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Es gibt einen Trend zur Schaffung zusätzlicher öffentlicher Unternehmen auf kommunaler Ebene. Eine Analyse von 34 Städten in Nordrhein-Westfalen geht der Frage nach, was diese Entwicklung erklärt. Welchen Einfluss hat die unterschiedliche Transparenz von Kommunen? Wie wirken sich Charaktereigenschaften von Oberbürgermeister:innen aus? Und welchen Einfluss haben Entschuldungsprogramme?

Während viele kommunale Dienstleistungen von der Verwaltung erbracht werden, besteht eine weitere Möglichkeit darin, aus dem Kernhaushalt ausgelagerte Einheiten zu gründen. Wie wichtig diese mittlerweile sind, zeigt sich beispielsweise an der Verteilung des Personals öffentlicher Arbeitgeber:innen in Deutschland: Im Jahr 20211 lag die Zahl der über die kommunalen Kernhaushalte Beschäftigten mit rund 1,3 Mio. etwa genauso hoch wie in den ausgelagerten Unternehmen und Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher und privater Rechtsform sowie in den Sonderrechnungen. Letzteres sind rechtlich unselbstständige Einheiten in öffentlich-rechtlicher Rechtsform.

Öffentliche Unternehmen verfolgen in der Theorie Sachziele und ihre Wirtschaftlichkeit orientiert sich am Bedarf. Sie sind also nicht primär gewinnorientiert, werden in der Regel durch Gebühren bzw. Entgelte finanziert und verbleiben im „Konzern Kommune“, so dass eine politische Steuerung im Grunde erhalten bleibt (Rottmann et al., 2019, S. 791).

In der Debatte um „Staat oder Privat“ (Höffler et al., 2013) können kommunale Unternehmen als Versuch verstanden werden, sich aus dem „Korsett“ des öffentlichen Sektors zu lösen und gleichzeitig demokratisch-legitimierte Kontrollmöglichkeiten über politisch besetzte Unternehmensorgane aufrechtzuerhalten (Grossi & Reichard, 2008). Im Zentrum steht die Frage, in welchem Umfang sich Kommunen bzw. der Staat als Ganzes wirtschaftlich betätigen sollen, ohne dabei die weitreichende Erfüllungsverantwortung für Aufgaben der Daseinsvorsorge zu vernachlässigen.

Diese jahrzehntealte Diskussion, in der mal mehr, mal weniger Staat gefordert wird, ist immer auch ein Spiegelbild ihrer Zeit und lässt sich als pragmatisch und/oder ideologisch motiviert zusammenfassen. So können etwa regionaler Wettbewerbsdruck oder der Wunsch nach kürzeren Entscheidungswegen, größerem Gestaltungsspielraum und effizienteren Vorgängen eine treibende Kraft für die Gründung kommunaler Unternehmen sein (Friedländer et al., 2021; Kilian et al., 2006; Lindlbauer et al., 2016; Röber, 2012). Hinzu kommen finanzielle Aspekte (Papenfuß & Reichard, 2016; Trapp & Bolay, 2003). Inwieweit kommunale Auslagerungen tatsächlich ihre Leistungsziele erreichen bzw. zu Effizienzsteigerungen führen, ist jedoch bis heute nicht abschließend geklärt (siehe z. B. Stiel, 2022).

Trotz ihrer bedeutenden Rolle in der öffentlichen Leistungsbereitstellung wurde bislang nur vereinzelt der Versuch unternommen, Relevanz, Charakteristika oder auch Treiber/Hemmnisse für die Gründung kommunaler Unternehmen in Deutschland aus einzelgemeindlicher Sicht quantitativ zu erfassen und abzubilden, was nicht zuletzt auf einen Mangel an Datenquellen zurückzuführen ist (Röber & Schröter, 2016). Die verfügbaren quantitativen Studien stützen sich auf Datensätze, die entweder auf bestimmte Branchen (für eine ausführliche Analyse des deutschen Krankenhaussektors siehe Lindlbauer et al., 2016) oder auf wenige Jahre begrenzt sind (Daiser & Wirtz, 2019; Killian et al., 2006; Papenfuß, 2012; Stiel, 2022; Trapp & Bolay, 2003; Wohlfahrt, 2011)2. Ein vielversprechender Ansatz ist hier die Analyse von Beteiligungsberichten, in denen Kommunen jährlich ihre wirtschaftlichen Aktivitäten veröffentlichen müssen (Schefzyk, 2000).

Aus diesem Grund haben wir die Beteiligungsberichte von 34 Städten aus Nordrhein-Westfalen (NRW) über einen Zeitraum von 20 Jahren ausgewertet. Mit Hilfe des resultierenden Paneldatensatzes ist es möglich, die Auslagerungstätigkeit einzelner Kommunen besser als bislang deskriptiv-statistisch nachzuvollziehen und darauf aufbauend die möglichen Ursachen für die zugrunde liegenden kommunalen Entscheidungsprozesse zu analysieren. Bevor wir darauf eingehen, zeichnen wir die aktuelle Entwicklung in aller Kürze über die Daten der amtlichen Statistik nach.

Abbildung 1
Öffentliche Fonds, Einrichtungen und wirtschaftlich arbeitende Unternehmen (FEU) der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Aufgabenbereichen
Relative Anteile in Prozent in den Jahren 2014 (innerer Kreis) und 2021 (äußerer Kreis)
Öffentliche Fonds, Einrichtungen und wirtschaftlich arbeitende Unternehmen (FEU) der Gemeinden und Gemeindeverbände nach Aufgabenbereichen

Quelle: eigene Darstellung auf Basis amtlicher Daten des statistischen Bundesamtes: FEU nach Ebenen des öffentlichen Bereichs und Aufgabenbereichen (Statistisches Bundesamt, 2024).

Entwicklung der FEUs bis 2021

Für das Jahr 2021 wies das Statistische Bundesamt knapp über 20.000 öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) aus, von denen 87,9 % oder rund 17.600 auf Gemeinden beziehungsweise Gemeindeverbände entfielen (Statistisches Bundesamt, 2024). Im Jahr 2008 lag diese Zahl lediglich bei rund 13.200, was einem Anstieg um rund 33 % entspricht (Abbildung 2). Auf gemeindlicher Ebene kann daher von einem bereits seit Langem beobachtbaren Trend zur Schaffung zusätzlicher öffentlicher Unternehmen gesprochen werden (Statistisches Bundesamt, 2021).

Abbildung 2
Absolute Zahl der FEUs der Gemeinden und Gemeindeverbände seit dem Jahr 2008
Absolute Zahl der FEUs der Gemeinden und Gemeindeverbände seit dem Jahr 2008

Quelle: eigene Darstellung auf Basis amtlicher Daten des statistischen Bundesamtes: Öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU) (Statistisches Bundesamt, 2024).

Analysiert man die Zahl der öffentlichen Unternehmen und ihre Entwicklung nach Aufgabenbereichen, so zeigt sich, dass vor allem die Zahl der Unternehmen im Bereich der Stromversorgung in den vergangenen Jahren zugenommen hat (Abbildung 1). Während die Gemeinden und Gemeindeverbände im Jahr 2014 noch an 583 solcher öffentlichen Unternehmen mit mehr als 50 % beteiligt waren, so hat sich die Zahl im Jahr 2021 mit 1.548 Unternehmen fast verdreifacht. Im Vergleich dazu ist der Anteil der öffentlichen Unternehmen in anderen klassischen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge – wie der Wasserversorgung, der Abwasserentsorgung oder der Abfallwirtschaft – in absoluten Zahlen nur leicht gestiegen oder sogar leicht gesunken. Der starke Bedeutungszuwachs im Bereich der Energieversorgung dürfte auf die insgesamt dynamische Entwicklung im Zusammenhang mit der Energiewende zurückzuführen sein, z. B. in Form zahlreicher neuer Solar- und Windparks.

Mit dem recht deutlichen Anstieg der Zahl der öffentlichen Fonds, Einrichtungen und wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen (FEUs) von Gemeinden und Gemeindeverbänden nimmt zugleich auch der Koordinationsaufwand für Kommunen – deren Zahl seit Jahren moderat sinkt – zweifellos zu, was angesichts des vielfach beklagten Personalmangels in der öffentlichen Verwaltung (DBB, 2021) besonders relevant ist. Eine tiefergehende Analyse des Phänomens aus der Perspektive der Einzelgemeinde erscheint daher lohnenswert.

Methodik

Für unsere Analyse haben wir das Bundesland Nordrhein-Westfalen gewählt, da es hier die meisten Städte zwischen 50.000 und 500.000 Einwohner:innen und damit in einer Größenordnung gibt, in der sich auf Stadtebene umfangreichere, aber in der Regel noch nicht ausufernde Konzernstrukturen herausgebildet haben. Gleichzeitig gewährleistet der Fokus auf nur ein Bundesland rechtliche und institutionelle Homogenität in der Gruppe untersuchter Städte.

Die Daten wurden im Jahr 2020 aus insgesamt 680 Beteiligungsberichten von 34 Städten über einen Zeitraum von 20 Jahren (1998 bis 2017) manuell erhoben. Die Zusammensetzung der Gruppe der 34 Städte resultiert daraus, dass diese die einzigen der insgesamt 72 NRW-Städte mit entsprechender Bevölkerungsgröße waren, die noch alle Berichte für die Jahre 1998 bis 2017 in ihren Archiven hatten.

Ein Hauptaugenmerk bei der Datensammlung lag auf den Eigentumsverhältnissen der ausgelagerten Unternehmen, d. h. auf dem Anteil, den die Kommunen direkt oder indirekt im jeweiligen Jahr hielten. Auf diese Weise konnten wir einen Großteil der Unternehmen erfassen, die direkt oder indirekt mit der jeweiligen Stadt verbunden sind. Aus den Anteilen, die eine Stadt an einem Tochter- oder Enke­­lunternehmen hält, wurde dann ein Index berechnet, der sich methodisch an der klassischen Konzernbilanzierung orientiert (ausführlich in Rackwitz & Raffer, 2024).

Zur Berechnung des Index haben wir vereinfacht gesagt die Anteile, die eine Stadt direkt oder indirekt an ihren verschiedenen öffentlichen Unternehmen hält, aufsummiert und diese Gesamtsumme anschließend über die Zahl der Einwohner:innen normiert. Steigt dieser Index über die Zeit an, so steigt auch die Summe der Anteile, die eine Stadt insgesamt an ihren Unternehmen hält. Wir nennen diesen Index in Anlehnung an die bestehende Literatur „Korporatisierungsindex“. Der Unterschied zwischen Unternehmen in direktem und indirektem Besitz besteht darin, dass die Stadt unmittelbar an Unternehmen im direkten Besitz beteiligt ist – es handelt sich also um die direkten Tochterunternehmen einer Stadt. Im Vergleich dazu sind Unternehmen im indirekten Besitz nachgelagerte Enkelunternehmen, die sich wiederum im direkten Besitz der städtischen Tochterunternehmen und darum im indirekten Besitz der Stadt selbst befinden. Die Entwicklung der Indexwerte über die Zeit wurde zum einen deskriptiv-statistisch analysiert. Zum anderen haben wir die Struktur des Datensatzes genutzt, um mithilfe einer Panelregression mehr über mögliche Treiber/Hemmnisse herauszufinden.

Untersuchungsergebnisse

Abbildung 3 zeigt die Entwicklung von drei durchschnittlichen Korporatisierungsindizes für die 34 NRW-Städte von 1998 bis 2017. Index 1 erfasst nur direkte Töchter der Städte (blaue Linie), Index 2 addiert dazu indirekte Beteiligungen erster Ordnung (indirekte Enkelbeteiligungen, violette Linie), und Index 3 erfasst den kommunalen Konzern in seiner Gesamtheit (durch Addition aller weiteren Organisationen in den tieferen Ebenen des Konzerns zu Index 2, grüne Linie).

Abbildung 3
Entwicklung der durchschnittlichen Auslagerungs-intensität (34 NRW-Städte), 1998 bis 2017

Korporatisierungsindex enthält Anteile > 10 %

Entwicklung der durchschnittlichen Auslagerungs-intensität (34 NRW-Städte), 1998 bis 2017

Quelle: eigene Darstellung. Dargestellt ist die Entwicklung der Auslagerungsintensität der betrachteten Städte von 1998 bis 2017, dargestellt anhand eines Korporatisierungsindex.

Die deskriptive Analyse zeigt eine ansteigende Auslagerungsintensität auf allen drei dargestellten Ebenen. Der Anstieg bei Index 1, der nur direkte Beteiligungen berücksichtigt, ist im Vergleich zu den anderen beiden Indizes eher moderat: Nach einem Anstieg von 1998 bis 2004 blieb das Niveau bis 2017 relativ konstant. Da Index 3 sowohl alle indirekten als auch direkten Beteiligungen umfasst und somit der Anstieg der blauen Linie Teil des Anstiegs der grünen Linie ist, ist das Delta im Anstieg der beiden Linien ausschließlich auf Veränderungen in den teilweise stark verzweigten Unterebenen im indirekten Besitz der Stadt zurückführen. Das bedeutet, dass der Anstieg der Auslagerungsintensität im Konzern Kommune von 2004 bis 2017 allein auf die Gründung weiterer Tochterunternehmen bereits ausgelagerter Unternehmen, auf die Schaffung von Holdings und potenziell auch auf die Erhöhung der kommunalen Kapitalanteile zurückzuführen ist, wobei Letzteres eine eher untergeordnete Rolle spielt. Während in den untersuchten Kommunen seit 2004 im Schnitt kaum zusätzliche direkte Beteiligungen über das damalige Niveau hinaus geschaffen wurden, hat sich die Struktur der Enkelunternehmen zweiten oder höheren Grades im Zeitverlauf stark ausdifferenziert.

Als nächstes stellt sich die Frage nach den potenziellen Triebkräften bzw. Hemmnissen dieses Phänomens. Um sie zu beantworten, schätzen wir eine Panelregression für zwei der drei in Abbildung 3 dargestellten Indexversionen (für Index 1 – nur direkte Beteiligungen – und Index 3 – Konzern Kommune). Die erklärenden Variablen lassen sich dabei in vier Gruppen einteilen: (1) Variablen, die sich auf die Transparenz im operativen Geschäft und Berichtswesen des Konzerns Kommune beziehen; (2) Variablen, die sich auf persönliche Charakteristika des/der Oberbürgermeisters:in (OB) beziehen, (3) Variablen, die auf die kurz- bzw. langfristige Haushaltssituation der Kommunen schließen lassen; und (4) Kontrollvariablen. Diese Methode eignet sich insbesondere dafür, Entwicklungen in einer Gruppe von Untersuchungseinheiten wie zum Beispiel Städten über einen längeren Zeitverlauf zu analysieren.

Im Hinblick auf die Transparenz zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Korporatisierungsindex und transparenzfördernden Maßnahmen wie der erstmaligen Umsetzung des Gesamtabschlusses oder der Einführung eines Public Corporate Governance Kodex (Tabelle 1). Auch der Stärkungspakt – seinem Wesen nach ein kommunales Entschuldungsprogramm – wird aufgrund der damit gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit für den Kommunalhaushalt und der intensiveren Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden als transparenzfördende Maßnahme interpretiert. Insgesamt scheint eine erhöhte Transparenz durch Gesamtabschluss und Stärkungspakt auf kommunaler Ebene in den untersuchten Städten mit niedrigeren Werten des Korporatisierungsindex zusammenzuhängen. Allein die Einführung eines Public Corporate Governance Kodex geht mit einer höheren Auslagerungsintensität im weiteren Konzern Kommune einher – was mit den damit verbundenen steuerungsrelevanten Selbstverpflichtungen erklärt werden könnte.

Tabelle 1
Ergebnisse Panelregression
Erklärende Variablen Direkte Beteiligung Konzern Kommune
Langfristige Verschuldung
Kurzfristige Verschuldung (Kassenkredite)
Gewerbesteuereinnahmen
Anteil junger Menschen an der Bevölkerung
Partei des/der OB
Wirtschaftsbezogene Ausbildung des/r OB
Berufserfahrung des/r OB in der Privatwirtschaft
Gesamtabschluss
Stärkungspakt
Public Corporate Governance Kodex

▲/▼: Signifikanter positiver/negativer Effekt über beide geschätzten Perioden;

△/▽: Teilweise signifikanter positiver/negativer Effekt in einer von zwei geschätzten Perioden.

○: Kein signifikanter Effekt.

OB = Oberbürgermeister:in. Weitere, hier nicht dargestellte Kontrollvariablen: Personalausgaben, Wahljahr-Dummy, Mehrheitspartei im Rat, Anteil der befristeten Arbeitsverträge im Kernhaushalt. Für jede Ebene (direkte Beteiligung/Konzern Kommune) wurden jeweils Schätzungen für die gesamte Periode (1998 bis 2017) sowie als Robustness-Check für eine eingeschränkte Periode (2008 bis 2017) durchgeführt. Die Variablen privatwirtschaftliche Berufserfahrung, wirtschaftsnahe Ausbildung sind 0/1-Dummies mit 1 für das Vorliegen einer privatwirtschaftlichen Berufserfahrung bzw. einer wirtschaftsnahen Ausbildung. Die Variable Partei des OB ist ein 0/1-Dummy mit einer 1 für Parteien aus dem eher linken Parteienspektrum und einer 0 für Parteien aus dem eher konservativen Parteienspektrum. Auch die Variablen Gesamtabschluss, Stärkungspakt und Public Corporate Governance Pakt sind 0/1 Dummies, die bei Eintreten/Vorliegen des jeweiligen Sachverhalts eine 1 aufweisen. Alle Erklärenden gehen mit einem Jahr Verzögerung in die Schätzung ein.

Quelle: eigene Darstellung der Kernergebnisse aus der Studie von Rackwitz und Raffer (2024).

Auch die wirtschaftliche Prägung des/der OB scheint eine signifikante Rolle zu spielen. Insgesamt deuten hier die Schätzergebnisse für die wirtschaftsbezogene Ausbildung auf einen positiven Zusammenhang mit der Auslagerungsintensität in direkte Beteiligungen hin, während die Berufserfahrung in der Privatwirtschaft einen signifikant negativen Punktschätzer über alle Ebenen ausweist. Die Partei des/der Oberbürgermeisters:in ist je nach Ebene (direkte Beteiligung versus Konzern Kommune) entweder positiv oder negativ mit der Auslagerungsintensität der Kommune verbunden. Diese eher uneindeutigen Ergebnisse bedürfen einer differenzierteren Interpretation, die z. B. dahin gehen könnte, dass ein/e OB mit wirtschaftsbezogener Ausbildung eine positive Einstellung zu Auslagerungen mit direkter Beteiligung (und hoher Steuerbarkeit) hat, wohingegen eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft vor dem Wechsel in die Politik zu einer gewissen Ernüchterung gegenüber privatwirtschaftlicher Dienstleistungserbringung führt und Auslagerungen daher nicht mehr das Mittel der ersten Wahl sind.

Mit Blick auf den Konzern Kommune sind sowohl die kurzfristige Verschuldung (als fiskalischer Krisenindikator) als auch der Anteil junger Menschen an der Bevölkerung (als Indikator für langfristige Ausgabeverpflichtungen) negativ mit der Auslagerungsintensität verbunden. Eine höhere fiskalische Anspannung geht in den betrachteten Städten also mit geringerer Auslagerungstätigkeit auf den tieferen Ebenen des Konzerns einher. Auf der Ebene der direkten Auslagerungen ist es sinnvoll, zwischen der kurz- und der langfristigen finanziellen Situation der Kommune zu unterscheiden. Betrachtet man lediglich die Kassenkredite als regelmäßig herangezogenen Krisenindikator und die Gewerbesteuereinnahmen als Indikator für kurzfristige Einnahmeschwankungen, so geht eine kurzfristig angespanntere Haushaltslage (höheres Kassenkreditniveau bzw. niedrigeres Niveau an Gewerbesteuereinnahmen) mit einer höheren Auslagerungstätigkeit auf Ebene der direkten Auslagerungen der Städte einher. Im Gegensatz dazu sind eine langfristige Verschuldung und der Anteil junger Menschen an der Bevölkerung – beides eher Indikatoren für langfristige fiskalische Belastungen – negativ mit der Auslagerungsintensität in Bezug auf Unternehmen im direkten Besitz der Stadt verbunden. Dies deutet darauf hin, dass die Gründung öffentlicher Unternehmen im direkten Besitz immer dann attraktiv ist, wenn die Haushaltslage kurzfristig angespannt ist.


Fazit

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Auslagerungsintensität der untersuchten NRW-Städte von 1998 bis 2017 – abgesehen von temporären Wachstumsschwächen – recht dynamisch gestiegen ist. Seit dem Jahr 2004 wird dies ausschließlich durch immer komplexer werdende Beteiligungsstrukturen im Konzern Kommune getrieben. Die Intensität in Bezug auf Beteiligungen im direkten Besitz der Städte hat sich seit 2004 kaum noch verändert. Die Analyse der potenziellen Treiber/Hemmnisse für Auslagerungstätigkeiten zeigt, dass sowohl transparenzfördernde Reformen als auch persönliche politische sowie wirtschaftliche Prägungen und die fiskalische Situation eine Rolle für die Auslagerungstätigkeit spielen. Ein weiteres wesentliches Ergebnis ist, dass der Einfluss zwischen den betrachteten Ebenen – also zwischen der Ebene der direkten Auslagerungen und dem gesamten Konzern Kommune – variiert.

Insgesamt liefert unsere Untersuchung einen Beitrag in der Dauerdebatte um kommunale Auslagerungen und zeigt erstmals Entwicklungen über einen längeren Zeitraum auf – wenn auch nur von 34 Städten im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Anhand dieser Städte zeigt sich jedoch, dass die Diskussion um zunehmende Auslagerungen im Kern eine Diskussion um immer komplexere Unternehmensgeflechte ist, die die Kommunen vor wachsende Herausforderungen in der Unternehmenssteuerung stellen. Zwar wurde in vielen Fällen bereits der Versuch unternommen, dem gestiegenen Koordinationsbedarf durch Holdings gerecht zu werden. Doch ist damit genau genommen nur eine weitere Ebene zwischen die Bürgerschaft als eigentlicher „Aktionär“ und die kommunalen Unternehmen getreten. Vor diesem Hintergrund ist es auch denkbar, dass dem Trend der wachsenden Komplexität des Konzerns Kommune perspektivisch durch Portfoliobereinigungen entgegengewirkt werden muss, um eine demokratisch legitimierte Steuerungsfähigkeit der Kommunen weiterhin zu gewährleisten.

  • 1 Zum 30.06.2021 (Statistisches Bundesamt, 2021).
  • 2 Das Thema wird auch international diskutiert, siehe z. B. Schoute et al. (2018) für Dänemark; Andrews et al. (2020) für England oder Tavares und Camões (2010) für Portugal.

Literatur

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Title:Long-Term Trends in Municipal Companies: Increasingly Complex Outsourcing

Abstract:There is a trend towards the creation of additional public companies at the municipal level. An analysis of 34 cities in the state of North Rhine-Westphalia examines what explains this development. What influence does the different transparency of municipalities have? What effects do the character traits of mayors have? And what influence do debt relief programs have?

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DOI: 10.2478/wd-2024-0200