Deutschland besteuert Gewinne von Kapitalgesellschaften durchschnittlich mit 30 %. Diese Steuerbelastung ist EU-weit mit am höchsten und liegt annähernd 10 Prozentpunkte oberhalb des EU-Durchschnitts. Bei Ausschüttung der Gewinne kann die Dividendenbesteuerung der Anteilseigner die Gesamtbelastung der Kapitalgesellschaften auf mehr als 48 % erhöhen. Personengesellschaften werden in Deutschland transparent besteuert, d. h. der Gewinn wird auf die Gesellschafter verteilt und unterliegt dann jeweils deren persönlichen Einkommensteuersätzen. Die Steuerbelastung liegt in der Spitze auch hier bei annähernd 48 %.
Abgesehen von der hohen Spitzensteuerbelastung wurden große, renditestarke Personengesellschaften lange auch dadurch benachteiligt, dass ihre Gesamtsteuerbelastung – im Unterschied zu Kapitalgesellschaften – nicht niedriger ist, wenn der Gewinn im Unternehmen verbleibt. Aus diesem Grund wurde mit der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) im Zuge der Unternehmenssteuerreform 2008 ein Instrument geschaffen, das optional die Besteuerung einbehaltener Gewinne von Personenunternehmen an die Besteuerung bei Kapitalgesellschaften angleicht. So werden nach dieser Vorschrift einbehaltene Gewinne beim Gesellschafter bei Entstehung mit 28,25 % besteuert, bei späterer Entnahme zusätzlich mit 25 % (jeweils zuzüglich Solidaritätszuschlag) nachversteuert. Während die Grundidee hinter dieser Vorschrift sinnvoll erscheint, ist die Ausgestaltung komplex und der Anwendungskreis klein (2014 nutzten nur 6.271 Einkommensteuerpflichtige die Thesaurierungsbegünstigung). Die Komplexität der Vorschrift resultiert daraus, dass die Steuerzahlungen selbst als Entnahme eingestuft werden und somit ein Zirkelschluss bei der Ermittlung entsteht. Ferner hängt ihre Vorteilhaftigkeit von der Entwicklung des persönlichen Einkommensteuersatzes und der Thesaurierungsdauer ab und verlangt somit langfristige Planungen. Der geringe Anwendungskreis der Option lässt sich allerdings auch dadurch erklären, dass ihre Anwendung für viele unternehmerisch tätige Einkommensteuerpflichtige aufgrund niedriger persönlicher Einkommensteuersätze nachteilig ist.
Das nun von der Bundesregierung vorgeschlagene Optionsmodell geht einen anderen, deutlich weitreichenderen Weg. Während die bisherige Regelung konzeptionelle Unterschiede bei der Besteuerung von Personen- und Kapitalgesellschaften erhält, sollen Personengesellschaften nun das Recht erhalten, vollständig und unwiderruflich zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft zu optieren. Grundsätzlich ist eine einfachere Lösung als die bisherige Thesaurierungsbegünstigung zu begrüßen. Im Unterschied zu bisher muss die Inanspruchnahme des Optionsmodells unternehmensweit einheitlich erfolgen. Da die Vorteilhaftigkeit des Optionsmodells ebenfalls von den persönlichen Einkommensteuersätzen abhängt und somit von Gesellschafter zu Gesellschafter unterschiedlich ausfallen kann, kann dieses für Minderheitsgesellschafter Nachteile mit sich bringen. Die Aufhebung des Transparenzprinzips kann auch an anderer Stelle zu Nachteilen für die Gesellschafter führen: Bei einer Option zur Körperschaftsbesteuerung wird es nicht mehr möglich sein, Verluste des Unternehmens mit Gewinnen aus anderen Quellen zu verrechnen. Dies kann nicht nur in Krisenzeiten eine höhere Gesamtsteuerlast bedeuten.
Da Unternehmen nur dann für die Körperschaftsteuer optieren, wenn sie sich dadurch besserstellen, wird das Gesamtsteueraufkommen tendenziell sinken. Zudem kann die vorgeschlagene Reform weitreichende Folgen auch für die Gemeindefinanzen haben: Bis zu einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 400 % wird die Gewerbe- auf die Einkommensteuer angerechnet, d. h. der Gewerbesteuer-Hebesatz hat bis zu diesem Punkt keinen Einfluss auf die Gesamtsteuerbelastung der Personengesellschaft. Optiert eine Personengesellschaft nun zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft, trägt sie die volle Last der Gewerbesteuer. Gerade kleinere Gemeinden, deren Gewerbesteueraufkommen von wenigen Unternehmen stammt, werden nun Druck verspüren, die Gewerbesteuersätze zu senken.
Oft wird die Rechtsformneutralität (als Ergänzung zur Investitions- und Finanzierungsneutralität) als steuerpolitisches Ziel aufgefasst. Doch Rechtsformen unterscheiden sich in vielen Aspekten, die teilweise auch eine unterschiedliche Besteuerung rechtfertigen können. Daher stellt sich die Frage, ob die Forderung nach Rechtsformneutralität nicht eine versteckte Forderung nach einer niedrigeren Steuerbelastung für Unternehmen ist – insbesondere für die Unternehmen, die Gewinne reinvestieren und nicht ausschütten. Möchte man mit dem Steuersystem aber Investitionen fördern, gäbe es auch andere zielführende Wege, die besser in die Steuersystematik passen, wie z. B. eine Verbesserung der Abschreibungs- oder der Verlustverrechnungsmöglichkeiten.
Literatur
Bundesregierung (2018), Unternehmensbesteuerung, Bundestagsdrucksache 19/6308, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/063/1906308.pdf.