Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

In der aktuellen deutschen Klimaschutzpolitik soll ein höherer CO2-Preis den Konsum von CO2-produktionsintensiven Gütern verteuern. Da damit für die Konsumenten ein Anreiz entsteht, diese Güter geringer oder möglicherweise gar nicht nachzufragen, würden diese folglich in einem geringeren Ausmaß produziert und die Verringerung der Treib­hausgasemissionen unterstützt. Da CO2-Güter häufig nicht einfach durch andere, günstige Güter substituiert werden können, hat dies insbesondere für einkommensschwächere Haushalte eine hohe Relevanz. Durch ein Pro-Kopf gezahltes Energiegeld soll verhindert werden, dass insbesondere diesen Haushalten ein finanzieller Nachteil entsteht. Im Parteiprogramm von Bündnis 90/Die Grünen ist sogar die Rede davon, dass man so mit „Klimaschutz Geld verdienen kann“, wenn das von den Haushalten vereinnahmte Energiegeld höher ist als die Mehrbelastungen durch den höheren CO2-Preis (Bündnis 90/Die Grünen, 2021).

Was auf den ersten Blick verlockend erscheint, enthält allerdings das Potenzial handfester negativer Überraschungen für alle Anspruchsgruppen. Nehmen wir zunächst an, dass die Nachfrage eines Haushalts nach CO2-Gütern absolut unelastisch ist. Das zugehörige Standardbeispiel für ein solches Gut ist der Pendelverkehr mit Verbrenner-PKW einer Familie mit ländlichem Wohnsitz. Das Gesamtaufkommen der CO2-Preisprämie wird annahmegemäß über ein durchschnittliches Pro-Kopf-Energiegeld (ex ante) den Haushalten erstattet. Damit ergeben sich für den Durchschnittshaushalt mit Energiegeld die gleichen Konsummöglichkeiten wie zuvor. Eine Verbesserung der umweltpolitischen Situation ergibt sich nicht. Damit sich dies ändert, müssen also Substitutionsgüter existieren und angeboten werden. Dies kann für die Beispiel-Haushalte ein als attraktiv wahrgenommener öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) sein. Wird jetzt durch einen höheren Benzinpreis mehr privater PKW-Verkehr auf den ÖPNV verlagert, dann wird die Erreichung der Klimaschutzziele unterstützt. Allerdings hat dies regelmäßig zur Folge, dass der finanzierbare Gesamtnutzen des Haushalts verringert wird. Haben vor der Erhöhung des CO2-Preises die Haushalte eine eindeutige Entscheidung für den Konsum ihrer CO2-Güter und ihrer weiteren Güter getroffen, dann wird ein steigender CO2-Preis eine geringere Nachfrage nach (normalen) CO2-Gütern und damit eine Erhöhung der Nachfrage nach Substitutionsgütern zur Folge haben. Da dem vereinnahmten CO2-Prämienvolumen die neu nachgefragten CO2-Gütermengen als Bemessungsgrundlage zugrunde liegen, wäre das neue Güterbündel allerdings auch vor CO2-Preiserhöhung und Energiegeld für den durchschnittlichen Haushalt finanzierbar gewesen. Da sich die Haushalte vor der CO2-Preiserhöhung aber nicht dafür entschieden haben, geht folglich mit ihrer neuen optimalen Entscheidung ein geringerer Gesamtnutzen einher.

Behalten einkommensstarke Haushalte aufgrund ihrer geringeren marginalen Konsumneigung ihren absoluten CO2-Konsum bei, erfahren Sie folgerichtig durch einen höheren CO2-Preis eine höhere absolute Belastung. Der relative Nutzenverlust dürfte dabei jedoch geringer ausfallen als für einkommensschwächere Haushalte. Ob die CO2-Preis-Mehreinnahmen der tendenziell kleineren Gruppe einkommensstarker Haushalte ausreichen, um den einkommensschwächeren Haushalten die Überkompensation ihrer CO2-Belastung mit einem Pro-Kopf-Energiegeld zu finanzieren, ist dabei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig (z. B. Zahl einkommensstarker (-schwächerer) Haushalte, Haushaltsgrößen, Haushalts-CO2-Konsum, Substitutionsmöglichkeiten, Präferenzen, Verwaltungskosten des Energiegelds) und erscheint eher unwahrscheinlich. Damit führt die höhere CO2-Bepreisung und das Energiegeldkalkül zu Verteilungswirkungen, die den erzielbaren Gesamtnutzen einkommensschwacher (einkommensstarker) Haushalte relativ stärker (schwächer) betreffen dürften.

Die CO2-Bepreisung als wirksames Instrument, um ökonomische Anreize für eine Änderung des Konsumverhaltens zu erzeugen, scheint unumstritten. Daher ist es zu begrüßen, dass neben angebotsseitigen Aspekten, wie beispielsweise die Bereitstellung eines attraktiven ÖPNV, auch Verteilungsfragen Eingang in die Diskussion gefunden haben. Dabei gerecht empfundene Lösungen zu finden, ist eine schwierige politische Aufgabe. Will sich die Klimaschutzpolitik die Lenkungswirkung höherer Preise zu Nutze machen, dann sollten auch die dabei zugrunde liegenden Annahmen und die entstehenden Verteilungswirkungen analysiert und insbesondere im Vorfeld anstehender Wahlentscheidungen angemessen kommuniziert werden.

Literatur

Bündnis 90/Die Grünen (2021), Deutschland. Alles ist drin, Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021, https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf, (10. Juni 2021).

Beitrag als PDF

© Der/die Autor:in(nen) 2021

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-021-2950-1