaler Einkommensteuerzuschlag als Alternative
Wenn man einerseits eine autonome kommunale Einnahmequelle erhalten will und andererseits eine einfache, leistungsfähigkeitsbezogene Steuerquelle anstrebt, bietet sich ein kommunaler Zuschlag zur Einkommensteuer geradezu an – dies umso mehr, als dieser in Art. 106 Abs. 5 GG bereits vorgesehen ist. Seit der Finanzreform im Jahr 1969 fließt den Gemeinden tatsächlich ein Teil der Einkommensteuerzahlungen ihrer Einwohner zu. Der ursprünglich von der sogenannten Troeger-Kommission gemachte Vorschlag, auch das in Art. 106 GG vorgesehene kommunale Hebesatzrecht einzuführen, wurde damals jedoch nicht umgesetzt.6
Dies könnte nun nachgeholt werden, indem anstelle der Grundsteuer eine kommunale Einkommensteuer eingeführt würde. Diese könnte als kommunaler Zuschlag zur Einkommensteuer – wie in der Schweiz – ausgestaltet werden. Dieser würde – gegebenenfalls in bestimmten Grenzen – von den einzelnen Gemeinden selbst bestimmt und auch bei ihnen verbleiben. Der Zuschlag müsste im Durchschnitt etwa 5 % der individuellen Einkommensteuerschuld (nicht etwa des Einkommens) betragen, um das bisherige Grundsteueraufkommen zu ersetzen. Als Alternative kommt ein proportionaler kommunaler Zuschlag auf das zu versteuernde Einkommen (unter Berücksichtigung der Freibeträge) infrage, wie er etwa in den skandinavischen Ländern angewendet wird. Hier wäre ein Steuersatz von etwa 1 % für den aufkommensneutralen Ersatz der Grundsteuer notwendig.
Die wesentlichen Vorteile eines solchen Systemwechsels wären in beiden Varianten folgende:
- Die Grundsteuer mit all ihren Erhebungsproblemen und -kosten würde durch eine sehr einfache und dem Leistungsfähigkeitsprinzip folgende Steuer ersetzt. Da das zu versteuernde Einkommen ohnehin erhoben wird, müssten die Finanzämter nur noch den jeweiligen kommunalen Steuerzuschlag darauf anlegen und der Kommune überweisen.
- Ein kommunaler Einkommensteuerzuschlag setzt die Gemeinden unter starken Druck, dessen Höhe und Verwendung gegenüber ihren Bürgern immer wieder zu rechtfertigen. Denn anders als bei der Grundsteuer können die Steuerpflichtigen sich ihm notfalls durch Umzug entziehen. Sie sind damit einem konfiskatorischen Missbrauch weit weniger stark ausgesetzt als bei der Grundsteuer (deren Hebesätze in den letzten Jahren kontinuierlich und teils drastisch gestiegen sind).
Implikationen der Reform am Beispiel Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland, sondern kann in vieler Hinsicht auch als verkleinertes Abbild Deutschlands gelten. Es gibt hier große städtische Ballungsräume ebenso wie kleine ländliche Gemeinden, und auch die Einwohner- und Wirtschaftsstruktur ist derjenigen Gesamtdeutschlands recht ähnlich. Somit bietet es sich für eine beispielhafte Untersuchung der fiskalischen Effekte der Reform an. Entsprechende Simulationen wurden für die 396 Städte und Gemeinden Nordrhein-Westfalens für das Jahr 2010 durchgeführt. Dabei wurde der kommunale Finanzausgleich berücksichtigt, d. h., es wurden diejenigen Zuschläge zur Einkommensteuerschuld ermittelt, die der jeweiligen Kommune nach Finanzausgleich die gleichen Einnahmen erbringen würde wie die bisherige Grundsteuer. Die rechnerisch notwendigen Zuschläge schwanken demnach zwischen 2 % (für die Gemeinde Attendorn) und 8,5 % (für die Gemeinde Bönen); im Durchschnitt würde ein Zuschlag von 5,4 % benötigt, was rund 281 Euro pro Jahr und Steuerpflichtigem entspricht. In 90 % aller Gemeinden liegt der notwendige Zuschlagsatz niedriger als 6,1 %. Die Hebesätze eines proportionalen Zuschlags auf die Einkommensteuer schwanken zwischen 0,4 % (für die Gemeinde Attendorn) und 1,7 % (für die Gemeinde Radevormwald). Der durchschnittliche Zuschlag beträgt hier 1,1 %.
Abbildung 2
Höhe des Zuschlagssatzes und durchschnittliches Einkommensteueraufkommen pro Kopf
Anmerkung: ohne die Gemeinde Meerbusch.
Quelle: Landesdatenbank NRW: Lohn- und Einkommensteuerstatistik; eigene Berechnungen.
Der Korrelationskoeffizient zwischen der Höhe eines Zuschlags auf die Einkommensteuerschuld und dem bisherigem Hebesatz auf die Grundsteuer liegt bei 0,68. Wo also bisher schon hohe Hebesätze erhoben werden, würde auch der Zuschlag zur Einkommensteuer relativ hoch ausfallen (vgl. Abbildung 1). Noch stärker ist dieser Zusammenhang bei dem proportionalen Einkommensteuerzuschlag. Der Korrelationskoeffizient beträgt hier 0,75. Dagegen gibt es nur einen vergleichsweise schwachen Zusammenhang zwischen dem notwendigen Zuschlagssatz und dem Einkommensniveau in der betreffenden Gemeinde (vgl. Abbildung 2). Es ist also kein „race to the bottom“ aufgrund des Systemwechsels zu erwarten. Hierfür gibt es im Übrigen auch in der Schweiz keine Anzeichen.7
Auf der Ebene der Steuerpflichtigen kommt es durch den Zuschlag auf die Einkommensteuerschuld zu einer starken Entlastung ärmerer Haushalte, während wohlhabendere Haushalte teils deutlich stärker belastet werden. Insbesondere ab einem zu versteuernden Einkommen oberhalb von 35 000 Euro/Jahr steigt die Mehrbelastung steil an und kann bei sehr hohen Einkommen 5000 Euro und mehr betragen. Ein proportionaler Einkommensteuerzuschlag würde einkommensschwache Haushalte weniger stark entlasten, im Durchschnitt jedoch mehr Haushalte entlasten und einkommensstarke Haushalte etwas weniger stark belasten (Abbildung 3).
Abbildung 3
Belastung durch die drei Besteuerungsvarianten in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen1
1 Grundtarif 2018.
Quelle: eigene Berechnungen.
Die Konjunkturreagibilität der kommunalen Einkommensteuer ist stärker als diejenige der Grundsteuer, dafür wächst allerdings ihre Bemessungsgrundlage langfristig stärker an. Ein kommunaler Einkommensteuerzuschlag wäre jedenfalls deutlich weniger konjunkturanfällig als die Gewerbesteuer.
Fazit
Im Unterschied zur Grundsteuer würde ein kommunaler Einkommensteuerzuschlag Haushalte, die aufgrund ihres geringen Einkommens kaum oder gar keine Einkommensteuer zahlen, nicht belasten. Insbesondere einkommensschwache Mieterhaushalte würden also entlastet, ferner z. B. auch ältere oder kinderreiche Hauseigentümer mit vergleichsweise geringem Einkommen. Dagegen müssten einkommensstarke Haushalte teilweise deutlich mehr bezahlen als bisher. Dies entspricht gängigen Gerechtigkeitsvorstellungen bzw. einer Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Daher sollte eine solche Reform eigentlich politisch konsensfähig zwischen den Mieter- und Eigentümerverbänden sein, zumal sie auch die von den Grundeigentümern ungeliebte Substanzbesteuerung beenden würde.
Widerstand ist dagegen von den Kommunen zu erwarten. Sie haben zum einen lieber sichere als konjunkturabhängige Steuerquellen und scheuen zum anderen eher den Wettbewerb um die Gunst ihrer Einwohner. Insbesondere Kommunen mit einkommensschwacher Einwohnerstruktur werden gegen die Reform ins Feld führen, das sie zum Ausgleich für den Wegfall der Grundsteuer relativ hohe Zuschläge erheben müssten und so in den Teufelskreis eines „race to the bottom“ geraten würden. Allerdings deuten die Simulationen für Nordrhein-Westfalen nicht auf eine solche Gefahr hin, zumal die Grundsteuer im Durchschnitt aller Gemeinden ohnehin nur rund 11 % ihrer Gesamteinnahmen ausmacht.
- 1 Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Kommunaler Finanzreport, o. O. 2017, S. 23.
- 2 Die Grundsteuer wird in der deutschen finanzwissenschaftlichen Literatur denn auch weitgehend abgelehnt, vgl. S. Homburg: Ein Vorschlag zur Grundsteuerreform, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 3, S. 169-175.
- 3 Vgl. grundlegend dazu auch K. Sieber: Reform der Grundsteuer. Eine ökonomische Analyse aktuell diskutierter Reformmodelle, Hamburg 2016.
- 4 Vgl. J. Eekhoff, A. Lemmer: Anreiz- und Belastungseffekte verschiedener Grundsteuersysteme, in: Forum Wohnen und Stadtentwicklung, H. 6, 2001, S. 308-315. Ebenso sprechen sich für dieses Modell aus R. Henger, T. Schaefer: Grundsteuerreform – historische Chance für die Bodenwertsteuer, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 3, S. 175-178.
- 5 Der Begriff des „Flächenverbrauchs“ ist eigentlich irreführend, da Boden nur genutzt, aber gerade nicht „verbraucht“ werden kann. Ob eine Einschränkung der Siedlungsfläche generell überhaupt sinnvoll ist, erscheint fraglich, soll aber an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
- 6 Vgl. Bundesministerium der Finanzen: Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Gemeindefinanzreform, BMF-Dokumentation, o. O, o. J.
- 7 Vgl. L. P. Feld: Braucht die Schweiz eine materielle Steuerharmonisierung?, Zürich 2009, S. 58.