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Der Bund und die Länder versuchen mit einem ganzen Bündel an stabilisierenden Maßnahmen die Corona-bedingten Folgen für die Wirtschaft abzumildern. Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hat die Bundesregierung ein weiteres Instrument mit einem Volumen von 600 Mrd. Euro aufgelegt. Zunächst kann der WSF der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen in einem Volumen von 100 Mrd. Euro für im Zuge der Corona-Krise aufgelegte Sonderprogramme gewähren. Darüber hinaus stehen dem Fonds grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung, um Unternehmen in wirtschaftlicher Bedrängnis zu unterstützen.

Erstens kann der WSF Garantien bis zu 400 Mrd. Euro übernehmen, für die eine zeitliche Befristung von 60 Monaten gilt. Zweitens kann sich der WSF über nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen und Unternehmensanteile direkt an der Rekapitalisierung von Unternehmen beteiligen. Das Rekapitalisierungsvolumen ist auf 100 Mrd. Euro begrenzt und sieht keine Befristung vor. Mit der Möglichkeit einer Unternehmensbeteiligung wird mit diesem Teil des Hilfsprogramms über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ein Staatsfonds mit direkter Beteiligung an Unternehmen im Inland etabliert. Per definitionem fällt dieser Staatsfonds in die Kategorie der Entwicklungs-, Infrastruktur- und Investitionsfonds.

Aktuell liegen von etwa 60 Unternehmen Interessensbekundungen zur Prüfung für Hilfen aus dem WSF vor. Nach dem Prüfkatalog des WSF sind Hilfen für Unternehmen möglich, die vor der Corona-Krise nicht gefährdet waren und zwei von den folgenden drei Kriterien in den letzten beiden Geschäftsjahren erfüllen: eine Bilanzsumme von über 43 Mio. Euro, einen Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro und mehr als 249 Arbeitnehmer. Bemerkenswerterweise werden keine industriepolitischen Begründungen für die Hilfen und insbesondere Beteiligungen des WSF genannt. Allerdings behält sich das Bundeswirtschaftsministerium vor, im Einzelfall von den Prüfkriterien abzuweichen, um Unternehmen von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Zugang zu den Hilfen zu gewähren. Der wohl prominenteste Fall für eine WSF-Beteiligung ist die Lufthansa.

Wie dauerhaft eine Beteiligung des WSF bei einzelnen Unternehmen ist, bleibt fraglich. Während viele den WSF als Instrument der Stabilisierung positiv sehen, weisen andere auf die Gefahr hin, dass mit der Unterstützung von großen und etablierten Unternehmen mittelfristig ein innovationsfeindliches Wirtschaftsumfeld mit guten Kontakten zur Politik konserviert wird. Kritiker fordern daher eine klare zeitliche Befristung und einen Verkauf etwaiger Beteiligungen unabhängig vom Aktienkurs. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum der Staat sich auf eine Rolle als stiller Teilhaber zurückziehen sollte. Dies wird zwar vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier betont, aber Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält dies für blauäugig und verlangt, dass der Staat als Eigentümer in strategische Entscheidungen eingebunden werden muss. So könnte der WSF als ein Instrument genutzt werden, auf eine nachhaltigere und ressourcenschonendere Produktion in den beteiligten Unternehmen hinzuwirken.

Staatliche Investitionsfonds zur Stabilisierung wurden in der Vergangenheit unter anderem von Frankreich und Italien eingesetzt. So wurde in Frankreich ein Staatsfonds etabliert, um industriepolitische Ziele zu verwirklichen, insbesondere um angeschlagene, heimische Unternehmen vorübergehend zu unterstützen und vor strategischen Übernahmen aus dem Ausland zu schützen. Vorwiegend Firmen aus der Luft- und Raumfahrtbranche, dem innovativen Technologiesektor und der Autoindustrie sollten von dem staatlichen Engagement profitieren. Eine Industriepolitik, der auch der Bundeswirtschaftsminister nicht abgeneigt zu sein scheint. Beide Staatsfonds sind gescheitert und wurden im Zuge der Neustrukturierung von Wirtschaftshilfen in die jeweiligen staatlichen Investitionsbanken integriert. Die Gefahr besteht, dass auch der WSF als industriepolitisches Instrument genutzt wird. Die industriepolitischen Äußerungen von Peter Altmeier, mit Hilfe von Staatsbeteiligungen einen „Ausverkauf Deutschlands zu verhindern“, lassen eine industriepolitische Agenda über die Corona-Krise hinaus vermuten.

Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds stellt die Bundesregierung ein sinnvolles Stabilisierungsinstrument für größere Unternehmen zur Verfügung, das unter Experten auf breite Zustimmung trifft. Zwar existiert ein klarer und nachvollziehbarer Kriterienkatalog, aber dieser ist im Einzelfall nicht bindend. Dies nährt die Befürchtung, dass Hilfen nach Gutdünken verteilt werden könnten. Weiterhin ist keine klare Befristung der staatlichen Beteiligungen vorgesehen. Hier sollte nachgebessert werden und die staatlichen Hilfen auf das notwendige Minimum beschränkt werden. Die Erfahrung mit Staatsfonds zur Rettung von Unternehmen in wirtschaftlicher Bedrängnis im europäischen Ausland mag hier als mahnendes Beispiel dienen.

© Der/die Autor(en) 2020

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht.

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-020-2748-6

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