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Der weltweite Klimawandel lässt sich nicht durch die Anstrengungen einzelner Länder oder Ländergruppen aufhalten; dazu bedarf es internationaler Kooperationen und Abkommen. Daher wird in diesem Beitrag analysiert, wie sich der CO2-Ausstoß der zehn größten Emittenten bisher entwickelt hat und wie er sich bis 2030 entwickeln wird, wenn die Teilnehmenden des Pariser Abkommens die von ihnen eingereichten „nationally determined contributions“ auch einhalten werden. Welche Anteile der CO2-Budgets zur Einhaltung des 1,5-Grad- bzw. 2-Grad-Ziels werden dann bereits 2030 ausgeschöpft sein?

Das Pariser Abkommen wird häufig mit dem 2-Grad- bzw. 1,5-Grad-Ziel gleichgesetzt, das sich aus Art. 2 ergibt: „Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, … die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung … zu verstärken, indem unter anderem (a) der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“ (BMU, 2016). Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) hat aus diesen Klimazielen CO2-Budgets abgeleitet. Sie geben an, wie viel CO2 ab einem bestimmten Zeitpunkt noch in die Erdatmosphäre abgegeben werden kann – und sich dort kumuliert –, ohne dass das 2-Grad- bzw. 1,5-Grad-Ziel überschritten wird. Dabei handelt es sich um reine CO2-Budgets (IPCC, 2018, 108), deren Werte von den Wahrscheinlichkeiten abhängen, mit der die verschiedenen Temperaturgrenzen nicht überschritten werden. Die neusten CO2-Budgets des IPCC beziehen sich auf den 1.1.2018 (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
CO2-Budgets des IPCC
Ungefähre Erwärmung seit 1850 bis 1900 Verbleibende CO2-Budgets am 1.1.2018 in Gt CO2 1
  Wahrscheinlichkeiten, dass die vorgegebene Erwärmung nicht überschritten wird
  50 % 66,7 %
≈ 1,5 °C 580 420
≈ 1,75 °C 1.040 800
≈ 2,0 °C 1.500 1.170

1 Unter Ausschluss von Feedbacks des Erdsystems, wie z. B. CO2-Emissionen durch auftauende Permafrostböden oder Methanemissionen aus Feuchtgebieten.

Quelle: IPCC (2018, 108, Ausschnitt aus Tabelle 2.2.).

Entsprechend liegt nahe, ein ausgewähltes CO2-Budget – z. B. das bei 1,5 Grad oder 1,75 Grad und einer Wahrscheinlichkeit von 67 % – auf die Teilnehmerstaaten des Pariser Abkommens (und die anderen Länder der Erde) zu verteilen. Dem steht entgegen, dass das 2-Grad- bzw. 1,5-Grad-Ziel nicht völkerrechtlich verbindlich ist (Deutscher Bundestag, 2018; Rajamani und Werksman, 2018). Zwar ist das Abkommen ein Vertrag im Sinne der Wiener Vertragsrechtskonvention, aber nicht alle seine Vorschriften erzeugen Pflichten für die Vertragsparteien; sie haben unterschiedliche Verbindlichkeitsgrade. Beim Temperaturziel des Art. 2 Abs. 1 lit. a) zeigt im einleitenden Teil die Formulierung „zielt darauf ab“, dass Art. 2 den übergeordneten Zweck des Abkommens beschreibt und keine rechtliche Verbindlichkeit begründen will. Zudem richtet sich das Temperaturziel nicht an einen bestimmten Adressaten, wie „each Party“ oder „all Parties“ (wie andere Vorschriften des Abkommens), und schließlich enthält Art. 2 noch weitere Ziele, die den übergeordneten Zweck des Abkommens umschreiben. Daher gelangt „die Literatur (überwiegend) zu dem Ergebnis ... , dass das Temperaturziel zwar eine zentrale Rolle im Pariser Abkommen spielt, selbst aber keine individuelle oder kollektive rechtliche Verpflichtung für die Vertragsparteien enthält“ (Deutscher Bundestag, 2018). Rajamani und Werksman (2018) schlussfolgern: „However, the Paris Agreement falls short of converting the temperature goal into a provision with specific legal force applicable to the actions of individual Parties.“

Zudem wurde beim Pariser Abkommen – anders als beim Kyoto-Protokoll – kein Top-Down-Ansatz gewählt, bei dem bereits im Vertrag die von den teilnehmenden Staaten zu erreichenden Ziele vereinbart werden. So hatten sich die Teilnehmer des Kyoto-Protokolls geeinigt, in der ersten Verpflichtungsperiode (2008 bis 2012) ihre länderspezifischen Treibhausgasemissionen um mindestens 6 % bis 8 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Stattdessen entschieden sich die Staaten beim Pariser Abkommen für einen Bottom-Up-Ansatz, bei dem jedes Land seinen Beitrag zum Klimaschutz, seine „nationally determined contribution“ (NDC), selbst festlegt. Das Ergebnis sind NDCs, die sich hinsichtlich Referenzzeitraum, Bezugsgröße und zugesagten Reduktionen stark unterschieden, und nicht zu Unrecht als „Sammelsurium ... nationaler Selbstverpflichtungen“ (Frondel, 2019) bezeichnet werden. Tabelle 2 vermittelt dazu einen ersten Eindruck.1 Die Teilnehmerstaaten haben sich zudem verpflichtet, ihre NDCs alle fünf Jahre zu aktualisieren. Dabei gilt das „Progressionsprinzip“: Ein nachfolgendes Klimaschutzziel muss ambitionierter sein als das bisherige. Tabelle 2 gibt die bis Mai 2021 – mehr als fünf Jahre nach der UN-Klimakonferenz in Paris – aktualisierten NDCs der zehn größten Emittenten wieder und zeigt, dass bisher nur ein Teil der Länder ehrgeizigere quantitative Reduktionsziele eingereicht hat.

Tabelle 2
Klimaschutzziele der zehn größten Emittenten von CO2 in den bis Mai 2021 eingereichten NDCs bzw. INDCs
Land/Ländergruppe1 Bezugsgröße Zeitraum Veränderung 2020
ambitionierter2
Erläuterung zur Berechnung bzw. Schätzung des CO2-Ausstoßes 2030
China (1.) CO2-Intensität 2005-2030 -60 % bis -65 %3 nein Die Schätzung erfordert Zahlen zum BIP-Wachstum ab 2019; Annahme 6,2 % p. a.4
Indien (4.) CO2-Intensität 2005-2030 -33 % bis -55 %3 nein Die Schätzung erfordert Zahlen zum BIP-Wachstum ab 2019; Annahme: 6,65 % p. a. (wie 2005-2019)
Iran (7.) Kein NDC       Schätzung durch Fortschreibung der jährlichen Veränderung des CO2-Ausstoßes zwischen 2005 und 2019 (Trend) bis 2030
Indonesien (9.) TGH-Ausstoß bei Klimapolitik relativ zum Ausstoß bei BAU5 2010-2030 +2,1 % p. a. relativ zu+3,9 % p. a. nein Schätzung durch Anwendung der jährlichen Wachstumsrate bei klimapolitischen Maßnahmen (2,1 % p. a.) auf den CO2-Ausstoß von 2019 bis 2030
Saudi-Arabien (10.) TGH-Ausstoß bei Abzug von „mitigation co-benefits“ 2015-2030 bis zu -130 Mt CO2eq nein Schätzung durch Fortschreibung der jährlichen Veränderung des CO2-Ausstoßes zwischen 2005 und 2019 (Trend) bis 2030 abzüglich 130 Mt CO2 „mitigation co-benefits“ (nur INDC)
Russland (5.) THG-Ausstoß6 1990-2030 -30 % nein7 Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 1990
USA (2.) THG-Ausstoß 2005-2030 -50 % bis -52 %3 ja Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 2005
(Ehemalige) EU28          
EU27 (3a) THG-Ausstoß 1990-2030 -55 % ja Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 1990
UK (3b) THG-Ausstoß 1990-2030 -68 % ja Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 1990
Japan (6.) THG-Ausstoß 2005-2030 -25,40 % nein Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 2005
Südkorea (8.) THG-Ausstoß 2017-2030 -24,40 % ja Berechnung auf Basis des CO2-Ausstoßes 2017

INDC = Intended Nationally Determined Contributions.

1 Klammer: der wie viel größte CO2-Emittent das Land 2019 war.

2 Vergleich des quantitativen Ziels im bis Mai 2021 aktualisierten NDC mit dem im bisherigen NDC.

3 Verwendung des Mittelwerts bei einem Bereich für die Veränderung.

4 China strebt(e) für 2020 6,5 % Wachstum an (13. Fünf-Jahres-Plan für 2015 bis 2020) und zwischen 2021 und 2035 eine Verdoppelung seines Pro-Kopf-Einkommens (längerfristige Planung).

5 „Business as usual“, d. h. die Entwicklung des Wachstums und der Emissionen ohne Klimaschutzpolitik.

6 Treibhausgasausstoß unter Berücksichtigung von „Land use, land-use change and forestry (LULUCF)“.

7 Russland reichte erstmals am 25.11.2020 einen NDC ein.

Quelle: https://www4.unfccc.int/sites/ndcstaging/pages/All.aspx.

China als Vorbild für viele Entwicklungsländer

China dürfte aufgrund seines enormen Wirtschaftswachstums – zwischen 1990 und 2019 stieg sein reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 9,5 % p. a. und damit auf das 13-Fache – Vorbild für viele Entwicklungs- und Schwellenländer sein. In der Klassifikation der Weltbank ist das Land innerhalb weniger Dekaden zum „upper-middle-income country“ aufgestiegen: Sein Pro-Kopf-Einkommen erreichte 2019 gut 10.000 US-$. Damit wurden Hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreit, die jetzt ihre Grundbedürfnisse befriedigen können und Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung haben (World Bank in China, o. J.; Post, 2021). Gleichzeitig nahm allerdings die Ungleichheit stark zu und wurde zur „Achillesferse des chinesischen Systems“ (Milanovic, 2021). Beim Einkommen liegt der Gini-Koeffizient Chinas mit 0,47 noch über dem der USA mit 0,41. Der Preis für das extrem hohe Wirtschaftswachstum ist die starke Belastung der Umwelt. In China selbst leidet die Bevölkerung – neben der hohen Schadstoffbelastung von Wasser und Böden (Tercek, 2016) – vor allem unter der starken Verunreinigung der Luft. Zwar hat die Regierung inzwischen eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen und Fortschritte erzielt, aber dennoch beeinträchtigt die immer noch hohe Belastung mit Luftschadstoffen die Gesundheit und die Lebenserwartung der chinesischen Bevölkerung (Rohde und Muller, 2015; World Bank, 2020a; Yin et al., 2020).

Global gesehen hat China seinen Ausstoß von CO2 seit 1990 fast auf das Fünffache erhöht und ist inzwischen für 30 % der weltweiten Emissionen verantwortlich (vgl. Tabelle 3) (Crippa et al., 2020).2 Dies ist zum einen auf seine hohe Energieintensität zurückzuführen: Für die Erstellung seiner Wirtschaftsleistung benötigt China mit 6,3 Gigajoule je 1.000 US-$ BIP fast doppelt so viel Primärenergie wie die EU und gut ein Drittel mehr als die USA. Zum anderen hat China einen sehr ungünstigen Energie-Mix, bei dem Kohle mit fast 60 % und Öl mit 20 % dominieren.3 Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Zwar baut China seine erneuerbaren Energien aus und deckt damit inzwischen fast 5 % seines Energieverbrauchs, aber es setzt für die Zukunft weiter auf Kohle: Alleine 2020 baute es drei Mal so viele neue Kohlekraftwerke wie alle anderen Länder der Welt zusammen (Shearer und Myllyvirta, 2021).4 Als Folge hat China mit 0,51 t CO2 pro 1.000 US-$ BIP die höchste CO2-Intensität weltweit, etwa 3,5 Mal so hoch wie die der EU und doppelt so hoch wie die der USA, und auch beim CO2-Ausstoß pro Kopf schneidet China nicht (mehr) so gut ab (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3
Kennzahlen zum CO2-Ausstoß und zum Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum der zehn größten Emittenten
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14)
Land/­Länder­gruppe CO2-Ausstoß
absolut
Anteil am welt­weiten
CO2-Ausstoß
Ver­änderungen des CO2-­Ausstoßes CO2-­Ausstoß je Einheit BIP1 CO2-Ausstoß
pro Kopf
BIP BIP pro Kopf Ver­änderungen des reales BIPs Bevölkerung Ver­änderungen der
Bevöl­kerung
absolut pro Kopf
2019 2019 1990
bis 2005
1990
bis 2019
2019 2019 2019 2019 1990 bis 2019 2019 seit 1960 seit 1990
in Mt in % in % in t/BIP in 1.000 US-$ in t/Kopf in Mrd. US-$ in US-$/Kopf in % p. a. in Mio. in %
China 11.535 30,3 160,9 379,7 0,512 8,1 14.343 10.262 9,5 8,7 1.397,7 109,5 23,1
Indien 2.597 6,8 103,3 333,0 0,281 1,9 2.869 2.100 6,2 4,6 1.366,4 204,0 57,0
Iran2 702 1,8 129,0 242,8 0,685 8,5 463 5.520 2,6 1,2 82,9 278,4 47,4
Indonesien 626 1,6 120,8 281,5 0,196 2,3 1.119 4.136 4,8 3,4 270,6 208,3 49,2
Saudi-Arabien 615 1,6 96,3 255,2 0,382 18,0 793 23.140 3,1 0,4 34,3 739,3 110,1
Russland 1.792 4,7 -27,6 -25,1 0,452 12,5 1.700 11.585 0,8 0,8 144,4 20,4 -2,6
USA 5.107 13,4 17,4 0,8 0,248 15,5 21.433 65.298 2,5 1,5 328,2 81,7 31,5
(Ehemalige) EU28 3.304 8,7 -3,6 -25,1 0,144 6,5 18.456 35.882 1,7 1,5 514,3 25,6 7,7
Japan 1.154 3,0 11,1 0,4 0,221 9,1 5.082 40.247 1,0 0,9 126,3 36,5 2,2
Südkorea 652 1,7 90,8 140,9 0,296 12,7 1.725 31.846 5,0 4,3 51,7 106,7 20,6
Welt 38.017 100,0 32,5 67,6 0,294 4,9 87.799 11.442 2,8 1,5 7.673,5 153,1 45,1

1 Die CO2-Intensität, d. h. der CO2-Ausstoß je 1.000 US-$ BIP, wurde mit dem realen BIP in Kaufkraftparitäten berechnet.

2 BIP pro Kopf 2018.

Quellen: Crippa et al. (2020), EDGAR-Datenbank: Spalte 2 bis 7; World Bank (2021): Spalte 8 bis 14; eigene Berechnungen.

Insgesamt war Chinas Entwicklung hin zur zweitgrößten Wirtschaftsnation imponierend. Dabei hat es allerdings seinen CO2-Ausstoß kräftig ausgeweitet und plant das auch für die nächsten Jahre; den Gipfel seines Ausstoßes will es erst 2030 erreichen. Trotz diplomatischer Bemühungen hat China 2020 kein ambitionierteres Klimaschutzziel eingereicht und sich nicht auf eine CO2-Menge festgelegt. Es hat sich nur verpflichtet, seine CO2-Intensität zwischen 2005 und 2030 um 60 % bis 65 % zu reduzieren. Im gleichen Zeitraum wird allerdings sein reales BIP auf mehr als das Sechsfache steigen, wie sich aus seinem Wachstum von 8,8 % pro Jahr (zwischen 2005 und 2019) und dem Ziel, sein Pro-Kopf-Einkommen bis 2035 zu verdoppeln, ergibt. Entsprechend wird China 2030 knapp 15 Gt CO2 emittieren und damit seinen Anteil am globalen CO2-Ausstoß auf 36 % ausweiten (vgl. Tabelle 4).

Tabelle 4
Entwicklung des CO2-Ausstoßes und des kumulierten CO2-Ausstoßes bis 2030 für ausgewählte Länder
Land/Ländergruppe CO2-Ausstoß Kumulierter CO2-Ausstoß1
absolut
2005 in Mt
absolut
2019 in Mt
absolut
20303 in Mt
Anteil2
2030 in %
Veränderung
2005 bis 2030 in Mt
absolut
2018 bis 2030 in Mt
Anteil2
in %
Die 10 größten Emittenten              
China 6.273 11.535 14.850 36,4 8.577 168.708 33,3
Indien 1.219 2.597 4.000 9,8 2.781 41.592 8,2
China + Indien 7.493 14.133 18.850 46,2 11.357 210.300 41,5
Iran 469 702 964 2,4 495 10.599 2,1
Indonesien 362 626 786 1,9 424 9.016 1,8
Saudi-Arabien 340 615 850 2,1 510 9.321 1,8
Erdölexportierende Staaten 1.171 1.942 2.599 6,4 1.429 28.936 5,7
USA 5.948 5.107 2.915 7,1 -3.034 52.264 10,3
(Ehemalige) EU28              
EU27 3.688 2.939 1.719 4,2 -1.968 30.420 6,0
UK 562 365 188 0,5 -373 3.586 0,7
Japan 1.277 1.154 953 2,3 -324 13.782 2,7
Südkorea 516 652 495 1,2 -21 7.517 1,5
Industrieländer 11.991 10.217 6.270 15,4 -5.721 107.568 21,2
Russland 1.734 1.792 1.676 4,1 -58 22.604 4,5
10 größte Emittenten 22.388 27.914 29.395 72,0 7.007 369.408 72,9
Rest der Welt              
Kanada und Australien 972 1.018 692 1,7 -280 11.158 2,2
Weitere Länder 5.699 7.557 8.981 22,0 3.282 106.020 20,9
Intern. Flug- & Schiffsverkehr 992 1.358 1.738 4,3 746 19.807 3,9
Zusammen 7.663 9.933 11.411 28,0 3.748 136.985 27,1
Welt 30.051 38.017 40.806 100,0 10.755 506.393 100,0

1 Die Anteile des globalen kumulierten CO2-Ausstoßes an den CO2-Budgets für verschiedene Gradzahlen betragen bei einer Wahrscheinlichkeit von 66,7 %: Für 1,5 Grad: 121 % (d. h. das CO2-Budget ist bereits 2028 aufgebraucht); für 1,75 Grad: 63 % und für 2 Grad: 43 %.

2 Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß.  3 Eigene Schätzung.

Quelle: Crippa et al. (2020), EDGAR-Datenbank und eigene Schätzungen.

Um das Ausmaß einzuschätzen, in dem China und die anderen Länder bis 2030 die CO2-Budgets nutzen, die zur Einhaltung des 2-Grad- bzw. 1,5-Grad-Ziels bis 2100 nicht überschritten werden dürfen, wird für die zehn größten Emittenten sowie weitere sieben Länder 5 der CO2-Ausstoß, der sich 2030 aus ihren NDCs ergibt, ermittelt. Für die noch verbleibenden Länder und den internationalen Flug- und Schiffsverkehr wird ein jährliches Wachstum des CO2-Ausstoßes wie im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2019 unterstellt. Dann werden die Emissionen für die einzelnen Jahre 2020 bis 2030 geschätzt, indem eine konstante Wachstumsrate pro Jahr unterstellt wird. Schließlich werden die CO2-Emissionen der Jahre 2018 bis 2030 kumuliert. Diesen Schätzungen nach wird China zwischen 2018 und 2030 mit 170 Gt CO2 ein Drittel des kumulierten globalen CO2 emittieren. Damit wird es bis 2030 40 % des CO2-Budgets für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels verbrauchen und 21 % des Budgets für das 1,75-Grad-Ziel (jeweils bei 66,7 % Wahrscheinlichkeit).

Indien: bald bevölkerungsreichster Staat der Erde

Die Bevölkerung Indiens hat sich seit 1960 verdreifacht. 2019 lebten in Indien 1,37 Mrd. Menschen und damit fast so viele wie in China, das es bald als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen wird. In seinem NDC für das Pariser Abkommen weist Indien selbst auf seine „riesige“ Bevölkerung hin, die 17,5 % der Weltbevölkerung ausmache, aber auf einer Fläche von nur 2,4 % der Erdoberfläche lebe.6 Das erklärt zum Teil, warum das Land trotz des starken Wachstums seines realen BIP von durchschnittlich 6,2 % pro Jahr (seit 1990) nur ein Pro-Kopf-Einkommen von 2.100 US-$ erreicht hat (vgl. Tabelle 3), damit noch immer zu den „lower-middle-income countries“ gehört und große Teile seiner Bevölkerung nicht aus der Armut befreien konnte. Dazu trägt auch die extreme Ungleichheit bei, die nicht nur bei der wirtschaftlichen Situation, sondern auch hinsichtlich Kaste, Klasse und Geschlecht besteht (Drèze und Sen, 2013). Dieses hohe Wachstum geht zum einen mit Umweltbelastungen in Indien einher, vor allem durch hohe Luftverschmutzung, giftige Industrieabfälle und kontaminiertes Wasser (Chatterjee, 2019; Agarwal, 2014). Zum anderen hat das Land seinen CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2019 (von niedrigem Niveau aus) um 2,3 Gt erhöht. Dennoch ist Indiens CO2-Ausstoß pro Kopf mit 1,9 t noch sehr niedrig – im Vergleich zu 6,5 t in der EU und 15,5 t in den USA. Dies wird sich in Zukunft ändern, denn in seinem NCD hat sich das Land zwar verpflichtet, seine CO2-Intensität zwischen 2005 und 2030 um 33 % bis 35 % zu senken. Zusammen mit einem Wirtschaftswachstum von jährlich 6,65 % wird das allerdings bis 2030 zu einem deutlichen Anstieg des CO2-Ausstoßes auf 4 Gt oder fast 10 % der weltweiten Emissionen führen. Indiens Anteil am kumulierten globalen CO2-Ausstoß wird mit 8,2 % um gut 2 Prozentpunkte über dem der EU liegen (vgl. Tabelle 4).

Weitere Staaten mit starkem Bevölkerungswachstum

Ähnlich stark wie in Indien ist die Bevölkerung in Indonesien gewachsen und noch stärker im Iran und in Saudi-Arabien, dessen Bevölkerung seit 1960 auf das 8,4-Fache zunahm (vgl. Tabelle 3). Entsprechend ist diesen drei Ländern (und Indien) gemeinsam, dass der relativ hohe Anstieg ihres realen BIP nur zu einer bescheidenen Zunahme ihres realen Pro-Kopf-Einkommens geführt hat und dass ihr CO2-Ausstoß kräftig (auf das 3,4- bis 3,8-Fache) gestiegen ist. Dagegen unterscheiden sich die drei Länder deutlich hinsichtlich ihrer CO2-Intensität und ihres Pro-Kopf-Ausstoßes von CO2 (vgl. Tabelle 3). Der Hintergrund ist, dass Saudi-Arabien weltweit die zweitgrößten Erdöl- und hohe Erdgasreserven besitzt und auch der Iran über große Reserven an beiden fossilen Energieträgern verfügt (NS Energy Staff Writer, 2020; World Bank, 2020b). Dagegen hat Indonesien nur bescheidene Erdöl- und Gasvorkommen. Dies spiegelt sich im Energie-Mix wider: 2019 deckten Saudi-Arabien und der Iran fast 100 % ihres Primärenergie­verbrauchs mit Öl und Gas, während Indonesien nur gut die Hälfte seiner Energie aus Öl und Gas gewann sowie fast 40 % aus Kohle und 4 % aus Erneuerbaren Energien.

Auch hinsichtlich der klimapolitischen Ziele bestehen große Unterschiede: Nur Indonesien hat einen NDC eingereicht und sich verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 jährlich nur um 2,1 % p. a. zu erhöhen (gegenüber 3,9 % bei „business-as-usual“). Saudi-Arabien hat nur einen INDC mit angestrebten „mitigation co-benefits“ von bis zu 130 Mt CO2 eq jährlich vorgelegt, und der Iran hat das Pariser Abkommen nicht ratifiziert. Aufgrund ihres hohen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums werden diese drei – ursprünglich kleineren Emittenten – 2030 einen Anteil von 6,4 % am weltweiten CO2-Ausstoß haben und damit die (ehemalige) EU28 deutlich überholen und die USA fast erreichen.

Klimaschutz durch den Fall des Eisernen Vorhangs

In Russland wirkte der Fall des Eisernen Vorhangs wie ein Klimaschutzprogramm: Zwischen 1990 und 1995 sank sein CO2-Ausstoß um 27 % – allerdings fiel gleichzeitig sein reales BIP um fast 40 %. Auslöser dafür waren verschiedene Reformen (wie Liberalisierung der Preise, Recht auf Privateigentum an Produktionsmitteln), die Transformationsprozesse zu einer mehr auf Märkten basierenden Volkswirtschaft auslösten, sowie die Auflösung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Die Folge war ein starker Strukturwandel, bei dem Kapazitäten in der überdimensionierten und ineffizienten Schwerindustrie sowie in der Leichtindustrie abgebaut wurden und der Öl- und der Dienstleistungssektor an Bedeutung gewannen (OECD, 1995; Shleifer und Tresiman, 2005). Hinzu kam, dass nach 1990 neuere energieeffizientere Technologien zur Verfügung standen und der Ölpreis sich dem deutlich höheren Weltmarktpreis näherte, sodass Öl zum Teil durch Gas substituiert wurde. Dennoch war 1995 Russlands CO2-Intensität mit 0,88 t je 1.000 US-$ BIP noch immer 3,5 Mal so hoch wie in der EU15 und auch weit höher als in anderen Industriestaaten. Auch Russlands CO2-Ausstoß pro Kopf war relativ hoch, trotz der schlechten Versorgung seiner Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen. 1995 erreichte das russische Pro-Kopf-Einkommen nur 11 % des Einkommens in der EU15. Von diesem niedrigen Niveau aus erhöhte Russland sein reales BIP bis 2019 um durchschnittlich 3 % pro Jahr. Es holte damit gegenüber den Industrieländern auf, wuchs aber langsamer als die anderen BRIC-Staaten (OECD, 2014; OECD, verschiedene Jahre). Sein CO2-Ausstoß stieg dabei nur wenig, was aber kaum etwas an seiner schlechten Energieeffizienz änderte: Seine CO2-Intensität war 2019 mit 0,45 t je 1.000 US-$ seines BIP hoch (und lag kaum unter der Chinas) und sein CO2-Ausstoß pro Kopf betrug 12,5 t (vgl. Tabelle 3). Im September 2019 trat Russland dem Pariser Abkommen bei. Sein NDC klingt vielversprechend: Das Land verpflichtet sich, seinen CO2-Ausstoß zwischen 1990 und 2030 um 30 % zu senken. Da sein Ausstoß jedoch bereits zwischen 1990 und 1995 um 27 % abgenommen hatte, bedeutet das nur einen weiteren Rückgang um 3 Prozentpunkte bis 2030. Entsprechend wird Russlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß 2030 etwa dem der EU27 entsprechen (vgl. Tabelle 4).

CO2-Einsparungen in den Industrieländern

Die USA haben weltweit den höchsten Lebensstandard mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 65.000 US-$ und den zweithöchsten CO2-Ausstoß pro Kopf mit 15,5 t (vgl. Tabelle 3). Dahinter stand und steht eine sehr heterogene Klimaschutzpolitik, je nachdem ob der amerikanische Präsident den Republikanern oder den Demokraten angehört(e) und welche Partei die Mehrheit im Kongress und im Senat hat(te) (Hummel, 2021; McGrory Klyza, 2020; Bergquist und Warshaw, 2020). Diese spiegelt sich in der Beteiligung an internationalen Klimaschutzabkommen wider: Bill Clinton unterschrieb das Kyoto-Protokoll, und George W. Bush ratifizierte es nicht. Barack Obama trat dem Pariser Abkommen bei, Donald Trump trat wieder aus, und schließlich nahm Joe Biden erneut daran teil. Während viele demokratische Abgeordnete sich für Maßnahmen zur Minderung des CO2-Ausstoßes engagieren, leugnen viele republikanische Abgeordnete, dass es den Klimawandel gibt bzw. dass er auf menschliches Handeln zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass neben der Regierung in Washington die Bundesstaaten und Regionen großen Einfluss auf den CO2-Ausstoß haben und eine stark divergierende Klimapolitik betreiben. Dabei spielen reiche Kohle-, Öl- und Gasvorkommen und die damit verbundenen Arbeitsplätze in einigen Staaten eine wichtige Rolle. Nach ihrer Rückkehr in das Pariser Abkommen haben die USA einen deutlich ambitionierteren NDC als zuvor eingereicht: Sie verpflichten sich, bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen gegenüber dem (allerdings hohen) Niveau von 2005 um 50 % bis 52 % zu reduzieren. Bei Einhaltung dieses Ziels würde ihr Anteil am globalen CO2-Ausstoß bis 2030 auf etwa 7 % sinken und ihr Anteil an den kumulierten globalen Emissionen gut 10 % ausmachen (vgl. Tabelle 4).

Ähnlich heterogen ist die Klimaschutzpolitik in der EU, einer Gemeinschaft von Staaten, die sich speziell hinsichtlich Geschichte, Größe, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, Kohlevorkommen, Akzeptanz von Kernenergie und Einstellungen zum Umwelt- und Klimaschutz unterscheiden. Dies galt bereits für die EU15 und wurde durch den Beitritt 13 weiterer Staaten ab 2004 noch verstärkt: So erreichte trotz Fortschritten in den Konvergenzprozessen das Pro-Kopf-Einkommen der 13 Beitrittsstaaten 2019 nur knapp die Hälfte des EU28-Durchschnitts. Starke Umweltbewegungen haben vor allem die nördlichen EU-Staaten, Deutschland und Großbritannien, und in einigen wenigen EU-Ländern wird jede Form von Kernenergie abgelehnt. Auch hinsichtlich der Kohlevorkommen gibt es große Unterschiede in der EU. Dennoch hatte die EU bereits für Kyoto I und II sowie für das Pariser Abkommen je nur ein gemeinsames Reduktionsziel gesetzt. Dahinter verbergen sind stark divergierende Klimaschutzbeiträge der Mitgliedstaaten, die vor allem von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängen, aber auch den nationalen Einstellungen zum Klimaschutz Rechnung tragen. Diese unterschiedliche Lastenverteilung führte z. B. bei Kyoto I dazu, dass die EU15 sich zu 8 % niedrigeren Emissionen verpflichtete, aber Irland und den Ländern im Süden um 13 % bis 27 % höhere Emissionen zugestand und mit Dänemark und Deutschland (jeweils -21 %) sowie Österreich und Großbritannien (jeweils -13 %) weit niedrigere Emissionen vereinbarte (Neubäumer, 2019).

Um für das Pariser Abkommen eine Reduktion ihres Treibhausgasausstoßes von 40 % zu erreichen, legte die EU länderspezifische Minderungsraten für die nicht dem EU-weiten Zertifikatehandel unterliegenden Sektoren zwischen 0 % (Bulgarien) und 40 % (Schweden und Luxemburg) fest.7 Dies bedeutete z. B. für Deutschland, dass es seine gesamten Emissionen – im Vergleich zu 40 % der EU – um etwa 52 % senken muss. Zudem erhalten vor allem die wirtschaftlich schwächeren Länder finanzielle Mittel für Klimaschutzmaßnahmen. Diese ehrgeizigen Klimaschutzziele der EU haben dazu geführt, dass sie bereits 2019 mit 0,14 t CO2 pro 1.000 US-$ BIP die niedrigste CO2-Intensität und mit 6,5 t einen relativ niedrigen CO2-Ausstoß pro Kopf erreicht hat (vgl. Tabelle 3). Schließlich ist es der EU27 zwischenzeitlich gelungen, sich auf ein weit ambitionierteres Reduktionsziel von 55 % für 2030 (gegenüber 1990) zu einigen. Erreicht sie dieses Ziel, so würde sie 2030 nur noch einen Anteil von 4,2 % am globalen CO2-Ausstoß haben, und ihr Anteil an den kumulierten globalen Emissionen würde 6 % betragen.

Japan und Südkorea tragen ebenfalls zu niedrigen Emissionen der Industrieländer 2030 bei. Die beiden asiatischen Staaten unterscheiden sich jedoch erheblich bei ihrer Wirtschaftskraft, ihrer wirtschaftlichen Dynamik, der Entwicklung ihres CO2-Ausstoßes sowie ihren Klimaschutzzielen für 2030 (vgl. Tabelle 3 und 4).

Strategiewechsel der Industrieländer erforderlich

Zieht man Bilanz, so ist das Ergebnis ernüchternd: Selbst wenn alle Teilnehmerländer am Pariser Abkommen ihre Klimaschutzziele einhalten, werden die globalen Emissionen 2030 mit 40,8 Gt noch 2,8 Gt höher liegen als 2019 und vor allem 10,8 Gt und damit mehr als ein Drittel höher als 2005, dem (häufigsten) Basisjahr für die NDCs des Pariser Abkommens. Noch ernüchternder ist der Blick auf die CO2-Budgets: Das Budget für das 1,5-Grad-Ziel wird bereits 2028 aufgebraucht sein, und vom Budget für das 1,75-Grad bzw. das 2-Grad-Ziel werden bis 2030 noch gut ein Drittel bzw. weniger als 60 % übrigbleiben (jeweils bei einer Wahrscheinlichkeit von 0,67 %) (vgl. Tabelle 4). Somit ist mit dem Pariser Abkommen – aus globaler Sicht – kein Durchbruch beim weltweiten Klimaschutz gelungen.

Hinter dieser Gesamtbilanz stehen allerdings ganz unterschiedliche Entwicklungen für die einzelnen Regionen und Länder der Erde, die vor dem Hintergrund des Prinzips der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ von entwickelten und nicht entwickelten Ländern für den Schutz des Klimasystems zu sehen sind.8 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die entwickelten Länder durch ihre hohen Emissionen klimaschädlicher Gase in der Vergangenheit für die hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre verantwortlich waren, und dass die Entwicklungsländer aufgrund ihrer niedrigen Pro-Kopf-Einkommen Wachstum benötigen, das ihre Emissionen erhöhen wird.9

Entsprechend ist es nur folgerichtig und fair, dass die Industrieländer sich im Pariser Abkommen verpflichtet haben, ihre Emissionen zwischen 2005 und 2030 um 6 Gt zu mindern und damit nahezu zu halbieren (vgl. Tabelle 4). So lässt sich allerdings die Erderwärmung nicht aufhalten und nur relativ wenig verlangsamen. Denn aufgrund des Aufstiegs Chinas zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht und des hohen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums in Indien werden beide Länder bis 2030 11,4 Gt CO2 mehr emittieren und damit ihren Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß auf 46 % erhöhen; auf dem Weg dorthin werden sie 42 % der kumulierten CO2-Emissionen verursachen. Hinzu kommt ein höherer Ausstoß der erdölexportierenden Staaten (+1,4 Gt) sowie weiterer Länder der Welt (+3,3 Gt), zu denen Volkswirtschaften mit hohem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum gehören, wie die Türkei, Brasilien und Südafrika. Insgesamt können die Industrieländer durch ihre Einsparungen von 6 Gt nur etwa 36 % des Anstiegs der weltweiten Emissionen kompensieren. Zudem haben die Industrieländer 2030 nur noch einen Anteil von 17 % am globalen Ausstoß, sodass ihnen nur wenig Spielraum bleibt, um in der weiteren Zukunft durch weniger eigene Emissionen die Zunahme der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre zu begrenzen. So wird z. B. die EU27 mit ihrer Entscheidung, bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden, die globalen Emissionen 2050 nur um zusätzlich etwa 0,5 Gt reduzieren.

Vor diesem Hintergrund ist ein Strategiewechsel der Industrieländer erforderlich, um dem Klimawandel wirksam entgegenzuwirken.

  • Sie müssen sich zum einen von der Illusion lösen, dass sie alleine durch Minderung ihrer eigenen CO2-Emissionen die weitere Erderwärmung begrenzen können. Stattdessen müssen sie auf die Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern setzen und sie mit konkreten Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes unterstützen. In diesen Ländern sind die CO2-Vermeidungskosten in der Regel deutlich niedriger als in den Industrieländern, vor allem weil sie oft eine hohe Energieintensität haben, Kohle zum Teil ihre vorherrschende Energiequelle ist und sie über nur wenige erneuerbare Energien verfügen.
  • Dabei gilt es auch, die Notwendigkeit, das weltweite Bevölkerungswachstum zu begrenzen, stärker in den Blickpunkt zu rücken: Die Weltbevölkerung ist seit 1960 von etwa 3 Mrd. auf derzeit 7,7 Mrd. gestiegen, und die Vereinten Nationen prognostizieren, dass sie bis 2050 fast 10 Mrd. erreichen wird (United Nations, 2019). Dieses (zu) hohe Bevölkerungswachstum erschwert nicht nur die Bekämpfung von Hunger und Armut in den betroffenen Ländern, sondern führt auch zu vielfältigen Schädigungen ihrer Umwelt und auch zum weiteren Anstieg des weltweiten CO2-Ausstoßes.
  • Zum anderen müssen die Industrieländer (gemeinsam mit den Schwellen- und Entwicklungsländern) mehr Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ergreifen, z. B. zur Stärkung des Hochwasserschutzes, zur Vermeidung von Waldbränden, zur effizienteren Nutzung der Wasserressourcen, zur Entwicklung dürreresistenter Baumarten und Anbaukulturen sowie zur Anpassung der Gebäude an höhere Temperaturen. Denn die Erderwärmung wird weitergehen, auch wenn der globale CO2-Ausstoß ab 2030 konstant gehalten werden könnte. Selbst wenn alle Emissionen auf null reduziert würden, käme es „nach einer kurzen Erwärmungsphase zu einer annähernden Stabilisierung des Klimas über viele Jahrhunderte“, dem sogenannten „unabwendbaren Klimawandel aufgrund bisheriger Emissionen“ oder dem “zero future emission commitment“ (IPCC, 2017, 59; MacDougall et al., 2020).

Insgesamt war das Pariser Abkommen ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Durchbruch zu einem weltweiten Klimaabkommen. Dazu wurden die Schwellen- und Entwicklungsländer zu wenig einbezogen, und es wurde zu wenig auf die gemeinsamen Verantwortlichkeiten von entwickelten und nicht entwickelten Ländern abgestellt.

  • 1 Vgl. auf der Internetseite des Pariser UN-Büros die – oft sehr umfangreichen und zum Teil blumigen – NDCs verschiedener Länder, wie von Indien, Saudi-Arabien oder Indonesien: https://www4.unfccc.int/sites/ndcstaging/pages/All.aspx.
  • 2 In dieser neusten Version der EDGAR-Datenbank liegen nur bis 2019 Daten zum CO2-Ausstoß vor. Zudem weichen die CO2-Werte 2020 – coronabedingt – von der mittelfristigen Entwicklung ab.
  • 3 Diese (und weitere) Angaben zum Energie-Mix und zur Energieintensität wurden auf Basis der BP-Datenbank berechnet (BP, 2020).
  • 4 Zudem investiert China in hohem Ausmaß in den Bau von Kohlekraftwerken in anderen Ländern, speziell in Afrika und Ländern an der neuen Seidenstraße.
  • 5 Die sieben nächstgrößten Emittenten sind Kanada, Südafrika, Mexiko, Brasilien, Australien, die Türkei und Vietnam mit einem Anteil von insgesamt 8,4 % 2019.
  • 6 Vgl. den von Indien bei den Vereinten Nationen eingereichten NDC. 1960 war die Bevölkerung Indiens mit 450 Mio. nur rund 10 % größer als die der EU28 gewesen. 2019 war sie etwa 2,5 mal so groß.
  • 7 Die Minderungsquoten betrugen für die dem EU-weiten Zertifikatehandel angehörenden Sektoren 43 % und für die nicht dem Zertifikatehandel angehörenden Sektoren 30 % (für die Gesamtheit der Mitgliedsstaaten).
  • 8 Vgl. Artikel 2, Absatz 2 des Pariser Abkommens, der an die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC⁠) anknüpft.
  • 9 Bis zu den 1970er Jahren waren die Industrieländer fast ausschließlich für die Kumulation anthropogener CO2-Emissionen in der Erdatmosphäre verantwortlich (Ritchie, 2019; Metz, 2005).

Literatur

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Title:Is the Paris Agreement the Breakthrough to an International Climate Agreement?

Abstract:The article analyses how the CO2 emissions of the world’s ten largest polluters have evolved in the past and will evolve by 2030 if the member countries of the Paris Agreement comply with the NDCs. By 2030, the CO2-budgets for reaching the 1.5- or 2-degree target will be exhausted to a significant extent. Industrialized countries cannot stop climate change by reducing their own emissions alone. Therefore, they should change their strategy and cooperate more closely with developing and emerging countries and support them in reducing their CO2 emissions. Additionally, they should take more measures to adapt to climate change.

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© Der/die Autor:in 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-3024-0