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Der von der Europäischen Kommission beauftragte Draghi-Bericht bietet eine treffende Analyse der wirtschaftlichen Lage der Europäischen Union. Demnach weist die EU deutliche Schwächen im Bereich neuer, insbesondere digitaler Technologien auf. Viele europäische Unternehmen sind auf etablierte, traditionelle Technologien spezialisiert und investieren weitaus weniger in Forschung und Innovation (F&I) als ihre amerikanischen Wettbewerber. Auch die öffentlichen Ausgaben für F&I sind zu gering und nur unzureichend auf bahnbrechende Innovationen ausgerichtet. Es mangelt an industrieller Dynamik, und der Innovationsprozess wird durch einen schwachen Transfer aus der Forschung in die Kommerzialisierung erschwert. Hierfür gibt es mehrere Gründe: das Fehlen von Risikokapital, die Fragmentierung des Binnenmarktes und eine hohe regulatorische Belastung.

Draghi gibt zahlreiche Empfehlungen ab, um diesen Schwächen zu begegnen. Er empfiehlt, eine „Forschungs- und Innovationsunion“ zu etablieren, mit dem Ziel, 3 % des Bruttoinlandsprodukts für F&I aufzuwenden. Dies soll durch eine gemeinsame Strategie und Prioritätensetzung sowie eine verstärkte Zusammenarbeit unterstützt werden. Zudem rät Draghi, ein Umfeld zu schaffen, das bahnbrechende Innovationen sowie Start-ups und Scale-ups fördert. Eine Agentur nach dem Vorbild der amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) und die Schaffung eines EU-Börsenmarktes werden ebenso vorgeschlagen wie ein erweitertes Budget für den Europäischen Investitionsfonds (EIF) und eine engere Koordination zwischen EIF und Europäischem Innovationsrat (EIC). Das zehnte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation soll zudem vereinfacht und sein Budget auf 200 Mrd. Euro verdoppelt werden.

Um die akademische Exzellenz in Europa zu fördern, schlägt der Bericht vor, die Mittel des Europäischen Forschungsrats (ERC) zu erhöhen, spezielle Förderprogramme für Institutionen und EU-Lehrstühle einzurichten und die Mobilität von Forschenden zu stärken. Gleichzeitig sollten private Investitionen in öffentliche Universitäten verstärkt gefördert werden. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Anpassung des regulatorischen Rahmens für innovative Unternehmen, z. B. durch eine Regelung zur Aufteilung von Lizenzgebühren zwischen Forschenden und Forschungseinrichtungen, die Einführung eines einheitlichen Patentsystems sowie eines EU-weiten Status für innovative Unternehmungen. Auch Investitionen in weltweit führende Forschungs- und Technologieinfrastrukturen, wie z. B. eine souveräne Cloud-Lösung und das Euro-High Performance Computing-Programm für die Bereitstellung von Rechenkapazitäten, stehen im Fokus. Die Anwendung neuer Technologien, insbesondere der Künstlichen Intelligenz, soll durch branchenspezifische Pläne forciert werden, unter anderem unterstützt durch Reallabore.

Zahlreiche Empfehlungen des Draghi-Berichts sind nicht neu, allerdings sind einige Empfehlungen mit erheblichen zusätzlichen finanziellen Aufwendungen verbunden, beispielsweise für EIC, EIF, ERC und das zehnte Forschungsrahmenprogramm. Bei der Umsetzung von Empfehlungen sollte die EU-Kommission die Prioritäten klar auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen setzen.

Die Betonung der Bedeutung digitaler Technologien ist essenziell, da diese als Schlüsseltechnologie gelten und gerade hier eine wesentliche Schwäche Europas auszumachen ist, sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Anwendung. Ohne öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Kompetenzen lassen sich diese Schwächen kaum beheben, allerdings sollten sie durch private Investitionen flankiert werden. Mindestens ebenso wichtig ist es, den regulatorischen Rahmen zu harmonisieren, insbesondere bei der Implementierung der KI-Verordnung, und dabei auf Kohärenz mit anderen Regularien wie der Datenschutzgrundverordnung zu achten. Außerdem sollte die Verfügbarkeit und der Zugang zu Daten verbessert werden. Das ist eine Grundvoraussetzung für die Anwendung Künstlicher Intelligenz. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn es um die Festlegung spezifischer Anwendungsfelder für die Künstliche Intelligenz in bestimmten Branchen geht, da sich dies im Voraus schwer planen lässt. Die EU-Mitgliedstaaten weisen unterschiedliche Branchenstrukturen und komparative Vorteile auf. Demnach sollten sie eigene Prioritäten setzen. Koordination und Kooperationen ja, aber nicht ohne Vielfalt zuzulassen.

Bei der Veränderung von Governance-Strukturen wie z. B. einer Umstrukturierung des EIC als Europäische DARPA gilt es von bisherigen Erfahrungen zu lernen, statt das Rad neu zu erfinden. Initiativen wie die „Joint European Disruptive Initiative“ (JEDI) und die Deutsche Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) können hier als Lernbeispiele dienen, um Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Schließlich sollten getroffene Maßnahmen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um ein Politiklernen zu ermöglichen und bestehende Schwächen langfristig zu überwinden.

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© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

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DOI: 10.2478/wd-2024-0187