Schwarzarbeit ist ein Teilbereich der Schattenwirtschaft und umfasst die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen unter Umgehung von steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten beziehungsweise unter Missachtung gewerberechtlicher Vorgaben. Sie wird von Organisationen oder Individuen angeboten und von beiden Akteursgruppen in ihrer Eigenschaft als Konsument:innen auch nachgefragt. Im Jahr 2023 ermittelte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls im Rahmen der eingeleiteten Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Schadenssumme durch Schwarzarbeit in Höhe von rund 615 Mio. Euro. Die Dunkelziffer des finanziellen Schadens für den deutschen Staat dürfte wesentlich höher ausfallen. Vor diesem Hintergrund fasst der Beitrag bisherige Erkenntnisse zum Umfang von Schwarzarbeit systematisch zusammen und gibt anhand einer Befragung aus den Jahren 2022 und 2023 einen aktuellen Einblick in die Prävalenz von Schwarzarbeit.
Grundsätzlich ist Schwarzarbeit illegal und spielt sich „im Dunkeln“ ab. Es handelt sich um ein in fiskalischer sowie in wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Hinsicht relevantes Phänomen. So werden Steuer- und Beitragspflichten umgangen und damit finanzielle Spielräume für die Aufgaben von Bund und Ländern sowie für die soziale Sicherung aller Arbeitnehmer:innen entzogen. Es werden auch der Bestand und der Aufbau regulär angemeldeter Betriebe und ihrer Beschäftigten durch die Konkurrenz von günstigerer Schwarzarbeit gefährdet. Die Erfassung des Ausmaßes an Schwarzarbeit stellt eine große Herausforderung dar, da amtliche Statistiken und Umfragen hierzu aufgrund der Illegalität von Schwarzarbeit blinde Flecken aufweisen. Näherungsweise Informationen zum Ausmaß von Schwarzarbeit liegen in Deutschland für vier Untersuchungsebenen vor: Unterscheiden lassen sich die Makroebene, die institutionelle Ebene, die organisationale Ebene und die Mikroebene, wobei die Daten und Schätzungen zum Umfang von Schwarzarbeit auf diesen Ebenen auf unterschiedliche Weise erhoben bzw. durchgeführt werden.
Daten und Schätzungen zum Ausmaß von Schwarzarbeit
Auf der Makroebene sind makroökonomische Schätzmodelle angesiedelt, die seit dem Jahr 2002 von Friedrich Schneider (Universität Linz) und Bernhard Bookmann (Institut für angewandte Wirtschaftsforschung, IAW – Universität Tübingen) jährlich für Deutschland und einige OECD-Länder für Prognosen zum Ausmaß der Schattenwirtschaft erstellt werden. Sie basieren auf zahlreichen, empirisch jedoch kaum überprüfbaren Annahmen, die über die Prognosen hinweg fortgeschrieben werden (Schneider & Boockmann, 2022; Schneider & Feld, 2012). Dargestellt wird das Ausmaß der Schwarzarbeit im Verhältnis zum offiziellen Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es belief sich in Deutschland für das Jahr 2018 auf etwa 10 %. Als langjährigen Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2018 ermittelt Enste (2019a) eine Größenordnung von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft im Verhältnis zum BIP von 14 %. Der Rückgang von Schwarzarbeit in den vergangenen Jahren wird auf verbesserte institutionelle Rahmenbedingungen und eine erfolgreiche Ursachenbekämpfung zurückgeführt (Enste, 2019a). Für das Jahr 2023 berechnen Schneider und Boockmann (2023, S. 23) ein Verhältnis der Schattenwirtschaft zum offiziellen BIP auf Basis vorläufiger Werte oder aktueller Prognosen von 10,2 %. Im Ergebnis zeigen sich seit Ende der 2010er Jahren lediglich marginale Veränderungen des Verhältnisses der Schattenwirtschaft zum offiziellen BIP.
Auf der institutionellen Ebene stammen Informationen zum Ausmaß von Schwarzarbeit insbesondere von der Generalzolldirektion und der dort ansässigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) zuständig ist. Zu prüfende Sachverhalte, darunter auch die Einhaltung der Arbeitsbedingungen nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG), dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), werden nach Kriterien wie branchenspezifischen Erkenntnissen oder aufgrund von Hinweisen von Behörden oder Einzelpersonen ausgewählt. Für einzelne in § 2a SchwarzArbG genannte Branchen bestehen besondere Dokumentationspflichten. Wegen der stichpunktartigen und risikoorientierten Auswahl der (Schwerpunkt-)Prüfungen sind die FKS-Zahlen für die Gesamtwirtschaft nicht repräsentativ. Im Jahr 2023 hat die FKS 42.631 Arbeitgeber:innen kontrolliert, insbesondere im Baugewerbe, im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, im Wach- und Sicherheitsgewerbe und im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe. Im Ergebnis wurden über 100.000 Strafverfahren und knapp 50.000 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet (BMF, 2024). Im Jahr 2022 gab es in Deutschland nach dem Unternehmensregister des Statistischen Bundesamtes 3,4 Mio. rechtliche Einheiten. Dies sind beispielsweise Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Offene Handelsgesellschaften oder Einzelunternehmen (Statistisches Bundesamt, 2023). Insgesamt wurde durch die FKS somit etwa jede:r einhundertste Arbeitgeber:in überprüft, wobei bei vielen dieser risikoorientierten Arbeitgeber:innenprüfungen im Anschluss Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straf- und Ordnungswidrigkeiten eingeleitet wurden.
Auf der organisationalen Ebene steht das Ausmaß der Schwarzarbeit aus der Perspektive von Betrieben im Fokus. Auf Grundlage von repräsentativen Befragungen betrieblicher Entscheidungsträger:innen im Jahr 2018 wurden Angaben über durch Schwarzarbeit entgangene Umsätze erhoben (Enste, 2019b). Hiernach lagen die bei Unternehmen erfragten negativen Auswirkungen von Schwarzarbeit auf den Umsatz im Durchschnitt bei knapp 5 %. Weitere Untersuchungen zum Thema Schwarzarbeit auf der organisationalen Ebene für Deutschland liegen nicht vor. In einer im Jahr 2003 in Brasilien durchgeführten Studie wurden 48.000 Kleinunternehmen zum Thema Schattenwirtschaft, definiert als betriebliche Maßnahme zur Steuervermeidung, befragt. Die Befunde zeigen, dass informelle Betriebe eher kleiner und stärker arbeitskosten- als kapitalkostenintensiv sind. In Bezug auf Mehrwertsteuern wurde herausgefunden, dass die Informalität eines Unternehmens mit der Informalität der Unternehmen, von denen es kauft oder an die es verkauft, positiv korreliert ist (de Paula & Scheinkman, 2007).
Auf der Mikroebene werden Personen in Bevölkerungsumfragen direkt oder indirekt danach gefragt, ob sie Schwarzarbeit anbieten oder nachfragen, oder ob sie Personen kennen, die in Schwarzarbeit involviert sind. Informationen über das Ausmaß an Schwarzarbeit wurden in Deutschland bislang im Rahmen von zwei repräsentativen Bevölkerungsumfragen erhoben: Im Rahmen des Personenfragebogens des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wurde im Jahr 2015 nach Schwarzarbeit im Freundeskreis gefragt (TNS Infratest Sozialforschung, 2015). Dort gab jede fünfte Person (20,7 %) an, jemanden aus dem Bekanntenkreis zu kennen, der/die im letzten Jahr schwarzgearbeitet hat. Nur knapp 40 % sagten, dass sie niemanden kennen würden, der Rest war unsicher oder wusste dies nicht (Enste, 2017).
Zudem wurden Informationen zur Schwarzarbeit in den Eurobarometer-Erhebungen vom April und Mai 2013 sowie September 2019 erhoben (European Commission, 2020). Diese Befragung enthält direkte (QD 16: „Have you yourself carried out undeclared paid activities …“) und indirekte Fragen (QD 1: „Do you know personally any people who work without declaring all or part …“) zum Thema Schwarzarbeit. Auf die direkte Frage haben in Deutschland im Jahr 2019 rund 3 % mit „Ja“ geantwortet. Dies war ein Prozentpunkt mehr im Vergleich zu 2013. Die indirekte Frage haben in Deutschland 2019 rund 28 % bejaht. Dies war ebenfalls ein Prozentpunkt mehr als im Jahr 2013. Dieses Verhältnis von etwa 1:10 positiven Antworten zwischen direkter und indirekter Frage bezüglich des Umfangs von Schwarzarbeit wurde laut dem Report der Europäischen Kommission in vielen Ländern festgestellt. Hieran wird deutlich, dass es sich um eine methodologische Herausforderung handelt, zuverlässige Daten über Regelverstöße direkt von den befragten Personen zu erhalten (Nuno & St. John, 2015).
Zudem besteht ein alternativer Zugangsweg in der Nutzung qualitativer Methoden, darunter vor allem leitfadengestützte Interviews mit Betrieben oder Beschäftigten oder Experteninterviews bei Verbänden und Gewerkschaften. Diese ermöglichen keine repräsentativen Befunde, können jedoch helfen die Motive zur Ausübung von Schwarzarbeit besser zu verstehen (von der Heiden & Himmelreicher, 2022).
Neue Befunde zum Umfang der Schwarzarbeit
Um einen aktuellen Vergleichswert zu früheren Befragungen zur Verbreitung von Schwarzarbeit in Deutschland zu erhalten, wurde in den Jahren 2022 und 2023 eine Befragung unter Erwerbstätigen durchgeführt. Dazu wurden Erhebungsverfahren gewählt, die als besonders geeignet gelten, illegales Verhalten zu erfassen, da sie sozial erwünschtes Antwortverhalten der Befragten verringern und die Anonymität der Befragten erhöhen (Burgstaller et al., 2022; Krumpal et al., 2011). Dabei handelt es sich um die Nominative-Technik (NT) und die Item-Count-Technik (ICT). Die Datenerhebung fand unter abhängig Beschäftigten im Alter von 18 bis 65 Jahren in ihrer beruflichen Hauptbeschäftigung ohne Auszubildende und Praktikant:innen zu den drei Zeitpunkten September 2022, November 2022 und September 2023 statt. Die drei Erhebungszeitpunkte wurden deshalb gewählt, um mögliche Auswirkungen der Verteuerung des Faktors Arbeit im Niedriglohnbereich aufgrund der starken Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 auf Schwarzarbeit abbilden zu können (Verbeek et al., 2020).
Beim NT-Verfahren wurde eine indirekte, das bedeutet nicht die befragte Person selbst betreffende, Frage zum Angebot von Schwarzarbeit gestellt. Nach der Nachfrage nach Schwarzarbeit wurde in diesem Rahmen nicht gefragt. Die Befragten wurden aufgefordert, über das abweichende Verhalten von engen Freunden zu berichten (Davis et al., 2022; Krumpal, 2011). Dazu wurde nach dem einleitenden Satz – „Unter Schwarzarbeit verstehen Experten, dass jemand für einen anderen arbeitet, und beide sind sich einig, dass das Entgelt nur teilweise oder gar nicht versteuert wird, obwohl man das eigentlich müsste“ – folgende Anschlussfrage gestellt: „Wissen Sie, ob jemand in Ihrem persönlichen Umfeld in den letzten 12 Monaten Schwarzarbeit geleistet hat? Welche der folgenden Antworten trifft auf Sie zu?“. Die Befragten konnten daraufhin angeben, ob sie eher viele oder eher wenige Personen oder niemanden kennen würden. Diese Frage wurde im September 2022 und ein Jahr später im September 2023 gestellt. Im Hinblick auf die Befragung mittels NT liegt die mittlere Zahl der Freund:innen in den beiden Ipsos-Befragungen vom September 2022 und 2023 bei zwischen rund 4,3 und 4,1 Personen. Auch hinsichtlich der Verteilung der Zahl enger Freund:innen zeigen sich zwischen den beiden Erhebungen nur geringe Unterschiede.
Etwa sieben von zehn Personen haben in beiden Erhebungen angegeben im eigenen Umfeld keine Personen zu kennen, die Schwarzarbeit geleistet, das heißt angeboten, haben (Tabelle 1). In beiden Erhebungen kennt knapp jede fünfte befragte Person im persönlichen Umfeld Personen, die Schwarzarbeit angeboten haben. Dieser Anteil liegt in etwa auf einem Niveau der Angaben im SOEP aus dem Jahr 2015. In der Eurobarometer-Erhebung aus dem Jahr 2019 haben rund 28 % der Befragten angegeben Personen zu kennen, die Schwarzarbeit anbieten. Dieser Personenkreis bezieht sich nicht nur auf abhängig Beschäftigte, wie in der SOEP-Population und Ipsos-Population, sondern enthält auch Selbständige sowie arbeitslose und nicht erwerbstätige Personen.
Tabelle 1
Schwarzarbeit im persönlichen Umfeld in den letzten zwölf Monaten1
in %
September 2022 | September 2023 | |
---|---|---|
Ja, viele Personen | 1,4 | 3,1 |
Ja, wenige Personen | 16,5 | 15,0 |
niemand | 68 | 71,7 |
weiß nicht | 14,1 | 10,2 |
Beobachtungen (n) | 1.037 | 1.011 |
1 Die Frage nach Schwarzarbeit im persönlichen Umfeld wurde den Befragten im November 2022 nicht gestellt.
Quelle: Ipsos CAPI-Bus im September 2022, September 2023, ungewichtet, eigene Berechnungen.
In der Erhebung nach dem NT-Verfahren konnten die Befragten als Antwort auswählen, ob sie „viele Personen“ oder „wenige Personen“ im persönlichen Umfeld kennen, die Schwarzarbeit angeboten haben. Zur Quantifizierung des Umfangs von Schwarzarbeit unter Nutzung dieser Angaben sind Annahmen hinsichtlich ihres Anteils zu formulieren. Die Angaben zur Zahl enger Freunde sollen das „persönliche Umfeld“ repräsentieren. Dabei handelt es sich um eine konservative Herangehensweise, da neben Bekannten auch der Familienkreis unberücksichtigt bleibt. Für die Ausprägung „Ja, viele Personen“ wird ein Anteil von 72 % bis 90 % und für die Ausprägung „Ja, wenige Personen“ ein Anteil von 20 % bis 25 % der Zahl enger Freund:innen festgelegt, wobei das Verhältnis der jeweiligen Ober- zur Untergrenze 1,25 beträgt. Die Schätzung des Gesamtumfangs der Schwarzarbeit unter Bezug auf den oberen bzw. den unteren Rand der Anteilskategorien wird mit Hochrechnungsfaktoren durchgeführt, um bevölkerungsrepräsentative Eckzahlen erzeugen zu können. Im Ergebnis der NT-Schätzungen zeigt sich, dass das Angebot von Schwarzarbeit zwischen den beiden Jahren 2022 und 2023 und damit nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro gemäß beider Schätzansätze nicht zugenommen hat (Tabelle 2). Zwischen den zwei Messzeitpunkten kam es jedoch zu einer Verschiebung innerhalb der Personengruppen. Die Zahl der Befragten, die angaben, dass viele Personen in ihrem persönlichen Umfeld Schwarzarbeit anbieten, nahm zu. Die Zahl derjenigen, die wenige Personen kannten, nahm ab. Von einer inhaltlichen Interpretation dieser veränderten Anteile wird abgesehen, da die Zahl der Befragten, die die Frage nach Schwarzarbeit im persönlichen Umfeld bejahten, in der Summe der beiden Gruppen zwischen September 2022 und September 2023 sank. Bezogen auf Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 74 Jahren liegt die Prävalenz der Schwarzarbeit je nach Schätzansatz zwischen rund 13 % und rund 16 % und hat sich nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro nicht verändert.
Tabelle 2
NT-Schätzung der Zahl der schwarzarbeitenden Personen vor und nach der Mindestlohn-Erhöhung1
September 2022 | September 2023 | |
---|---|---|
Anzahl (N): viele Personen in Mio. | 0,4 | 1,1 |
Anzahl (N): wenige Personen in Mio. | 6,3 | 5,4 |
Summe | 6,7 | 6,5 |
Ja, viele Personen in Mio.2 | 0,4 × 4,39 | 1,1 × 4,53 |
unterer Ansatz (0,72) | × 0,72 = 1,4 | × 0,72 = 3,6 |
oberer Ansatz (0,90) | × 0,90 = 1,8 | × 0,90 = 4,5 |
Ja, wenige Personen in Mio.2 | 6,2 × 5,09 | 5,4 × 4,00 |
unterer Ansatz (0,20) | × 0,20 = 6,4 | × 0,20 = 4,3 |
oberer Ansatz (0,25) | × 0,25 = 8,0 | × 0,25 = 5,4 |
Anzahl schwarzarbeitender Personen in Mio. | ||
Summe: unterer Ansatz | 7,8 | 8,0 |
Summe: oberer Ansatz | 10,0 | 10,0 |
Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 74 Jahren (2020) in Mio.3 | 62,3 | 62,3 |
Prävalenz von Schwarzarbeit in % | ||
unterer Ansatz | 12,53 | 12,76 |
oberer Ansatz | 15,67 | 15,96 |
1 Die Frage nach Schwarzarbeit im persönlichen Umfeld wurde den Befragten im November 2022 nicht gestellt. 2 Rechenweg: N × mittlere Zahl an Freunden (September 2022 = 4,39; September 2023 = 4,53) × angenommener Anteilswert. 3 Ergebnisse der aktuellsten 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2020, www.demografie-portal.de/DE/Fakten/erwerbsbevoelkerung.html.
Quelle: Ipsos CAPI-Bus im September 2022, September 2023, hochgerechnet, eigene Berechnungen.
Das zweite Verfahren, die Item-Count-Technik (ICT), soll mit einem experimentellen Ansatz ermöglichen, sich dem wahren Ausmaß von Schwarzarbeit anzunähern (Burgstaller et al., 2022; Kirchner et al., 2013). Dabei wurden in der Befragung 2022 und 2023 sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Schwarzarbeit untersucht. Zunächst wurden Beschäftigte zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe (Kontrollgruppe) wurde mit drei harmlosen Aussagen konfrontiert, die sie bejahen oder verneinen sollte. Der zweiten Gruppe (Experimentalgruppe) wurde zusätzlich jeweils eine heikle Aussage nach dem eigenen Angebot an und der eigenen Nachfrage nach Schwarzarbeit gestellt. Mit Blick auf das eigene Angebot an Schwarzarbeit lautete diese: „Ich habe in den vergangenen 4 Wochen mindestens einmal Arbeiten schwarz ausgeführt oder Leistungen ohne Rechnungen erbracht“ (Fragen 10 und 12 in Tabelle 3). Bezüglich der eigenen Nachfrage nach Schwarzarbeit wurde den Befragten folgende Aussage genannt: „Ich habe in den vergangenen 4 Wochen mindestens einmal Arbeiten schwarz ausführen lassen oder Leistungen ohne Rechnung nachgefragt“ (Fragen 9 und 11 in Tabelle 3). Da die befragte Person lediglich angeben sollte, wie viele Aussagen auf sie zutrafen, nicht aber welche der Aussagen, wurde die Anonymität der Befragten gewahrt.
Tabelle 3
Teil- und Gesamtprävalenz der ICT-Double-List-Design
Teilstichprobe A | Teilstichprobe B | Differenz zwischen Mittelwert (Gruppe heikle Frage) und Mittelwert (Gruppe ohne heikle Frage) (Teil-Prävalenz) |
Gesamt-Prävalenz Single List (Summe Teil-Prävalenz/2) (in %) |
Gesamt-Prävalenz Double List (in %) |
|
---|---|---|---|---|---|
Welle 1 im September 2022 | |||||
Single List Angebot | 10a Mittelwert = 1,80 12a Mittelwert = 1,91 | 10b Mittelwert = 1,89 12b Mittelwert = 1,84 | 10 (b-a) = 0,09 12 (a-b) = 0,07 | 8 | |
Single List Nachfrage | 9a Mittelwert = 1,07 11a Mittelwert = 1,23 | 9b Mittelwert = 1,10 11b Mittelwert = 1,08 | 9 (b-a) = 0,03 11 (a-b) = 0,15 | 9 | |
Double-List Angebot | (10b+12a)/2 = 1,90 | (10a+12b)/2 = 1,82 | 0,08 | 8 | |
Double-List Nachfrage | (9b+11a)/2 = 1,165 | (9a+11b)/2 = 1,075 | 0,09 | 9 | |
Welle 2 im November 2022 | |||||
Single List Angebot | 10a Mittelwert = 1,85 12a Mittelwert = 1,96 | 10b Mittelwert = 1,93 12b Mittelwert = 1,85 | 10 (b-a) = 0,08 12 (a-b) = 0,11 | 9,5 | |
Single List Nachfrage | 9a Mittelwert = 1,05 11a Mittelwert = 1,16 | 9b Mittelwert = 1,15 11b Mittelwert = 1,10 | 9 (b-a) = 0,10 11 (a-b) = 0,06 | 8 | |
Double-List Angebot | (10b+12a)/2 = 1,95 | (10a+12b)/2 = 1,85 | 0,10 | 10 | |
Double-List Nachfrage | (9b+11a)/2 = 1,16 | (9a+11b)/2 = 1,08 | 0,08 | 8 | |
Welle 3 im September 2023 | |||||
Single List Angebot | 10a Mittelwert = 1,89 12a Mittelwert = 1,96 | 10b Mittelwert = 1,97 12b Mittelwert = 1,86 | 10 (b-a) = 0,08 12 (a-b) = 0,10 | 9 | |
Single List Nachfrage | 9a Mittelwert = 1,05 11a Mittelwert = 1,13 | 9b Mittelwert = 1,13 11b Mittelwert = 1,10 | 9 (b-a) = 0,08 11 (a-b) = 0,03 | 5,5 | |
Double-List Angebot | (10b+12a)/2 = 1,97 | (10a+12b)/2 = 1,88 | 0,09 | 9 | |
Double-List Nachfrage | (9b+11a)/2 = 1,13 | (9a+11b)/2 = 1,08 | 0,05 | 5*** |
Signifikanzniveaus der z-Tests für die Mittelwertvergleiche zwischen den Wellen für das Angebot an und die Nachfrage nach Schwarzarbeit: * p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001. Für das Angebot an Schwarzarbeit gibt es keinen signifikanten Entwicklungseffekt. Die Nachfrage nach Schwarzarbeit in Welle 3 unterscheidet sich signifikant von Welle 2 und Welle 1.
Quelle: Ipsos CAPI-Bus im September 2022, November 2022, September 2023, gewichtet – ohne Hochrechnung, eigene Berechnungen.
Um die statistische Effizienz des ICT-Schätzers zu erhöhen, wurde das Double-List-Design der ICT verwendet: Bei diesem Design wird das heikle Item in beiden Gruppen erhoben (Teilstichprobe A und B in Tabelle 3, siehe Kirchner et al., 2013).1 Für das Double-List-Design werden basierend auf den beiden Frageblöcken zwei separate Schätzungen für das heikle Verhalten angestellt, indem die Differenz der arithmetischen Mittel zwischen den zwei Fragetypen in der Kontrollgruppe und der Experimentalgruppe berechnet wird. Wiederum der Mittelwert aus beiden Teil-Prävalenzen ergibt die Gesamtprävalenz. Diese wurde für die drei Erhebungszeitpunkte im September und November 2022 sowie im September 2023 ermittelt (Tabelle 3).
Die Gesamtprävalenz, die sich aus der ICT-Methode ergibt, kann als Ausmaß des Vorkommens von angebotener und nachgefragter Schwarzarbeit unter allen abhängig Beschäftigten in Deutschland interpretiert werden. Mit einem Anteil zwischen 8 % und 10 % in den drei Erhebungswellen ergibt sich aus der ICT-Methode ein geringerer Anteil an angebotener Schwarzarbeit als in den NT-Schätzungen. Dort gaben rund 18 % der Befragten an, dass in ihrem persönlichen Umfeld schwarzgearbeitet wird (Tabelle 1). Die Quantifizierung – unter Zuhilfenahme von Annahmen – von vielen und wenigen Freunden reduzierte den Anteil auf rund 13 % bis 16 % (Tabelle 2). Die ICT-Methode erfordert Selbstauskünfte, weshalb sie trotz der anonymisierten Fragemethode eher eine untere Grenze für das Vorkommen von Schwarzarbeit darstellen dürfte. Die NT-Methode hingegen generiert Einschätzungen über das persönliche Umfeld, also über Dritte, und ist auf mehr Annahmen als die ICT-Methode angewiesen. Sie dürfte deshalb eher eine obere Grenze für die Verbreitung von Schwarzarbeit darstellen.
Die Ergebnisse des ICT-Verfahrens verdeutlichen, dass im September 2022 die Prävalenz der Nachfrage nach Schwarzarbeit bei 9 % lag. Im September 2023 waren es 5 %. Damit sank die Prävalenz der Nachfrage nach Schwarzarbeit statistisch signifikant von 9 % über 8 % auf 5 % im Wellenvergleich. Der stärkste Rückgang der Nachfrage ist im September 2023 und damit etwa ein Jahr nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro festzustellen. Ob und inwiefern dieser Rückgang durch die Anhebung des Mindestlohns ursächlich bedingt ist, kann in dieser Studie nicht beantwortet werden. Die Prävalenz des Angebots an Schwarzarbeit lag zwischen 8 % und 10 %. Sie hat im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr geringfügig um einen Prozentpunkt zugenommen. Somit gab es nur geringe Veränderungen mit Blick auf das Ausmaß der Schwarzarbeit und folglich keine starken Auswirkungen der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro.
Fazit
Empirische Befunde auf allen vier Untersuchungsebenen weisen darauf hin, dass Schwarzarbeit in Deutschland in erheblichem Umfang existiert, wobei die Größenordnungen voneinander abweichen. Am geringsten ist das festgestellte Ausmaß von Schwarzarbeit auf der institutionellen Ebene im Rahmen der Überprüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Werden Betriebe von der FKS überprüft, werden häufig Aspekte von Schwarzarbeit gefunden. Da die Prüfungen risikoorientiert und nicht flächendeckend organisiert sind, wird das Ausmaß von Schwarzarbeit jedoch systematisch unterschätzt.
Auf der Makroebene wird das Ausmaß von Schwarzarbeit anhand von Simulationsmodellen ermittelt und als Verhältnis der Schattenwirtschaft zum offiziellen BIP ausgewiesen. Im Zeitraum zwischen den Jahren 2017 und 2023 oszillierte dieses Verhältnis leicht um die 10 %-Schwelle. Im internationalen Vergleich lag Deutschland im Jahr 2023 hinsichtlich seines Niveaus der Schattenwirtschaft im untersten Drittel. Im OECD-Ländervergleich wies die Schweiz mit 6,1 % das geringste Ausmaß an Schwarzarbeit aus und Italien mit 21,9 % das höchste (Schneider & Boockmann, 2023).
Auf der organisationalen Ebene gibt es für Deutschland aktuell nur eine Studie zum Ausmaß der Schwarzarbeit. Sie basiert auf einer repräsentativen Betriebsbefragung. Danach wurden die Umsätze der legal tätigen Unternehmen durch Schwarzarbeit um rund 5 % verringert (Enste, 2019a).
Auf der Mikroebene existieren für Deutschland drei quantitative Erhebungen zum Ausmaß der Schwarzarbeit. Nach der Eurobarometer-Erhebung aus dem Jahr 2019 haben 28 % der Befragten angegeben, schwarzarbeitende Freund:innen zu haben (European Commission, 2020). Laut SOEP 2015 beläuft sich dieser Anteil auf knapp 21 % für abhängig Beschäftigte (Enste, 2017). In den Ipsos-Befragungen vom September 2022 und 2023 haben jeweils rund 18 % der befragten abhängig beschäftigten Personen von Schwarzarbeit im persönlichen Umfeld berichtet. Umgerechnet mittels der durchschnittlichen Zahl der Freund:innen ergaben sich je nach Annahmen zwischen rund 8 Mio. und rund 10 Mio. schwarzarbeitende Personen. Der mithilfe der experimentellen ICT-Methode ermittelte Anteil der Beschäftigten, die Schwarzarbeit angeboten haben, betrug 8 % bis 10 %. Zwischen 5 % und 8 % der Beschäftigten fragten Schwarzarbeit nach. Die Prävalenz des Angebots verharrte zwischen September 2022 und September 2023 bei knapp 9 %. Die Prävalenz der Nachfrage nach Schwarzarbeit sank geringfügig von 8 % auf 5 %.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Schwarzarbeit auf allen vier Ebenen identifiziert werden kann. Vergleichsweise wenige Kontrollen der FKS führen zu einer niedrigen gemessenen Prävalenz der Schwarzarbeit. Auf der organisationalen Ebene der Betriebe werden durch Schwarzarbeit entgangene Umsatzeinbußen eher von kleineren Betrieben berichtet. Diese fallen im Durchschnitt mit 5 % insbesondere im Verhältnis zu den 10 % gering aus, die anhand von Simulationsmodellen auf der Makroebene ermittelt wurden. Das höchste Ausmaß an Schwarzarbeit ergibt sich aus der indirekten Frage nach schwarzarbeitenden Freund:innen in repräsentativen Befragungen mit einem berichteten Anteil je nach Erhebung von 18 % bis zu 28 %. Die präziseren Ergebnisse der ICT-Frage ergeben eine Schwarzarbeitsprävalenz von etwa 5 % bis 10 % und bestätigen damit eher die Ergebnisse der Simulationsmodelle als die der Frage nach der Verbreitung von Schwarzarbeit im Freundeskreis.
- 1 List-Experimenten liegen drei Annahmen zugrunde (siehe auch Doerr et al., 2022): a) Randomisierung: Dies wurde gewährleistet, indem in der Befragung in der Fragebogensteuerung die Personen zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Empirisch zeigt ein Vergleich der Charakteristika der Personen beider Gruppen, dass diese sehr ähnlich ausfallen. Deshalb kann von einer gelungenen Randomisierung ausgegangen werden. b) Keine Design-Effekte: Die Einbeziehung des sensiblen Items sollte nicht das Antwortverhalten auf die nicht sensiblen Items verändern. Dazu haben wir den von Blair und Imai (2012) entwickelten Test mit dem Stata-ado „kict deff“ durchgeführt. Wir finden keine Design-Effekte in unseren Daten. c) Kein Lügenverhalten: Alle Befragten antworten auf das sensible Element wahrheitsgemäß. Eine deskriptive Auswertung von Floor- und Ceiling-Effekten in beiden Gruppen, wie auch von Doerr et al. (2022, 17) durchgeführt, verdeutlicht, dass Floor- bzw. Ceiling-Effekte lediglich in einer sehr geringen Größenordnung zwischen 0,1 % und 3,4 % auftreten.
Literatur
Blair, G. & Imai, K. (2012). Statistical Analysis of List Experiments. Political Analysis, 20(1), 47–77.
BMF – Bundesministerium der Finanzen (2024). Der Zoll bekämpft Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Sozialleistungsbetrug.
Burgstaller, L., Feld, L. P. & Pfeil, K. (2022). Working in the Shadow: Survey Techniques for Measuring and Explaining Undeclared Work. Journal of Economic Behavior and Organization, 200(2), 661–671.
Davis, E. O., Crudge, B. & Glikman, J. A. (2022). The Nominative Technique: A Simple Tool for Assessing Illegal Wildlife Consumption. Oryx, 56(2), 284–287.
de Paula, A. & Scheinkman, J. A. (2007). The Informal Sector. NBER Working Paper Series. Nr. 13486.
Doerr, A., Hartmann, C. & Sajons, C. (2022). Unregistered work among refugees: Evidence from a list experiment in Germany. WWZ Working Paper, 2022/01. Center of Business and Economics (WWZ), University of Basel.
Enste, D. (2017). Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft – Argumente und Fakten zur nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit in Deutschland und Europa. IW Report, 9/2017. Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Enste, D. (2019a). Unternehmen: 300 Milliarden Euro Umsatzverluste durch Schwarzarbeit. IW-Kurzbericht, 3/2019. Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).
Enste, D. (2019b). Verluste der Unternehmen durch Schwarzarbeit. Wirtschaftsdienst, 99(2), 152–154.
European Commission (2020). Undeclared work in the European Union.
Kirchner, A., Krumpal, I., Trappmann, M. & von Hermanni, H. (2013). Messung und Erklärung von Schwarzarbeit in Deutschland – Eine empirische Befragungsstudie unter besonderer Berücksichtigung des Problems der sozialen Erwünschtheit. Zeitschrift für Soziologie, 42(4), 291–314.
Krumpal, I. (2011). Determinants of social desirability bias in sensitive surveys: a literature review. Quality & Quantity, 47(4), 2025–2047.
Nuno, A. & St. John, F. (2015). How to ask sensitive questions in conservation: A review of specialized questioning techniques. Biological Conservation, 189(2015), 5–15.
Schneider, F. & Feld, L. P. (2012). The shadow economy and shadow economy labor force in OECD countries: what do we (not) know? Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme. Lucius & Lucius.
Schneider, F. & Boockmann, B. (2022). Die Größe der Schattenwirtschaft – Methodik und Berechnungen für das Jahr 2022. Johannes Kepler Universität Linz und Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen.
Schneider, F. & Boockmann, B. (2023). Die Größe der Schattenwirtschaft – Methodik und Berechnung für das Jahr 2023. Johannes Kepler Universität Linz und Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) an der Universität Tübingen.
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