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Die SPD war von 1930 bis 1932 nicht an der Regierung beteiligt, tolerierte aber die Spar- und Deflationspolitik des Kabinetts Brüning. Diese Tolerierung suggeriert, dass die SPD die Regierung Brüning gegen ihre wirtschaftspolitischen Überzeugungen unterstützt hätte, um Demokratie und Frieden zu bewahren. Zumindest im Bereich der Geld- und Fiskalpolitik handelte es sich jedoch eher um Unterstützung als um Duldung. Weite Teile der SPD wandten sich sogar explizit gegen frühe keynesianische Vorstellungen einer aktiven Wirtschaftspolitik.

Die SPD war die stimmenstärkste politische Kraft der Weimarer Republik – sie stellte bis 1932 stets die größte Fraktion im Reichstag. Winkler (1986, 74) bezeichnet sie als „die staatstragende Partei der Weimarer Republik“. Gates (1974) fasst es etwas breiter, wenn er resümiert, dass keine demokratische Regierung die Weimarer Republik ohne Unterstützung der Arbeiterbewegung hätte retten können. Die SPD war in mehreren Koalitionsregierungen vertreten, wenngleich sie völlig unterschiedliche Auffassungen von den „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Sozialen“ (Winkler, 1986, 68) vertrat als die bürgerlichen Koalitionspartner. Das gilt jedoch nicht für die Austeritäts- und Deflationspolitik der Regierung Brüning zwischen 1930 und 1932, die von der SPD bis zum Schluss toleriert wurde. Der Begriff Tolerierung suggeriert, dass die SPD gegen ihre wirtschaftspolitischen Überzeugungen, zum höheren Zweck des Erhalts von Demokratie und Frieden, die Regierung Brüning unterstützt hätte. Ein Blick in die wirtschaftshistorische Forschung sowie in zeitgenössische Publikationen, Programme und Protokolle lässt jedoch einen anderen Schluss zu. Zumindest im Bereich der Geld- und Fiskalpolitik handelte es sich vielmehr um eine Unterstützung, denn um eine Tolerierung. So konstatierte etwa der in ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) und SPD gewichtige Wirtschaftspolitiker Fritz Naphtali, niemand habe die Notwendigkeit einer Deflationspolitik „deutlicher erkannt als das Kabinett Brüning, die Notverordnung gab ihr alle Vollmachten. Es kommt nur darauf an, dass die Regierung von ihren eigenen Rechten Gebrauch macht“ (Naphtali, 1930a, 334).

Tatsächlich haben erhebliche Teile der SPD die Idee einer aktiven Konjunkturpolitik explizit bekämpft. Das gab ausgerechnet den Nazis die Möglichkeit ein von den Gewerkschaften entwickeltes expansives wirtschaftspolitisches Programm zu vereinnahmen und damit am Ende für die Arbeiterbewegung zu kompromittieren. Der Eifer, mit dem Alternativen zur orthodoxen Wirtschaftspolitik abgelehnt wurden, lässt sich nur dadurch erklären, dass die Austeritäts- und Deflationspolitik der Regierung Brüning mit den wirtschaftspolitischen Vorstellungen und ideologischen Überzeugungen vieler sozialdemokratischer Protagonisten korrespondierte.

Orthodoxer Marxismus und orthodoxer Liberalismus

Die „Tolerierung“ des Präsidialkabinetts Brüning durch die SPD hat erheblich mit dem Ökonomen Rudolf Hilferding zu tun, den Gates (1974) als einflussreichsten Denker in der sozialistischen Arbeiterbewegung der 1920er Jahre bezeichnet. Der Verfasser des marxistischen Standardwerks „Das Finanzkapital“ war nicht nur Theoretiker, sondern auch zweimaliger Finanzminister und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Reichstag. Das Heidelberger Programm der SPD von 1925 war maßgeblich durch Hilferding geprägt und er hielt die Hauptreferate auf den Parteitagen 1924, 1925 und 1927 (Gottschalch, 1962). Hilferdings Schüler Fritz Naphtali war Leiter der von freien Gewerkschaften und SPD gemeinsam getragenen Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik und konkretisierte dort das Konzept der Wirtschaftsdemokratie (Schneider, 1976).Hilferding, der während des Krieges zur linken USPD übergetreten war, identifizierte nach dem Krieg Spielräume für Reformen im Rahmen der demokratischen Republik und einen evolutionären Weg zum Sozialismus. Das Betriebsrätegesetz, die progressive Einkommenssteuer oder die Arbeitslosenversicherung seien Bausteine einer künftigen Wirtschaftsdemokratie (Hilferding, 1924a), deren konzeptionelle Ausgestaltung Fitz Naphtalis Forschungsstelle konkretisierte (Schneider, 1976). Naphtali (1929a) stellte klar, dass Wirtschaftsdemokratie die konkrete Ausgestaltung der Beschreitung des Wegs zum Sozialismus sei. Negative Reaktionen aus Unternehmerzirkel auf die Wirtschaftsdemokratie – die bisherigen Sozialreformen seien bereits gefährliche Meilensteine auf dem Weg zur Sozialisierung – empfand Naphtali dementsprechend als Auszeichnung. Die Argumentationen Hilferdings und Naphtalis waren, ebenso wie die offiziellen Stellungnahmen der SPD, stets innerhalb eines marxistischen Theorierahmens verortet und bedienten sich einer antikapitalistischen Rhetorik.

Der „orthodoxe“ Marxismus in der Tradition Kautskys, der von Hilferding fortgeführt wurde (Gates, 1974), hatte stets die Überwindung, aber niemals die Verbesserung des Kapitalismus im Sinn. Dieser Geisteshaltung folgend hatte beispielswiese der innerhalb des ADGB einflussreiche Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) erhebliche ideologische Schwierigkeiten mit der Idee eines staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramms: „Es lag z. B. in der Natur von konjunkturpolitischen Maßnahmen, dass sie sich zunächst zur Stützung des bestehenden Wirtschaftssystems auswirkten“ (Zollitisch, 1982, 96). Tatsächlich polemisierte auch die konkurrierende KPD gegen einen Gewerkschaftsplan zur Arbeitsbeschaffung, indem sie dem ADGB unterstellte, mit kapitalistischen Reaktionären zu kollaborieren (Gates, 1974). Aus orthodox-marxistischer Perspektive war der staatliche Interventionsradius im Bereich der Wirtschaftspolitik innerhalb kapitalistischer Parameter stark eingeschränkt. Typisch hierfür ist Hilferdings Einlassung (1920, 9): „Solange der Sozialismus nicht in der ganzen Welt verwirklicht ist, solange die deutsche Wirtschaft im Getriebe der Weltwirtschaft steht, solange werden auch die kapitalistischen Preisgesetze ihre Geltung behalten.“ Etliche Beobachter:innen kommen deshalb zu der Annahme, dass ein orthodox-marxistischer Ideologieüberschuss die orthodox-liberale Wirtschaftspolitik der SPD mindestens begünstigt habe (Gates, 1974; Schneider, 1982; Barkai, 1988; Berman, 2006).

Tatsächlich teilten sowohl Hilferding (1920, 1924a) als auch Naphtali die Krisenanalyse der orthodox-liberalen österreichischen Schule für Nationalökonomie. Naphtali (1931b) bezog sich dabei sogar explizit auf den radikalsten Vertreter dieser Schule: Ludwig von Mises. In der Konjunkturpolitik fokussierten ihre Vorschläge darauf die Selbstheilungskräfte des Marktes zur Entfaltung zu bringen. Dies könne nur klappen, wenn die marktkonforme Preisbildung, die durch Monopole, Kartelle, Trusts und Zölle verzerrt sei, wiederhergestellt würde. Resultat der Beseitigung von Preisrigiditäten wären sinkende Preise, also Deflation (Naphtali 1930a, 1930b). Die zugrundeliegende Logik bestand in der Vorstellung, dass bürgerliche Wirtschaftspolitik für ein bürgerliches Wirtschaftssystem schon angemessen sein werde, wahren sozialen Fortschritt gäbe es ohnehin nur im Sozialismus.1 In diesem Sinne forderte Hilferding (1931d), dass man „wenigstens die richtige kapitalistische Methode anwenden“ solle.

Gerade das Trauma der Hyperinflation von 1919 bis 1923 machte orthodoxe Standpunkte für die SPD aus einer Reihe von Gründen plausibel. Naphtali (1933, 62) betont, dass inflationistische Politik die Währung destabilisieren und mehr Arbeitslosigkeit verursachen als beseitigen würde. Hilferding (1920) führte die soziale Schieflage der Arbeiterklasse, die die schlecht bezahlteste der industriellen Welt sei, auf die Preissteigerungen zurück. James (1981) sieht deshalb in der konservativen Geldpolitik eine Strategie, die Begehrlichkeiten der Industrie die Reallöhne über die Geldpolitik zu mindern, abzuwenden. Die Inflation wurde überdies als Folge der desolaten öffentlichen Finanzen eingestuft – es sei kein Fall bekannt, wo Inflation bei ausgeglichenen Budgets aufgetreten wäre (Hilferding, 1928). James (1981, 860) resümiert: „Sound money was the policy of the left in Germany.”

Das liberale Ökonomieverständnis umfasste auch die Außenwirtschaftsbeziehungen. Freier Kapitalverkehr und Freihandel waren aus Perspektive Hilferdings und Naphtalis wesentliche Maßnahmen zur Konjunkturbelebung.2 Die Prioritäten waren auch Folge der engen Restriktionen, die das Reparationsregime mit sich brachte. Um Währungsstabilität sowie Kapitalverkehrsfreiheit zu garantieren, wurde die Reichsbank durch den die Reparationen regelnden Dawes-Plan von 1924 auf die Inflationsbekämpfung festgelegt. Darüber hinaus wurde der Reichsbank verboten, dem Staat direkt Kredite zu geben, wie es in der Hyperinflationszeit der Fall gewesen war. Damit wollten die Alliierten verhindern, dass Deutschland sich seiner Reparationsverbindlichkeiten entledigte (Borchardt, 1979).Naphtali (1931b, 1933) betonte in diesem Kontext die wirtschaftliche Bedeutung einer politischen Verständigung mit Frankreich. Einem reibungslosen Kapitalverkehr beider Länder komme eine Schlüsselrolle für den Aufschwung zu. Hilferding (1931c, 103) postulierte, dass die Aufrechterhaltung des Kapitalverkehrs „oberstes Ziel“ bleibe und erachtete die gegenwärtigen Möglichkeiten zur „nationalen Selbsthilfe“ als sehr eingeschränkt. „Damit erledigt sich sogleich das inhaltslose Gerede von nationaler Autarkie“ (Hilferding, 1931b, 237). Feldman (1997, 712) zitiert Hilferding, damit, dass eine gute Außenpolitik die beste Wirtschaftspolitik sei. Tatsächlich war die Motivlage für die „Verständigungspolitik“ wohl umgekehrt. Für Hilferding (1924b, 1929) und Naphtali (1929b) stand nach dem Krieg die Eindämmung von Nationalismus und Militarismus – und damit der Erhalt des Friedens – ganz oben auf der politischen Prioritätenliste.

Soziale Austerität

Die steigenden Arbeitslosenzahlen infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 führten in der SPD-geführten Koalitionsregierung zu Auseinandersetzungen über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung (Hilferding, 1930). Das war für die SPD insofern brisant, als die Einführung der Arbeitslosenversicherung nach den großen Reformen von 1918 (8-Stunden-Tag, Betriebsrätegesetz, Tariflohnsystem) der einzige herausragende sozialpolitische Erfolg war. Die Gewerkschaften erachteten die Maßnahme überhaupt als Höhepunkt der parlamentarischen Arbeit der Republik (Gates, 1974). Die seit Mitte 1928 bestehende Koalition zerbrach schließlich an dieser Thematik, weil die industrienahe Deutsche Volkspartei Beitragserhöhungen ablehnte (Winkler, 1986). Im Mai 1930 setzte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning als neuen Reichskanzler ein. Dessen Präsidialkabinett stützte sich nicht mehr auf parlamentarische Mehrheiten, sondern auf Notverordnungen. Den vorherrschenden ökonomischen und außenpolitischen Vorstellungen innerhalb der Partei folgend, reagierte die SPD auf den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise mit einem Konzept, das man als „Soziale Austerität“ bezeichnen kann. Gefordert wurden ein ausgeglichener Haushalt, „äußerste Sparsamkeit“ aller öffentlichen Körperschaften und gegebenenfalls neue Abgaben. Darüber forderte man einen „allgemeinen Abbau der Preise“ – also Deflation (Gewerkschaftszeitung, 1930, 26, 403-404).Naphtali (1931b) anerkannte eine lähmende Wirkung der Preissenkung auf das Wirtschaftsgeschehen, klassifizierte dies aber als Kollateralschaden bei der Beseitigung dessen ein, was aus seiner Sicht das Kernproblem war – die Wiederherstellung korrekter Marktpreise. Hilferding (1931a, 3) sprach in diesem Zusammenhang von „harten Opfern“, die nicht zu vermeiden wären. Das Programm der SPD stand in Einklang mit der von Brüning per Notverordnung durchgesetzten Austeritätspolitik. Hilferding wurde von Brüning sogar öfters zu intimen Beratungen hinzugezogen (James, 1981). Es gab viele nachvollziehbare Gründe die Regierung Brüning zu tolerieren. Im Bereich der Krisen- und Konjunkturpolitik stimmten die politischen Vorstellungen jedoch so weit überein, dass es sich mehr um eine Unterstützung denn um eine Tolerierung handelte.

Die Brüning-Regierung strich die sozialen Leistungen und die sonstigen Ausgaben des Staates radikal zusammen und erhöhte gleichzeitig massiv Steuern und Abgaben (Büttner, 1989). Beides verringerte die Kaufkraft der Bevölkerung und verschärfte die Wirtschaftskrise. In der Frage, wer nun die Opfer dieser Politik zu tragen habe, wich die SPD allerdings von Brünings Kurs ab. So sollten die Preise stärker sinken als die Löhne, um die Reallöhne zu erhöhen; die als notwendig akzeptierten Einsparungen sollten nicht das Soziale, sondern das Militär, Diplomatie und hohe Pensionen sowie Gehälter treffen; Steuern sollten vor allem für hohe Einkommen erhöht werden (Gewerkschaftszeitung, 1930, 26). Insofern gab es mit der Brüning-Regierung einen Konsolidierungskonsens, aber einen Verteilungsdissenz (Winkler, 1986). Die reale Wirtschaftskraft ging um 18 % zurück, das Preisniveau fiel um 20 %. Die Arbeitslosigkeit stieg bis 1932 auf 30 % der Erwerbspersonen (Petzina ,1987).

Bis Mitte 1931 herrschte von der SPD bis zur nationalliberalen DVP Konsens über den Vorrang der Etatsanierung (Büttner, 1989). Ebenso einhellig war zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmensverbänden die Überzeugung, dass während der Krise eine Deflationspolitik notwendig sei (Schneider, 1978), eine Position die wissenschaftlich durch das Institut für Konjunkturforschung gestützt wurde (Naphtali, 1931c). Die Gewerkschaftszeitung (1930, 48, 753) titelte „Die Preise herunter!“ Die Industrieverbände waren der Auffassung, dass die Senkung der „Gestehungskosten“ (Steuern, Löhne, Sozialabgaben) der Weg sei, um die Preissenkungen in Gang zu setzen (Schneider, 1976). Die Gewerkschaften betonten allerdings, dass die nominellen Lohnsenkungen nicht auf Kosten der Reallöhne und der effektiven Kaufkraft gehen dürften (z. B. Gewerkschaftszeitung, 1930/28; 1930/47). Dabei beriefen sie sich auf die vom Vorsitzenden des Holzarbeiterverbands Fritz Tarnow entwickelte Kaufkrafttheorie (Schneider, 1976). Die SPD forderte überdies gemeinsam mit dem AGDB eine Arbeitszeitverkürzung, sowie Erleichterungen für die Kapitaleinfuhr, kartellbehördliche Initiativen und Investitionen bei Reichsbahn und Reichspost – ohne entsprechende Finanzierungsvorschläge (Schneider, 1985). Die soziale Dimension der Austerität konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Die Gewerkschaften zogen mit dem Argument der Kaufkraft bei der Regierung gegenüber den Unternehmen den Kürzeren, ebenso mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung (Schneider, 1978, 1983). Die Unternehmen lehnten jede „schematische Arbeitszeitverkürzung“ als unberechtigten Staatseingriff ab und argumentierten, dass die Kostensteigerungen zur mehr Arbeitslosigkeit führen würden (Schneider, 1985, 482).

Obwohl Brüning durch Notstandsgesetze regierte, war er doch auf den Reichstag angewiesen. Das Parlament musste die Brüning‘schen Gesetze zwar nicht verabschieden, es konnte sie aber per einfacher Mehrheit ablehnen, hatte also ein Vetorecht (Ferguson und Temin, 2003). Ein solches Parlamentsveto durch die SPD führte im September 1930 zu Neuwahlen (Winkler, 1986). Die Missachtung aller Argumente der Arbeiterbewegung hatte zur Folge, dass der ADGB im Wahlkampf gegen die „Rechtsregierung“ polemisierte. Die offensive Kritik basierte nicht nur auf den genannten inhaltlichen Auffassungsunterschieden, sondern auch auf der als faschistisch apostrophierten Notverordnungspolitik. Der ADGB setzte sich mit Verve für die SPD ein, deren Niederlage (-5,3 Prozentpunkte), bei gleichzeitig abruptem Anwachsen der NSADP auf 18 %, die schlimmsten Befürchtungen übertraf (Schneider, 1983).

Der Schock über den Wahlerfolg der Nazis saß so tief, dass die Gewerkschaften Brüning als das geringere Übel erachteten (Gates, 1974). Die SPD verteidigte ihrerseits die Tolerierung der Brüning’schen Politik vor allem mit zwei Argumenten. Ökonomisch, weil ein Sturz der Regierung Brüning „die Panik vermehrt“ und „die wirtschaftliche Lage akut verschlechtert“ hätte (Hilferding, 1931a, 6). Politisch-taktisch wollte die SPD eine Regierungsbeteiligung der Nazis verhindern. Jeder Alternativvorschlag zur Regierungslinie wurde mit einer Rücktrittsdrohung Brünings beantwortet (Büttner, 1989). „Ihn im Amt zu halten und dadurch den Nationalsozialisten den Weg zur Macht zu verstellen, hatte aber für die demokratischen Parteien, insbesondere für die SPD, oberste Priorität“ (Büttner, 1989, 249). Überdies war die Partei in Sorge, das von ihr regierte Preußen zu verlieren, das als „Bollwerk der Demokratie“ galt (Bundestag, 2007).3 Brünings Zentrum stützte nämlich in Preußen die SPD-Regierung und damit den Zugriff auf die preußische Polizei, das wichtigste staatliche Machtinstrument gegen die Nazis (Winkler, 1986). Hilferding glaubte eine Verweigerung der Tolerierung durch die SPD würde „das Zentrum nach rechts“ zwingen und „den letzten Widerstand im bürgerlichen Lager gegen den Faschismus“ zerstören (Hilferding, 1932a, 2-3). „Damit unterwarf sich die Sozialdemokratie den Prioritäten der Politik Brünings, um – wie es hieß „Schlimmeres“ zu verhüten“ (Schneider, 1985, 485). Die SPD verfügte nun weder über ein plausibles Konzept zur Krisenbekämpfung, noch über eine strategische Alternative zur Tolerierung der Regierung Brüning.

WTB-Plan: Die keynesianische Agenda

Auf dem Leipziger Parteitag im Juni 1931 hielt nicht Hilferding das Hauptreferat, sondern Fritz Tarnow, der eine konkrete Hinwendung zur Konjunkturpolitik forderte. Seine Begründung ging in die Geschichte ein: „Nun stehen wir ja allerdings am Krankenlager des Kapitalismus nicht nur als Diagnostiker, sondern auch – ja was soll ich sagen – als Arzt, der heilen will?, oder als fröhlicher Erbe, der das Ende nicht erwarten kann und am liebsten mit Gift noch etwas nachhelfen möchte?“ (Tarnow, 1931, 45). Tarnow wies darauf hin, dass die Doppelrolle als Arzt und Erbe eine „verflucht schwierige Aufgabe“ sei, denn selbst wenn man mit dem Patienten wenig Mitleid hätte, so doch mit den Massen, die wegen seiner schlechten Verfassung hungern müssten. Wenn es also eine Medizin gäbe, die dann gleichzeitig den Massen wieder Essen beschere, dann müsse man sie auch verwenden (Tarnow, 1931, 44-45). Konkretisiert wurden die Überlegungen schließlich in dem nach seinen Autoren (Wladimir Woytinsky, Leiter der statistischen Abteilung des ADGB, Fritz Tarnow und dem Beamten im Reichsernährungsministerium Fritz Baade) benannten WTB-Plan vom Januar 1932. Durch ein Investitionsprogramm bei der Reichsbahn, der Reichspost und kommunalen Körperschaften sollten Aufträge vergeben werden, die den Einsatz von 1 Mio. Arbeitskräften erforderlich machen. Die Finanzierung sollte durch die Reichsbank mittels zusätzlicher Geldschöpfung erfolgen (Bombach et al., 1976). Diese erhebliche Weichenstellung in Richtung einer autarkeren Wirtschaftspolitik wurde im Rahmen des WTB-Plans erstmals von gewerkschaftlicher Seite vorgelegt. Sorge über eine mögliche Inflation zerstreuten die Autoren mit dem Hinweis, dass im Gegensatz zur Inflation von 1923 Unterauslastung herrsche (Bombach et al., 1976).

Keynesianimsus versus Marxismus

Die sozialdemokratischen Vorstöße in Richtung einer Arbeitsbeschaffung durch Kreditausweitung lösten eine heftige Kontroverse aus. Publizistischer Hauptkontrahent der „Früh-Keynesianer“ war Fritz Naphtali. Schon die schiere Idee öffentlicher Auftragsvergaben durch „inflatorische Mittel“ sei geeignet, das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt zu erschüttern (Naphtali, 1931a, 494). Die interne Finanzierung über die Zentralbank wurde von Hilferding und Naphtali generell abgelehnt, egal ob der Vorschlag aus der Gewerkschaftsecke oder von den Nationalsozialisten kam. Hilferding (1932b) habe von den Nazis noch keinen Finanzierungsvorschlag zur Arbeitsbeschaffung gehört, der etwas anderes sei als Inflation. Naphtali (1931b, 485, 494) stellte die Zentralbankfinanzierung in die Nähe jener „Scharlatanerien“, die der Krise mit einem simplen Inflationismus begegnen möchten und nennt dafür exemplarisch den Nationalsozialisten Gottfried Feder und die „Freigeldapostel“. Hilferding und Napthtali verhinderten im gleichen Zeitraum den Abdruck der Kampfschrift „Ist eine Armut eine Tugend?“ im sozialdemokratischen Dietz-Verlag. In einer an Keynes angelehnten Analyse prognostizierte der Spitzenfunktionär des liberalen Gewerkvereins Anton Erkelenz in dieser Schrift, dass die Deflationspolitik das gesamte soziale Gefüge erschüttere und zu einer Revolution führen müsse. Das Manuskript, so die Begründung der Ablehnung, entspricht in entscheidenden Punkten weder einer sozialistischen Analyse der Wirtschaftskrise noch der Auffassung der Partei (Büttner, 1989).

Hilferding bekämpfte den WTB-Plan unermüdlich und propagierte stattdessen planwirtschaftliche Kontrolle der Industrie (Gates, 1974). Auch das Programm zum „Umbau der Wirtschaft“ des Bundes der Allgemeinen freien Angestellten (AfA) passte viel besser zu Weltanschauung und Rhetorik der SPD. Afa-Vorstandsmitglied Fritz Corner: „Es gibt keine aktive Wirtschaftspolitik mehr, die innerhalb des versagenden kapitalistischen Systems bleibt, die nicht zugleich den Umbau in Angriff nimmt (…) Damit aber ist uns die Aufgabe des Sozialismus konkret gestellt“ (Marxistische Tribüne, 1932, 249). Naphtali argumentierte im Bundesausschuss des ADGB im Juli 1931 gegen eine Kreditausweitung zur Arbeitsbeschaffung wegen der befürchteten inflationistischen Wirkung (Schneider, 1978, 224). Hilferding mobilisierte beinahe die gesamte Reichstagsfraktion gegen den WTB-Plan und entledigte die Gewerkschaften damit von jedem parlamentarischen Hebel gegenüber der Regierung (Gates, 1974).

In Anbetracht der unterschiedlichen Auffassungen, wurde in der Bundesausschusssitzung des ADGB vom Februar 1932 heiß diskutiert. Wilhelm Eggert, stellvertretender Vorsitzender des ADGB betonte, dass man nicht mehr so lange warten könne, ohne zu versuchen, Not und Elend durch Arbeitsbeschaffung zu lindern. Die Gewerkschaften müssten die Verantwortlichen aus „ihrer Passivität aufscheuchen“ (Gewerkschaftszeitung, 1932, 8, 239). Naphtali erkannte Arbeitsbeschaffung als notwendig an, verwehrte sich jedoch nach wie vor gegen eine Zentralbankfinanzierung. Er befürchtete „Kreislaufstörungen“ sowie eine Gefährdung der Währung und schlug stattdessen Auslandsanleihen infolge einer deutsch-französische Verständigung vor. Woytinski bezeichnete den Vorschlag als illusionär. Fritz Tarnow glaubte nicht mehr an eine baldige selbsttätige Erholung. „Die öffentlichen Arbeiten müssen die früheren privatkapitalistischen Investitionen ersetzen, die jedesmal beim Abschluss der Depression auftauchen.“ Die Finanzierung müsse durch die Reichsbank erfolgen (Gewerkschaftszeitung, 1932, 8, 240).Der Ausschuss setzte sich über die Bedenken Naphtalis hinweg, ebenso über die Einwände der SPD-Reichstagsfraktion und des AfA-Bundes. Der WTB-Plan wurde akzeptiert, ab Februar 1932 hatte die Arbeitsbeschaffung für den ADGB absolute Priorität. „Von der planmäßigen Arbeitsbeschaffung hängt die Existenz von Volk und Staat ab“ verlautbarte der ADGB im Februar 1932 (Gewerkschaftszeitung, 1932, 8, 236). Die Gewerkschaften wurden sich klar, dass eine wirtschaftliche Erholung und damit das Überleben der Republik von der Bereitschaft abhingen, mit Brünings Kurs zu brechen und unorthodoxe ökonomische Maßnahmen einzufordern (Gates, 1974). Ein im April 1932 abgehaltener Krisenkongress sollte, so ADGB Vorsitzender Theodor Leipart, ein SOS-Ruf an die gesamte deutsche Öffentlichkeit sein (Gewerkschaftszeitung, 1932, 17, 261). Leipart fragte, ob es der Sicherheit Frankreichs diene, „wenn infolge der steigenden Arbeitslosigkeit und der wirtschaftlichen Verelendung immer weitere Kreise der Bevölkerung (…) dem politischen Radikalismus verfallen?“ Insgesamt lässt sich laut Schneider (1983) am Krisenkongress eine Wende gegenüber der Regierung Brüning in Form eines offensiven Tons konstatieren.

Aktive Konjunkturpolitik versus Umbau der Wirtschaft

Die wirtschaftspolitische Positionierung des ADGB wurde in dem Moment pikant, als es in der NSDAP plötzlich mehr Verständnis dafür zu geben schien als in der SPD. Gregor Strasser, der „mächtigste Mann neben Hitler“ (Kissenkoetter, 1978, 146) zeigte im Rahmen einer Reichstagsrede im Mai 1932 offen Sympathie für die gewerkschaftlichen Ideen. Auf Basis der Rede entstand auch das wirtschaftliche Sofortprogramm der NSDAP (Humann, 2011), in dem Arbeitsbeschaffung durch Kreditschöpfung gefordert wurde (Bombach et al., 1976). Die NSDAP erkannte wie kaum eine andere Partei die politische Bedeutung des Vorgehens gegen die Massenarbeitslosigkeit (Bons, 1995). Das Mantra „Arbeit und Brot“ wurde überhaupt zur Generallinie der NS-Wahlkampagne von 1932 (Paul, 1992). Die tief gespaltete Arbeiterbewegung (Gates, 1974) hatte hingegen größte Schwierigkeiten, die unorthodoxen Vorstellungen der Gewerkschaften und die orthodoxen Auffassungen der Reichstagsfraktion unter einen Hut zu bekommen.4 Auch die ersten Ansätze zur Arbeitsbeschaffung der Regierung Papen vom Juni 1932 verdeutlichten den Handlungsbedarf. Auf massiven Druck der Gewerkschaft einigte sich die sozialdemokratische Reichstagsfraktion auf einen Kompromiss zum Thema Arbeitsbeschaffung, um – wie Tarnow rückblickend meinte – den drohenden Bruch zwischen ADGB und SPD zu vermeiden (Schneider, 1983). Zollitsch (1982) betont allerdings, dass die Idee der kreditfinanzierten Arbeitsbeschaffung wegen der Vereinnahmung der Thematik durch die Nazis für die Arbeiterbewegung zunehmend kompromittiert gewesen sei. In der Fraktionssitzung vom August 1932 einigte man sich auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Umfang von einer Milliarde Reichsmark. Tarnow machte insbesondere Hilferding für die geringe Summe verantwortlich. Die Finanzierung sollte intern erfolgen, allerdings nicht über die Zentralbank, sondern über Anleihen (Schneider, 1978).

Noch beachtlicher als die späte Reaktion und das relativ geringe Volumen ist jedoch die Einbettung in einen umfassenden Plan zum Umbau der Wirtschaft Richtung Sozialismus. Der Kapitalismus sollte quasi stabilisiert und abgeschafft werden. Die Hoffnung bestand darin, dass die verproletarisierten Mittelschichten den Antikapitalismus der Nazis als Schwindel entlarven und zur SPD überlaufen würden (Zollitsch, 1982). Entsprechende Rhetorik begleitete den Beschluss: „Die gegenwärtige wirtschaftliche und politische Situation hat neue und günstigere Voraussetzungen für einen schnelleren Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus geschaffen, als sie jemals früher bestanden haben (...) Zweifellos gewinnt aber im Massenbewusstsein des deutschen Volkes das Verständnis für den Sozialismus immer mehr an Boden. Der Scheinsozialismus der Nazis wird früher oder später entlarvt werden (…) (Mitteilungsblatt des SPD-Parteivorstands, 1932, 265-266). Die permanente Verknüpfung von Arbeitsbeschaffung und Wirtschaftsdemokratie dürfte laut Schneider (1985) auf bürgerlicher Seite die Bereitschaft für eine staatliche Konjunkturpolitik nicht erhöht haben. Die Unternehmenspresse betonte, dass die Krise Folge der sozialistischen Entartung des Kapitalismus sei und es zwischen kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftsmethoden keinen Kompromiss gebe (Naphtali, 1931d). Dennoch gab es auch im bürgerlichen Lager zunehmend Unterstützung für eine aktive Konjunkturpolitik. Büttner (1989) führt zahlreiche bürgerliche Intellektuelle, Berufsverbände (unter anderem liberale und nationale Angestellten- und Beamtenverbände mit jeweils hunderttausenden Mitgliedern) und sogar Mitglieder der Regierung ins Treffen, die sich entweder gegen die Deflationspolitik oder sogar explizit für eine aktive Konjunkturpolitik aussprachen. Selbst liberale Gelehrte wie Wilhelm Röpke und Joseph Alois Schumpeter verlangten ein Ende der Deflationspolitik (Büttner, 1989). „Es fehlte nicht an gesellschaftlicher Unterstützung für eine antizyklische Wirtschaftspolitik, sondern sie hatte im Gegenteil solche Bedeutung, dass der Kanzler [Brüning Anmk.] fürchtete, seinen Kurs nicht mehr durchhalten zu können (...)“ (Büttner, 1989, 233).

Auf Druck der Industrie schwenkte die Reichsbank ab 1932 auf eine expansivere Geldpolitik um (James, 1983). Im Sommer 1932 wurden die Reparationen im Rahmen der Lausanner Konferenz bis auf einen recht geringen Betrag gestrichen (Heyde, 2000). Gleichzeitig wurden die Volumina der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unter der Regierung Papen schrittweise vergrößert. Selbst als sie Ende 1932 schon ganz oben auf der Prioritätenliste der Regierungen Papen und Schleicher stand, erhob Naphtali noch den Vorwurf, der ADGB gebe sich Illusionen über die Wirksamkeit einer „monetären Kurbelpolitik“ hin (Schneider, 1976, 673).5 In den letzten Stunden der Weimarer Republik konnte der ADGB einen erheblichen Erfolg verbuchen: „An dem Tag, an dem die Mittel für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – auch auf gewerkschaftlichen Druck hin – auf 500 Mio. RM aufgestockt wurden, trat die Regierung Schleicher zurück; zwei Tage darauf wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt“ (Schneider, 1983, 69). Das Ende der Reparationen, die Wende in der Geldpolitik sowie das erste substanzielle Arbeitsbeschaffungspaket kamen direkt den Nazis zugute.

Fazit

Die Diskussion darüber, wie hoch die wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume in Bezug auf eine aktive Konjunkturpolitik in der Weimarer Republik faktisch waren, wurde im Rahmen der „Borchardt-Kontroverse“, einer in den 1980er Jahren erfolgten wirtschaftshistorischen Auseinandersetzung, intensiv geführt.6 Während die negativen Folgen der Deflationspolitik der frühen 1930er Jahre unstrittig gewesen seien, habe sich die Kontroverse darum gedreht, ob diese Politik alternativlos war und eine staatsinterventionistische Konjunkturpolitik überhaupt durchführbar gewesen wäre (Büttner, 1989). Die Antwort auf diese Frage ist keineswegs eindeutig. Gates (1974) hütet sich davor, eine expansive Wirtschaftspolitik der SPD als Erfolgsgarantie zu bezeichnen, aber er dürfte richtig liegen mit der Einschätzung, dass es ohne aggressive Unterstützung unorthodoxer Wirtschaftspolitik überhaupt keine Hoffnung auf eine Chance gab. Darum interessieren hier weniger Sachzwänge (bei Borchardt, 1979 ‚Zwangslagen‘) die eine aktive Konjunkturpolitik limitierten, sondern der Umstand, dass die SPD eine solche Politik nie ernsthaft in Betracht zog. Die „Tolerierung“ der Regierung Brüning kam im Bereich der Geld- und Fiskalpolitik einer Unterstützung gleich. Die Stabilisierung des Kapitalismus und seine gleichzeitige Abschaffung waren mit Tarnow (1931, 45) eine „verflucht schwierige Aufgabe.“ Da die SPD folgerichtig kein eigenes Reformprogramm im Rahmen der kapitalistischen Marktwirtschaft entwickelte, folgte man wirtschaftspolitisch schlicht dem Zeitgeist, womit als ein zentraler Grund für das politische Scheitern das ökonomische Verständnis der SPD zu nennen ist. Die implizite Devise lautete: Bürgerliche Wirtschaftspolitik werde für ein bürgerliches Wirtschaftssystem schon angemessen sein, wahren sozialen Fortschritt gibt es ohnehin nur im Sozialismus. Die Partei verfolgte eine Wirtschaftspolitik, die unter Berufung auf marxistische Leitlinien von jener der genuin bürgerlichen Parteien nicht maßgeblich abwich. Unorthodoxe Wirtschaftspolitik bezeichneten Hilferding und Naphtali als „unmarxistisch“ (Gates, 1974, 351). Als die SPD im August 1932 schließlich doch einen Antrag zur Arbeitsbeschaffung in den Reichstag einbrachte, war es bereits fünf nach zwölf. Die Nationalsozialisten hatten die Sozialdemokratie im Juli als stärkste politische Kraft abgelöst.

    • 1 Gates (1974) verweist auf die Tradition innerhalb des marxistischen Denkens bis hin zu Marx selbst, dass orthodoxe Wirtschaftspolitik für eine kapitalistische Gesellschaft angemessen sei.
    • 2 Zum Thema Freihandel im Interesse der deutschen Industriearbeiterschaft Hilferding, 1932b; Naphtali, 1930b.
    • 3 Mehr als die Hälfte der gesamten Bevölkerung des Reiches lebte in Preußen. Neben Berlin waren auch andere wichtige und bevölkerungsreiche Industrieregionen wie das Ruhrgebiet, das Rheinland und Schlesien Bestandteil Preußens.
    • 4 Insofern ist Bons (1995) nicht zuzustimmen, wenn der SPD und Gewerkschaft unisono unterstellt wird, keine überzeugende Antwort auf die Herausforderungen der Weltwirtschaftskrise gefunden zu haben.
    • 5 Barkai (1988, 52) weist darauf hin, dass Naphtali, der später Landwirtschaftsminister in Israel wurde, nachträglich „sein Gewissen nicht wenig belastete“ wegen seines damaligen massiven Widerstands.
    • 6 Für den Auslöser der Diskussion siehe Borchardt (1979), für einen Überblick über die Diskussion siehe Holtfrerich (1996).

Literatur

Barkai, A. (1988), Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus: Ideologie, Theorie, Politik, Fischer Verlag.

Berman, S. (2006), The Primacy of Politics: Social Democracy and the Making of Europe‘s Twentieth Century, Cambridge University Press.

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Title:The Orthodox Economic Policy of the SPD Between 1929 and 1933

Abstract:The SPD was not part of the government between 1930 and 1932, but tolerated the austerity and deflationary policies of the Brüning cabinet. The term tolerance suggests that the SPD supported the Brüning government against their economic policy convictions for the higher purpose of preserving democracy and peace. At least in the area of ​​monetary and fiscal policy, however, it was more a matter of support than tolerance. Significant parts of the SPD even explicitly opposed early Keynesian ideas of an active economic policy. This gave the Nazis, of all people, the opportunity to appropriate an expansive economic policy programme developed by the trade unions and thus ultimately to use it for the labour movement. The zeal with which alternatives to orthodox economic policy were rejected can only be explained by the fact that the austerity and deflationary policies of the Brüning government coincided with the economic policy ideas and ideological convictions of many social democratic protagonists.

© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0083