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Minijobs sind ins Rampenlicht der arbeitsmarktpolitischen Diskussion geraten. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung sieht eine Erhöhung der Verdienst­obergrenzen bei Minijobs von 450 auf 520 Euro sowie bei Midijobs von 1.300 auf 1.600 Euro vor. Dagegen fordern Arbeitsmarktökonom:innen die Abschaffung oder zumindest massive Begrenzung der Minijobs. Seit knapp 20 Jahren gibt es in Deutschland Minijobs. Sie wurden in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit und geringer Beschäftigung eingeführt. Heute sind sie ein wichtiges externes Flexibilisierungsinstrument, das geringfügige Beschäftigung ermöglicht: Die Zahl der Minijobbenden im gewerblichen Bereich schwankt seit ihrer Einführung zwischen 6 Mio. und 7 Mio. und lag nach Angaben der Minijobzentrale Ende September 2021 bei 6,24 Mio. Hinzu kommen knapp 300.000 Minijobbende in privaten Haushalten.

Minijobs ermöglichen steuer- und abgabenfreie Verdienste bis zu 450 Euro im Monat. Aus Arbeitnehmendensicht sind sie finanziell so attraktiv wie Schwarzarbeit, da sie netto so viel wie brutto erhalten. Aus Arbeitgebendensicht stellen sie eine rechtssichere Vertragsform dar, die kurzfristig die Einstellung zusätzlichen Personals ermöglicht. Administrativ ist die Minijobzentrale zwischen Arbeitgebende und Angestellte geschaltet. Minijobs ergänzen die externen Flexibilisierungsinstrumente Zeitarbeit und befristete Beschäftigung. Somit können Auftragsspitzen oder saisonal schwankende Arbeiten abgedeckt werden.

Die Zahl der Minijobs hängt von Konjunkturschwankungen ab – das ist gerade die DNA der Minijobs. Dementsprechend sind sie in der Corona-Krise zurückgegangen, aber bereits im Sommer 2021 ging die Zahl wieder steil nach oben. Diese Schwankungen als Argument gegen Minijobs anzuführen, verkennt ihre Rolle im Arbeitsmarkt. Doch hängt die Zahl der Minijobs auch von strukturellen Änderungen ab. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns dürfte zur Umwandlung von Minijobs in Teilzeit-/Vollzeitbeschäftigung in einem gewissen Umfang geführt haben. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro je Stunde dürfte einen vergleichbaren Effekt haben.

Problematisch wäre es, wenn Minijobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängen würden, was in der Vergangenheit in kleineren Betrieben zu beobachten war. Dennoch ist die Zahl der Minijobs nach Angaben der Minijobzentrale seit 2005 um 6 % gesunken, während die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im gleichen Zeitraum um 28 % gestiegen ist. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat inzwischen ein Rekordhoch von fast 34 Mio. erreicht – und weiterhin suchen Unternehmen nach Fachkräften, denen meist unbefristete Vollzeitbeschäftigung mit voller Sozialversicherungspflicht angeboten wird. Mit Blick auf die Zukunft werden insbesondere kleinere Betriebe verstärkt unter Arbeitskräftemangel leiden. Bereits heute beklagen sie mehr denn je fehlende Fachkräfte und zuverlässige geringqualifizierte Mitarbeitende. Es wird zukünftig für kleine Betriebe immer wichtiger werden, attraktiv für Arbeitnehmende zu sein, was sich auch in den angebotenen Vertragsformen widerspiegeln dürfte. Damit sollte das Problem der Verdrängung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung an Bedeutung verlieren.

Minijobs sind ein bewährtes externes Flexibilisierungsinstrument, aber die Hoffnung, dass sie auch ein Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind, hat sich nicht erfüllt. Das liegt zum einen daran, dass Schüler:innen, Studierende und Rentner:innen nur ihr Einkommen aufbessern wollen, um sich mehr leisten zu können – für etwa zwei Mio. Minijobbende geht es nicht um den Sprung in Vollzeitbeschäftigung. Zum anderen führen die Transferentzugsraten für Grundsicherungsempfangende dazu, dass viele einen Mini-Minijob für 100 Euro im Monat wählen, da sie diesen Verdienst zusätzlich zum Arbeitslosengeld II behalten dürfen. Dieses potenzielle Sprungbrett hat die Legislative durch restriktive Anrechnungsregeln selbst angesägt. Auch der Übergang vom Minijob zum Midijob ist als Falle konstruiert – und nicht als Sprungbrett: Wer zwischen 451 und etwa 500 Euro im Monat verdient, hat trotz Mehrarbeit netto weniger in der Tasche, weil nun Sozialabgaben für Arbeitnehmende anfallen – ein weiterer Systemfehler, den die Gesetzgebung in der jetzigen Legislaturperiode beseitigen sollte.

Minijobs sind ein unverzichtbares Flexibilisierungsinstrument. Eine schrittweise Eingrenzung auf Schüler:innen, Studierende und Rentner:innen würde etwa 4 Mio. Mini­jobs bei einem Bestandsschutz für bestehende Verträge auslaufen lassen. Verdienstchancen speziell für Geringqualifizierte gingen unwiderruflich verloren, ohne dass automatisch sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung für die Betroffenen entsteht. Stattdessen sollten Mini- und Midijobs ausgebaut, aber auch vereinfacht und anreizfreundlicher ausgestaltet sowie effizienter über die Minijobzentrale administriert werden.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3080-0