Staatliche Beihilfen für privatwirtschaftliche Unternehmen sind ordnungs- und wettbewerbspolitisch heikel. Sie bedürfen einer überzeugenden Rechtfertigung. Dies gilt auch für den Fall des Energieunternehmens Uniper, das als wichtigster Importeur von russischem Gas im Juli 2022 in eine Schieflage geraten ist, weil Russland seit dem Ukrainekrieg seine langfristigen Lieferverpflichtungen nicht mehr einhält. Die zu geringen Gasmengen aus Russland gleicht Uniper, das dieses Gas an Endkundschaft wie deutsche Stadtwerke weiterliefert, derzeit durch Zukäufe von nicht russischem Gas zu deutlich erhöhten Marktpreisen aus. So laufen täglich Verluste auf, die Uniper an den Rand der Insolvenz gebracht haben.
Diese Ausgangslage rechtfertigt zunächst keinen Markteingriff. Unipers Geschäftsmodell war von Anfang an einem Risiko durch übermäßige Abhängigkeit von russischem Gas ausgesetzt. Grundsätzlich erlaubt es die unternehmerische Freiheit, hohe Risiken einzugehen, wenn die Eigentümer für die entstandenen Verluste haften. Der unmittelbare Zusammenhang von Haftung und Kontrolle gehört zu den wesentlichen Funktionsprinzipien einer Marktwirtschaft. Uniper verfügt jedoch über eine hohe Systemrelevanz, da das Unternehmen einen zentralen Knotenpunkt in der deutschen Gasversorgung darstellt. Seine Insolvenz könnte im ungünstigsten Fall weitreichende Erschütterungen des europäischen Gasmarkts auslösen und die allgemeine Versorgungssicherheit untergraben. Angesichts dieser Tatsache bleibt der Bundesregierung kurzfristig wenig anderes übrig, als das Unternehmen zu stabilisieren. Ihr Maßnahmenpaket enthält die Übernahme eines 30 %igen Unternehmensanteils durch eine Kapitalerhöhung, ein Pflichtwandelinstrument für den Bund sowie höhere Kreditlinien bei der KfW-Bank. Weiterhin werden Dividendenzahlungen ausgesetzt und Vorstandsvergütungen beschränkt. Die bisherigen Eigentümer werden also an der Rettung des Unternehmens beteiligt, was ordnungspolitisch zu begrüßen ist. Allerdings ist diese Beteiligung – angesichts der nahezu sicheren Insolvenz – nicht vollumfänglich. Hier mögen europapolitische Aspekte eine Rolle gespielt haben, da hinter dem Uniper-Mehrheitsaktionär Fortum der finnische Staat steht.
Anders als das Einstiegs- bleibt das Ausstiegsszenario für den Bund unklar. Eine wirtschaftliche Erholung des Unternehmens nach dem – noch nicht absehbaren – Ende des Ukrainekriegs ist kaum mehr als eine Hoffnung. Uniper entstand 2016 durch die Ausgliederung der als nicht mehr zukunftsträchtig geltenden fossilen Energiebereiche des EON-Konzerns. Großaktionär Fortum möchte Unipers Gasgeschäft lieber heute als morgen abstoßen. Ob es ausgerechnet unter staatlicher Obhut gelingen kann, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, ist fraglich. Dies gilt umso mehr, als längst auch Unterstützungsmaßnahmen für andere Energieversorger erwogen werden. Der Staat wird in die Rolle des langfristigen Finanziers und Organisators der deutschen Energieversorgung gezwängt. Ordnungspolitisch kann dies nicht erwünscht sein.
Es ließe sich argumentieren, dass die Bundesbeteiligung an Uniper angesichts des hohen Entscheidungsdrucks vor allem eine pragmatische, weil schnell umsetzbare Lösung ist. Sie ist allerdings auch eine Lösung, die das Signal aussendet, der Staat habe die Lage im Griff. Bliebe allerdings das Gas im Herbst oder Winter gänzlich aus, wären die staatlichen Maßnahmen wertlos und die Steuerzahlenden womöglich in der Pflicht nachzuschießen. Hilfreicher und marktkonformer wäre es gewesen, allen Energieversorgern bereits kurzfristig und nicht erst ab dem Spätherbst die Möglichkeit einzuräumen, die Preisanpassungsklausel im Energiesicherungsgesetz einzusetzen, durch die der Großteil der erhöhten Ersatzbeschaffungskosten an die nachgelagerten Gasabnehmenden weitergegeben werden kann. Dies hätte die Insolvenzgefahr bei Energieversorgern wie Uniper deutlich reduziert und die Notwendigkeit von Markteingriffen reduziert. Auch wären über die Preise deutliche Signale an die Endverbrauchenden gesendet worden, bereits vor der Heizsaison ihren Gasverbrauch zu drosseln, um die Gasspeicher für den Winter zu befüllen. Dies hätte die politische Debatte um eine Entlastung bedürftiger Haushalte fokussiert. Statt zunächst breit streuende Entlastungen à la 9-Euro-Ticket einzuführen, wäre sofort sichtbar geworden, welche Haushalte die Energiekostensteigerungen nicht mehr tragen können und zielgenau entlastet werden müssen.
Deutschland zahlt heute den Preis, unter anderem in Form der Rettung Unipers, für seine energiepolitische Sorglosigkeit der vergangenen Jahre. Aus ordnungs- und wettbewerbspolitischer Perspektive fehlen – trotz des Bemühens, dem Haftungsprinzip ansatzweise Geltung zu verschaffen – markt- und preisorientierte Maßnahmen wie die sofortige Weitergabe der erhöhten Beschaffungspreise an die Endverbrauchenden. Mit diesen hätte das Rettungspaket kleiner ausfallen und zugleich die drohende Gasnotlage im Winter abgemildert werden können.