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Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, durch den gezielten Kauf von Vermögenswerten im Rahmen der Ankaufprogramme (APP) des Eurosystems, EZB und Notenbanken der Euro-Länder, die Erreichung der Klimaschutzziele zu unterstützen. Dazu soll vom Grundsatz der Marktneutralität abgewichen werden (New Economics Foundation, 2020; Siedenbiel, 2020). Marktneutralität ist der Anspruch, dass eine Notenbank mit ihren Markttransaktionen nicht die Preise von Vermögenswerten beeinflusst und dabei ebenfalls keine Emittenten bevorzugt. Die für die Volkswirtschaft wichtigen Größen, wie insbesondere Zinsen und Risikoaufschläge, werden so annahmegemäß nicht verzerrt. Bei der Vorlage ihres Maßnahmenplans zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrer geldpolitischen Strategie hat die EZB jüngst auch ihre Vorhaben benannt, potenzielle Verschiebungen bei der Marktallokation und alternative Benchmarks für den Ankauf von Anleihen und insbesondere Unternehmensanleihen im Rahmen des „Corporate Sector Purchase Programme“ zu ermöglichen und dabei vom Grundsatz marktneutraler Transaktionen abzuweichen (EZB, 2021a).

Ein grünes APP hätte das Ziel, die Risikoprämien von Anleihen zu senken, um die Finanzierung grüner Investitionsprojekte zu unterstützen. Während bereits die aktuellen APP in der Kritik einer nicht gegebenen Berechtigung stehen, dürfte ein grünes APP vom aktuell gültigen geldpolitischen Mandat nicht abgedeckt sein. Gleiches dürfte auf der ordnungspolitischen Metaebene für die eigenständige Aufgabe des Grundsatzes der Marktneutralität durch die EZB gelten. Es ist zu fragen, wie die Zweckbindung der subventionierten Finanzierungen darstellbar und nicht beabsichtigte Allokationseffekte vermeidbar wären. Die allgemein akzeptierte Meinung bezüglich der Erreichung von Klimaschutzzielen geht davon aus, dass zusätzliche preispolitische Maßnahmen mit Subventionscharakter regelmäßig kontraproduktiv zu den Preissignalen aus erfolgreichen umweltpolitischen Instrumenten, wie insbesondere Emissionshandelssystemen, wirken.

Eine weitere Entfernung vom Grundsatz der Marktneutralität scheint nicht förderlich für die so wichtige Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Geldpolitik vor dem Hintergrund des bestehenden, durch den Vertrag von Maastricht parlamentarisch legitimierten Mandats. Nicht zuletzt aufgrund der Volumina der APP und der auch damit ausgeweiteten monetären Basis, per Ende Juni in einer Gesamthöhe von über 3 Billionen Euro (EZB, 2021b), besteht eine Unsicherheit der Wirtschaftssubjekte über die Ausrichtung der künftigen europäischen Geldpolitik und damit auch über die Vorteilhaftigkeit aktueller Investitionen und Konsumentscheidungen. Die eigenständige Ausweitung des Mandats des Eurosystems um eine grüne Investorenrolle würde diese Unsicherheit wahrscheinlich weiter erhöhen. Das Eurosystem würde zu einem Klimaschutz­investor im Sinn einer grünen Handelsbank mit Market-Maker-Funktion verbunden mit der Übernahme von Kreditrisiken grüner Projekte und Unternehmen. Ein grünes APP könnte dabei in einer Vielzahl von Situationen im Widerspruch zu grundsätzlichen geldpolitischen Zielsetzungen stehen. Dabei würden wichtige Freiheitsgrade bei der operativen Durchführung der Geldpolitik beschränkt. Wie können etwa klimaschutzrelevante Unternehmensanleihen weiter angekauft werden, wenn geldpolitische Erfordernisse gerade eine Verringerung der monetären Basis erfordern würden?

Dass die weitreichenden Folgen des Klimawandels und die damit verbundenen Risiken im Rahmen ökonomischen Handelns und auch in der Geldpolitik Berücksichtigung finden müssen, steht außer Zweifel. Die Erfolgsbeiträge einer darüber hinausgehenden aktiven grünen Geldpolitik mit einer Entfernung vom Grundsatz der Marktneutralität dürften jedoch bei weitem nicht garantiert sein, bei gleichzeitig entstehenden Risiken für eine klassisch-monetaristisch, an der Preisniveaustabilität orientierten Geldpolitik. Neben der immer stärker beobachtbaren Integration von europäischer Geldpolitik und nationalen Fiskalpolitiken der Euroländer sollte die Eindeutigkeit und Wirksamkeit der Geldpolitik mit Bezug auf die Sicherstellung der Preisniveaustabilität und der geldpolitischen Transmissionsfunktion daher nicht durch weitere wirtschaftspolitische Aufgaben geschwächt werden. Die Durchführung von marktneutralen Transaktionen kann dies unterstützen. Insgesamt spricht daher einiges dagegen, dass das Eurosystem eine aktive grüne Geldpolitik betreibt.

Literatur

EZB (2021a), EZB präsentiert Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrer geldpolitischen Strategie, inkl. Annex: Detailed roadmap of climate change-related actions, 8. Juli.

EZB (2021b), Asset purchase programmes.

New Economics Foundation (2020), Decarbonising is Easy Beyond Market Neutrality in the ECB’s corporate QE, Oktober.

Siedenbiel, C. (2020), Grüne Geldpolitik: EZB-Chefin Lagarde stellt zentrales Prinzip in Frage, 15. Oktober.

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© Der/die Autor:in(nen) 2021

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DOI: 10.1007/s10273-021-2973-7