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Deutschland steuert seit einigen Jahren auf einen gravierenden Arbeits- und Fachkräftemangel zu. Dabei gibt es nach wie vor erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung. Die Bemühungen, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern, spielen eine zentrale Rolle. Dennoch gab es von 2013 bis 2015 in Deutschland ein bundesweites Betreuungsgeld für Eltern, die keine öffentliche Kinderbetreuung für Kinder im Alter von einem oder zwei Jahren in Anspruch nahmen. Auch nach 2015 gab es ein Betreuungsgeld oder vergleichbare Leistungen in mehreren Bundesländern. Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss ein Betreuungsgeld auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern hat.

Deutschland steuert wie viele andere EU-Länder seit einigen Jahren auf einen gravierenden Arbeits- und Fachkräftemangel zu. Wie die KfW-Förderbank kürzlich berichtete, behindert dieser Mangel bereits heute jedes zweite Unternehmen und wird bei einer zu erwartenden Verschärfung zu hohen Wohlfahrtseinbußen führen (Pennekamp, 2023). Neben Bemühungen, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, begegnen die EU-Mitgliedsländer dem Arbeits- und Fachkräftemangel mit Strategien, die darauf abzielen, inländische Potenziale zu mobilisieren und Arbeitskräfte stärker und effizienter einzusetzen. Der Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen kommt dabei eine hohe Relevanz zu; denn in vielen Industriestaaten gibt es immer noch einen signifikanten Unterschied zwischen der Arbeitsmarktpartizipation von Frauen und Männern; und dieser Unterschied ist bei Zugewanderten (d. h. nicht im Inland Geborenen) noch größer als bei Einheimischen (d. h. im Inland Geborenen). Das Sozioökonomische Panel (SOEP) weist für 2020 eine Differenz in der Arbeitsmarktpartizipation von voll- und teilzeitarbeitenden Männern und Frauen von 9 Prozentpunkten bei Einheimischen und 14 Prozentpunkten bei Zugewanderten aus. Zahlreiche Studien belegen die negativen Auswirkungen der Familienmigration auf die Erwerbsquote von Ehefrauen (Shauman und Noonan, 2007). Allerdings scheint sich das Beschäftigungsmuster unter den jüngeren Migrationskohorten zu ändern. Offenbar sind Frauen hier immer weniger „nur“ Zweitverdienerinnen (Adserà und Ferrer, 2016) und stehen nicht selten vor der Herausforderung, das teilweise noch konservative Frauenbild in Deutschland zu überwinden (Boos-Nünning, 2020). Mit Initiativen wie „Stark im Beruf“ des Bundesfamilienministeriums zur Unterstützung der Einbeziehung migrantischer Mütter in den Arbeitsmarkt, versucht die Bundesregierung, die Lücke in der Arbeitsmarktpartizipation zu schließen. Vor dem Hintergrund der starken Zuwanderung von Müttern aus der Ukraine in den vergangenen zwölf Monaten erlangt die Einbeziehung von zugewanderten Müttern in den Arbeitsmarkt gegenwärtig zusätzliche Bedeutung.

Bemühungen zur Einbeziehung von einheimischen und zugewanderten Müttern in den Arbeitsmarkt spiegeln sich in zahlreichen familienpolitischen Maßnahmen wider. Zudem gibt es weitere Maßnahmen, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken und die Fertilität zu steigern. So kommen nicht selten gegenläufige Instrumente zum Einsatz. 2013 wurde im Rahmen einer Reform der Kinderbetreuung einerseits ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren eingeführt und das Angebot an Betreuungsplätzen für junge Kinder stark ausgeweitet. Pa­rallel wurde bundesweit ein einkommensunabhängiges Betreuungsgeld zur Kompensation von Eltern eingeführt, die für ihre Kinder der gleichen Altersgruppe keine öffentliche Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Diese Einführung wurde dahingehend scharf kritisiert, Arbeitsanreize speziell für Mütter mit geringer Arbeitsmarktintegration zu reduzieren. Zudem wurden potenziell negative Auswirkungen auf Kinder von Zugewanderten befürchtet, da der Nichtbesuch öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen negative Folgen auf die frühe Bildung und Integration haben kann. 2015 wurde das bundesweite Betreuungsgeld für verfassungswidrig erklärt und eingestellt. Allerdings haben mehrere Bundesländer verschieden gestaltete Formen von Landesbetreuungsgeldern beibehalten. Das ermöglicht es, die Arbeitsmarktpartizipation von Müttern zwischen verschiedenen Bundesländern zu vergleichen und damit die politische Debatte mit empirischer Evidenz zu den Wirkungen eines Betreuungsgeldes auf die Arbeitsmarktpartizipation von einheimischen und zugewanderten Müttern zu unterstützen.

Betreuungsgeld(er) in Deutschland

Mit der bundesweiten Kinderbetreuungsreform im August 2013 hat Deutschland eine neue familienpolitische Leistung, das Betreuungsgeld, eingeführt. Im Gegensatz zum seit 2007 existierenden Elterngeld waren nur Eltern von Kindern im Alter von 15 bis 36 Monaten anspruchsberechtigt, deren Kinder keine öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen besuchten. Das Betreuungsgeld betrug anfangs monatlich 100 Euro, ab August 2014 monatlich 150 Euro, unabhängig vom Einkommen der Eltern (Betreuungsgeldgesetz). Im Juli 2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das bundesweite Betreuungsgeld verfassungswidrig ist und daher abgeschafft werden muss. Im Anschluss an diese Entscheidung hat der Freistaat Bayern ein eigenes Betreuungsgeld eingeführt, das dem gerade abgeschafften bundesweiten Betreuungsgeld nahezu entsprach. Folglich konnten fortan nur noch in Bayern lebende Mütter Betreuungsgeld beziehen. Ferner gab es in vier Bundesländern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen und Bayern, ein Landeserziehungsgeld, das teils mehr, teils weniger dem bundesweiten Betreuungsgeld ähnelte. Das Landeserziehungsgeld wurde bereits 2012 in Baden-Württemberg abgeschafft, in Thüringen bis Juli 2016 gezahlt; in Sachsen gibt es bis heute ein Landeserziehungsgeld. In Bayern existierte ein Landeserziehungsgeld parallel zum bayerischen Betreuungsgeld. Bei Inanspruchnahme dieses Landeserziehungsgeldes war ein Besuch einer öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtung erlaubt. Allerdings war es einkommensabhängig. Seit 2018 ersetzt in Bayern ein „Familiengeld“ das Betreuungs- und Erziehungsgeld. Ähnlich wie das frühere bundesweite Betreuungsgeld war das Erziehungsgeld in Thüringen nicht vom Einkommen der Eltern abhängig. Allerdings durften Kinder im entsprechenden Alter bis zu fünf Stunden am Tag eine öffentliche Kinderbetreuungseinrichtung besuchen. In Sachsen hingegen sind – wie beim ehemaligen bundesweiten Betreuungsgeld – nur Mütter von Kleinkindern bis zu drei Jahren anspruchsberechtigt, die keine öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen in Anspruch nehmen. Das sächsische Erziehungsgeld ist vom Einkommen der Eltern abhängig, das im maßgeblichen Zeitraum unter 17.100 Euro liegen musste. Somit ist keine dieser landesspezifischen familienpolitischen Leistungen mit dem bayerischen oder bundesweiten Betreuungsgeld vergleichbar. Lediglich diese beiden Betreuungsgelder waren einkommensunabhängig und sind nur an Eltern gezahlt worden, deren Kinder keine öffentliche Kinderbetreuung in Anspruch nahmen.

Arbeitsanreize von Betreuungsgeld und internationale Erfahrungen

Ein Betreuungsgeld senkt den relativen Preis für die eigenständige Betreuung der Kinder und mindert damit die Arbeitsanreize der Mütter. Für nicht erwerbstätige Mütter stellt die Leistung einen negativen Anreiz zur Teilnahme am Arbeitsmarkt dar. Damit der Arbeitsmarkt relativ zur Nichtarbeit attraktiver wird, muss der potenzielle Lohn gleich oder größer als der Reservationslohn sein. Ein Betreuungsgeld erhöht den Reservationslohn über die Opportunitätskosten der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit, die für zugewanderte Mütter aufgrund von Problemen der Arbeitsmarktintegration ohnehin höher sind als für im Inland geborene Mütter. Deskriptive Analysen zeigen, dass zugewanderte Mütter zu einem höheren Anteil keinen Schulabschluss aufweisen und über geringere Berufserfahrung verfügen. Die daraus folgenden Probleme der Arbeitsmarktintegration dürften die Arbeitsanreize für zugewanderte Mütter schwächen. Für berufstätige Mütter führt die Leistung zu einer Verringerung der außerhäuslichen Arbeitszeit, sofern Freizeit ein normales Gut ist. Letztlich bestimmen die Freizeit- und Konsumpräferenzen berufstätiger Mütter das Ausmaß der außerhäuslichen Arbeitszeitverkürzung (Schøne, 2004). In Schweden, Norwegen und Finnland gibt es seit vielen Jahren ein Betreuungsgeld für Eltern von Kindern unter drei Jahren, die die öffentliche Kinderbetreuung nicht oder nur teilweise in Anspruch nehmen. Zahlreiche empirische Studien finden negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern. In allen drei Ländern sind Mütter mit niedrigem Einkommen, niedrigem Bildungsniveau oder Migrationshintergrund beim Bezug des Betreuungsgeldes überrepräsentiert (für einen Literaturüberblick siehe Fendel und Jochimsen, 2022). Diese Effekte scheinen sogar über die reine Bezugsdauer des Betreuungsgeldes hinaus zu bestehen, also wenn die Kinder vier oder fünf Jahre alt waren. Sie verschwinden jedoch im Alter von sechs Jahren (Drange und Rege, 2013).

Hypothesen, Schätzmethode und Daten

Basierend auf den theoretischen Grundlagen und den internationalen Erfahrungen ergeben sich zwei Hypothesen:

H1: Ein Betreuungsgeld wirkt sich negativ auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern aus, auch wenn parallel dazu Kinderbetreuungsangebote ausgebaut werden.

H2: Die negativen Auswirkungen eines Betreuungsgeldes sind für zugewanderte Mütter aufgrund ihrer – als Folge von Integrationsproblemen – höheren Opportunitätskosten der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit höher.

Auf Basis eines Differenzen-in-Differenzen-Ansatz (DiD-Ansatz) werden die Auswirkungen eines Betreuungsgeldes – genauer des bayrischen Betreuungsgeldes – auf die Erwerbstätigkeit migrantischer und deutscher Mütter analysiert (Fendel und Jochimsen, 2002). Der DiD-Ansatz vergleicht Veränderungen in den Erwerbsquoten zwischen Müttern mit Anspruch auf das bayrische Betreuungsgeld (Treatmentgruppe) und Müttern gleichaltriger Kinder (d. h. Kinder die im Betrachtungszeitraum 15 bis 36 Monate alt sind), die aufgrund eines Wohnortes außerhalb Bayerns keinen Anspruch auf die Transferleistung hatten (Kontrollgruppe). Die Differenz zwischen den beiden Gruppen in den Jahren, in denen das Betreuungsgeld für die Treatmentgruppe existierte (Betrachtungszeitraum: 2016 und 2017), wird mit der Differenz der Jahre verglichen, in denen das Betreuungsgeld für keine der beiden Gruppen existierte (2011 und 2012). Von 2013 bis 2015 war das Betreuungsgeld bundesweit für alle Mütter mit Kindern im entsprechenden Alter zugänglich. Es gab somit keine direkte Kontrollgruppe. In dieser Zeit haben alle hier betrachteten Mütter entbunden, sodass sich die Treatment- und Kontrollgruppe ähnlichen Arbeitsmarktbedingungen gegenübersahen und sich die Erwerbsquoten über die berücksichtigten Jahre stark änderten (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1 zeigt zudem, dass zukünftige Mütter vor der Geburt des ersten Kindes in Bayern eine höhere durchschnittliche Erwerbsquote hatten als Mütter aus anderen Bundesländern, während ihre Erwerbsquote zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr des Kindes niedriger ausfällt. Dieser Unterschied kann einerseits ein erster Hinweis auf eine geringere Arbeitsmarktpartizipation aufgrund des Betreuungsgeldes sein. Andererseits können sich durch Unterschiede in individuellen Merkmalen systematische Unterschiede ergeben, für die, sofern sie beobachtbar sind, kontrolliert werden sollte. Die Effekte eines Betreuungsgeldes auf die Erwerbswahrscheinlichkeit zugewanderter und einheimischer Mütter werden mittels eines Probit-Modells geschätzt:

(1)
Abbildung 1
Erwerbsquoten der Treatment- und Kontrollgruppe nach Alter des ersten Kindes
Erwerbsquoten der Treatment- und Kontrollgruppe nach Alter des ersten Kindes

Quelle: IAB-SOEP Migrationsstichprobe, IAB-BAMF-SOEP Befragung Geflüchteter und SOEP, 2010-2018, nur Mütter deren Kinder 2016/17 15 bis 36 Monate alt waren, Mütter aus Sachsen wurden ausgeschlossen.

Mutter i gehört der Treatmentgruppe (TREAT==1) oder Kontrollgruppe an und wird im Betrachtungszeitraum (R1617==1) oder davor beobachtet. Der Interaktionsterm (R1617 * TREAT) misst dann den Einfluss des bayrischen Betreuungsgeldes auf die Erwerbsquoten von Müttern. Zusätzlich werden in Vektor Z die Merkmale Alter, Berufserfahrung, Bildungsniveau, Arbeitslosengeld-II(ALG II)-Bezug, Zusammenleben mit einem offiziellen Partner, guter Gesundheitszustand, Zahl eigener Kinder unter sechs Jahren im Haushalt sowie Wohnort in Ostdeutschland berücksichtigt. Während die Schätzung zu zugewanderten Müttern für Herkunftsländergruppen kontrolliert, beinhaltet die Schätzung für das gesamte Sample zusätzlich einen Indikator zum direkten Migrationshintergrund. Die Analysen basieren auf Daten des SOEP (Schröder et al., 2020) und zwei integrierten Studien, die IAB-SOEP-Migrationsstichprobe (Brücker et al., 2014) und die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Flüchtlingen (Brücker et al., 2017). Das Analysesample berücksichtigt Mütter im erwerbsfähigen Alter, Mütter aus Sachsen werden aufgrund des im Betrachtungszeitraum zum bayrischen Betreuungsgeld existierenden sehr ähnlichen Landeserziehungsgeld ausgeschlossen. Damit umfasst das Sample 2.537 Beobachtungen von 856 Müttern in den Jahren 2011, 2012, 2016 und 2017. 40 % der zugezogenen Mütter stammen aus einem Land der ehemaligen UdSSR oder Jugoslawiens, 35 % aus einem anderen Hocheinkommensland oder einem Land der EU, 15 % stammen aus der Türkei oder einem arabischen Land und 9 % aus Asien, Afrika oder Zentral-/Südamerika. Der Anteil ostdeutscher Mütter liegt im Analysesample bei 20 %. Die zugezogenen Frauen im Sample verfügen mit 30 % deutlich häufiger als einheimische Frauen (18 %) über keinen Bildungsabschluss, beziehen etwas häufiger ALG II (14 % gegenüber 11 %), sind seltener alleinerziehend (14 % gegenüber 37 %) oder wohnhaft in Ostdeutschland (8 % gegenüber 25 %) und haben durchschnittlich mehr Kinder (1,37 gegenüber 1,18).

Ergebnisse

Tabelle 1 zeigt die marginalen Effekte, die aus den Koeffizienten des Probit-Modells für die Mittelwerte der jeweiligen Stichprobe (alle (I), zugewanderte (II) oder einheimische Mütter (III)) berechnet wurden. Die Erwerbswahrscheinlichkeit zugewanderter Mütter ist durch die Verfügbarkeit des Betreuungsgeldes in Bayern um 24 Prozentpunkte niedriger als diejenige von zugewanderten Müttern, für die aufgrund des Wohnortes außerhalb Bayerns im Betrachtungszeitraum kein Betreuungsgeld verfügbar war. Für die gesamte Stichprobe (bzw. deutsche Mütter) liegt die Erwerbsquote in Bayern um 18 (bzw. 14) Prozentpunkte niedriger. Die Ergebnisse der DiD-Analyse bestätigen damit Hypothesen H1 und H2: Das bayrische Betreuungsgeld hat sich negativ auf die Erwerbstätigkeit von Müttern ausgewirkt und dieser Effekt ist bei Müttern mit Migrationshintergrund größer als für einheimische Mütter.

Tabelle 1
Marginale Effekte eines Probit-Modells zur Erwerbswahrscheinlichkeit von Müttern
  I. Insgesamt II. Zugewanderte Mütter III. Einheimische Mütter
R1617 -0,053* (0,024) -0,028 (0,041) -0,049 (0,029)
TREAT -0,055 (0,029) -0,066 (0,039) -0,054 (0,036)
R1617_TREAT -0,184** (0,056) -0,241* (0,096) -0,139* (0,070)
Zugewandert -0,128*** (0,025)    
Alter 0,002 (0,003) 0,003 (0,004) -0,001 (0,004)
Bildungsabschluss (Ref. kein Abschluss)    
Beruflicher Bildungs-abschluss 0,199*** (0,027) 0.054 (0,040) 0,298*** (0,035)
Universitätsabschluss 0,306*** (0,031) 0,097* (0,044) 0,425*** (0,040)
Erwerbserfahrung in Jahren 0,019*** (0,003) 0,007 (0,004) 0,024*** (0,004)
Bezug ALG II -0,302*** (0,030) -0,138** (0,044) -0,389*** (0,036)
Guter Gesundheits-zustand 0,116*** (0,035) 0,011 (0,061) 0,166*** (0,040)
Kein Partner im Haushalt 0,052 (0,028) 0,033 (0,057) 0,055 (0,032)
Zahl der Kinder jünger als 6 Jahre im Haushalt -0,148*** (0,017) -0,145*** (0,026) -0,149*** (0,020)
Wohnort in Ostdeutschland 0,115*** (0,030) 0,078 (0,064) 0,147*** (0,034)
Zahl der Beobachtungen 2537 764 1773
Pseudo R2 0,214 0,153 0,228

* p<0,05; ** p<0,01; *** p<0,001 (2-seitig). Alle drei Modelle kontrollieren zusätzlich für das Alter zum Quadrat und für das Beobachtungsjahr sowie in Modell II zu zugezogenen Müttern für Herkunftsländergruppen. Mütter mit Wohnort in Sachsen werden ausgeschlossen.

Quelle: IAB-SOEP Migrationsstichprobe, IAB-BAMF-SOEP Befragung Geflüchteter und SOEP 2011/12/16/17.

Die für die Kontrollvariablen berechneten marginalen Effekte haben ebenfalls größtenteils signifikante Vorzeichen in die zu erwartende Richtung. Die Erwerbswahrscheinlichkeit steigt für das gesamte Sample (I) und einheimische Mütter (III) mit einem Berufsabschluss, mit Berufserfahrung, einem guten Gesundheitszustand und wenn sie in Ostdeutschland wohnen. Sowohl für das Gesamtsample als auch für beide Teilgruppen, also auch für zugewanderte Mütter (II), steigt diese Wahrscheinlichkeit zudem bei Existenz eines Hochschulabschlusses. Die Erwerbswahrscheinlichkeit sinkt für alle drei Gruppen mit der Zahl von Kindern unter sechs Jahren im Haushalt und mit dem Bezug von ALG II. Schließlich zeigt sich in der Schätzung I ein negativer Effekt bei zugezogenen Müttern auf ihre Erwerbswahrscheinlichkeit. Während bei den oben beschriebenen Analysen (vgl. Tabelle 1) Mütter aus Sachsen ausgeschlossen wurden, schließen wir in einer Robustheitsprüfung zudem Mütter aus Thüringen und Baden-Württemberg aus, weil es dort ähnliche familienpolitische Leistungen gab. In einer weiteren Robustheitsprüfung kontrollieren wir anstelle des Wohnorts in Ost- im Vergleich zu Westdeutschland für die einzelnen Bundesländer. Die Ergebnisse ändern sich durch diese Modifikationen kaum. Schließlich kontrollieren wir in einer ergänzenden Schätzung für die absolute Beschäftigungsquote der Mütter vor der Geburt des Kindes, da Studien gezeigt haben, dass die Erwerbswahrscheinlichkeit nach der Geburt stark von derjenigen vor der Geburt abhängt (Fitzenberger et al., 2013). Dabei werden die Stichproben auf Mütter reduziert, die in beiden Zeiträumen, also vor und während des Betrachtungszeitraums, beobachtet werden. Die Erwerbswahrscheinlichkeit sinkt in diesem Fall für zugezogene Mütter sogar bis auf -31 Prozentpunkte.1

Diskussion und Ausblick

Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Betreuungsgeld negative Effekte auf die Erwerbsbeteiligung junger Mütter hat, obwohl in der Beobachtungsperiode die öffentlich finanzierte Kindertagesbetreuung stark ausgebaut sowie ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren eingeführt wurde. Des Weiteren haben auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung weder die erweiterten Kinderbetreuungsmöglichkeiten noch andere familienpolitische Maßnahmen die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung junger Mütter zwischen West- und Ostdeutschland angeglichen. Historische und kulturelle Einflüsse scheinen eine größere Relevanz für die Erwerbsbeteiligung von Müttern zu haben, als politische Maßnahmen und institutionelle Rahmenbedingungen.

Die Frage, warum die negativen Auswirkungen des Betreuungsgeldes für zugewanderte im Vergleich zu deutschen Müttern höher ausfallen, lässt sich pauschal nicht beantworten. In der Literatur werden negative Effekte traditioneller Einstellungen zu Geschlechterrollen und Religiosität auf die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen diskutiert (Khoudja und Fleischmann, 2015). Für Mütter aus muslimisch geprägten Ländern, in denen die Nutzung externer Betreuungseinrichtungen unüblich sind, könnten Vorbehalte hinsichtlich dieser Einrichtungen die Arbeits­marktintegration behindern und die Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes fördern. Eine niedrige Inanspruchnahme öffentlicher Kinderbetreuung könnte auch auf mangelndes Wissen der Zugewanderten über ihre Rechte auf Kinderbetreuung zurückzuführen sein. Seibel (2021) zeigt, dass fehlendes Wissen in diesem Bereich ein wesentliches Hindernis für den Zugang zu formeller Kinderbetreuung darstellt, insbesondere wenn Sprachkenntnisse und soziale Bindungen niedrig sind. Fehlendes Wissen könnte dann aber natürlich in gleicher Weise die Inanspruchnahme von Betreuungsgeld betreffen. Diskriminierungen des Arbeitgebers könnte ein weiterer Grund für die geringere Arbeitsmarkpartizipation zugewanderter Mütter sein. Arbeitgeber haben möglicherweise Einwanderinnen, die mit einem Partner zusammenleben, bereits vor der Geburt des Kindes im Arbeitsalltag oder bei Beförderungen benachteiligt, weil sie eine starke Einbindung familiärer- und häuslicher Pflichten antizipieren, die sich negativ auf die Leistung am Arbeitsplatz auswirken. Diskriminierungen dieser Art können den Anreiz junger Mütter reduzieren, nach der Geburt eines Kindes frühzeitig in den Beruf zurückzukehren und damit die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Betreuungsgeldes erhöhen. Allerdings übt öffentliche Kinderbetreuung für junge Kinder von Zugezogenen und für Kinder aus gemischt-ethnischen Familien einen positiven Einfluss auf den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse aus. Die Vorschule kann zudem die Lese- und Mathekenntnisse bei Kindern von Zugewanderten auf das Niveau anderer Kinder steigern (Klein und Sonntag, 2017; Magnuson et al., 2006). Institutionelle Kinderbetreuung kann folglich ethnisch bedingte Unterschiede in Bildungsleistungen verringern. Eine familienpolitische Leistung in Form des hier betrachteten Betreuungsgeldes erhöht die Anreize für Mütter, keine öffentliche Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen. Es führt also nicht nur zu einer geringeren Arbeitsmarktpartizipation von einheimischen und zugewanderten Müttern, sondern hat darüber hinaus negative Auswirkungen auf die Integration von Kindern zugewanderter Mütter.

    • 1 Dies liegt wahrscheinlich auch am Ausschluss der seit 2013 (im Zuge der großen Fluchtbewegung) nach Deutschland gekommenen Mütter die wahrscheinlich nur in geringem Maße auf das Betreuungsgeld reagiert haben (Fendel und Jochimsen, 2022).

Literatur

Adserà, A. und A. Ferrer (2006), Occupational skills and labour market progression of married immigrant women in Canada, Labour Economics, 38, 88-98.

Boos-Nünning, U. (2020), Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund, in P. Genkova und A. Riecken (Hrsg.), Handbuch Migration und Erfolg: Psychologische und sozialwissenschaftliche Aspekte, Springer, 221-223.

Brücker, H., M. Kroh, S. Bartsch, J. Goebel, S. Kühne, E. Liebau, P. Trübswetter, I. Tucci und J. Schupp (2014), The New IAB-SOEP Migration Sample: An Introduction into the Methodology and the Contents, SOEP Survey Papers, 21, Series C.

Brücker, H., N. Rother und J. Schupp (2017), IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016: Studiendesign, Feldergebnisse sowie Analysen zu schulischer wie beruflicher Qualifikation, Sprachkenntnissen sowie kognitiven Potenzialen, IAB- Forschungsbericht, 13.

Drange, N. und M. Rege (2013), Trapped at home: The effect of mothers‘ temporary labor market exits on their subsequent work career, Labour Economics, 24, 125-136.

Fendel, T. und B. Jochimsen (2022), Home care allowance and labor market participation of immigrant and native-born mothers, SN Social Sciences, 2.

Fitzenberger, B., K. Sommerfeld und S. Steffes (2013), Causal effects on employment after first birth - A dynamic treatment approach, Labour Economics, 25, 49-62.

Khoudja, Y. und F. Fleischmann (2015), Ethnic differences in female labour force participation in the Netherlands: Adding gender role attitudes and religiosity to the explanation, European Sociological Review, 31(1), 91-102.

Klein, O. und N. Sonntag (2017), Ethnische Unterschiede der Wirkung institutioneller U3-Kinderbetreuung, Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 20, 41-60.

Magnuson, K., C. Lahaie und J. Waldfogel (2006), Preschool and school readiness of children of immigrants, Social Science Quarterly, 87(5), 1241-1262.

Pennekamp, J. (2023), Warum Millionen Deutsche dem Arbeitsmarkt fernbleiben, Frankfurter Allgemeine online, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fachkraeftemangel-die-kinderbetreuung-als-haupthindernis-18635105.html?GEPC=s9 (2. März 2023).

Schøne, P. (2004), Labour supply effects of a cash-for-care subsidy, Journal of Population Economics, 17, 703-727.

Schröder, C., J. König, A. Fedorets, J. Goebel, M. M. Grabka, H. Lüthen, M. Metzing, F. Schikora und S. Liebig (2020), The economic research potentials of the German Socio-Economic Panel study, German Economic Review, 21(3), 335-371.

Seibel, V. (2021), What do migrants know about their childcare rights? A first exploration in West Germany, Journal of International Migration and Integration, 22, 1181-1202.

Shauman, K. A. und M. C. Noonan (2007), Family migration and labor force outcomes: Sex differences in occupational context, Social Forces, 85, 1735-1764.

Title:Childcare Allowance - Family Policy Benefit or Obstacle to Labour Market Integration?

Abstract:Significant gender gaps in labour market participation still exist in most countries. Nevertheless, from 2013 to 2015, there was a nationwide home care allowance for parents who did not use public childcare for children aged one to two years in Germany. Even after 2015, the home care allowance continued to exist in several federal German states. Using data from the Socio-Economic Panel, we exploit the differences in the design of home care allowance between the federal states and examine its effects on the labour market participation of mothers. For both immigrant and native-born mothers, the impact is significantly negative, i.e. such transfers reduce the labour market participation of mothers.

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© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0096