Die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Rat haben sich auf neue Klimaschutzregeln für den europäischen Luftverkehr geeinigt. Ausgehend vom Fit-for-55-Vorschlag der EU-Kommission wird der europäische Luftverkehr in Zukunft stärker zum Klimaschutz beitragen, da die Regelungen des EU-Emissionshandels verschärft und gleichzeitig Anreize zur zunehmenden Nutzung von nachhaltigen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels) gesetzt werden. Es wird gezeigt, welche neuen Klimaschutzregeln auf den europäischen Luftverkehr zukommen und welche Chancen und Risiken sich aus ökologischer und ökonomischer Sicht hierdurch ergeben.
Im Dezember 2022 haben sich EU-Kommission, -Parlament und -Rat im Rahmen des sogenannten Trilogs auf neue Klimaschutzregeln für den europäischen Luftverkehr geeinigt (Rat der Europäischen Union, 2022). Grundlage sind die Fit-for-55-Vorschläge der EU-Kommission für den Luftverkehr vom Sommer 2021 (EU-Kommission, 2021a, 2021b, 2021c). Insgesamt soll der europäische Luftverkehr stärker zum Klimaschutz beitragen, indem die Regelungen des EU-Emissionshandels (EU Emission Trading Scheme, EU-ETS) verschärft, das internationale Offsetting-System CORSIA in diesen integriert und gleichzeitig Anreize zur zunehmenden Nutzung von nachhaltigen Kraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF) gesetzt werden. Auch die Einführung einer Kerosinsteuer wurde von der EU-Kommission vorgeschlagen. Einige Verbände, wie Airlines for Europe (A4E) und die NGO Transport & Environment, haben bereits ihre zumeist kritische Einschätzung zu den neuen Klimaschutzregeln geäußert. Unter anderem werden Wettbewerbsverzerrungen und Carbon Leakage, also die geografische Verlagerung von CO2-Emissionen anstelle ihrer Vermeidung (A4E, 2022) sowie eine geringe ökologische Effektivität (Transport & Environment, 2022) befürchtet. Der Trilog hat sich auf folgende Eckpunkte geeinigt (EU-Kommission, 2022; Rat der Europäischen Union, 2022; EURACTIV, 2022):
- Grundsätzliche Begrenzung des EU-ETS auf Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und auf im EWR abgehende Flüge nach Großbritannien und in die Schweiz. Flüge von/nach außerhalb des EWR werden durch das globale Carbon Offsetting and Reduction Scheme CORSIA abgedeckt (Clean Cut). Bis zum 1. Juli 2026 muss die Kommission eine Prüfung vornehmen, ob CORSIA ein effektives Instrument zur Begrenzung der Klimawirkung des Luftverkehrs ist. Falls die Kommission zu dem Ergebnis kommen sollte, dass CORSIA das Pariser Klimaschutzabkommen nicht ausreichend umsetzt, kann der Anwendungsbereich des EU-ETS ausgeweitet werden. Flüge von/nach Ländern, die 2027 nicht an CORSIA teilnehmen, sollen unabhängig davon im EU-ETS teilnahmepflichtig werden.
- Künftig sind nur noch Inlandsflüge zwischen Outermost-Regionen und Flughäfen im gleichen Mitgliedstaat außerhalb dieser Region von der ETS-Pflicht ausgenommen, aber nicht länger Flüge zwischen einer Outermost Region und anderen Mitgliedstaaten. Die EU hat insgesamt neun solcher Gebiete in äußerster Randlage. Hierzu gehören z. B. die Kanarischen Inseln, Madeira, Guadeloupe und die Azoren. Vom ETS befreite Flüge betreffen somit weiterhin Inlandsrelationen wie Madrid-Teneriffa, aber zukünftig nicht mehr grenzüberschreitende Flüge wie Düsseldorf-Las Palmas.
- Ab 2025 soll, auf Initiative des EU-Parlaments, eine Verpflichtung für die Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung (Monitoring, Reporting, Verification, MRV) von Nicht-CO2-Effekten bestehen. Zu den sogenannten Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs gehören unter anderem H2O, NOx, Kondensstreifen und Zirren. Diese tragen abhängig von der Flughöhe, -zeitpunkt, atmosphärischen Bedingungen und weiteren Spezifika ebenfalls zum Klimaeffekt des Luftverkehrs bei. Geplant ist, dass die EU-Kommission 2027 über das MRV-System Bericht erstattet und 2028 darüber entschieden wird, wie die Nicht-CO2-Effekte zukünftig reguliert werden. Der zwischenzeitlich diskutierte Vorschlag einer Berücksichtigung von Nicht-CO2-Effekten über einen pauschalen Faktor auf CO2-Emissionen scheint nicht weiterverfolgt zu werden.
- Die Zuteilung kostenloser Emissionsrechte soll 2024 um 25 % und 2025 um 50 % reduziert werden. Ab 2026 sollen keine kostenlose Emissionsrechte mehr an Luftfahrzeugbetreiber ausgegeben werden.
- Für die Nutzung von SAF sollen den Luftfahrzeugbetreibern zusätzlich Emissionsrechte für 20 Mio. t CO2 zwischen 2024 und 2030 kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Dies soll den Preisunterschied zwischen fossilen Treibstoffen und SAF abfedern, indem die durch SAF hervorgerufenen CO2-Emissionen zu vorab definierten Prozentsätzen von Belastungen durch das EU-ETS freigestellt werden (100 % für kleine Inseln, kleine Flughäfen und die Outermost Regions, 95 % für Renewable Fuels of Non-Biological Origin (RFNBO), 70 % für Advanced Biofuels und 50 % für alle anderen SAF).
- Mit Hilfe der Erlöse aus der Versteigerung von Emissionsrechten soll die SAF-Nutzung vorangetrieben werden. Diese Erlöse werden von der EU-Kommission auf 1,6 Mrd. Euro geschätzt (EU-Kommission, 2022).
- Im Fit-for-55-Vorschlag der EU-Kommission (2021a, 2021b, 2021c) vom Juli 2021, sind weitere, für den Luftverkehr relevante Änderungen der europäischen Vorgaben dargelegt. Dies sind im Wesentlichen der Vorschlag zur Einführung einer Kerosinsteuer (EU-Kommission, 2021b) sowie einer SAF-Quote (ReFuelEU Aviation; EU-Kommission, 2021c). Hierzu enthält der Trilogbeschluss keine Aussagen. Weil sich die Effekte der verschiedenen Maßnahmen teilweise gegenseitig verstärken, werden sie kurz vorgestellt:
- Kerosinsteuer: Die EU-Kommission (2021b) schlägt eine stufenweise Einführung einer Kerosinbesteuerung vor, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zu einem Maximum von 0,45 Euro/kg Kerosin im Jahr 2033 erstrecken soll. Diese Kerosinsteuer soll auf alle Intra-EU-Flüge (mit Ausnahme von reinen Frachtflügen) erhoben werden. Gegenwärtig unterliegt Kerosin für den gewerblichen Luftverkehr sowie für internationale Flüge keiner Besteuerung.
- ReFuelEU Aviation: Die EU-Kommission (2021c) schlägt vor, alle Hersteller/Importeure von Kerosin zu verpflichten, die Flughäfen der EU mit Kerosin mit beigemischten SAF-Anteilen zu beliefern. Die Beimischungsquote soll dabei von 2 % (2025) auf bis zu 63 % (2050) ansteigen. Die Fluggesellschaften sollen dann dazu verpflichtet werden, Kerosin mit SAF-Anteilen zu tanken, wenn ihr Flug von einem EU-Flughafen startet. Um das „Tankering“, also den Bezug von preisgünstigerem fossilen Kerosin auf Nicht-EU-Flughäfen und dessen anschließende Verwendung für den nachfolgenden Abflug aus der EU zu verhindern, sollen die Fluggesellschaften 90 % des Jahresdurchschnitts ihres Kerosinbedarfs an einem EU-Flughafen tanken, auch wenn Flüge zu einer Nicht-EU-Destination durchgeführt werden. Die Flughäfen sollen zum Aufbau und zur Bereitstellung einer für SAF geeigneten Liefer-, Lagerung- und Betankungsinfrastruktur verpflichtet werden.
Tabelle 1 zeigt die wesentlichen Unterschiede des Trilogbeschlusses für den EU-Emissionshandel im Vergleich zu den aktuell geltenden Vorgaben für den europäischen Luftverkehr. Insgesamt wurden die klimapolitischen Regelungen des Emissionshandels für den europäischen Luftverkehr durch den Trilogbeschluss verschärft. Gleichzeitig werden durch die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten für 20 Mio. t CO2 Anreize zur zunehmenden Nutzung nachhaltiger Treibstoffe (SAF) im Luftverkehr gesetzt.
Tabelle 1
Änderungen beim EU-Emissionshandel für den Luftverkehr gemäß Trilogbeschluss, Dezember 2022
Bezugspunkt | Aktuelle Vorschrift | Neue Vorschrift |
---|---|---|
Geografischer Geltungsbereich | Intra-EWR-Flüge (Reduced Scope) (seit 2013) |
Intra-EWR-Flüge und auf im EWR abgehende Flüge nach Großbritannien und die Schweiz; ggf. Ausweitung Geltungsbereich ab 2027 |
Definition des Cap | 2012: 97 % der historischen Emissionen (Durchschnitt 2004 bis 2006), ab 2013: 95 % | Wie zuvor, jedoch + 20 Mio. t CO2 für Luftfahrzeugbetreiber kostenlose Zuteilung (2024 bis 2030) für SAF-Nutzung |
Reduktion des Cap | -2,2 % p. a. (2021 bis 2030) | -4,3 % p. a. (2024 bis 2027); |
-4,4 % p. a. (2028 bis 2030) | ||
Zuteilung kostenloser Emissionsrechte | 82 % der Gesamtmenge (Cap) gemäß Benchmarkverfahren | -25 % (2024) |
-50 % (2025) | ||
-100 % (2026) | ||
Flüge von und zu EU-Outermost Regions | Ausgenommen Flüge innerhalb der gleichen Outermost Region hingegen EU ETS-pflichtig | Eingeschlossen (bis auf Inlandsflüge von und zu, aber nicht innerhalb einer Outermost Region) |
Nicht-CO2-Emissionen | Keine Vorschrift | MRV-Pflicht ab 2026 |
Einführung von CORSIA | Keine Vorschrift | Nur auf Routen außerhalb EWR, um Doppelbelastung der Airlines zu vermeiden |
Quelle: eigene Zusammenstellung.
Trilog aus ökologischer und ökonomischer Sicht
Der Fit-for-55-Vorschlag der EU-Kommission vom Juli 2021 und der Trilogbeschluss für den Luftverkehr vom Dezember 2022 wurde von einer Reihe von Verbänden, NGO und weiteren Stakeholdern kommentiert. Eurocontrol (2021) wertet den Fit-for-55-Vorschlag der EU-Kommission positiv, insbesondere wegen der Einführung einer SAF-Beimischungsquote und einer Kerosinsteuer. Dadurch geht von beiden Instrumenten ein starker Anreiz zur Einführung und Nutzung nachhaltiger Kraftstoffe im europäischen Luftverkehr aus.
Der Verband A4E (2021 und 2022) beurteilt den Fit-for-55-Kommissionsvorschlag und den Trilogbeschluss durchgehend kritisch. A4E sieht Investitionen in neue Flugzeugtechnologien und SAF als Königsweg zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs. Hingegen werden durch den verschärften EU-Emissionshandel und die Einführung einer Kerosinsteuer eine Doppelbelastung der Airlines und Wettbewerbsbehinderungen der europäischen Fluggesellschaften gegenüber ihren Konkurrenten aus Nicht-EU-Ländern befürchtet. Weiterhin besteht aus Sicht von A4E die Gefahr eines Carbon Leakage. Schließlich wird am Trilogbeschluss kritisiert, dass der für das Ende der kostenlos zugeteilten Emissionsrechte gewählte Zeitpunkt, also 2026, viel zu früh für die Fluggesellschaften sei, da dann (noch) keine kostengünstigen CO2-freien Lösungen verfügbar sind (A4E, 2022).
Auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL, 2022) sieht die Gefahr von erheblichen Wettbewerbsnachteilen und Carbon Leakage, sollten alle in der EU abgehenden/ankommenden Flüge in das EU-ETS eingebunden werden. Er begründet dies mit dem hohen Wettbewerb besonders auf Langstrecken: Während dann sowohl der Zubringerflug zu einem in der EU gelegenen Hub als auch der Anschlussflug zu einem außereuropäischen Langstreckenziel dem EU-ETS unterliegen würde, wäre dies bei einem Hub außerhalb der EU nur für den Zubringerflug aus der EU der Fall, nicht jedoch für einen Weiterflug vom Nicht-EU-Hub zu einem Nicht-EU-Ziel. Laut Trilog gilt dies frühestens ab 2027 und auch nur auf Relationen in Staaten, die nicht an CORSIA teilnehmen – es sei denn, die Kommission kommt in ihrer bis zum 1. Juli 2026 durchzuführenden Evaluierung zu dem Ergebnis, dass CORSIA das Pariser Klimaschutzabkommen nicht ausreichend umsetzt. Weiterhin interpretiert der BDL (2022) die Zuteilung von Emissionsrechten für 20 Mio. t CO2 als Eingeständnis der EU-Kommission, dass es durch die SAF-Beimischungsverpflichtung zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen kommen wird. Die Zuteilung der zusätzlichen Emissionsrechte ist aus BDL-Sicht nicht ausreichend, da die Kostenunterschiede zwischen SAF und fossilem Kerosin durch dieses Instrument nicht aufzufangen sind. Die NGO Transport & Environment (2022) zeigt sich hingegen vom Ergebnis des Trilogs enttäuscht, dass Flüge von/nach außerhalb des EWR grundsätzlich nicht in das EU-ETS eingebunden werden, da auf diese Weise 58 % der CO2-Emissionen des Luftverkehrs der EU höchstens durch CORSIA reguliert würden.
Neue Klimaschutzvorgaben für den Luftverkehr
Die Verschärfung der Regelungen für den europäischen Luftverkehr wird zu höheren Kosten der Fluggesellschaften führen. Diese resultieren im Wesentlichen aus der Verringerung der Emissionsobergrenze für den Luftverkehr (Cap) und der Absenkung der kostenlosen Zuteilung an Emissionsrechten. Ob und in welchem Umfang diese zusätzlichen Kosten die Umsätze und Gewinne der Airlines schmälern werden, hängt entscheidend von der Reaktion der Nachfrager ab. Diese Preiselastizität der Nachfrage konnte im Rahmen dieses Beitrags nicht untersucht werden, ein Blick auf die Literatur zeigt jedoch, dass zumindest eine teilweise Überwälzung von Mehrkosten auf Ticketpreise möglich ist (Ehlers et al., 2022).
Weiterhin schätzt die wissenschaftliche Literatur die Gefahr von Carbon Leakage durch die Fit-for-55-Vorschläge weniger groß ein als von einigen Stakeholdern befürchtet. So kommt eine Studie von Oxera (2022) im Auftrag des Flughafenverbandes ACI-Europe vom Juni 2022 zu dem Ergebnis, dass EU-Hubs 2030 4 % und 2050 9 % ihrer Transferpassagiere verlieren könnten, die auf weniger belastete Flüge zu Nicht-EU-Hubs ausweichen. Insgesamt schlussfolgert Oxera, dass zwar in einem geringen Maße Carbon Leakage durch den Anstieg von Emissionen auf Routen nach Nicht-EU-Flughäfen auftritt, das EU-Maßnahmenpaket dennoch insgesamt zu einer Senkung der Emissionen führt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie von SEO und NLR (2022), in der von einem Carbon Leakage-Risiko in Höhe von 1 % der Baseline Emissions des Jahres 2035 ausgegangen wird. Untersuchungen des DLR zeigen, dass es voraussichtlich bis 2035 in der Summe der Effekte aller Fit-for-55-Maßnahmen zusammen zu einem moderaten Anstieg der Ticketpreise kommt, der in den Folgejahren aufgrund von Lernkurven- und Skaleneffekten bei der Produktion von SAF wieder zurückgeht (Oesingmann, 2022). Eine weitere Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass durch den EU-Emissionshandel und die Besteuerung von Kerosin insbesondere innereuropäische Flüge bis 2030 teurer werden, wohingegen der Preisanstieg bei interkontinentalen Flügen erst ab 2035 durch den Anstieg der Beimischungsquoten für nachhaltige Flugtreibstoffe signifikant wird (Ehlers et al., 2022).
Innerhalb der EU kann die künftige Beschränkung der EU-ETS-Pflicht auf Inlandsflüge von und zu Gebieten in äußerster Randlage dazu führen, dass (Umsteige-)Verkehre über die jeweiligen nationalen Flughäfen auf Kosten grenzüberschreitender (Direkt)Verbindungen gestärkt werden. Profitieren dürften hiervon insbesondere IAG (Iberia/Vueling) und TAP Air Portugal auf Relationen zu den Azoren, Kanarischen Inseln und nach Madeira, während die französischen Überseegebiete im Wesentlichen nur aus dem französischen Markt nachgefragt werden. Zudem ist zu erwarten, dass Kostensteigerungen auf Intra-EWR-Routen dazu führen, dass der Luftverkehr zu touristischen EWR-Zielen, etwa im Mittelmeerraum, zu einem gewissen Prozentsatz auf Nicht-EWR-Ziele verlagert wird, etwa von Griechenland, Spanien und Zypern in Zielgebiete wie Ägypten, Türkei, Tunesien und Marokko.
Die Einführung von Monitoring-/Reporting-Verpflichtungen für Nicht-CO2-Effekte kann als erster, wichtiger Schritt in Richtung der Regulierung auch dieser klimarelevanten Effekte angesehen werden. Das DLR hat dabei in verschiedenen Projekten (unter anderem für das Umweltbundesamt) bereits seit mehreren Jahren die regulatorische Einbeziehung der Nicht-CO2-Effekte untersucht und deren Machbarkeit bestätigt (z. B. Niklaß et al., 2020). Ein effektives, öffentlichkeitswirksames Reporting der Nicht-CO2-Effekte mit Nennung der Verursacher kann zumindest als erster Schritt dazu beitragen, dass bei ausreichendem öffentlichem Druck auch ohne regulatorische Instrumente ein Anreiz zur Verringerung gesetzt wird. Wenn, wie geplant, mittelfristig tatsächlich eine Einbeziehung der Nicht-CO2-Spezien in das EU-ETS erfolgt, wäre das klimapolitisch ein wichtiger Fortschritt.
Die Zuteilung von zusätzlichen Emissionsrechten für 20 Mio. t CO2 für die Nutzung von SAF bietet der Luftverkehrswirtschaft einen Anreiz zu deren Nutzung, kann jedoch den Preisunterschied zwischen SAF und fossilem Kerosin nicht komplett bereinigen. Aktuell liegt der Preis für fossiles Kerosin bei etwa 900 Euro/t (Stand 1/2023). Die für die Verbrennung von 1 t Kerosin benötigten CO2-Emissionsrechte kosten etwa 285 Euro. Wenn die CO2-Emissionen aus der Nutzung von SAF komplett freigestellt würden, läge der Break-Even-Point für die Luftfahrzeugbetreiber bei 1.185 Euro, d. h. bis zu diesem Preis wäre die Nutzung von SAF im Vergleich zu fossilem Kerosin profitabel. Ohne kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten sieht das Ergebnis jedoch völlig anders aus: Kostenschätzungen für die Produktion von SAF gehen davon aus, dass die Produktionskosten auch langfristig kaum unter 1.200 Euro (z. B. für SAF mit dem HEFA-Konversionsprozess) zu drücken sind (EU-Kommission, 2021d). SAF aus anderen Konversionsprozessen liegen deutlich darüber (EU-Kommission, 2021d). Aufgrund begrenzter Produktionskapazitäten und hoher Nachfrage soll der Preis für HEFA-SAF aktuell sogar in einer Größenordnung von 3.000 Euro/t liegen (McKinsey, 2022).
Eine Versteigerung von Emissionsrechten ist ökonomisch grundsätzlich positiv, da Windfall Profits (kostenlose Zuteilung von wertvollen Emissionsrechten, die bei Weitergabe an den Kunden zu höheren Gewinnen führen) der Airlines vermieden werden. Bei vollständiger Weitergabe der Opportunitätskosten an den Kunden spielt es für den Ticketpreis keine Rolle, ob Emissionsrechte kostenlos oder durch Auktionen an die Luftfahrzeugbetreiber verteilt werden. Opportunitätskosten sind vermiedene Kosten oder entgangener Nutzen einer nicht gewählten oder nicht realisierbaren Alternative, in diesem Fall von vermiedenen Kosten für Emissionsrechte, da diese (teilweise) kostenlos an die Fluggesellschaften zugeteilt wurden. Selbst wenn keine (vollständige) Weitergabe der Opportunitätskosten an die Kunden der Fluggesellschaften in der Vergangenheit stattgefunden hat, dürfte der Preiseffekt durch die Auktionierung von Emissionsrechten dadurch abgemildert werden, dass 2019 bereits weniger als 40 % der von Luftfahrzeugbetreibern in Deutschland benötigten Emissionsrechte kostenlos zugeteilt wurden. Die Nutzung der Erlöse aus der Versteigerung von Emissionsrechten für die zunehmende SAF-Nutzung kann grundsätzlich positiv beurteilt werden. Allerdings stellt sich mit Blick auf die erwarteten Erlöse in Höhe von 1,6 Mrd. Euro (EU-Kommission, 2022) und die prognostizierten SAF-Kosten die Frage, ob diese Erlöse ausreichend sein werden. Vermutlich werden noch erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung notwendig sein, um die SAF-Kosten langfristig zu reduzieren. Dies setzt natürlich eine entsprechende politische Weichenstellung voraus.
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Einführung einer Kerosinsteuer auf alle Intra-EU-Flüge würde im Zeitablauf einerseits zu einem zusätzlichen ökonomischen Anreiz zur Einsparung von CO2 im Luftverkehr führen. Weiterhin würde die Kerosinsteuer zu neuen Einnahmen für die EU-Mitgliedstaaten führen. Andererseits würden sich durch die vorgeschlagene Kerosinsteuer die Kraftstoffkosten der Airlines langfristig nahezu verdoppeln, was zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber Konkurrenten aus Nicht-EU-Ländern führen könnte. In der Folge könnten sich insbesondere die Interkont-Umsteigerströme hin zu preislich nicht durch das EU-ETS und die Kerosinsteuer belastete Hubs außerhalb der EU (Istanbul, Golf-Staaten) verlagern. An dieser Stelle darf jedoch nicht vergessen werden, dass insbesondere die Einführung einer neuen EU-Energiesteuer der einstimmigen Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten bedarf, die Zukunft dieses Kommissionsvorschlags also abzuwarten bleibt.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Im Dezember 2022 einigten sich EU-Kommission, EU-Parlament und Rat im Rahmen des Trilogs auf neue Klimaschutzregeln für den europäischen Luftverkehr. Grundlage war der Fit-for-55-Vorschlag der EU-Kommission vom Sommer 2021. Durch den Beschluss wurden die Regelungen des EU-Emissionshandels verschärft und Anreize zur zunehmenden Nutzung von nachhaltigen Kraftstoffen (SAF) gesetzt. Ob weitere, im Rahmen des Fit-for-55-Pakets vorgeschlagene Maßnahmen, wie z. B. eine europäische Kerosinsteuer eingeführt werden, ist noch offen.
Aus ökologischer Sicht ist die beschlossene Verschärfung des EU-Emissionshandels für den Luftverkehr und die kostenlose Vergabe von CO2-Emissionsrechten für die SAF-Nutzung grundsätzlich positiv zu beurteilen. Hierdurch wird ein verstärkter ökonomischer Anreiz zur Reduktion von CO2-Emissionen im Luftverkehr gesetzt. Hinzu kommt, dass erstmalig auch die Nicht-CO2-Emissionen adressiert werden. Zu den Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs gehören unter anderem H2O, NOx, Kondensstreifen und Zirren, die ebenfalls zum Klimaeffekt des Luftverkehrs beitragen. Ab 2025 soll eine Verpflichtung für die Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung von Nicht-CO2-Effekten bestehen. Geplant ist, dass die EU-Kommission 2027 darüber Bericht erstattet und 2028 entschieden wird, wie die Nicht-CO2-Effekte künftig reguliert werden. Wenn die Nicht-CO2-Spezien tatsächlich in das EU-ETS einbezogen werden, wäre das klimapolitisch ein wichtiger Fortschritt und ein bedeutendes politisches Signal.
Aus ökonomischer Sicht führen die Trilog-Ergebnisse zu höheren Kosten insbesondere bei Fluggesellschaften aus dem EWR. Diese resultieren im Wesentlichen aus der Verringerung der Emissionsobergrenze für den Luftverkehr (Cap) und der Absenkung der kostenlosen Zuteilung an Emissionsrechten. Ob und in welchem Maße diese zusätzlichen Kosten die Umsätze und Gewinne der Airlines schmälern werden, hängt entscheidend von der Reaktion der Nachfrager ab. Hinsichtlich der Preiselastizität der Nachfrage zeigt ein Blick auf die Literatur, dass zumindest eine teilweise Überwälzung von Mehrkosten auf Ticketpreise möglich ist (Ehlers et al., 2022). Weiterhin ist demnach die Gefahr von Carbon Leakage durch die Fit-for-55-Vorschläge weniger groß einzuschätzen als von einigen Stakeholdern befürchtet, auch wenn gewisse Verkehrs- und damit Emissionsverlagerungen in Regionen außerhalb des EWR nicht auszuschließen sind. Die Zuteilung von zusätzlichen Emissionsrechten für 20 Mio. t CO2 für die Nutzung von SAF bietet der Luftverkehrswirtschaft einen Anreiz zu deren Nutzung. Mit Blick auf die Preisunterschiede zwischen fossilem Kerosin (etwa 900 Euro/t; Stand 1/2023) und SAF (1.200 Euro bis 3.000 Euro/t) wird jedoch bezweifelt, dass dieser Anreiz ausreichen dürfte, die Einführung von SAF entscheidend zu unterstützen. Es werden noch erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung notwendig sein, um die SAF-Kosten langfristig zu reduzieren. Gleiches gilt auch für die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von energieeffizienteren Luftfahrzeugen und emissionsarmen Luftfahrtantrieben sowie das emissionsreduzierte Lufttransportsystem für einen klimaverträglichen Luftverkehr (DLR, 2021). Dies setzt im Rahmen politischer Interessen eine entsprechende Weichenstellung für den Einsatz finanzieller Mittel voraus, ähnlich wie sie etwa für Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer im deutschen Koalitionsvertrag bereits verabredet ist (SPD et al., 2021).
Literatur
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BDL – Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (2022), Trilogbeschluss zum Emissionshandel verschärft Carbon Leakage und Wettbewerbsverzerrungen, 7. Dezember.
DLR (2021), Auf dem Weg zu einer emissionsfreien Luftfahrt. Luftfahrtstrategie des DLR zum European Green Deal.
Ehlers, T., K. Kölker und K. Lütjens (2022), Auswirkungen der Fit for 55-Instrumente auf die Preise in der Luftfahrt, Wirtschaftsdienst, 102(10), 801-807.
EURACTIV (2022), Lawmakers agree to restrict EU carbon tax to flights within Europe, 8. Dezember.
Eurocontrol (2021), The EU’s “Fit for 55” Package: what does it mean for aviation?, 27. Oktober.
EU-Kommission (2021a), Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2003/87/EC as regards aviation‘s contribution to the Union’s economy-wide emission reduction target and appropriately implementing a global market-based measure, COM (2021)552 final.
EU-Kommission (2021b), Proposal for a Council Directive restructuring the Union framework for the taxation of energy products and electricity (recast).
EU-Kommission (2021c), Proposal for a Regulation of the European Parliament And Of The Council on the internal markets for renewable and natural gases and for hydrogen (recast) COM/2021/804 final.
EU-Kommission (2021d), Directorate-General for Mobility and Transport: I. Tsiropoulos, A. Humphris-Bach, S. Statharas et al. (2021), Study supporting the impact assessment of the ReFuelEU Aviation initiative: final report, Publications Office.
EU-Kommission (2022), European Green Deal: new rules agreed on applying the EU emissions trading system in the aviation sector, Press release, 9. Dezember.
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Niklaß, M., K. Dahlmann, V. Grewe, S. Maertens, M. Plohr, J. Scheelhaase, J. Schwieger, U. Brodmann, C. Kurzböck, N. Schweizer, M. Repmann und M. von Unger (2020), Integration of Non-CO2 Effects of Aviation in the EU-ETS and under CORSIA, Reihe Climate Change, 20.
Oesingmann, K. (2022), The economic impacts of EU climate policies on intra-European aviation, Working Paper.
Oxera (2022), Assessment of the impact of the Fit for 55 policies on airports, 30. Mai.
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SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (2021), Mehr Fortschritt wagen. Koalitionsvertrag 2021.
Transport & Environment (2022), EU aviation deal will see another lost decade in tackling emissions, 7. Dezember.