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Der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen ist das zentrale Instrument zur Unterstützung der Kultur- und Veranstaltungsbranche und dabei eines von mehreren Maßnahmen, die von Bund und Ländern zur Bewältigung der Coronapandemie aufgelegt wurden. Der Sonderfonds ist ein versicherungsartiges Instrument, das Planungssicherheit im Vorfeld und bei der Durchführung von Veranstaltungen geben soll. Der Sonderfonds ist mit bis zu 2,5 Mrd. Euro ausgestattet und startete am 1. Juli 2021.

Die Kultur- und Veranstaltungsbranche war und ist von der Coronapandemie besonders stark betroffen. Mit den Lockdown-Maßnahmen 2020 und der Bundesnotbremse 2021 ist das kulturelle Leben in Deutschland weitgehend zum Erliegen gekommen. Für viele Kulturschaffende war damit eine Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz verbunden. Hinzu kommt, dass bei größeren Kulturveranstaltungen generell lange Vorlaufzeiten und Planungsrisiken gegeben sind und Kulturveranstaltungen sowie Kultureinrichtungen sich auch über Eintrittseinnahmen finanzieren.1 Bei Veranstaltungen sowie in Einrichtungen, die zwar nicht von Schließung oder Untersagung betroffen waren, bei denen aber die Besuchszahlen aufgrund der Coronaschutzbestimmungen limitiert waren, fehlten diese Einnahmen zu einem relevanten Anteil. Die Pandemie hat sichtbare Spuren im kulturellen Bereich hinterlassen. Die Besuchszahlen bei kulturellen Veranstaltungen, insbesondere Kino und Theater, sind in den Pandemiejahren 2020 und 2021 gegenüber den Vorjahren deutlich zurückgegangen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1
Besuchszahlen in Kino und Theater in Deutschland
Jahr Kino­besuche
(in Mio.)
Theater­besuche
(in 1.000)
Änderungsrate gegenüber Vorjahr in %
Kinobesuche Theaterbesuche
2017 122,3 18.530 - -
2018 105,4 18.317 -13,82 -1,15
2019 118,6 18.590 12,52 1,49
2020 38,1 12.706 -67,88 -31,65
2021 42,1 - 10,50 -

Quellen: Filmförderungsanstalt, Berlin; Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins e. V.

Diese Gesichtspunkte waren für die Politik maßgeblich, ein gesondertes Unterstützungsprogramm für die Branche einzurichten, welches auch zielgenau helfen soll.2 Am 30. November 2020 hat das Corona-Kabinett3 die Einrichtung eines Sonderfonds für Kulturveranstaltungen beschlossen. Das Bundesministerium der Finanzen wurde mit der Erarbeitung der Details für den Sonderfonds beauftragt.

Das Ziel der Kulturförderung ist, im Gegensatz zu reinen Wirtschaftshilfen, nicht nur die Sicherung von wirtschaftlichen Existenzen und Arbeitsplätzen, sondern auch die Ermöglichung von Kultur und der Erhalt der kulturellen Vielfalt. Kulturveranstaltungen sind, auch ohne Pandemie, oft nur mit staatlicher Unterstützung kostendeckend und fallen deshalb häufig aus bestehenden Förderinstrumenten heraus. Zudem ist der Einfluss des Kultursektors auf die regionale Entwicklung, gerade für die kleineren Ober- und Mittelzentren, bedeutsam und damit über Spillover-Effekte eine systemrelevante Branche in der Wirtschaft (Falck und Bauer, 2020).

Eine Beschränkung auf kulturelle Veranstaltungen besteht zudem auch aus beihilferechtlicher Sicht. Diese Veranstaltungen fallen unter die Kulturfreistellungsklausel nach Art. 53 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung der EU (AGVO) und können somit auch über die Kleinbeihilfegrenze von 1,8 Mio. Euro hinaus gefördert werden.4 Ein Sonderfonds für nicht kulturelle Veranstaltungen wäre weder zeitlich noch im Umfang der Förderung mit dem EU-Beihilferechtsrahmen (Temporary Framework) kongruent und hätte gesondert notifiziert und genehmigt werden müssen.5

Gestaltung des Sonderfonds

Das Bundeskabinett hat am 26. Mai 2021 beschlossen, einen Sonderfonds von bis zu 2,5 Mrd. Euro einzurichten, um Kulturveranstaltungen nach Phasen des Lockdowns wieder möglich zu machen (BMF, 2021a). Es ist das größte Hilfsprogramm für den Kulturbereich in der Geschichte Deutschlands (BMF, 2021b). Die Haushaltsmittel in Höhe von 2,5 Mrd. Euro verteilen sich auf die Jahre 2021, 2022 und 2023.

Um sowohl den Aspekt einer coronabedingten niedrigen Frequentierung von Kulturveranstaltungen als auch deren Absage Rechnung zu tragen, wurden zwei Module konzipiert (BMF, 2021b):

(1) Eine Wirtschaftlichkeitshilfe für kleinere Kulturveranstaltungen mit bis zu 500 Besuchenden, die ab dem 1. Juli 2021 durchgeführt werden, mit coronabedingter niedrigerer Frequentierung sowie für online angebotene „hybride“ Kulturveranstaltungen. Ziele sind die Ermöglichung von Kulturveranstaltungen mit geringerer Auslastung durch einen Zuschuss zu den Eintrittseinnahmen und die Erweiterung des Zugangs zu Kultur durch Förderung von sowohl in Präsenzform als auch „hybriden“ Veranstaltungen. Seit dem 1. August 2021 werden Veranstaltungen mit bis zu 2.000 Besuchenden gefördert.

(2) Eine Ausfallabsicherung für Veranstaltende, deren größere Kulturveranstaltungen coronabedingt abgesagt werden. Ausfall- und Verschiebekosten bei Veranstaltungen mit mehr als 2.000 Besuchenden können ab dem 1. September 2021 aus dem Sonderfonds bezuschusst werden. Maximal 90 % der durch eine pandemiebedingte Absage, Teilabsage oder Reduzierung der Teilnehmerzahl entstandenen Kosten übernimmt die Ausfallabsicherung. Die maximale Entschädigungssumme beträgt 8 Mio. Euro pro Veranstaltung. Die Ausfallabsicherung ist demnach ein Versicherungssubstitut einer nicht angebotenen privatwirtschaftlichen Versicherungslösung.

Die Laufzeit der beiden Module endet am 31. Dezember 2022. Um die bestehende Komplexität der verschiedenen Hilfsinstrumente in der Coronapandemie nicht weiter zu vergrößern, wurde bei der Konzipierung auf eine klare Trennung zwischen Wirtschaftshilfen (z. B. den Überbrückungshilfen I-IV) und der Kulturförderung geachtet. Die Bewirtschaftung des Sonderfonds wurde auf Bundesebene an die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) übertragen. Diese übernimmt auch den Vorsitz in einem Lenkungsausschuss, der die Umsetzung des Programms koordiniert. Mit der Verwaltung sind einige Aufgaben verbunden, wie die Beaufsichtigung, die Titelbewirtschaftung, die Schließung von Verwaltungsvereinbarungen mit den durchführenden Behörden der Länder und die Entwicklung gemeinsamer Förderrichtlinien. Die Verwaltung und Abwicklung erfolgen über die Kultusministerien der Länder. Die Registrierung und Antragstellung erfolgt auf einer speziellen IT-Plattform, die von der Freien und Hansestadt Hamburg für alle Länder betreut wird.

Administration

Der Sonderfonds fußt gemäß einer mit den Ländern abgestimmten Verwaltungsvereinbarung (VV) und Vollzugshinweisen (VH) beihilferechtlich auf Art. 53 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO). Die beihilfe­konforme Bewilligung von Hilfen aus dem Sonderfonds liegt gemäß VV und VH bei den in den Kulturbehörden der Länder angesiedelten Bewilligungsstellen. Wesentlich für die Konformität mit Art. 53 AGVO ist dabei die in Verantwortung der Länder mit Blick auf ihre Kulturhoheit erarbeitete Positivliste förderfähiger Veranstaltungen.

Antragsberechtigt für den Sonderfonds sind Veranstaltende von Kulturveranstaltungen, welche nach Ziffer 2 Abs. 1 der VH in Entsprechung des Art. 53 AGVO definiert werden. Im Rahmen der Ausarbeitung und Abstimmung der VH mit den Ländern haben diese mit Blick auf ihre Zuständigkeit, Fachkompetenz und Vorerfahrung mit dem Kultur-Beihilferecht eine Positivliste förderfähiger Veranstaltungen mit Blick auf die Kriterien des Art. 53 AGVO erarbeitet. Diese Liste wurde im Rahmen der FAQ des Sonderfonds veröffentlicht.6 Die maximal mögliche Förderung im Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen beträgt 75 Mio. Euro pro Jahr und Unternehmen bzw. Antragstellung gemäß Art. 53 der AGVO.

Mit den beiden hier dargestellten Modulen wird der Kultur- und Veranstaltungsbranche eine Perspektive für die Zeit ab Sommer 2021 gegeben. Neben direkt betroffenen Veranstaltenden und Kulturschaffenden sollen über den Sonderfonds auch indirekt Betroffene wie z. B. Technik, Catering und Künstler:innenagenturen von den Hilfen profitieren, indem Veranstaltungen überhaupt ermöglicht werden und Zuschüsse bzw. Kostenerstattungen weitergereicht werden.

Zwischenbilanz

Aus dem Sonderfonds wurden bislang rund 156 Mio. Euro für 8.479 Anträge ausgezahlt (Stand: 14. Juli 2022). Aufgrund vielfacher Veranstaltungs- und Tourneeabsagen gerade im Winter 2021/2022 und der Antragsfrist von sechs Monaten nach dem geplanten Datum der Veranstaltung ist mit einem beträchtlichen Anstieg der Anträge und Auszahlungen im weiteren Jahresverlauf 2022 zu rechnen. Die Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die ausgezahlten Mittel auf die einzelnen Länder. Die im Verhältnis zur Versicherungssumme in Höhe von 2,5 Mrd. Euro bis Juli 2022 geringen Mittelabflüsse zeigen, dass der Sonderfonds als Versicherung für die Kultur- und Veranstaltungsbranche in der Coronapandemie wichtig war und ist. Im Modul Wirtschaftlichkeitshilfe wurden bislang rund 139 Mio. Euro und im Modul Ausfallabsicherung rund 17 Mio. Euro ausgezahlt (Stand: 14. Juli 2022, Deutscher Bundestag, 2022). Der Zweck des Sonderfonds war es nie, dass die Gesamtsumme vollständig abgerufen wird, sondern er ist als Absicherung zu betrachten.

Tabelle 2
Sonderfonds für Kulturveranstaltungen (14. Juli 2022)
Bundesland Zahl der Anträge Ausgezahlte Mittel in Euro
Baden-Württemberg 1.001 18.291.116
Bayern 1.120 18.039.609
Berlin 656 20.997.432
Brandenburg 306 2.564.933
Bremen 119 1.627.897
Hamburg 561 17.253.499
Hessen 613 11.972.956
Mecklenburg-Vorpommern 252 6.206.847
Niedersachsen 554 8.745.225
Nordrhein-Westfalen 1.248 22.212.614
Rheinland-Pfalz 485 5.523.156
Saarland 192 3.348.530
Sachsen 470 6.641.872
Sachsen-Anhalt 324 4.201.608
Schleswig-Holstein 281 5.461.796
Thürigen 297 3.428.690
Σ 8.479 156.517.780

Quelle: Deutscher Bundestag (2022), eigene Darstellung.

  • Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und nicht notwendigerweise die des Bundesministeriums der Finanzen. Der Autor dankt Frank Castenholz für hilfreiche Kommentare.
  • 1 Der Kultursektor ist speziell von öffentlichen Mitteln abhängig. 2017 beliefen sich die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für Kultur auf ca. 11,4 Mrd. Euro.
  • 2 Neben dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen konnten und können Kulturschaffende auch die „November – bzw. Dezemberhilfe“, die Neustarthilfe, die Überbrückungshilfe III sowie das Programm „Neustart Kultur“ als Unterstützungsinstrumente nutzen.
  • 3 Das (kleine) Corona-Kabinett war ein Gremium, das seit Beginn der Pandemie unter der Leitung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel montags tagte. Ihm gehörten die Fachminister:innen des BMF, BMI, AA, BMG, BMVg und der Chef des Bundeskanzleramts an. Das (große) Corona-Kabinett tagte donnerstags unter Beteiligung der Fachminister:innen, die bei den zu behandelnden Themen zuständig waren.
  • 4 Bei der Konzipierung des Sonderfonds lag die beihilferechtliche Obergrenze für Kleinbeihilfen bei 800.000 Euro. Seit Januar 2021 gilt der neue Satz von 1,8 Mio. Euro.
  • 5 Die EU-Kommission hat am 19. März 2020 mit den Mitgliedstaaten den befristeten Beihilferahmen zur Stützung der Wirtschaft angesichts der Coronapandemie beschlossen. Er ist zum 30. Juni 2022 ausgelaufen.
  • 6 Förderfähig sind ausschließlich Kulturveranstaltungen (FAQ Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen, 2022).

Literatur

BMF – Bundesministerium der Finanzen (2021a), Bund unterstützt Kulturveranstaltungen mit Sonderfonds, Pressemitteilung, vom 26. Mai 2021, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2021/05/2021-05-26-sonderfonds-kulturveranstaltungen.html (30. August 2022).

BMF – Bundesministerium der Finanzen (2021b), Unterstützungsmaßnahmen für die Kultur- und Veranstaltungsbranche, BMF-Monatsbericht, Juni 2021, 8-15.

Deutscher Bundestag (2022), Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE – Drucksacke 20/2776 – Aktuelle Situation der Veranstaltungswirtschaft und Auswirkung durch Corona-Pandemie, BT-Drucksache, 20/2908.

Falck, O. und C. Pfaffl (2020), Auch die Kultur ist systemrelevant!, Wirtschaftsdienst, 100(11), 820, https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/11/beitrag/corona-krise-auch-die-kultur-ist-systemrelevant.html (25. Oktober 2022).

FAQ Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen (2022), Häufig, gestellte Fragen, Stand 18.03.2022, https://sonderfonds-kulturveranstaltungen.de/faq (1. September 2022).

Title:The Federal Special Funds for Cultural Events – An Insurance Tool for Culture

Abstract:The federal special fund for cultural events is the central support instrument for the culture and events industry and is one of several measures that have been put in place by the federal and state governments to deal with the coronavirus pandemic. The special fund is an insurance-like instrument that is intended to provide planning security in the run-up to and during events. It is endowed with 2.5 billion euros and started on 1 July, 2021. The low outflow of funds in relation to the sum insured demonstrates the fund’s importance as insurance for the culture and event industry during the pandemic.

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Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.

DOI: 10.1007/s10273-022-3346-6