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Afrika ist ein Kontinent der Chancen, der in der künftigen weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung eine deutlich größere Rolle spielen dürfte als bisher. Dennoch tut sich die deutsche Wirtschaft bislang schwer. Die digitale Transformation verändert die Investitions- und Innovationsbedingungen in Afrika. Daraus ergeben sich auch für deutsche Unternehmen Chancen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Politik sollte Rahmenbedingungen für ein stärkeres privatwirtschaftliches Engagement deutscher und europäischer Unternehmen in Afrika schaffen.

Nur ein geringer Anteil des deutschen Außenhandels findet mit afrikanischen Ländern statt, und dieser Anteil war – zumindest was die Warenexporte angeht – zwischen 2005 und 2020 rückläufig (DESTATIS, verschiedene Jahrgänge). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den deutschen Direktinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent, die 2018 nur rund 1 % der gesamten deutschen Direktinvestitionen im Ausland ausmachten. Damit liegt Deutschland hinsichtlich des Investitionsvolumens in Afrika deutlich hinter Ländern wie China, Frankreich, Großbritannien oder den USA zurück.

Die aktuelle geopolitische Entwicklung (Ukrainekrieg, zunehmende wirtschaftliche Abschottung Chinas) könnte zu einer Trendumkehr führen, denn neben den unbestreitbaren Problemen und Investitionshemmnissen bietet der afrikanische Kontinent gewaltige Potenziale. Viele der für die Entwicklung innovativer Technologien wichtigen Rohstoffvorkommen (etwa Kobalt oder Lithium für die Batteriezellenproduktion) liegen in Afrika. Ohne Afrikas natürliche Ressourcen wie Wasserkraft, Wind- und Solarenergie wird die globale Energiewende nicht gelingen und der Klimawandel nicht aufzuhalten sein. Angesichts der fortschreitenden Überalterung der Bevölkerung in vielen westlichen Ländern, aber auch in Japan und China, rückt insbesondere die junge und schnell wachsende Bevölkerung Afrikas in den Fokus der Betrachtung. Deren bislang kaum ausgeschöpftes innovatives und unternehmerisches Potenzial, aber auch deren Bedeutung als Konsumierende erscheinen in weltwirtschaftlicher Sicht als Ressource, deren Wert den Wert der natürlichen Ressourcen Afrikas (Bodenschätze und Rohstoffe) langfristig noch übersteigen dürfte. Überdies ist in vielen afrikanischen Ländern die Entwicklung von Innovations- und Technologie-Hubs zu beobachten (Leke und Signé, 2019). Aus diesen Gründen wird Afrika einerseits als Partner und Investitionsstandort für westliche Unternehmen immer interessanter. Andererseits bestehen nach wie vor große Innovations- und Investitionshemmnisse, die die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas bremsen. Der Bevölkerungsboom verschärft die Umweltprobleme und trägt zu einer katastrophal hohen Jugendarbeitslosigkeit bei, die wiederum soziale Spannungen verschärft. Hinzu kommt eine schlechte Governance, eine unzureichende und überlastete Infrastruktur sowie eine korrupte und wenig effiziente Bürokratie in vielen afrikanischen Ländern. Die digitale Transformation wird von vielen als Chance gesehen, einen Teil dieser Hemmnisse zu überwinden und das innovative und unternehmerische Potenzial Afrikas besser zu entfalten.

Digitale Transformation und Innovation in Afrika

Auch in Afrika schreitet die Digitalisierung rasch voran. Laut Ernst&Young (EY, 2021) gewinnen vor allem Investitionen ausländischer Unternehmen in unternehmensbezogene Dienstleistungen und in den IKT-Sektor mehr und mehr an Bedeutung, wodurch die digitale Transformation in Afrika beschleunigt wird. Informations- und Kommunikationstechnologien haben das Potenzial, die afrikanische Wirtschaft und die afrikanische Geschäftswelt grundlegend zu transformieren und bieten insbesondere Potenziale für junge Unternehmen (Ewing et al., 2014). Ein verbesserter Kontakt zu den weltweiten Zentren ökonomischer Aktivität kann hilfreich sein, um lokale Hemmnisse und Beschränkungen für unternehmerische Tätigkeit zu überbrücken. Digitale Kanäle erleichtern den Wissens- und Technologietransfer aus dem Ausland, die Nutzung von Open Source Software und die Übernahme von best practices aus dem Ausland (Friederici et al., 2020). Die Expansion mobiler digitaler Finanzdienstleistungen führt zu verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten (Ndung’u und Signé, 2020), ebenso wie die Möglichkeit des Crowdfunding. Der elektronische Handel (E-Commerce) wird ein zunehmend wichtiger Beschaffungs- und Vertriebskanal für Unternehmen in aufstrebenden afrikanischen Volkswirtschaften und bietet die Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte (Asongu und Boateng, 2018).

Die Speerspitze der digitalen Transformation bilden dabei Innovations- und Technologie-Hubs wie das Otigba Computer Valley in Lagos, Nigeria (Paha und Wolter, 2021). Als Marktplatz für den Verkauf von IKT-Produkten und IT-Dienstleistungen umfasst dieser Cluster rund 3.000 kleinere und mittlere Unternehmen (Oyeyinka, 2017; Success Nwogu, 2018). Das Otigba Computer Valley ist zwar kein Silicon Valley, aber ein wichtiger afrikanischer Technologie-Hub mit einer hohen Dichte an qualifizierten Beschäftigten, der sowohl Inländern als auch ausländischen Investierenden vielfältige Möglichkeiten geschäftlicher Entfaltung bietet. Zudem zeigt die Entwicklung des Otigba Computer Valleys in einem Brennglas, welche Faktoren die wirtschaftliche Entwicklung junger afrikanischer Unternehmen fördern (Jegede, 2019): Die hohe Konzentration wirtschaftlicher Aktivität auf engem Raum fördert Wissens-Spillovers, gerade in wissensintensiven Bereichen wie dem IKT-Sektor (Audretsch und Dohse, 2007). Davon profitieren insbesondere junge und kleinere Unternehmen. Obwohl viele der Unternehmen im Otigba-Cluster dem informellen Sektor zuzurechnen sind, wachsen sie im Durchschnitt schneller und haben eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als vergleichbare Unternehmen im Rest von Nigeria (Jegede, 2019). Weitere Schlüsselfaktoren für den Erfolg des Otigba-Cluster sind positive externe Effekte der Bildung und eine hohe Konzentration hochqualifizierter und spezialisierter Arbeitskräfte (Paha und Wolter, 2021).

Offenheit, Bildung, die räumliche Konzentration ökonomischer Aktivitäten und die möglichst freie Zirkulation von Wissen (Knowledge Sharing) gehören also zu den zentralen Faktoren, die den Erfolg des Otigba-Clusters erklären. Allerdings weisen nur wenige Regionen in Afrika derart gute Bedingungen auf. Es ist daher wichtig zu verstehen, welche Faktoren das Innovationsgeschehen auch an weniger begünstigten Standorten als den wenigen Hightech-Clustern treiben.

Die Innovationsfähigkeit der Unternehmen ist eine wichtige Determinante von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Wohlstand eines Landes. Allerdings stehen afrikanische Unternehmen oft einem innovations- und wachstumsfeindlichen Umfeld gegenüber. Eine geringe Kapitalausstattung, wenig schulische und berufliche Bildung, eine unzureichende und überlastete Infrastruktur, ein schwacher Rechtsstaat und ein volatiles gesamtwirtschaftliches Umfeld erschweren die operative Tätigkeit von Unternehmen und bieten wenig Anreize für Investitionen (Bigsten and Söderbom, 2006; Egbetokun et al., 2017). Zahlreiche Beispiele und Studien zeigen jedoch, dass afrikanische Unternehmen trotz der schwierigen Umstände innovieren. So entwickelte 2009 ein junger Kameruner das „Cardiopad“, das kardiologische Ferndiagnosen ermöglicht (Netzwerk Afrika Deutschland, 2016), und mit dem in Kenia entwickelten Bezahlsystem „M-Pesa“ können Geldtransaktionen über die SIM-Karte eines Mobiltelefons, d. h. ohne Bankkonto, abgewickelt werden (Die Zeit, 2009). Verschiedene Autor:innen haben darauf hingewiesen, dass gerade im afrikanischen Kontext aber von einem breiteren Innovationsbegriff auszugehen ist. Der Begriff Innovation steht dabei nicht nur für bahnbrechende Erfindungen oder Neuerungen, die die weltweiten Märkte nach und nach durchdringen, sondern auch eine Verbesserung oder kreative Anwendung bereits existierender Produkte oder Prozesse und deren erstmalige Einführung in einem afrikanischen Land oder Unternehmen fällt unter diesen breiteren Innovationsbegriff (Kraemer-Mbula et al., 2019; OECD, 2022). Gerade inkrementale Innovationen an zentralen Schnittstellen der Ökonomie können für die wirtschaftliche Entwicklung große Bedeutung haben (Lundvall, 2016; Lema et al., 2021).

Dohse und Fehrenbacher (2022) untersuchen in einer aktuellen Studie Innovationstreiber nigerianischer Unternehmen auf Basis von Daten der Weltbank. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere Kooperationen mit anderen nigerianischen Unternehmen den Innovationsoutput auf Firmenebene und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen positiv beeinflussen. Das bedeutet, dass Kommunikation zwischen Unternehmen – sei es in Form eines informellen Austauschs oder einer formell geregelten Zusammenarbeit – dabei hilft, Produkte und Prozesse zu verbessern, anzupassen oder neu einzuführen. Die Kooperationsvorteile liegen auf der Hand: Kosten in Form von Geld und Zeit sowie Risiken des laufenden Betriebs und innovativer Tätigkeiten werden durch gemeinsame Investitionen und durch den Transfer von Informationen und die (gemeinsame) Generierung von Wissen gemindert. Dabei profitieren Unternehmen nicht nur von technologischem Wissen. Informationen, z. B. über profitablere Absatzkanäle, kosteneffiziente Logistiklösungen, neue Zulieferer oder potenzielle Beschäftigte können ebenfalls verstärkt und besser ausgetauscht werden. Weitere Innovationstreiber sind Investitionen in die Ausstattung mit Maschinen, Software und anderer Ausrüstung, denn gerade diese Hilfsmittel erlauben oft eine einfache Anpassung an den firmenspezifischen und lokalen Kontext und können mit weiteren Serviceleistungen kombiniert werden. Außerdem kann es für nigerianische Firmen hinsichtlich ihres Innovationsoutputs sinnvoll sein, ihren Beschäftigten Zeit für die Entwicklung eigener Ideen zu geben und eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben (Dohse und Fehrenbacher, 2022). Während nigerianische Unternehmen als Kooperationspartner wichtige Innovationstreiber sind, spielen Kooperationen mit Forschungseinrichtungen und ausländischen Unternehmen kaum eine Rolle. Nur ein Bruchteil der nigerianischen Firmen kooperiert derzeit mit ausländischen Partnern.

Dabei hätten sowohl afrikanische als auch westliche Unternehmen durch Kooperation und ein stärkeres Engagement westlicher Unternehmen in Afrika viel zu gewinnen. Ein wichtiger Spillover-Kanal ist dabei die Arbeitskräftemobilität zwischen Unternehmen. So zeigen empirische Studien, dass afrikanische Unternehmen, deren Eigentümer zuvor in einem ausländischen Unternehmen derselben Branche Erfahrungen gesammelt haben, im Durchschnitt eine höhere Produktivität aufweisen (Görg und Strobl, 2005). Eine höhere Produktivität und eine Aufwertung des Produktionsoutputs lokaler, afrikanischer Unternehmen können ebenfalls durch aktive Hilfestellungen des ausländischen Partners (z. B. durch den Transfer von Technologien oder die Ausbildung der lokalen Beschäftigten) erzielt werden (Görg und Seric, 2016; Godart et al., 2020). Eine solche Zusammenarbeit hilft aber nicht nur den afrikanischen Unternehmen, ihr innovatives Potenzial weiterzuentwickeln, ihre Produktivität zu erhöhen und schneller zu wachsen. Auch westliche Unternehmen profitieren von der Kooperation durch einen besseren Zugriff auf den afrikanischen Talentpool und die Erschließung neuer Absatzmärkte. Gleichzeitig können sich beide Partner durch gegenseitigen Wissenstransfer und die damit zusammenhängenden Lernprozesse wertvolle Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Chancen und Investitionshemmnisse

Die Chancen auf dem afrikanischen Kontinent variieren von Land zu Land und Branche zu Branche. Grundsätzlich haben die Marktpotenziale eines gemeinsam: Sie sind in der Regel klein aber schnell wachsend, so dass in vielen Ländern und Sektoren eine Verdopplung innerhalb weniger Jahre möglich ist. Beispielhaft lässt sich dies an Äthiopien zeigen, wo sich die Wirtschaftskraft zwischen 2013 und 2020 bei einer durchschnittlichen realen BIP-Wachstumsrate von 8,7 % in nur sieben Jahren verdoppelt hat (UN Statistics Division, 2022). Basierend auf dieser Erkenntnis – kleine und sehr schnell wachsende Märkte – ergibt sich aus Unternehmenssicht, dass afrikanische Länder als strategische Märkte angesehen werden müssen, deren Erschließung Zeit braucht, aber langfristig hohe Renditen ermöglicht. Trotz der Herausforderungen und Risiken ist es aufgrund der rasanten Entwicklung für deutsche Unternehmen wichtig, zeitnah den Markteintritt zu vollziehen, um sich frühzeitig für die Ausschöpfung der Chancen zu positionieren (Carlowitz, 2018). Die Tatsache, dass viele Märkte in Afrika noch nicht entwickelt und erschlossen sind, impliziert zwar einen größeren Aufwand bei der Marktentwicklung. Dem steht aber gegenüber, dass es häufig keine wirkliche lokale Konkurrenz gibt, so dass Potenziale leichter zu heben sind und first mover sich einen langfristigen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Aus Unternehmenssicht muss zwischen Potenzialen und erwirtschafteten Umsätzen unterschieden werden. Um Umsatz zu generieren, müssen die Unternehmen mit einer Vielzahl von Hemmnissen umgehen. Die Bedeutung einzelner Hemmnisse differiert dabei mit der Markteintrittsform. Enteignungsrisiken und politische Gewalt, die in vielen Ländern noch recht hoch sind (Credendo, 2022), spielen z. B. keine große Rolle bei einem reinen Exportgeschäft, wohl aber bei der Gründung einer Tochtergesellschaft. Zu den wichtigsten externen Hemmnissen für unternehmerische Aktivität gehören mangelhafte Qualität und Ausstattung der Infrastruktur, ineffiziente Governance (einschließlich Korruption), Fachkräftemangel, eingeschränkte Möglichkeiten der Finanzierung, Devisenverfügbarkeit und Ähnliches (Asongu und Odhiambo, 2019; Signé, 2018). Die direkten und indirekten Kosten solch schwieriger Rahmenbedingungen in Afrika wurden von Eifert et al. (2008) entlang der Wertschöpfungskette unter anderem anhand der Transport- und Logistikkosten untersucht und als signifikant eingestuft. Diese Kosten erhöhen die Endpreise, was bei einer hohen Preissensitivität der afrikanischen Kundschaft zu geringeren Absatzmengen führt. Die digitale Transformation kann allerdings dazu beitragen, die genannten Hemmnisse zu verringern. So können der Fachkräftemangel durch E-Learning-Angebote reduziert, Finanzierungsengpässe bei lokaler Kundschaft durch Fintechs verringert und Transport- und Logistikprobleme durch den Einsatz von Drohnen oder durch Blockchain-Technologien zur Transportnachverfolgung vermindert werden. Neben der Reduzierung der operativen Kosten führt die digitale Transformation zu einer verbesserten Nutzung der Geschäftschancen, die sich auf dem afrikanischen Kontinent bieten. So können Start-ups wichtige Partner für deutsche Unternehmen sein, z. B. wurde die App für das Mobilitätskonzept von VW in Ruanda von einem lokalem Start-up entwickelt. Darüber hinaus können neue Technologien Informationsdefizite teilweise abbauen, z. B. durch virtuelle Erkundungsreisen oder einen digitalen Zugang zu marktrelevanten Informationen.

Neben ungünstigen Rahmenbedingungen in vielen afrikanischen Ländern behindern auch unternehmensinterne Hemmnisse ein stärkeres Afrikaengagement deutscher Unternehmen. Elbana et al. (2020) weisen auf die wichtige Rolle der Entscheidungstragenden, der firmeninternen Ausstattung und des spezifischen Kontextes für eine Internationalisierungsentscheidung hin. So ist festzustellen, dass in vielen Unternehmen Informationsdefizite und damit Unsicherheiten in Bezug auf die afrikanischen Märkte existieren, durch die Investitionsentscheidungen beeinträchtigt werden (Carlowitz, 2019). Im Kontext von Familienunternehmen wird der bifurcation bias diskutiert, der dazu führt, dass affektbasierte, auf der Familientradition basierende Entscheidungsroutinen dominieren, was gerade bei Internationalisierungsentscheidungen problematisch ist (Kano et al., 2021). Überdies bewerten Unternehmen die Attraktivität der afrikanischen Märkte global, wo weltweit die Märkte miteinander im Wettbewerb um die beschränkten internen Ressourcen stehen. Oft fallen in der Bewertung die afrikanischen Märkte aufgrund der geringen Größe sowie der schwierigen Rahmenbedingungen hinter Länder aus anderen Weltregionen zurück. Ein weiteres, häufig anzutreffendes unternehmensinternes Hindernis ist das Fehlen einer strategischen Sichtweise auf die schnell wachsenden afrikanischen Märkte. Häufig liegt – insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen – der Fokus eher auf kurzfristigem Umsatz und Gewinn als auf einer langfristigen starken Positionierung in diesen Wachstumsmärkten. Des Weiteren sind Unternehmen häufig nicht bereit, Out-of-the-Box-Ansätze zu verfolgen, schon gar nicht für kleine Märkte. Allerdings kann das Argument der „kleinen Märkte“ im Zusammenhang mit Produktentwicklung für afrikanische Länder in einigen Branchen durch eine globale Sichtweise relativiert werden. Viele Produkteigenschaften, die für afrikanische Märkte notwendig sind, sind auch in anderen Emerging Markets in Südamerika und Südasien von Bedeutung. Dadurch wird der adressierbare Markt für solche Produkte sehr viel größer, und etwaige Entwicklungskosten pro Einheit werden deutlich reduziert. Ein Beispiel für ein Unternehmen, das einen solchen globalen Ansatz verfolgt, liefert Bosch Power Tools. Das Unternehmen hat eine Emerging-Market-Produktlinie entwickelt, die weltweit in Schwellenländern – nicht nur in Afrika – vermarktet wird (Bosch Power Tools, 2019). Ein anderes Beispiel findet sich bei einigen multinationalen pharmazeutischen Unternehmen, die ein globales Geschäftsmodell mit dem Ziel der Ausnutzung von Skaleneffekten fahren, um die Stückkosten soweit senken zu können, dass sie die Niedrig-Einkommenssegmente (Bottom of the Pyramid) in Afrika bedienen und gleichzeitig die Gewinnmarge in wohlhabenderen Märkten durch die Reduktion der Stückkosten erhöhen können. So hat Novartis ein Programm mit dem Namen „Access Novartis“ aufgelegt, mit dem Ziel, die Bevölkerung in Niedrig-Einkommensländern zu beliefern und eine größere Zahl von Patient:innen zu erreichen (Novartis, o. D.). In der globalen „Mischkalkulation“ ist so ein Geschäftsmodell durchaus profitabel (Carlowitz, 2020).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Trotz nach wie vor bestehender, zum Teil beträchtlicher Innovations- und Investitionshemmnisse ist Afrika ein Kontinent der Chancen. Neben dem Reichtum an natürlichen Ressourcen verspricht vor allem die junge, rasch wachsende Bevölkerung ein dynamisches Marktwachstum und ein riesiges, bislang kaum genutztes innovatives und kreatives Potenzial. Aktuelle Studien zeigen, dass sich unternehmerische Innovationsprozesse in Afrika stark von Innovationsprozessen im „globalen Norden“ unterscheiden. Die enge, oftmals informelle Kooperation mit anderen heimischen Unternehmen ist ein zentraler Innovationstreiber, während Kooperationen mit Forschungseinrichtungen oder mit ausländischen Unternehmen bislang nur eine untergeordnete Rolle spielen, was auf den geringen Reifegrad des Innovationssystems in vielen afrikanischen Ländern zurückzuführen ist. Durch die digitale Transformation werden Investitions- und Innovationshemmnisse reduziert und die Chancen für ein erfolgreiches Engagement deutscher Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent erhöht. Allerdings existieren weiterhin bei zahlreichen deutschen Unternehmen Investitionshemmnisse, die sich nicht einfach mit Hilfe digitaler Technologien umgehen oder ausräumen lassen. Hier geht es um eine Neubewertung und Neuausrichtung der Internationalisierungsstrategie und der langfristigen strategischen Investitionsplanung vieler Unternehmen, in denen der afrikanische Kontinent bislang keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ein Engagement deutscher Unternehmen in Afrika sollte langfristig angelegt sein und auf den Prinzipien der Fairness und Nachhaltigkeit basieren. Deutsche Unternehmen sollten bereit sein, Potenziale zu entwickeln und ihr Wissen mit afrikanischen Unternehmen zu teilen. Dies führt zwar nicht unmittelbar zu schnellen Gewinnen, könnte sich aber auf lange Sicht als entscheidender Wettbewerbsvorteil erweisen.

Der Politik kommt die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen für nachhaltige Privatinvestitionen in Afrika zu verbessern. Angesichts der sich rasch verändernden Weltlage braucht Deutschland neue Partner, und eine engere Partnerschaft mit Afrika bietet die Chance, geostrategische Abhängigkeiten zu reduzieren, Wertschöpfungsketten zu diversifizieren und die Energiewende erfolgreich zu bestreiten. Die Bundesregierung sollte daher ein klares Signal senden, dass sie gewillt ist, die Partnerschaft mit Afrika in der laufenden Legislaturperiode zu intensivieren und privatwirtschaftliches Engagement in Afrika stärker zu unterstützen als bisher. Auf Bundesebene vorhandene Instrumente der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit sollten verstärkt und besser an den afrikanischen Kontext angepasst werden, und die in Deutschland bisher nur rudimentär vorhandene wirtschaftswissenschaftliche Forschung zum Thema Afrika sollte intensiviert werden. Auf europäischer Ebene wurde mit der Global-Gateway-Initiative der EU ein finanzstarkes Instrument geschaffen, um als Gegengewicht zur chinesischen Neuen Seidenstraße Infrastrukturinvestitionen zu fördern. Die Global-Gateway-Initiative sollte einen starken Afrikafokus bekommen und vornehmlich Infrastruktur-, Energie- und Bildungsprojekte fördern. Dies dient nicht nur der Eindämmung des chinesischen Hegemonialstrebens, sondern schafft vor allem bessere Voraussetzungen für das dringend benötigte, stärkere privatwirtschaftliche Engagement deutscher und europäischer Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent.

* Die Arbeit an dem Papier wurde im Rahmen des Projekts „Wirtschaftswissenschaftliches Cluster Afrikaforschung“ (WCA) von BMWK und BMF gefördert. Die Autor:innen danken Frank Bickenbach für wertvolle Hinweise und Kommentare.

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Title:Developing Potential and Sharing Knowledge: How German Companies Can Gain a Foothold in Africa

Abstract:Africa is a continent of opportunities that is likely to play an increasingly important role in the future international division of labour. Yet, German companies’ economic activity and investment in Africa is still limited. This article examines how the digital transformation is changing the investment and innovation conditions in Africa, how German companies can utilise new opportunities resulting from these changes and how politics can foster greater commitment by German and European companies in Africa.

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© Der/die Autor:in 2021

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DOI: 10.1007/s10273-022-3231-3