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Die Subventionsfreude des Bundes hat in den vergangenen Jahren weiter zugenommen, obwohl zentrale Gründe entfallen sind, die etwa während der Finanzkrise eine Ausweitung der Finanzhilfen nahelegten. Das geht aus dem neuen Subventionsbericht des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hervor, der im März 2018 erschienen ist.1 Im Gegensatz zu seinen Vorgängern beschränkt sich dieser Bericht auf die Subventionspolitik der Bundesregierung, also auf die Finanzhilfen des Bundes und seiner Sonderhaushalte sowie auf die Steuervergünstigungen. Denn ab 2016 waren nicht mehr für alle Bundesländer Finanzhilfedaten in der notwendigen Breite und Tiefe verfügbar, sodass die Länderfinanzhilfen nicht mehr zweifelsfrei identifiziert werden konnten. Dies hängt mit dem Übergang der Länder von der kameralistischen Einnahme-Ausgabe-Rechnung auf die Doppik zusammen. Die reformierten Haushaltspläne wiesen nicht mehr alle einzelnen Ausgabetitel aus, die für die Subventionsberechnung erforderlich waren, sodass keine Gesamtzahl mehr für alle Gebietskörperschaften präsentiert werden konnte. Unter diesen Umständen lag es nahe, sich auf die Bundessubventionen sowie die Finanzhilfen zu konzentrieren.

Für 2016 plante die Bundesregierung ursprünglich einen außergewöhnlich hohen Anstieg der Finanzhilfen um 18,8 %, tatsächlich war bei den Ist-Zahlen schließlich immer noch ein stattliches Plus von 11,5 % zu verzeichnen. Die gesamten Finanzhilfen des Bundes stiegen von 44,8 Mrd. Euro auf knapp 50 Mrd. Euro. In diesen Zahlen sind neben den direkten Finanzhilfen des Bundes die indirekten enthalten, also die Mittel, die der Bund für Subventionszwecke an die Länder überweist, ferner die Finanzhilfen der Sonderhaushalte2 sowie die Kompensationszahlungen, die der Bund wegen seines Rückzugs aus Gemeinschaftsaufgaben im sozialen Wohnungsbau und in der Verkehrspolitik der Gemeinden an die Länder überweist. Die Kompensationszahlungen werden zwar zweck­ungebunden gewährt, es ist aber zu vermuten, dass die Mittel wie zuvor für entsprechende Subventionszwecke verwendet werden.3 Ohne Kompensationszahlungen gerechnet stiegen die Bundesfinanzhilfen von 43 Mrd. Euro auf 47,6 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Demgegenüber weist der amtliche Subventionsbericht der Bundesregierung mit seiner sehr viel restriktiveren Abgrenzung für das Jahr 2016 nur 5,9 Mrd. Euro für den Bund aus.

Tabelle 1
Finanzhilfen des Bundes nach Sektoren und Subventionszielen
in Mio. Euro1
2008 2010 2012 2014 2016 2017
I Sektorspezifische Finanz­hilfen zugunsten von Unternehmen 23 060 25 047 24 399 24 391 26 998 29 009
Land- und Forstwirt­schaft, Fischerei 2 438 2 549 2 089 2 208 2 331 2 657
Bergbau 2 273 1 734 1 556 1 629 1 727 1 474
Schiffbau 23 10 9 9 12 26
Verkehr 15 770 16 736 17 591 17 707 19 822 20 086
Wohnungsvermietung 1 463 1 918 1 818 1 450 1 410 1 603
Luft- und Raumfahrzeug­bau 82 149 123 125 146 156
Entsorgung radioaktiver Abfälle 89 153 156 216 245 74
Sonstige Unterneh­mens­sektoren 923 1 798 1 059 1 047 1 305 2 934
II Branchenübergreifende Finanzhilfen zugunsten von Unternehmen 5 878 6 084 4 810 5 312 5 278 7 614
Regionalpolitik, Struktur­politik 713 671 718 648 536 585
Umwelt, rationelle Energie­verwendung 506 763 916 1 534 1 992 3 794
Beschäftigungspolitik 2 954 2 607 1 216 1 127 690 953
Förderung von Qualifika­tion 293 382 523 502 517 648
Mittelstandsförderung 1 321 1 535 1 302 1 347 1 387 1 466
Förderung sonstiger Unternehmensfunktionen 92 125 135 154 156 167
III Finanzhilfen an Unter­neh­men insgesamt (I + II) 28 938 31 130 29 209 29 703 32 276 36 623
IV Transfers und Zuwendun­gen an private und staat­liche Organisationen ohne Erwerbszweck 3 250 13 078 15 150 11 716 15 319 15 855
Krankenhäuser, gesetzliche Krankenversicherung 2 505 11 804 14 004 10 524 14 044 14 553
Kindertagesstätten, Kinder­krippen 63 535 343 362 288 2
Theater, Museen, sonstige Kulturanbieter 386 428 504 507 591 745
Kirchen, Religionsgemein­schaften 10 9 13 13 15 19
Sport, Freizeit 127 136 130 136 166 316
Sonstige Empfänger 160 167 156 174 215 220
V Finanzhilfen insgesamt (III + IV) 32 188 44 209 44 359 41 419 47 594 52 477

1 Ohne Kompensationszahlungen des Bundes an die Länder, die seit 2007/2008 geleistet werden, als der Bund sich aus der Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückgezogen hatte.

Quelle: C.-F. Laaser, A. Rosenschon: Kieler Subventionsbericht und die Kieler Subventionsampel: Finanzhilfen des Bundes und Steuervergünstigungen bis 2017 – eine Aktualisierung, Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 14, 2018, S. 11, https://www.ifw-kiel.de/pub/wipo/volumes/wipo14.pdf (31.5.2018).

2017 sollten nach den Haushaltsplanungen die gesamten Finanzhilfen des Bundes abermals kräftig zunehmen, und zwar um 10,8 % auf 55,3 Mrd. Euro (52,5 Mrd. Euro ohne Kompensationszahlungen). Im amtlichen Subventionsbericht sind hingegen 8,9 Mrd. Euro für die Finanzhilfen des Bundes veranschlagt. Auch ist für das laufende Jahr zu erwarten, dass die neue Bundesregierung, die seit 14. März 2018 im Amt ist, die subventionspolitischen Zügel locker hält. Der neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat bereits angekündigt, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft durch neue Staatshilfen verbessern zu wollen. Steuervergünstigungen wurden 2017 in Höhe von 62,1 Mrd. Euro gewährt (vgl. Tabelle 2). Diese Summe sank gegenüber den Vorjahren leicht. Dies liegt daran, dass Sondereffekte auslaufen, die durch die Erbschaftsteuerreform bedingt waren, die vorgezogene Eigentumsübergänge und Schenkungen ausgelöst hat. Um diesen Effekt bereinigt ist auch bei den Steuervergünstigungen ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten.

Tabelle 2
Steuervergünstigungen nach Sektoren und Subventionszielen
in Mio. Euro
2008 2010 2012 2014 2016 2017
I Sektorspezifische Steuervergünstigungen zugunsten von Unter­nehmen 24 436 24 378 20 593 20 240 21 059 21 475
Land- und Forstwirt­schaft, Fischerei 626 894 925 1 161 1 216 1 216
Bergbau 1 0 0 0 0 0
Verkehr 2 686 2 640 2 501 2 592 2 829 2 933
Wohnungsvermietung 6 399 5 164 1 696 323 283 278
Sonstige Unternehmens­sektoren 14 724 15 680 15 471 16 164 16 731 17 048
II Branchenübergreifende Steuervergünstigungen zugunsten von Unternehmen 8 559 7 432 6 623 16 345 14 772 13 846
Regionalpolitik, Struktur­politik 1 355 1 106 969 790 132 71
Steuervergünstigungen zugunsten mehrerer Sektoren 7 204 6 326 5 654 15 555 14 640 13 775
III Steuervergünstigungen im engeren Sinn ins­gesamt (I + II) 32 995 31 810 27 216 36 585 35 831 35 321
IV Transfers und Zuwen­dungen an private und staatliche Organisatio­nen ohne Erwerbs­zweck 20 347 22 750 23 724 25 219 26 350 26 750
Kirchen, Religions­gemein­schaften 3 150 2 730 3 210 3 650 3 890 3 790
Steuervergünstigungen zugunsten mehrerer Sektoren 9 802 12 625 13 119 14 174 15 065 15 565
Sonstige haushaltsbezo­gene Steuervergünsti­gungen 7 395 7 395 7 395 7 395 7 395 7 395
V Steuervergünstigungen im weiten Sinn insge­samt (III + IV) 53 342 54 560 50 940 61 804 62 181 62 071

Quelle: C.-F. Laaser, A. Rosenschon: Kieler Subventionsbericht und die Kieler Subventionsampel: Finanzhilfen des Bundes und Steuervergünstigungen bis 2017 – eine Aktualisierung, Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 14, 2018, S. 15, Tabelle 7, https://www.ifw-kiel.de/pub/wipo/volumes/wipo14.pdf (31.5.2018).

Vor allem der Verkehrssektor profitiert mit über 20 Mrd. Euro von den Finanzhilfen, hierzu zählen die Regionalisierungsmittel für die Länder zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs (8,1 Mrd. Euro), Infrastrukturbeihilfen für Schienenwege der Bahn (5,2 Mrd. Euro) oder Entgelt- und Pensionszahlungen für ehemalige Beamte der Bundesbahn (5,2 Mrd. Euro). Größter Einzelposten ist der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 14,5 Mrd. Euro. Er ist in den letzten Jahren besonders stark gestiegen und hat bei seiner Einführung 2004 lediglich 1 Mrd. Euro betragen.

In den letzten beiden Jahren haben verschiedene Posten der Umwelt- und Energiepolitik stark an Bedeutung gewonnen, die 2017 Finanzhilfen von insgesamt 3,8 Mrd. Euro erhielten, darin enthalten ist etwa das CO2-Gebäude­sanierungsprogramm (0,9 Mrd. Euro) oder die Förderung von Elektromobilität (0,4 Mrd. Euro). Ein erheblicher Teil dieser Finanzhilfen wird aus dem „Energie- und Klimafonds“ finanziert. Traditionell hoch sind die Finanzhilfen für den Sektor Land-/Forstwirtschaft und Fischerei, der vom Bund mit 2,7 Mrd. Euro unterstützt wurde und zudem von der EU weitere 5 Mrd. Euro Agrarmarktbeihilfen erhielt. Immer noch subventioniert wird der Kohlebergbau mit 1,5 Mrd. Euro. In den Breitbandausbau flossen 0,8 Mrd. Euro.

Steuervergünstigungen werden in erster Linie durch eine Befreiung von der Umsatzsteuer gewährt. Mit insgesamt 17 Mrd. Euro profitierten Ärzte sowie die Sozialversicherungsträger am stärksten, also Krankenhäuser, Diagnosekliniken, Altenheime, Pflegeheime, ambulante Pflegedienste und Wohlfahrtsverbände. Durch eine Ermäßigung der Umsatzsteuer subventioniert wurden auch kulturelle und unterhaltsame Leistungen (3,8 Mrd. Euro), die Personenbeförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV, 1,3 Mrd. Euro), Beherbergungsleistungen (1,4 Mrd. Euro) oder gemeinnützige Organisationen ohne Erwerbscharakter (0,4 Mrd. Euro).

Konjunkturbedingt reichlich sprudelnde Steuerquellen und gigantische Zinsersparnisse zulasten der Sparer stimulieren letztlich die Subventionsfreudigkeit des Bundes. Gleichwohl sollte die gegenwärtig günstige Kassenlage der öffentlichen Haushalte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Finanzpolitik aufgrund des demografischen Wandels bald wieder ein rauerer Wind entgegenblasen dürfte. Die Politik wäre gut beraten, ihre Subventionen deutlich zurückzufahren und Vorsorge für künftige Finanzierungsengpässe zu treffen sowie Herausforderungen wie die Integration von Flüchtlingen, die Bildungspolitik in Zeiten fortschreitender Digitalisierung oder die Verstärkung der inneren und äußeren Sicherheit auf die Tagesordnung zu setzen. Auch die Modernisierung der Infrastruktur dürfte mehr Mittel beanspruchen, als derzeit dafür aufgewendet werden.

Da auf mittlere Sicht ein Subventionsabbau unvermeidlich sein dürfte, enthält der diesjährige Subventionsbericht des IfW als Entscheidungsinstrument für die Politik eine Subventionsampel, mit der alle Subventionen über einem Gesamtbetrag von 100 Mio. Euro klassifiziert werden. Damit wird ein Ansatz wieder aufgegriffen, den das IfW schon 2011 angewendet hat, als in einer umfangreichen Studie zu Konsolidierungspotenzialen im Bundeshaushalt und bei Steuervergünstigungen untersucht wurde, inwieweit eine ersatzlose Streichung oder Kürzung von Subventionen angezeigt sei.4 Ein „Rot“ der Ampel bedeutet, dass die Subvention ersatzlos gestrichen werden sollte. Dies betraf 2017 12,8 % der bewerteten Bundesfinanzhilfen (6,2 Mrd. Euro) und 20 % der bewerteten Steuervergünstigungen (11,5 Mrd. Euro).5 Hierunter fällt etwa Klientelpolitik wie die Umsatzsteuerermäßigung für Hoteliers (1,3 Mrd. Euro) oder die Zuschüsse zur Kranken- und Unfallversicherung bei Landwirten (1,5 Mrd. Euro). Auch werden Subventionen als rot klassifiziert, denen eine „Anmaßung von Wissen durch staatliche Stellen“ zugrunde liegt, wenn also z. B. bestimmte Lösungen für die Zukunft als subventionswürdig betrachtet werden, andere aber nicht, obwohl noch völlig unklar ist, welche der Lösungen sich als zukunftsträchtig erweisen wird. Dies betrifft die Förderung von Elektromobilität (0,4 Mrd. Euro), aber auch das Innovationsprogramm für den Mittelstand (0,5 Mrd. Euro). „Gelb“ als Ampelsignal signalisiert, dass die Subvention durchaus einen gesellschaftlichen Nutzen erfüllt, die Ausgestaltung aber verbessert werden kann und/oder Kürzungspotenziale bestehen. Dieser Kategorie wurden mit 74 % die Mehrzahl der bewerteten Bundesfinanzhilfen (36,0 Mrd. Euro) zugeordnet und 67 % der bewerteten Steuervergünstigungen (38,8 Mrd. Euro). Hierzu zählen etwa die Regionalisierungsmittel für den ÖPNV (8 Mrd. Euro), dessen Förderung zwar grundsätzlich richtig ist, aber es ist kritisch zu sehen, dass nicht alle Strecken per Ausschreibung vergeben werden. Ebenfalls als gelb klassifiziert wird die Subventionierung des Breitbandausbaus in ländlichen Regionen (0,8 Mrd. Euro), weil private Unternehmen damit von vornherein aus der Verantwortung genommen werden. Ein „grünes“ Ampelsignal zeigt an, dass ein Abbau der Subvention nicht vorgenommen werden soll oder kann. Entweder, weil ein gesellschaftlicher Mehrwert zu verzeichnen ist, etwa bei Subventionen für demokratische Bildung (0,1 Mrd. Euro), oder, weil dem rechtliche Hürden im Weg stehen, etwa bei den Pensionszahlungen an ehemalige Beamte der deutschen Bundesbahn (5,2 Mrd. Euro). Lediglich 13,1 % der bewerteten Bundesfinanzhilfen (6,4 Mrd. Euro) und 3 % der bewerteten Steuervergünstigungen (1,7 Mrd. Euro) sind im Kieler Subventionsbericht als grün gekennzeichnet.

  • 1 Vgl. C.-F. Laaser, A. Rosenschon: Kieler Subventionsbericht und die Kieler Subventionsampel: Finanzhilfen des Bundes und Steuervergünstigungen bis 2017 – eine Aktualisierung, Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 14, 2018, https://www.ifw-kiel.de/pub/wipo/volumes/wipo14.pdf (31.5.2018).
  • 2 Zu den Sonderhaushalten zählen der „Energie- und Klimafonds“, das Sondervermögen „Kinderbetreuungsfonds“ und die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW), die Zinsverbilligungen gewährt; von 2009 bis 2011 gab es zudem den Investitions- und Tilgungsfonds.
  • 3 Da dies aber nicht nachweisbar ist, wurden die Kompensationszahlungen in den folgenden tabellarischen Darstellungen nicht mit einbezogen.
  • 4 Vgl. A. Boss, H. Klodt et al.: Haushaltskonsolidierung und Subventionsabbau: Wie der Staat seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen kann, Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 3, 2011, https://www.ifw-kiel.de/pub/wipo/volumes/wipo_03.pdf (31.5.2018).
  • 5 Vgl. C.-F. Laaser, A. Rosenschon, a. a. O., S. 17-45, Tabelle 8, 9.


DOI: 10.1007/s10273-018-2314-7