Die Bundesnetzagentur plant, die Frequenznutzungsrechte der etablierten Mobilfunkbetreiber bis 2030 zu verlängern, verbunden mit einem Verhandlungsgebot für den Zugang von 1&1 zu Frequenzen unter 1 GHz. Diese Analyse identifiziert zentrale Schwachstellen des Verhandlungsgebots: fehlende Klarheit über regulatorische Eingriffe bei Nichteinigung, ineffiziente Last-Minute-Effekte, asymmetrische Verhandlungsmacht und Probleme bei der Offenlegung sensibler Informationen. Als Alternative wird ein strukturiertes Auktionsverfahren vorgeschlagen, das die Produktdefinition durch 1&1, einen expliziten Höchstpreis und eine „descending clock auction“ umfasst, um einen effizienteren und transparenteren Vergabeprozess zu ermöglichen.
Die Bundesnetzagentur plant eine Verlängerung der Frequenznutzungsrechte für Telefonica, Telekom und Vodafone bis zum Jahr 2030. Damit verbunden ist ein Verhandlungsgebot. Dieses verpflichtet die etablierten Netzbetreiber, mit 1&1 über den Zugang zu Frequenzen unterhalb von 1 GHz zu verhandeln und diese zu angemessenen Bedingungen anzubieten. Ziel ist es, den Wettbewerb auf dem Mobilfunkmarkt zu intensivieren. Gleichzeitig soll 1&1 als viertem Netzbetreiber der Markteintritt erleichtert werden. Das Verhandlungsgebot und die dadurch erfolgte Verlagerung der Verhandlung an die Marktteilnehmer bedeutet nicht, dass die Bundesnetzagentur bei den Zugangskonditionen keine entscheidende Rolle spielt. Vielmehr hat die Bundesnetzagentur durch ihre Auslegung des Begriffs der „angemessenen Bedingungen“ einen maßgeblichen Einfluss auf den Verhandlungsprozess. In diesem Zusammenhang führt die Unsicherheit bei den Marktteilnehmern über die genauen Kriterien der Bundesnetzagentur für angemessene Bedingungen und über mögliche regulatorische Eingriffe auf der nachgelagerten Ebene zu unerwünschten Effekten. Hierzu zählt insbesondere, dass das Verhalten in den Verhandlungen stark von den Erwartungen der Teilnehmer darüber abhängt, was als angemessen akzeptiert wird. Das kann wiederum zu ineffizienten Ergebnissen führen. Auch kann es in den Verhandlungen zu potenziell ineffizienten Last-Minute-Effekten kommen, die einen geordneten Ablauf der Verhandlungen verhindern. Weitere unerwünschte Effekte können sein, dass 1&1 seine Position potenziell zur Erzielung von für das Unternehmen vorteilhaften, aber gesamtwirtschaftlich suboptimalen Ergebnissen ausnutzen kann, und dass die Gefahr strategischen Verhaltens besteht. Außerdem könnte die Offenlegung sensibler Informationen zukünftige Verhandlungspositionen schwächen.
Ausgangslage: Verhandlungsgebot als Regulierungsinstrument
Die Bundesnetzagentur plant, die 2025 auslaufenden Rechte der etablierten Mobilfunknetzbetreiber Telefonica, Telekom und Vodafone an Mobilfunkfrequenzen in den Bereichen 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz bis 2030 zu verlängern und dann mit weiteren Frequenzen neu zu vergeben (Bundesnetzagentur, 2024). Gleichzeitig werden diesen Unternehmen Ausbauverpflichtungen auferlegt. Insbesondere sollen sie 1&1 (ab 2019 neuer Netzbetreiber) Zugang zu ihren Netzen gewähren. Ziel dieser Maßnahmen ist die Optimierung der Frequenznutzung durch die Bündelung von Vergaben und die Förderung des Wettbewerbs auf dem Mobilfunkmarkt. In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die Teilmaßnahme der Netzzugangsvergabe.
Im Zentrum der Planung stehen drei Verhandlungsgebote. Diese sollen das Zusammenspiel der Marktteilnehmer regeln. Erstens müssen die etablierten Netzbetreiber mit 1&1 Verhandlungen über ein nationales Roaming führen. Diese Verhandlungen müssen „fair“ geführt werden. Die Verpflichtung gilt als erfüllt, sobald ein Roaming-Vertrag abgeschlossen wurde. Zweitens müssen die Netzbetreiber mit geeigneten Diensteanbietern und Betreibern virtueller Mobilfunknetze (Mobile Virtual Network Operators, MVNOs) über den Zugang zu ihren Netzen verhandeln. Diese Verhandlungen müssen diskriminierungsfrei sein. Sie dürfen nicht auf bestimmte Dienste oder Technologien beschränkt sein. Drittens sind die etablierten Netzbetreiber als Inhaber der 800 MHz-Frequenzen verpflichtet, für die Dauer der Verlängerung der Nutzungsrechte mit 1&1 eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen. Diese soll 1&1 den Zugang zu mindestens zweimal 5 MHz dieser oder ähnlicher Frequenzen unterhalb von 1 GHz zur Verbesserung der bestehenden Versorgung ermöglichen. Hierzu müssen die etablierten Netzbetreiber innerhalb von drei Monaten nach Aufforderung Angebote zu „fairen Bedingungen“ unterbreiten.
Die Bundesnetzagentur hat auch Konsequenzen für den Fall vorgesehen, dass diese Verpflichtungen nicht eingehalten werden. Für den Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtung zum National Roaming behält sich die Behörde die Anordnung von Roaming ab dem Jahr 2026 vor. Für die kooperative Frequenznutzung gilt, dass deren Umsetzung Voraussetzung für die Verlängerung der Frequenznutzungsrechte ist. Bei Verstößen kann die Bundesnetzagentur eingreifen. Sie kann z. B. Abhilfe verlangen, Zwangsgelder verhängen oder im Extremfall die Verlängerung der Frequenznutzungsrechte widerrufen und neu vergeben. Die Erleichterung des weiteren Markteintritts von 1&1 als viertem Netzbetreiber ist das übergeordnete Ziel dieser Maßnahmen. Gleichzeitig soll der Wettbewerb im Mobilfunkmarkt intensiviert werden. In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen der Verpflichtung zur Aushandlung einer Kooperationsvereinbarung für Frequenzen unterhalb von 1 GHz als neues Element der Regulierung. Vereinbarungen über National Roaming und Diensteanbieterverpflichtungen wurden bereits in der Vergangenheit getroffen.
Verhandlungsgebot ohne Konkretisierung ineffizient
Es gibt eine Reihe von Problemen mit dem von der Bundesnetzagentur vorgesehenen Verhandlungsgebot. Diese Probleme können sich auf die Wirksamkeit des Gebots auswirken und zu nicht beabsichtigten Folgen führen.
Erstens lässt die Bundesnetzagentur offen, was passiert, wenn keine Einigung erzielt wird. Zwar wird die Aufhebung der Verlängerungsentscheidung angedeutet, diese wird im Konsultationsentwurf aber als „ultima ratio“ bezeichnet. Dies bedeutet, dass weitere Maßnahmen wahrscheinlich sind, aber nicht näher spezifiziert werden (Bundesnetzagentur, 2024). Das Ergebnis der Verhandlungen hängt aber entscheidend von den Erwartungen der Marktteilnehmer über mögliche Entscheidungen der Bundesnetzagentur im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen ab. Wenn die Marktteilnehmer Unsicherheit scheuen, kann es sein, dass das Zustandekommen einer Einigung durch die Vermeidung von Unsicherheit wahrscheinlicher wird. Schwerwiegender scheint jedoch, dass Unsicherheit zu strategischem Verhalten führen kann, bei dem die Parteien versuchen, ihre Position durch Antizipation möglicher regulatorischer Eingriffe zu verbessern, anstatt sich auf eine Verhandlungslösung zu konzentrieren. Im Extremfall könnte dies zu Verhandlungsergebnissen führen, die weder dem Ziel der Wettbewerbsförderung noch einer effizienten Frequenznutzung dienen.
Zweitens kann eine fehlende Struktur zu unerwünschten Last-Minute-Effekten führen. Da nicht klar formuliert ist, was von der Bundesnetzagentur als faires Angebot angesehen wird, besteht sowohl für 1&1 als auch für die etablierten Netzbetreiber kein Anreiz, sich in einem frühen Stadium zu einigen. Für 1&1 ist es immer besser, eine Entscheidung der Bundesnetzagentur herbeizuführen. Entweder die Bundesnetzagentur bewertet das letzte Angebot als fair, dann kann es angenommen werden, oder die Bundesnetzagentur bewertet es als unfair, dann müssen die etablierten Netzbetreiber (Incumbents) nachbessern. Im Gegenzug werden die etablierten Netzbetreiber dann aber auch keine attraktiven Angebote mehr machen: Da zu erwarten ist, dass die Bundesnetzagentur eingreift, und da sie auch nicht wissen, was die Bundesnetzagentur als fair ansieht, werden sie in jeder Stunde der Verhandlung möglichst gar nicht oder möglichst wenig nachgeben, bis die Bundesnetzagentur entscheidet. Das Verfahren wird dann nicht durch einen Verhandlungsprozess zwischen den Parteien zum Abschluss gebracht, sondern durch die Bundesnetzagentur. Es ist absehbar, dass dies ein zäher und langwieriger Prozess sein wird. Im Falle einer Deadline für die Verhandlungen könnten in der Literatur bekannte strategische Überlegungen zu Angeboten in letzter Minute führen, was wiederum ein Scheitern der Verhandlungen oder ein ineffizientes Ergebnis zur Folge haben könnte (Ma & Manove, 1993; Fershtman & Seidmann, 1993; Roth & Ockenfels, 2002).
Zum Beispiel könnte ein spätes Angebot eine Selbstverpflichtung glaubwürdiger machen, weil es keine Zeit zum Nachbessern gibt; oder es wird als Vorteil angesehen, den Wettbewerbern oder der Bundesnetzagentur wenig Zeit für die Formulierung einer Gegenposition zu geben.
Drittens kann 1&1 seine Verhandlungsmacht zur Erzielung profitabler, aber sozial ineffizienter Ergebnisse nutzen. 1&1 hat sich in früheren Konsultationen gegen Frequenzverlängerungen und für eine Neuvergabe ausgesprochen. Die „ultima ratio“ einer Neuvergabe ist daher für 1&1 möglicherweise eine wenig wirksame Sanktion, um als Drohkulisse in den Verhandlungen wirksam zu werden. Damit entsteht eine asymmetrische Verhandlungssituation. Die etablierten Netzbetreiber haben bei einem Abbruch der Verhandlungen viel zu verlieren, 1&1 nicht. Daraus ergibt sich für 1&1 eine besondere Verhandlungsmacht. Diese könnte 1&1 nutzen, um die Verhandlungen so zu gestalten, dass sie primär den eigenen Interessen und nicht der gesamtwirtschaftlichen Effizienz dienen.
Zum Beispiel durch den Erwerb von Frequenznutzungsrechten zu günstigen Konditionen in Gebieten, in denen 1&1 in absehbarer Zeit keinen Ausbau plant.
Viertens stellt die Offenlegung von Informationen während der Verhandlungen ein weiteres kritisches Problem dar. Es wird als Sperrklinkeneffekt bezeichnet (Gul et al., 1986). Die Offenlegung sensibler Kosten- und Technologiedaten während der Verhandlungen könnte die zukünftige Verhandlungsposition der Parteien schwächen. Etablierte Netzbetreiber könnten zögern, detaillierte Informationen preiszugeben, weil sie befürchten, dass diese bei späteren Regulierungsentscheidungen oder Marktinteraktionen gegen sie verwendet werden könnten. Dies gilt insbesondere für zukünftige Frequenzvergabeverfahren. Diese Zurückhaltung kann zu suboptimalen Verhandlungsergebnissen führen, da nicht alle relevanten Informationen in den Entscheidungsprozess einfließen.
Mögliche Koordinationsprobleme durch implizite Preisobergrenze
Wir entwickeln ein einfaches Modell zur Analyse der Wechselwirkungen zwischen dem Verhandlungsgebot und einem möglichen Eingreifen der Bundesnetzagentur. Das Modell hilft, die wesentlichen Wechselwirkungen des Verhandlungsgebots zu konzeptualisieren. Eine solche Konzeptualisierung unterstützt nicht nur die Entwicklung eines alternativen Lösungsvorschlags, sondern erleichtert auch die Bewertung möglicher anderer Alternativen zum Verhandlungsgebot. Zunächst werden die Präferenzen und Ziele der Akteure beschrieben.
Drei Kostenkomponenten bestimmen die Entscheidung eines etablierten Netzbetreibers, eine Kooperationsvereinbarung für die Dauer der Verlängerung der Frequenznutzungsrechte einzugehen. Erstens die technischen Kosten für die Bereitstellung des Spektrums für 1&1. Zweitens die Opportunitätskosten, die dadurch entstehen, dass das Spektrum im Falle einer Kooperation nicht selbst genutzt werden kann. Drittens die Wettbewerbskosten, die den etablierten Netzbetreibern dadurch entstehen, dass 1&1 durch zusätzliche Frequenzen gestärkt und der Wettbewerb im Markt intensiviert wird.
Die Zahlungsbereitschaft von 1&1 für eine Kooperationsvereinbarung orientiert sich an den Gewinnen, die mit den zusätzlichen Frequenzen erzielt werden können, und den Kosten, die durch deren Nutzung entstehen. Die Bundesnetzagentur verfolgt als erklärtes Hauptziel die Intensivierung des Wettbewerbs auf dem Mobilfunkmarkt. Darüber hinaus soll die Verlängerung der Frequenzzuteilungen umgesetzt werden. Die Aufhebung der Verlängerungsentscheidung im Falle einer Nichteinigung zwischen den etablierten Netzbetreibern und 1&1 wird im Konsultationsentwurf der Bundesnetzagentur als „ultima ratio“ bezeichnet (Bundesnetzagentur, 2024). Die Bundesnetzagentur sollte auch an der Effizienz der Kooperationsvereinbarung interessiert sein, d. h. 1&1 sollte Frequenzen eines etablierten Netzbetreibers (nur) dann nutzen, wenn dies den volkswirtschaftlichen Wert erhöht.
Die zu erwartende Entscheidung der Bundesnetzagentur im Falle der Nichteinigung setzt eine implizite Preisobergrenze für die Kooperationsvereinbarung. Ein Verhandlungsgebot, ohne dass die Bundesnetzagentur bei Nichteinigung eingreift, würde keine Wirkung entfalten, da es die etablierten Mobilfunknetzbetreiber nicht dazu veranlassen würde Angebote abzugeben, die nicht auch ohne ein Verhandlungsgebot in ihrem Eigeninteresse liegen. Durch die Androhung von Zwangsmaßnahmen, insbesondere durch die angedrohte Aufhebung der Verlängerungsentscheidung, ändert sich jedoch das Eigeninteresse der Akteure, sodass ein Anreiz zur Abgabe niedrigerer Preisangebote entsteht. Entscheidend ist, unter welchen Voraussetzungen Zwangsmaßnahmen angeordnet werden und wie diese ausgestaltet sind.
Die Bundesnetzagentur schreibt im Konsultationsentwurf, dass die Kooperationsvereinbarung zu „angemessenen Bedingungen” angeboten werden muss. Andernfalls behält sich die Bundesnetzagentur Zwangsmaßnahmen vor. Kommt keine Kooperationsvereinbarung zustande, hat die Bundesnetzagentur zu beurteilen, ob die angebotenen Konditionen, insbesondere der von den etablierten Netzbetreibern angebotene Preis bzw. die von 1&1 angebotene Zahlungsbereitschaft, angemessen sind. Die Beurteilung der „Angemessenheit“ durch die Bundesnetzagentur bedeutet, dass die Bundesnetzagentur implizit einen Höchstpreis für die Kooperationsvereinbarung festlegt. Unterhalb dieses Preises sind die Angebotsbedingungen fair und es werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Oberhalb dieses Preises sind die Bedingungen unfair und es werden Zwangsmaßnahmen ergriffen. Wir konzentrieren uns hier auf den Preis als die wesentliche Komponente der Verhandlung. Um zu beurteilen, ob faire Bedingungen vorliegen, braucht aber nicht nur die Preiskomponente eine Rolle zu spielen, sondern unsere Überlegungen gelten analog auch für andere Verhandlungsaspekte. Daraus folgt: Da 1&1 weiß, dass im Falle einer Nichteinigung die Bundesnetzagentur die Situation beurteilen und gegebenenfalls eingreifen wird, wird 1&1 kein Angebot oberhalb dieses Höchstpreises akzeptieren.
Fallunterscheidung über den Höchstpreis
Ein zu hoher impliziter Höchstpreis hat keine Auswirkungen, während ein zu niedriger Höchstpreis effiziente Kooperationsvereinbarungen verhindert. Wir untersuchen die Auswirkungen dieses Höchstpreises in drei Kategorien. Erstens ein hoher Höchstpreis, der über den Kosten der etablierten Netzbetreiber einschließlich der Wettbewerbskosten liegt. Zweitens ein mittlerer Höchstpreis, der über den technischen Kosten und den Opportunitätskosten, aber unter den Wettbewerbskosten liegt. Drittens ein niedriger Höchstpreis, der unter den technischen Kosten plus Opportunitätskosten für alle etablierten Netzbetreiber liegt.
Höchstpreis über den Kosten der etablierten Netzbetreiber
Ein hoher Höchstpreis hat keine eigene Anreizwirkung für die etablierten Netzbetreiber. Wie in einer Situation ohne Verhandlungsgebot gibt es zwei mögliche Ausgänge: Im ersten Fall bietet jeder der etablierten Netzbetreiber einen Preis, der mindestens der Summe der drei Kostenarten (technische Kosten, Opportunitätskosten, Wettbewerbskosten) entspricht. Ist der Preis so hoch, dass er für 1&1 nicht attraktiv ist und 1&1 deshalb kein Angebot annimmt, bleibt der Wettbewerb auf dem heutigen Niveau. Dies wiederum macht es für jeden etablierten Netzbetreiber optimal, die Wettbewerbskosten in sein Angebot einzukalkulieren. Im zweiten Fall trifft Letzteres nicht zu: Mindestens ein etablierter Netzbetreiber unterbreitet ein für 1&1 akzeptables Angebot. Da 1&1 in diesem Fall zusätzlichen Frequenzzugang erhält, ist es für alle etablierten Netzbetreiber optimal, bei der Angebotsabgabe keine Wettbewerbskosten mehr zu berücksichtigen. Denn sobald ein Anbieter ein solches Gebot abgibt, ist die Intensivierung des Wettbewerbs durch den Markteintritt von 1&1 unvermeidlich, sodass die Wettbewerbskosten keine Opportunitätskosten mehr darstellen und alle Anbieter aggressive Gebote abgeben können. Die etablierten Netzbetreiber würden in diesem Fall versuchen, durch Angebote an 1&1 einen Gewinn aus der Gewährung des Zugangs zu generieren.
Die beiden beschriebenen Ausgänge bei einem hohen Höchstpreis sind auch ohne ein Verhandlungsgebot möglich. Welches Ergebnis eintritt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von den Erwartungen der Marktteilnehmer über das Verhalten der Wettbewerber und deren Kostensituation.
Höchstpreis zwischen technischen Kosten aber unter Wettbewerbskosten der etablierten Betreiber
Ein mittlerer Höchstpreis schließt per Definition die Möglichkeit aus, dass alle etablierten Netzbetreiber ihre Wettbewerbskosten bei der Gebotsabgabe berücksichtigen. Die Situation ist daher analog zum zweiten oben genannten Fall.
Höchstpreis unter den technischen Kosten aller etablierten Netzbetreiber
Ein niedriger Höchstpreis unterhalb der technischen und Opportunitätskosten bedeutet, dass die etablierten Netzbetreiber durch die Kooperationsvereinbarung zu diesem Preis Verluste erleiden. Es ist daher davon auszugehen, dass die etablierten Netzbetreiber genau diesen Höchstpreis bestätigen werden, um die von der Bundesnetzagentur für den Fall des Nichtzustandekommens der Kooperationsvereinbarung angekündigte Aufhebung der Verlängerungsmaßnahme zu vermeiden, die zu noch höheren Verlusten führen würde.
Die Kooperationsvereinbarung hat in diesem Fall den Charakter eines öffentlichen Gutes. Ein Netzbetreiber, der sich darauf einlässt, macht Verluste, während die anderen von der Frequenzerweiterung profitieren. Es entsteht ein Koordinationsproblem zwischen den etablierten Netzbetreibern und es kann, wie bei anderen Koordinationsproblemen, auch bei rationalem Verhalten dazu kommen, dass keiner ein „faires Angebot“ abgibt, obwohl dies für alle Parteien vorteilhaft wäre.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass bei einem Verhandlungsgebot die Erwartungen über das Verhalten der Bundesnetzagentur im Falle einer Nichteinigung das Verhandlungsergebnis wesentlich beeinflussen. Diese Erwartungen haben wir durch den (impliziten) Höchstpreis modelliert, der aber auch explizit vorgegeben werden kann. Dieser Gedanke soll nun aufgegriffen werden: Im Folgenden werden die Nachteile des impliziten Höchstpreises des Verhandlungsgebots gegenüber der Alternative eines geordneten Vergabeverfahrens diskutiert, in dem die Bundesnetzagentur den Prozess explizit steuert.
Empfehlung: strukturiertes Verhandlungsverfahren statt Verhandlungsauflage
Mit dem Verhandlungsgebot hat die Bundesnetzagentur den Beteiligten auferlegt, sich in einer für den Mobilfunkmarkt zentralen Frage – dem Zugang von 1&1 zu Mobilfunkfrequenzen – zu einigen. Die damit verbundenen Probleme sind oben beschrieben. Wir schlagen vor, das Verhandlungsverfahren durch ein strukturiertes Verfahren in Form einer Auktion zu ergänzen: Wenn die Teilnehmer diesem Verhandlungsverfahren zustimmen, wird die Verhandlung in dieser Form durchgeführt. Andernfalls wird die Verlängerungsentscheidung aufgehoben und die auslaufenden Frequenzen werden, wie bei einem nicht erfolgreichen Verhandlungsgebot, regulär versteigert.
In einem ersten Schritt sollte die Produktdefinition an 1&1 übergeben werden. Da 1&1 das Produkt bzw. die Leistung nachfragt, sollte das Unternehmen auch das gewünschte Produkt bzw. Produktvarianten spezifizieren. Dabei kann es sich um Frequenzzugang, RAN-Sharing oder andere Formen der Netznutzung handeln. Gleichzeitig muss 1&1 auch die relative Bewertung verschiedener Produktoptionen angeben, um ein wettbewerbliches und effizientes Vergabeverfahren zu ermöglichen. Die Bundesnetzagentur würde prüfen und korrigierend eingreifen, wenn die definierten Produkte den Regulierungszielen nicht entsprechen. Ein solches Vorgehen würde das Problem der Marktmacht von 1&1 verringern und gleichzeitig sicherstellen, dass die angebotenen Produkte sowohl den tatsächlichen Bedürfnissen des Marktes als auch der Förderung des Wettbewerbs gerecht werden.
Die Rolle der Bundesnetzagentur in diesem Prozess könnte sich in einem zweiten Schritt darauf beschränken, vorab die notwendigen Rahmenbedingungen zu setzen und die Fairness des Verfahrens zu gewährleisten. Eine wesentliche Aufgabe ist dabei die Festlegung eines angemessenen Höchstpreises, gegebenenfalls auf Basis eines extern verifizierten Bewertungsmodells für die von 1&1 definierten und von der Bundesnetzagentur als zulässig erachteten Produkte. Sollte das Auktionsverfahren zur wettbewerblichen Ermittlung eines akzeptablen Angebots zu keinem Ergebnis führen, weil kein Anbieter den Höchstpreis akzeptiert, würde eine konventionelle Frequenzauktion für alle Unternehmen durchgeführt. Dieser Rahmen würde die oben beschriebenen Probleme der zeitlichen Dynamik eines unkoordinierten Verhandlungsprozesses und der Koordination zwischen den etablierten Netzbetreibern adressieren und gleichzeitig einen klaren Prozess für den Fall des Scheiterns definieren.
Der dritte Schritt, die Durchführung einer Einkaufsauktion in Form einer sog. „descending clock auction“, würde den Wettbewerb zwischen den etablierten Netzbetreibern fördern und gleichzeitig die Preisbildung transparenter gestalten. Die Berücksichtigung der von 1&1 angegebenen relativen Bewertungen würde eine faire Bewertung und eine möglichst wettbewerbliche Auswahl der verschiedenen in Frage kommenden Produktoptionen ermöglichen. So ist es z. B. auch möglich, die Regionen, in denen die Frequenzen zur Verfügung gestellt werden, so zu definieren, dass nicht notwendigerweise ein etablierter Netzbetreiber die Frequenzen bundesweit zur Verfügung stellt, sondern in jeder Region der Netzbetreiber, der die Frequenzen am effizientesten zur Verfügung stellen kann.
Im letzteren Fall müsste vorab determiniert werden, was passiert, wenn es z. B. für einige Regionen akzeptable Gebote gibt, für andere aber nicht. Außerdem müsste das Auktionsdesign gegebenenfalls berücksichtigen, dass es Komplementaritäten zwischen verschiedenen Teilleistungen geben kann. Solche Herausforderungen werden nicht durch die Auktion kreiert; sie treten auch unter dem Verhandlungsgebot auf, doch dort gibt es keine formalen Verfahren, um diese zu lösen.
Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sollten die Informationen über die Gebote und die Rückmeldungen an die Netzbetreiber und die Bundesnetzagentur während und nach der Auktion eingeschränkt werden. Die Durchführung der Auktion durch eine unabhängige Instanz könnte zusätzliches Vertrauen in das Verfahren schaffen und sensible Informationen schützen. Sollte dieses Verfahren zu keinem Ergebnis führen, z. B. weil niemand den Höchstpreis bestätigt, würde in einem vierten Schritt die Verlängerungsentscheidung aufgehoben und die frei werdenden Frequenzen im Rahmen einer konventionellen Frequenzauktion neu vergeben. Das vorgeschlagene Verfahren würde die Probleme der zeitlichen Dynamik und der Koordination zwischen den etablierten Netzbetreibern adressieren und gleichzeitig einen klaren Prozess für den Fall des Scheiterns definieren.
Literatur
Bundesnetzagentur. (2024, 06. Mai). Konsultationsentwurf zur Verlängerung von Mobilfunkfrequenzen.
Fershtman, C. & Seidmann, D. J. (1993): Deadline Effects and Inefficient Delay in Bargaining with Endogenous Commitment. Journal of Economic Theory, 60(2), 306–321.
Gul, F., Sonnenschein, H. & Wilson, R. (1986). Foundations of dynamic monopoly and the coase conjecture. Journal of Economic Theory, 39(1), 155–190.
Ma, C. A. & Manove, M. (1993). Bargaining with Deadlines and Imperfect Player Control. Econometrica, 61(6), 1313–1339.
Roth, A. E. & Ockenfels, A. (2002). Last-Minute Bidding and the Rules for Ending Second-Price Auctions: Evidence from eBay and Amazon Auctions on the Internet. American Economic Review, 92(4), 1093–1103.
Wir bedanken uns bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Exzellenzstrategie EXC 2126/1 390838866 für die Unterstützung.