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Maßnahmen zugunsten von Regionen mit Entwicklungsrückstand sind oft nur dann erfolgreich, wenn eine Region bereits mit einigen notwendigen „Zutaten“ für Wachstum ausgestattet ist – Geschichte zählt! Es wäre sinnvoller, ärmere Regionen und Kommunen in die Lage zu versetzen, eigene Strategien für den Aufholprozess zu entwickeln und umzusetzen, als dies zentral zu verordnen. Verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung solcher dezentralen Prozesse werden aufgezeigt.

Vor dem Hintergrund einer tendenziell wachsenden räumlichen Polarisierung hat sich in jüngster Zeit eine neue Diskussion über „abgehängte Regionen“, „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ sowie „Sicherung der Daseinsvorsorge in allen Teilräumen der Bundesrepublik Deutschland“ entzündet. Die Bundesregierung hat hierauf mit der Einsetzung einer Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ reagiert.1 In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung, den Möglichkeiten und den Grenzen der Regionalpolitik sowie nach neuen Ansätzen mit einer speziellen Eignung zur Förderung von ökonomisch benachteiligten Regionen.

Was ist Regionalpolitik?

Unter Regionalpolitik werden gezielte Maßnahmen größerer staatlicher Verbände (Länder, Bund oder EU) zur interregionalen Umverteilung mit dem Zweck einer Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einzelner – wie immer abgegrenzter – Regionen (oder Gruppen von Regionen) verstanden.2 Demgemäß ist Regionalpolitik deutlich von raumwirksamer Fachpolitik zu trennen.3 Nahezu jede politische Maßnahme auf der Ebene von Ländern, Bund oder EU hat auch räumliche Konsequenzen, indem durch sie jeweils die Entwicklung bestimmter Teilräume positiv oder negativ beeinflusst wird. Aber diese Effekte sind von der Politik zumeist nicht (zumindest nicht explizit) gewollt, sondern werden in Kauf genommen. Dies schließt nicht aus, dass in manchen Fällen die räumlichen Effekte einer politischen Maßnahme für manche Politiker das eigentliche Motiv für eine Initiierung oder Unterstützung dieser Maßnahme bilden, z. B. wenn es durch sie zu positiven Effekten für den eigenen Wahlkreis kommen kann. Soweit jedoch fachpolitische Maßnahmen in erster Linie deshalb realisiert werden, um eine Region oder Kommune (bzw. eine Gruppe von Regionen oder Kommunen) zu fördern, ist wiederum von (fachspezifischer) Regionalpolitik zu sprechen. Ein Beispiel hierfür ist die Einrichtung von Hochschulen in wirtschaftlich benachteiligten Regionen mit dem Ziel, das jeweilige regionale Innovationssystem zu verbessern. Die Grenzen zwischen den genannten Kategorien (raumwirksame Fachpolitik bzw. Regionalpolitik) sind fließend.

Zum bestehenden System der Regionalpolitik in Deutschland zählt an erster Stelle die (Bund-Länder-)Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW). Hinzu kommen die EU-Strukturfonds, speziell der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie der Europäische Sozialfonds (ESF), die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Eindeutig auf eine Umverteilung von Ressourcen zwischen Regionen ausgerichtet sind auch die Systeme des Länderfinanzausgleichs (LFA) sowie der horizontalen Aufteilung der Steuererträge (speziell für die Einkommen- und die Umsatzsteuer). Auf Länderebene kommt vor allem der Kommunale Finanzausgleich (KFA) im Sinne der länderspezifischen Regelungen für allgemeine Finanzzuweisungen der Länder an die Kommunen (Schlüsselzuweisungen) hinzu. Das ebenfalls länderspezifische System der Dotationen oder zweckgebundenen Finanzzuweisungen (Zweckzuweisungen) an die Kommunen bewirkt auch eine Umverteilung von Ressourcen. Allerdings ist die Förderung bestimmter Kommunen (oder Gruppen von Kommunen) in vielen Fällen nicht das primäre Ziel der Zweckzuweisungen, sondern fachpolitische Motive. Es gibt aber auch Zweckzuweisungen, die eindeutig auf die Förderung bestimmter (Gruppen von) Kommunen abzielen, weil die Fördertatbestände auf genau diese Kommunen konzentriert sind. Dann wäre wieder von Regionalpolitik zu sprechen.

Welche Regionstypen sollten gefördert werden?

Regionalpolitik wird vielfach generell mit Hilfen für strukturschwache Regionen gleichgesetzt, d. h. mit einer ausgleichsorientierten Regionalpolitik, die dem Streben nach gleichwertigen Lebensverhältnissen in allen Teilräumen verpflichtet ist. Es gibt zwar viele, auch ökonomische Argumente für eine solche Ausgleichspolitik, aber ebenfalls zahlreiche Gegenargumente, die nahelegen, regionalpolitische Fördermaßnahmen auf die Wachstumszentren zu konzentrieren (wachstums­orientierte Regionalpolitik).4 Die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) hat 2016 neben den Zielen einer Unterstützung von „Räumen mit besonderem strukturellen Handlungsbedarf“ (ländlich-periphere und altindustrielle Regionen) und der „Sicherung der Daseinsvorsorge“ in allen Teilräumen auch das Ziel der „Weiterentwicklung der deutschen Metropolregionen“ als zentrales raumordnungspolitisches Leitbild postuliert.5 Damit werden zugleich ausgleichsorientierte und wachstumsorientierte Ziele verfolgt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion, die sich auf Politik zugunsten der ländlich-peripheren und altindustriellen Regionen konzentriert, wird im Folgenden von einer Erörterung der Politikmaßnahmen abgesehen, die auf eine Förderung der Wachstumszentren fokussiert sind. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auf die allgemeine ökonomische Diskussion über Ballungsvorteile und ihre zunehmende Relevanz für den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen und ganzen Volkswirtschaften sowie auf die hohe Attraktivität der Ballungszentren und der in ihnen vorhandenen „Amenities“ für die Entscheidung privater Haushalte über ihren Wohn- und Arbeitsstandort zu verweisen.6 Aufgrund dieser Faktoren ist zu erwarten, dass der Trend zur Abwanderung aus ökonomisch benachteiligten Regionen weiter anhalten wird und regionalpolitische Maßnahmen zur Förderung solcher Regionen diese – gesamtswirtschaftlich durchaus positive – Entwicklung nur verlangsamen, aber nicht stoppen können.

Vorhandene Potenziale einer Region einbeziehen

Eine Reihe von traditionellen Maßnahmen zur Förderung von strukturschwachen Regionen hat sich in der Praxis als wenig erfolgreich bzw. wenig nachhaltig erwiesen, weil die vorhandenen Ausgangsbedingungen der Regionen keinen hinreichenden Resonanzboden für die Fördermaßnahmen bilden. Dies sei an den Beispielen der Forschungsförderung durch die Ansiedlung und den Ausbau von öffentlichen Wissenschaftseinrichtungen (ÖWE) sowie der Förderung von touristischer Infrastruktur illustriert. Vielfach ist versucht worden, die Entwicklung von ökonomisch benachteiligten Regionen mit Hilfe einer Ansiedlung oder eines Ausbaus von ÖWE, also von Hochschulen oder hochschulexternen Forschungseinrichtungen, zu unterstützen.7 ÖWE bewirken auf der einen Seite Nachfrageeffekte (über die Gehälter des Personals und die hieraus resultierenden Ausgaben, über die Ausgaben zum Bau und zur Unterhaltung der ÖWE und ihrer Forschungsinfrastruktur sowie – im Fall der Hochschulen – über die Ausgaben der Studierenden). Auf der anderen Seite kann es zu sogenannten Angebotseffekten kommen, vor allem im Sinne von Wissenstransfers. Diese finden statt, wenn Absolventen in der jeweiligen Region Beschäftigung finden oder es zu einer Kooperation bei Forschung und Entwicklung zwischen ÖWE und Unternehmen in der Region kommt. Hiervon wird erwartet, dass der regionale Innovationsprozess gefördert wird und die regionalen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können. Beide Effekte sind jedoch von der Absorptionsfähigkeit der jeweiligen Region abhängig.

Hinsichtlich der Nachfrageeffekte ist entscheidend, wie attraktiv eine Region als Wohnstandort für Studierende und Wissenschaftler ist. Bei einer geringen Wohnattraktivität tendieren beide Gruppen dazu, auswärts zu wohnen und zum Hochschulort zu pendeln – mit der Folge, dass die Nachfrageeffekte gering ausfallen. Für die Angebotseffekte ist entscheidend, inwieweit die regionalen Unternehmen und die Wissenschaftseinrichtungen hinsichtlich ihrer fachlichen Ausrichtung übereinstimmen (Branchenkongruenz) sowie inwieweit die regionalen Unternehmen über Kapazitäten verfügen, um mit den ÖWE zu kooperieren. Bei kleinen und mittleren Unternehmen fehlen solche Kapazitäten vielfach. Darüber hinaus müssen Kooperationsbeziehungen im Zeitverlauf wachsen, sie lassen sich nicht von heute auf morgen etablieren. Sowohl die Unternehmen als auch die ÖWE-Mitglieder verfügen zum Zeitpunkt der Neuansiedlung einer Hochschule oder eines Forschungsinstituts zumeist bereits über Kooperationspartner in anderen Regionen und wollen derartige, einmal etablierte Beziehungen vielfach lieber bewahren als neue Kooperationen aufzubauen.

Ein wichtiger Bereich der Infrastrukturförderung im Rahmen der GRW war bislang die Förderung von touristischer Infrastruktur.8 Es wird erwartet, dass durch einen Ausbau der touristischen Infrastruktur mehr Touristen in eine Region attrahiert werden können und damit positive Effekte für das Gastgewerbe auftreten. Darüber hinaus kann es zu weiteren positiven Veränderungen kommen, unter anderem hinsichtlich des Images einer Region, wenn Touristen dort positive Erfahrungen machen. Allerdings treten die positiven Effekte im Gastgewerbe infolge eines Ausbaus der touristischen Infrastruktur vor allem in den Regionen auf, die bereits eine längere Tradition als touristische Destinationen und grundsätzlich schon eine gut ausgebaute Infrastruktur aufweisen. Für Newcomer-Destinationen in strukturschwachen Regionen ohne besondere touristische Highlights bleiben positive Effekte weitgehend aus.

Entsprechende Zusammenhänge müssen nicht für alle Kategorien von Fördermaßnahmen gelten, dürften aber in verschiedenen Bereichen als relevante Hemmnisse wirken. Die einzelbetriebliche Investitionsförderung ist laut Bade und Alm insoweit erfolgreich, als sich die geförderten Betriebe hinsichtlich der Zahl ihrer Beschäftigten deutlich günstiger entwickelt haben als vergleichbare nicht geförderte Betriebe.9 Ob sich hieraus langfristige Entwicklungsimpulse für die geförderten Regionen ergeben, hängt auch vom dortigen Bestand an Fachkräften (und ihren spezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten) sowie von der Struktur der bereits vorhandenen Unternehmen in der Region und der damit verbundenen Möglichkeit ab, ob intraregionale Wertschöpfungsketten entstehen können. Technologie- und Gründerzentren (TGZ) sind nur dann erfolgreich im Sinne der Förderung von Unternehmensgründungen, wenn es in einer Stadt oder Region ein Potenzial an Gründern gibt (z. B. aufgrund vorhandener ÖWE, aus denen heraus Ausgründungen erfolgen können).10 Die Effekte einer Ansiedlung von Behörden des Bundes oder des jeweiligen Landes hängen von den gleichen oder ähnlichen Faktoren ab wie die Wirkungen von ÖWE. Wie wichtig frühere Entwicklungen für die heutigen Perspektiven von Regionen sind, zeigen auch die Ergebnisse von Untersuchungen zur räumlichen Verteilung von unternehmerischen Fähigkeiten und Aktivitäten. Fritsch und Wyrwich zufolge ist die bereits vor Jahrzehnten in einer Region jeweils entwickelte Unternehmenskultur von erheblicher Relevanz für die heutige Neigung der in dieser Region lebenden Menschen zum Unternehmertum.11 Aufgrund der Skepsis gegenüber den traditionellen Maßnahmen der Regionalpolitik stellt sich die Frage nach Alternativen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die im Folgenden betrachteten Maßnahmen meist nicht gezielt bestimmten Regionen zugutekommen, sondern tendenziell allen strukturschwachen Regionen. Diese erhalten mehr Möglichkeiten für eine günstige wirtschaftliche und versorgungspolitische Entwicklung – aber natürlich müssen die Entscheidungsträger vor Ort diese Möglichkeiten auch nutzen.

Natürliche Förderung der Peripherie

In jüngster Zeit werden diverse Maßnahmen zur Unterstützung der dynamisch wachsenden Stadtregionen diskutiert oder implementiert, um einige der sich abzeichnenden Ballungsnachteile (speziell in Form drastisch steigender Immobilien- und Mietpreise) zu kompensieren. Entsprechende Maßnahmen – wie z. B. die Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus Bundesmitteln – sind unter Umständen dazu geeignet, die Wohnkosten speziell für sozial schwache Haushalte in den Ballungsräumen zu senken.12 In Anbetracht der niedrigen Immobilien- und Mietpreise in den wirtschaftlich benachteiligten und von Abwanderung betroffenen Regionen ist aber zu fragen, ob ein Verzicht auf bundespolitische Interventionen in den Wohnungsmarkt dazu beitragen könnte, die Sogwirkung der Ballungsräume zu bremsen. Auch wenn dies nur begrenzt gelingen kann, wäre damit doch zumindest ein Signal zugunsten der strukturschwachen Regionen gesetzt. Soweit Maßnahmen wie der Bau von Sozialwohnungen dazu beitragen können, sozial schwachen Haushalten in den Ballungsräumen zu helfen, könnten dann die wirtschaftlich prosperierenden Städte entsprechende Maßnahmen aus ihren eigenen Budgets finanzieren – damit würden die Ballungskosten tendenziell internalisiert. Ähnlich könnte in anderen Politikbereichen verfahren werden.

Dezentralisierung, Absenkung kommunaler Standards

Die kommunalen Gebietsreformen der letzten Jahre, speziell in Ostdeutschland, trugen wesentlich zur allgemeinen Zentralisierungstendenz bei. Hierzu gehört die zunehmende Regulierung der Aufgabenerfüllung durch immer neue kommunale Standards. Eine Entrümpelung solcher Standards senkt nicht nur die Kosten der kommunalen Aufgabenerfüllung, sondern erhöht auch die Handlungsspielräume gerade der peripheren Kommunen. Die Regulierungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), etwa hinsichtlich der Einrichtung von Bushaltestellen und der damit verbundenen Auflagen sind ein Beispiel, deren Relevanz gerade für dünn besiedelte Regionen bezweifelt werden kann. Mit den kommunalen Gebietsreformen wurde das Ziel verfolgt, durch größere kommunale Einheiten die Kosten zu senken (Effizienzziel). Allerdings haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass entsprechende Effizienzvorteile nicht immer auftreten und es teilweise für größere Einheiten sogar zu Effizienznachteilen kommen kann. Dies lässt sich auch damit erklären, dass für die Kosten der kommunalen Aufgabenerfüllung neben der Einwohnerzahl der Faktor Fläche – gerade für periphere Regionen – eine wesentliche Rolle spielt.13 Die Gebietsreformen haben die Erreichbarkeit der kommunalen Ämter und Einrichtungen der Daseinsvorsorge für die Bewohner und tendenziell auch deren Identifikation mit ihrer Kommune verschlechtert. Eine allgemeine Reform der Reform wird kaum realisierbar sein. Es kann aber versucht werden, die negativen Folgen durch integrative Maßnahmen zu kompensieren, etwa mithilfe von Infrastrukturgenossenschaften.

Umbau des kommunalen Finanzsystems

Zur raumwirksamen Fachpolitik zählt auch die bundespolitische Regelung des Systems der kommunalen Eigeneinnahmen, das aufgrund diverser Schwächen seit Jahren in der Kritik steht. Durch eine Umstrukturierung kann es zu einem erhöhten Zufluss an allgemeinen Finanzmitteln in wirtschaftlich benachteiligten Regionen kommen. Ansatzpunkte könnten eine Erhöhung des kommunalen Umsatzsteueranteils oder eine Veränderung der Kriterien für die Verteilung des Umsatzsteueranteils unter den Kommunen sein. Allerdings haftet dem kommunalen Umsatzsteueranteil „der Makel des Zuweisungscharakters an.“14 Für eine nachhaltige Sicherung der kommunalen Einnahmen und ihrer Flexibilität ist es erforderlich, dass die Kommunen ihre Einnahmen selbst bestimmen können. Besser als Veränderungen bei der Umsatzsteuer wäre deshalb der seit langem diskutierte Umbau der Gewerbesteuer in Richtung auf eine Unternehmensteuer, speziell durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage (um ertragsunabhängige Elemente) und Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen um die freien Berufe. Damit würde es zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen der strukturschwachen Kommunen kommen.

Auch die länderspezifischen Systeme des KFA bieten Ansatzpunkte für Veränderungen, die der Entwicklung strukturschwacher Regionen dienen können. Die Zweckzuweisungen der Länder an die Kommunen sind für die Kommunen scheinbar kostenlos. „Damit wird einer ineffizienten Mittelverwendung und einer Überdimensionierung der kommunalen Infrastruktur Vorschub geleistet … Hierbei spielt auch die Tendenz der kommunalen Entscheidungsträger eine Rolle, … alle ‚Investitionszuweisungstöpfe‘ der Landesebene zu nutzen – ungeachtet der zumeist erforderlichen Ko-Finanzierung der Investitionen aus kommunalen Eigenmitteln sowie der möglichen Folgekosten.“15 Eine Alternative wäre die Zusammenfassung der Zweckzuweisungen, mit der dann nicht mehr diverse unterschiedliche und unverbundene Einzelzwecke gefördert werden könnten, sondern nur solche lokalen Maßnahmen, die sich konsistent in dezentral entstandene Entwicklungsstrategien einfügen lassen. Im Rahmen der allgemeinen Finanzzuweisungen könnte das Konnexitätsprinzip noch deutlich verstärkt Anwendung finden. Wenn die Kosten für die Durchführung von Bundes- oder Landesgesetzen weitgehend erstattet werden, bringt dies gerade für die strukturschwachen Kommunen eine erhebliche finanzielle Entlastung, insbesondere im Bereich der Sozialpolitik.

Chancen der Kooperation stärker nutzen

Zwar sind die Möglichkeiten von Interkommunalen Kooperationsvorhaben (IKV) zur Steigerung der Effizienz der kommunalen Aufgabenerfüllung nach vorliegenden Untersuchungen eher begrenzt.16 Es ist aber möglich, durch IKV die Qualität der Leistungsangebote zu verbessern. Durch IKV können auch strukturschwache Kommunen hoch qualifiziertes Personal einsetzen, das dazu in der Lage ist, den zunehmend komplexeren externen Anforderungen an die Kommunalverwaltung zu entsprechen. Während solche Vorteile im Bereich der allgemeinen Verwaltung nur bedingt für die Bewohner strukturschwacher Kommunen relevant sind, ist zu erwarten, dass IKV im Bereich der kommunalen Infrastruktur (z. B. bei Sozialstationen oder Kultureinrichtungen) zu einer Sicherung der Versorgung mit entsprechenden Leistungen beitragen können. Natürlich bleibt damit der Nachteil verbunden, dass größere räumliche Entfernungen zwischen den Nutzern und den Infrastruktureinrichtungen entstehen. Die wirtschaftliche Entwicklung wird durch IKV insoweit gefördert, als aufgrund der erreichten Versorgungssicherheit tendenziell die Abwanderung von Konsumenten und Fachkräften vermindert wird. Direkter auf die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort ausgerichtet sind IKV bei Gewerbegebieten und beim Tourismusmarketing. Es kann vorteilhaft sein, wenn benachbarte Kommunen ihre touristischen Potenziale unter einer gemeinsamen Marke bewerben. Soweit eine einzelne Kommune nicht über so viele Attraktionen verfügt, dass Touristen länger bleiben, kann die Bündelung der Attraktionen von benachbarten Kommunen dazu führen, dass sich die Touristen in der Region länger aufhalten und relevante Effekte im Gastgewerbe bewirken. Gemeinsame Gewerbegebiete von mehreren Kommunen ermöglichen eine Bündelung von investiven Mitteln. Zudem können Gewerbegebiete auf Flächen konzentriert werden, die für private Investoren besonders attraktiv sind.

Auch innerhalb der Kommunen können Kooperationen zur Erschließung neuer Ressourcen führen. Wenn eine Kommune aufgrund fehlender Finanzmitteln eine Einrichtung schließen muss oder Gebäude, die das Ortsbild prägen und für die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt oder Gemeinde von Bedeutung sind, nicht mehr erhalten kann, kann bürgerschaftliches Engagement eine relevante Handlungsoption sein. Natürlich wird es in strukturschwachen Regionen auch den privaten Haushalten an finanziellen Mitteln fehlen. Aber durch Bündelung geringer finanzieller Beträge und die Bereitschaft, sich selbst mit eigener Arbeitskraft einzubringen, kann es gelingen, fehlende kommunale Finanzmittel zu substituieren. Insbesondere das Modell der Infrastrukturgenossenschaften ist geeignet, um für entsprechende bürgerschaftliche Aktivitäten den passenden rechtlichen Rahmen zu bilden.17 Damit kann auch eine verstärkte Integration der Bürger vor Ort in die lokale Entwicklungspolitik verbunden sein. Exemplarisch sei hier nur auf die Bahnhofsgenossenschaft Lutherstadt Eisleben (im strukturschwachen Mansfelder Land) verwiesen. Hier ist es durch das Engagement der Bürger gelungen, den Bahnhof – eine Visitenkarte der Stadt – zu renovieren und mit wirtschaftlich ertragreichen Nutzungen zu versehen. Auch z. B. für die Einrichtung von Dorfläden, die neben dem Einkauf von Dingen des täglichen Bedarfs auch als lokale Treffpunkte dienen können, kann das Modell der Infrastrukturgenossenschaft angewendet werden. Kooperationsvorhaben müssen grundsätzlich dezentral entstehen und geführt werden. Die Regionalpolitik von Bund und Ländern kann aber sowohl die Einrichtung von IKV als auch bürgerschaftliche Kooperationsvorhaben anregen und unterstützen, speziell wenn diese in dezentral festgelegte, plausible Entwicklungsstrategien eingebaut sind.

Weniger Lenkung von oben, mehr Souveränität vor Ort

Die diskutierten Elemente einer „neuen Regionalpolitik“ sind grundsätzlich nicht neu. Es ist nicht zu erwarten, dass sie allein dazu beitragen können, die räumlichen Konzentrationstendenzen in Richtung auf die großen Ballungsräume umzudrehen. Es kann mit ihnen jedoch vermutlich gelingen, die Identifikation der Bewohner strukturschwacher Regionen mit ihrer jeweiligen Kommune zu erhöhen und die Entscheidungsprozesse auf der lokalen Ebene wieder mit mehr Leben zu füllen sowie näher an die Bürger heranzuführen. Die Akteure auf der Landes- und Bundesebene müssten dann allerdings dazu bereit sein, auf einen Teil ihrer bisherigen regionalpolitischen Detail-Lenkungsmechanismen zu verzichten.

  • 1 Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Gemeinsam für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland – Bundeskabinett hat die Einsetzung der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ beschlossen, Pressemitteilung vom 18.7.2018, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2018/07/gleichwertige-lebensverhaeltnisse.html (30.11.2018).
  • 2 Demgegenüber sind politische Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, über die auf regionaler Ebene (unterhalb der Länderebene) entschieden wird, als regionale Entwicklungspolitik oder Wirtschaftsförderung zu bezeichnen. Zwischen der regionalen Entwicklungspolitik und der Regionalpolitik gibt es diverse Verflechtungen, zumal die übergeordneten Verbände vielfach das Ziel haben, mit ihrer Politik jene auf der regionalen (und der kommunalen) Ebene zu beeinflussen.
  • 3 Besonders raumrelevant sind die Systeme der sozialen Sicherung, vgl. M. T. W. Rosenfeld et al.: Interregionale Ausgleichspolitik in Deutschland: Untersuchungen zu den Effekten ausgewählter Systeme zur Herstellung von „gleichwertigen Lebensverhältnissen“, IWH-Sonderheft 2, Halle 2007.
  • 4 Vgl. M. T. W. Rosenfeld: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung, Hannover, im Erscheinen 2019; Vorabveröffentlichung: http://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=49858&elem=3149674 (30.10.2018).
  • 5 Aus Sicht der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) stehen die Leitbilder gleichberechtigt nebeneinander. Vgl. Ministerkonferenz für Raumordnung: Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, beschlossen von der 41. MKRO am 9.3.2016, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/Raumentwicklung/leitbilder-und-handlungsstrategien-2016.pdf?__blob=publicationFile (28.11.2018).
  • 6 Vgl. insbesondere M. Fujita, J.-F. Thisse: Economics of Agglomeration – Cities, Industrial Location, and Regional Growth, Cambridge 2002.
  • 7 Vgl. z. B. M. T. W. Rosenfeld, P. Franz, D. Roth: Was bringt die Wissenschaft für die Wirtschaft in einer Region? – Regionale Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungseffekte von öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen am Beispiel der Region Halle, Schriften des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Baden-Baden 2005.
  • 8 Vgl. A. Kauffmann, M. T. W. Rosenfeld: How to Create a New Holiday Destination? An Evaluation of Local Public Investment for Supporting Tourism Industry, in: Á. Matias, P. Nijkamp, M. Sarmento (Hrsg.): Quantitative Methods in Tourism Economics, Berlin, Heidelberg 2013, S. 129-151.
  • 9 Vgl. F.-J. Bade, B. Alm: Endbericht zum Gutachten Evaluierung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durch einzelbetriebliche Erfolgskontrolle für den Förderzeitraum 1999-2008 und Schaffung eines Systems für ein gleitendes Monitoring, Dortmund 2010, https://www.econstor.eu/bitstream/10419/93487/1/evaluierung-gemeinschaftsaufgabe%2cproperty%3dpdf%2cbereich%3dbmwi2012%2csprache%3dde%2crwb%3dtrue.pdf (29.11.2018).
  • 10 Damit ist noch nichts über den längerfristigen Erfolg der „Inkubatoren“ gesagt, vgl. M. Schwartz: Langfristwirkung von Technologie- und Gründerzentren – Eine empirische Untersuchung von ausgezogenen Unternehmen an ausgewählten Standorten in den Neuen Bundesländern, Wirtschaftspolitik in Forschung und Praxis, Bd. 47, Hamburg 2008.
  • 11 Vgl. M. Fritsch, M. Wyrwich: The effect of entrepreneurship on economic development – an empirical analysis using regional entrepreneurship culture, in: Journal of Economic Geography, 17. Jg. (2017), H. 1, S. 157-189.
  • 12 Die Diskussion über „sozial verträgliche Mieten“ konzentriert sich auf die dynamisch wachsenden Ballungsräume, auch wenn entsprechende Maßnahmen grundsätzlich allen Regionen zugutekommen können.
  • 13 Vgl. z. B. P. Haug, A. Illy: Größe ist nicht alles – Die Effizienz der kommunalen Leistungserstellung am Beispiel Sachsen-Anhalts, in: Wirtschaft im Wandel, 17. Jg. (2011), H. 10, S. 347-355.
  • 14 G. Landsberg: Städte und Gemeinden im Sog der Rezession, in: Wirtschaftsdienst, 90. Jg. (2010), H. 5, S. 285, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2010/5/kommunen-in-der-krise/ (24.1.2019).
  • 15 M. T. W. Rosenfeld: Stärkung der Eigenverantwortlichkeit von Städten und Gemeinden ist wichtiger als mehr Geld!, in: Wirtschaftsdienst, 90. Jg. (2010), H. 5, S. 302, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2010/5/kommunen-in-der-krise/ (24.1.2019).
  • 16 Vgl. die Ergebnisse aus dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekt „Interkommunale Kooperation“, https://www.boeckler.de/11145.htm?projekt=S-2014-713-4 (2.12.2018).
  • 17 Vgl. hierzu W. Kluth (Hrsg.): Infrastrukturgenossenschaften, Genossenschafts- und Kooperationsforschung, Bd. 3, Halle 2017.

Title:“New Regional Policy“ by Supporting Local Development Initiatives

Abstract:Although there are good reasons to support metropolitan areas with strong economies, this article focuses on measures that favour regions that lag behind. After a short description of a wide range of regional policy measures in Germany, the article focuses on traditional assistance to poorer regions. These measures are often only successful if a region is already equipped with some necessary “ingredients” for growth. It may be better to enable the poorer regions and local units to develop and implement their own strategies for catching up. The decentralization processes is discussed.


DOI: 10.1007/s10273-019-2436-6