Im Oktober 2022 hat die Bundesregierung ihre Fachkräftestrategie verabschiedet, die einen Wandel der Arbeitskultur einleiten soll. Die demografische Entwicklung wird ohne ausreichendes Gegensteuern zu einer deutlichen Zunahme des Fachkräftemangels und zu einem spürbaren Rückgang des Wachstums des BIP pro Kopf führen. Eine höhere Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung bietet ein großes Potenzial, dem entgegenzuwirken. Um dies zu erreichen, müssen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation der Arbeitnehmenden gefördert werden.
Im Oktober 2022 hat die Bundesregierung ihre neue Fachkräftestrategie verabschiedet. Als ein Handlungsfeld wird darin „Verbesserung der Arbeitsqualität, Wandel der Arbeitskultur“ genannt: „Eine gute Arbeitsqualität, sichere, gesunde und gute Arbeitsbedingungen sowie eine mitarbeiterorientierte Arbeitskultur sind zentral, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, die sonst dem Arbeitsmarkt nicht oder nur in geringerem Umfang zur Verfügung stehen würden“ (Bundesregierung, 2022). Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, wurde in den Medien dazu passend mit der Aussage zitiert: „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“ (Table.Media, 2023). Wie berechtigt dieses Anliegen in Hinblick auf die Fachkräftesicherung ist, lässt sich ermessen, wenn man sich die demografische Herausforderung verdeutlicht: Gemäß Szenario G2L2W0 der 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes würde die Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren bei einem Zuwanderungssaldo von Null von Ende 2022 bis 2040 um fast 9 Mio. Menschen abnehmen, die Bevölkerung im Rentenalter dagegen um 4 Mio. steigen.
Gleichzeitig hat das Wachstum der Arbeitsproduktivität in Deutschland wie in anderen Industrieländern stark abgenommen (Müller, 2021; Grömling et al., 2021). In den vergangenen zehn Jahren nahm die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen nur noch um 0,3 % zu. Zu diesem relativ schwachen Produktivitätswachstum haben nicht nur die Coronakrise und die Ukraine-Krise beigetragen. Die Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen wuchs schon von 2009 bis 2019 nur um 0,3 % pro Jahr. In den 1990er Jahren nahm sie noch um 0,8 % pro Jahr zu. Das niedrige Wachstum der Pro-Kopf-Produktivität rührt auch daher, dass die Arbeitszeit je Erwerbstätigen einem Abwärtstrend folgt (Müller, 2023a, 8). Setzt sich dieser ungebremst fort und sollte zugleich das Wachstum der Stundenproduktivität noch weiter abnehmen, dann könnte noch in diesem Jahrzehnt eine Phase stagnierenden Wachstums des Pro-Kopf-BIP eintreten. In jedem Fall ist ohne Trendwende zu erwarten, dass das jährliche Wachstum des Produktionspotenzials durch die Verknappung des Arbeitsangebots auf unter 1 % sinkt. Die Verknappung wirkt sich bereits heute aus: Im KfW-ifo-Fachkräftebarometer gaben im Oktober 2023 rund 39 % der Unternehmen an, dass ihre Geschäftstätigkeit durch Fachkräftemangel behindert wird. Der Anteil der betroffenen Unternehmen hat seit dem vergangenen Jahrzehnt stark zugenommen (Marjenko et al., 2022; Müller, 2023b).
Eine stärkere Steigerung der Erwerbsbeteiligung kann wirksam dazu beitragen, die zunehmende Arbeitskräfteknappheit einzudämmen. Dies kann zum einen über eine höhere Erwerbsquote bewirkt werden, zum anderen durch eine Abschwächung oder Umkehrung des Trends zu sinkenden Arbeitszeiten. Dafür wäre eine höhere Arbeitsmotivation bei Teilzeitarbeitenden, Erwerbslosen und Menschen im heutigen Rentenalter erforderlich. Die Zeitpräferenz für Freizeit und Familie müsste sich zugunsten der Zeitpräferenz für Arbeit verschieben.
Um die extrinsische Arbeitsmotivation zu erhöhen, können Arbeitgebende materielle Anreize setzen. Dies muss allerdings nicht zwingend zu einer höheren Erwerbsbeteiligung führen. Denn eine höhere Entlohnung verstärkt zwar über erweiterte Konsummöglichkeiten den Arbeitsanreiz. Jedoch kann die Erwerbsneigung abnehmen, wenn ein höheres Lohnniveau und parallel steigende Sozialleistungen mehr Menschen einen befriedigenden Wohlstand mit weniger oder ohne Erwerbsarbeit ermöglichen. Zudem können Arbeitgebende über Flexibilität von Arbeitszeiten und Homeoffice bessere Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit schaffen. Dies ist oft die Voraussetzung dafür, dass Beschäftigte mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen einen Beruf ausüben können. Ein ausreichendes Angebot an Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und Altenpflege kann dies flankieren.
Eine weitere Möglichkeit, die im Folgenden näher beleuchtet werden soll, besteht darin, die Voraussetzungen für Arbeitszufriedenheit und intrinsische sowie nicht-monetäre extrinsische Arbeitsmotivation zu verbessern. Intrinsische Arbeitsmotivation kommt definitionsgemäß aus Freude an der Tätigkeit, extrinsische aus allem Motivierenden, das mit der Tätigkeit verbunden ist oder aus dieser folgt. Arbeitszufriedenheit und intrinsische Motivation werden in der Unternehmenspraxis häufig als „weiche“ Faktoren abgetan. Dennoch – und dies ist die zentrale Botschaft dieses Artikels – schlummern hier erwiesenermaßen viele Potenziale. Beispielsweise können Akteure im Bildungswesen und bei meinungsbildenden Medien versuchen, auf ein positiveres Image von Erwerbsarbeit in der Bevölkerung hinzuwirken. Zudem können Arbeitgebende sich darum bemühen, die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsklima besser an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen. Die Arbeitszufriedenheit ist in Deutschland nach den Erhebungen von Eurostat im EU-Vergleich unterdurchschnittlich und nimmt mit dem Alter bis zum Renteneintritt sukzessive ab. Dies legt die Hypothese nahe, dass sich die Erwerbsneigung gerade in Deutschland über eine Steigerung von Arbeitszufriedenheit und intrinsischer Arbeitsmotivation erhöhen lässt.
Im europäischen Vergleich ist die Arbeitszufriedenheit in Deutschland niedrig
In einer Umfrage von Eurostat bewerteten Erwerbstätige in Deutschland im Jahr 2018 ihre Arbeitszufriedenheit im Durchschnitt mit 7 auf einer Skala von 1 bis 10 (vgl. Abbildung 1). Damit befindet sich die Arbeitszufriedenheit hierzulande im unteren Drittel im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Lediglich in Griechenland und Bulgarien stuften die Befragten ihre Arbeitszufriedenheit niedriger ein. In Finnland, Österreich und der Schweiz zeigten sich die befragten Erwerbstätigen dagegen mit einer durchschnittlichen Arbeitszufriedenheit von 8,1 bzw. 7,9 weit zufriedener.
Abbildung 1
Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von 0 bis 10, Befragung unter Erwerbstätigen, 2018
Die Befragungsergebnisse basieren auf dem „module on subjective well-being“ der EU-SILC-Haushaltsbefragung für Eurostat. Bis 2019 wurden in Deutschland im Rahmen von EU-SILC rund 14.000 Haushalte befragt.
Quelle: Eurostat (EU-SILC), eigene Darstellung.
Die Arbeitszufriedenheit nach Altersklassen sinkt für Deutschland bis zum Rentenalter deutlich. In der Altersgruppe 16 bis 24 Jahre bewerteten ein Drittel ihre Arbeitszufriedenheit mit „hoch“ (= 9 oder 10). In den höheren Altersklassen sinkt dieser Anteil bis zum Erreichen des Rentenalters um 10 Prozentpunkte (vgl. Abbildung 2). Spiegelbildlich steigt der Anteil der Erwerbstätigen mit niedriger Arbeitszufriedenheit (= 0 bis 5) sukzessive von 16 % auf 25 % (vgl. Abbildung 3). Es hat den Anschein, als träte bei Vielen Ernüchterung ein, nachdem sie das Arbeitsleben kennengelernt haben. Der Befund passt zu dem in der Glücksforschung bekannten Phänomen der hedonistischen Tretmühle. Der Reiz des Neuen nutzt sich ab, Erwartungen werden enttäuscht und mit dem Verblassen des anfänglichen Zaubers wird Störendes stärker bewusst (Marcuse, 1972). Zudem wird es für die meisten Erwerbstätigen im höheren Alter erforderlich, sich mit den Gegebenheiten ihres Arbeitsplatzes zu arrangieren, weil ein Wechsel des Berufs oder des Arbeitsplatzes schwieriger wird und höhere Einkommensverluste nach sich ziehen kann. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen können die Arbeitszufriedenheit senken.
Abbildung 2
Erwerbstätige in Deutschland mit hoher Arbeitszufriedenheit nach Altersklassen, 2018
Anteil in %
Die Befragten wurden gebeten, ihre Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von 0 bis 10 einzustufen. Die Einstufung in hoch – mittel – niedrig wurde für die Statistik von Eurostat wie folgt vorgenommen: niedrig = 0-5, mittel = 6-8, hoch = 9-10.
Quelle: Eurostat, EU-SILC, eigene Darstellung.
Abbildung 3
Erwerbstätige in Deutschland mit niedriger Arbeitszufriedenheit nach Altersklassen, 2018
Anteil in %
Die Befragten wurden gebeten, ihre Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von 0 bis 10 einzustufen. Die Einstufung in hoch – mittel – niedrig wurde für die Statistik von Eurostat wie folgt vorgenommen: niedrig = 0-5, mittel = 6-8, hoch = 9-10.
Quelle: Eurostat (EU-SILC), eigene Darstellung.
Die Umfragen von Eurostat belegen allerdings auch, dass es im fortgeschrittenen Erwerbsalter noch viele Hochzufriedene gibt. Eine schwindende Arbeitszufriedenheit ist also kein zwangsläufiges Schicksal. In der Altersklasse 65 bis 74 fiel für 36 % der Befragten ihre Arbeitszufriedenheit in die Zufriedenheitsklasse „hoch“ und lediglich für 15 % in die Zufriedenheitsklasse „niedrig“. Damit ist die Zufriedenheit unter erwerbstätigen Rentner:innen höher als unter Berufseinsteiger:innen (vgl. Abbildung 2). Eine Erklärung dafür kann darin liegen, dass Menschen im Rentenalter in Deutschland materiell meist mehr oder weniger gut abgesichert und frei in ihrer Entscheidung sind, ob und wieviel sie arbeiten wollen. Daher dürften vorwiegend solche Menschen im Rentenalter noch erwerbstätig sein, die bei guter Gesundheit sind, ihre Arbeit gerne tun und mit den Arbeitsbedingungen zufrieden sind.
Zur relativ niedrigen Arbeitszufriedenheit in Deutschland im europäischen Vergleich passt, dass die Beschäftigten im Jahr 2021 mit 1.349 Stunden pro Kopf deutlich weniger arbeiteten als in den anderen EU-Ländern und der Schweiz (vgl. Abbildung 4). Und die Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung über 15 Jahren lag nach den Erhebungen von Eurostat in Finnland (83 %), Österreich (75 %) und der Schweiz (78 %), den Europameistern in Arbeitszufriedenheit, ebenfalls über der in Deutschland (70 %).
Wie lässt sich die Erwerbsbeteiligung stärker steigern?
Diese Frage wirft zunächst andere Fragen auf: Sollte nicht jeder Mensch selbst entscheiden, ob und wieviel er arbeitet? Wozu bedarf es der Intervention? Dafür lassen sich zwei Argumente anführen: Erstens gewährt der Staat eine soziale Grundsicherung in einer Höhe, die es ermöglicht, ohne Gegenleistung auf Kosten der Allgemeinheit zu leben. Dies spricht zumindest für einen impliziten Gesellschaftsvertrag, der alle Bürger eines Landes verpflichtet, nach Möglichkeit einen angemessenen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand zu leisten. Zweitens ist wie beim Klimaschutz eine Diskrepanz zwischen individueller und gesellschaftlicher Rationalität zu erwarten. Für einen einzelnen Erwerbstätigen kann ein Vorruhestand oder ein Wechsel in Teilzeit für ein längeres Wochenende zwar die Lebenszufriedenheit erhöhen. Entscheiden sich jedoch hinreichend viele dafür, führt dies zu einer Verstärkung der allgemeinen Fachkräfteknappheit, und das auch in Berufen, die für die Grundversorgung der Bevölkerung, für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sowie für die innere und äußere Sicherheit, den Umwelt- und Klimaschutz und andere gesellschaftliche Aufgaben bedeutsam sind. Zudem erhöht sich für die verbleibenden Erwerbstätigen und Unternehmen die Steuer- und Abgabenlast zur Finanzierung der Sozialversicherungen, der Infrastruktur und anderer öffentlicher Leistungen. Dies spricht dafür, dass neben den Unternehmen auch der Staat auf eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung hinwirkt.
Abbildung 4
Geleistete Arbeitsstunden je Beschäftigten in Staaten der EU und der Schweiz, 2021
Quelle: OECD, eigene Darstellung.
Damit Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation in der erwerbsfähigen Bevölkerung steigen, braucht Erwerbsarbeit ein positiveres Image, sei es durch eine Änderung der grundsätzlichen Einstellung zu Erwerbsarbeit, sei es durch eine zufriedenheits- und motivationsfördernde Veränderung der Arbeitsbedingungen. Dies ist eine Aufgabe von Arbeitgebenden unter Mitwirkung der Arbeitnehmendenvertretung. Über eine Verzahnung von Bildungs- und Wirtschaftspolitik können aber auch der Staat und vor allem die Bildungsanstalten daran mitwirken, indem sie eine positive Einstellung gegenüber Erwerbsarbeit und lebenslangem beruflichen Lernen fördern.
Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass es eine hohe Korrelation zwischen Arbeitszufriedenheit und Commitment gegenüber dem Arbeitgeber gibt (Felfe und Six, 2006). Commitment meint eine starke Identifikation mit den Werten und Zielen des Unternehmens, hohe Einsatzbereitschaft und Loyalität. Arbeitszufriedenheit ist auch mit der Arbeitsleistung positiv korreliert, allerdings weniger stark. Ein Grund dafür sind resignativ Zufriedene, die ihre Ansprüche an die Arbeit reduziert haben, nachdem sie ihre ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllen konnten. Solche Beschäftigten sind zwar mit ihrer Arbeit zufrieden, leisten aber nicht mehr als das Notwendige. Empirische Untersuchungen beziffern die Anteile resignativ Zufriedener zum Teil auf mehr als 40 %, wobei die Art der Tätigkeit großen Einfluss hat. Soll das Erwerbspersonenpotenzial bestmöglich genutzt werden, müssten demnach nicht nur Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit, sondern auch zur Erhöhung der Leistungsmotivation und der Leistungsmöglichkeiten ergriffen werden (Bono et al., 2001; Eckes und Six, 1991; Ganserer et al., 2021; Gunkel, 2010, 19 ff.; Martin und Jochims, 2014).
Empirische Befunde zur Arbeitsmotivation
Motivation entsteht aus dem Wunsch, etwas zu erreichen oder zu vermeiden, um Bedürfnisse zu befriedigen. Die Motivationsforschung hat die Befriedigung folgender Bedürfnisse als besonders bedeutsam für die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation befunden (Becker, 2019; Deci und Ryan, 2000a, 2000b; Gahmann, 2023; Herzberg, 1987; Maslow, 1957; Ferreira, 2020; Ganserer et al., 2021; Happiness Research Institute, 2019; Kahner, 2022; Martin, 2022; McGregor, 1957; Rehwaldt, Kortsch, 2022; Sass, 2019; Stepstone, 2020):
- Eine als fair empfundene Entlohnung, die die Befriedigung materieller Bedürfnisse ermöglicht.
- Einkommens- und Arbeitsplatzsicherheit.
- Karriere, Aufstieg in Status und Hierarchie.
- Etwas Sinnerfülltes bzw. Nützliches tun, einen bedeutsamen Beitrag leisten.
- Interesse am Erfolg und seinen Folgen: Für erfolgsmotivierte Menschen muss das erwartbare Arbeitsergebnis erstrebenswert sein. Messbaren Einfluss auf die Leistungsmotivation hat auch die Erfolgswahrscheinlichkeit. Je wahrscheinlicher ein Erfolg ist und je mehr Bedeutung dem Erfolg und den erwünschten Folgewirkungen beigemessen wird, umso größer ist die Motivation.
- Autonomie und Kontrolle bei der Ausführung der Arbeiten und der Gestaltung des Arbeitsergebnisses.
- Die Erfahrung von Kompetenz und Selbstwirksamkeit durch den Einsatz von Fähigkeiten und Stärken sowie die Erwartung von Selbstwirksamkeit.
- Soziale Bedürfnisse nach Interaktion und Verbundenheit mit anderen Menschen. Dazu zählt auch das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Fairness.
- Persönliches Wachstum durch den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten.
- Freude an der Tätigkeit, etwas ausprobieren, sich selbst etwas beweisen, Stolz, Freude am Gelingen, am Einsetzen der eigenen Stärken, am Problemlösen.
- Interesse an den Arbeitsinhalten, am erworbenen Wissen, Befriedigung von Neugier.
- Die Macht, andere zu lenken und zu beeinflussen, um eigene Interessen und Ansichten durchzusetzen, Gefühle von Überlegenheit und Stärke zu erleben, mehr als andere zu gelten, bewundert zu werden (Brandstätter, 2018, 73).
Werden Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass Erwerbstätige die ihnen bei der Arbeit wichtigen Bedürfnisse befriedigen können, kann dies sowohl zu mehr Leistungsmotivation als auch zu mehr Arbeitszufriedenheit führen. Die Vielzahl der Motivatoren macht deutlich, dass die Herausforderung komplex ist. Die Präferenzen und Eignungen können im Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen. Es sind zudem Ziel- und Interessenkonflikte zu lösen oder als unvermeidbar hinzunehmen. Diese resultieren z. B. aus Gegensätzen, wie Macht- und Kontrollstreben versus dem Wunsch nach Selbstbestimmung oder Risikofreude versus dem Wunsch nach Sicherheit. Ein Mensch möchte in der ersten Liga spielen, für einen anderen genügt auch die dritte Liga.
Selbstwirksamkeit und gut funktionierende soziale Beziehungen haben herausragende Bedeutung
Erhebungen zufolge kommen dem Erleben von Sinn bzw. Nützlichkeit und Bedeutung des eigenen Tuns, Selbstwirksamkeit, Autonomie sowie gut funktionierenden sozialen Beziehungen zu Vorgesetzten und anderen Kolleg:innen bei vielen Erwerbstätigen eine herausragende Bedeutung für die Arbeitsmotivation zu (Becker, 2019; Deci und Ryan, 2000a und 2000b; Happiness Research Institute, 2019). Zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit und der sozialen Beziehungen tragen neben dem Erwerb von fachlichem Know-how die Vermittlung allgemeiner Softskills bei. Dazu zählen unter anderem Schulungen in Selbstorganisation und Zeitmanagement, konstruktiver Kommunikation und Konfliktmanagement, Verhandlungsgeschick, Selbstregulation, Motivations-Training und Resilienz. Die Entwicklung solcher Softskills hilft, die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu erkunden und zu erweitern, Stress und negative Stressgefühle zu reduzieren, die Belastbarkeit zu erhöhen sowie die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und die Sozialverträglichkeit zu verbessern. Entsprechende Schulungen werden von vielen Betrieben unterstützt oder angeboten. Sie könnten auch verstärkt an Schulen und Hochschulen vermittelt werden.
Demotivatoren vermeiden
Ebenfalls bedeutsam ist die Abwesenheit von Faktoren, die Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit beeinträchtigen. Denn es ist kontraproduktiv, wenn zwar die Arbeitsinhalte motivieren, die Arbeitsbedingungen aber als hemmend oder frustrierend empfunden werden. Zu demotivierenden Faktoren zählen unter anderem (Herzberg, 1987; De Smet et al., 2021; Ganserer et al., 2021; Grömling et al., 2021; McKinsey Health Institute, 2022; Becker, 2019, 57 ff.): toxisches Verhalten am Arbeitsplatz wie Mobbing, Diskriminierung, Herabwürdigung, fehlende Kooperation, stark bremsende, bevormundende Hierarchien und lange Entscheidungswege, Mikromanagement, Überforderung und permanent hoher Druck, Unterforderung und Monotonie, beeinträchtigende oder belastende Arbeitsbedingungen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass nicht-monetäre Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation eine als angemessen und fair empfundene Bezahlung ergänzen, aber nicht ersetzen können. Unzufriedenheit mit der Bezahlung zählt zu den häufigsten Gründen, warum Arbeitnehmende das Unternehmen wechseln.
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation durch besseres Matching fördern
Von großer Bedeutung für Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation ist im Einzelfall auch, dass das Matching zwischen beruflichen Anforderungen und individuellen Präferenzen, Fähigkeiten und Stärken stimmt. Je besser das Matching, umso mehr Zufriedenheit, Motivation und Arbeitsleistung sind zu erwarten. Davon profitieren Beschäftigte, Betriebe und die gesamte Volkswirtschaft. Empirische Evidenz spricht dafür, dass es auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht lohnend ist, angehende Berufsanfänger:innen frühzeitig dabei zu unterstützen, ihre eigenen Präferenzen und Stärken zu reflektieren und sich mit den Berufsmöglichkeiten und Berufsanforderungen vertraut zu machen (Ada und Dustman, 2022; Grömling et al., 2021).
Mithilfe von Job Crafting können Erwerbstätige zudem selbst daran arbeiten, ihre berufliche Tätigkeit und die Arbeitsbedingungen im Rahmen der Möglichkeiten so an die eigenen Bedürfnisse und Stärken anzupassen, dass sie diese als motivierend empfinden (Berg et al., 2008). Ergänzend ist möglich, die positiven Aspekte der eigenen Arbeitsbedingungen stärker zu fokussieren und die eigenen Fähigkeiten anzupassen. Auch dies können Arbeitgebende fördern.
Den wachsenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenwirken
Zu einer abnehmenden Zufriedenheit mit aufsteigendem Alter kann eine Verschlechterung des Gesundheitszustands beitragen. Nach dem Fehlzeitenreport der AOK lag der Krankenstand im Jahr 2021 bei Frauen der Altersklasse 25 bis 29 Jahre bei 3,3 %, bei Männern bei 3,5 %. In der Altersklasse 60 bis 64 Jahre war der Krankenstand fast dreimal so hoch (vgl. Abbildung 5). Mit zunehmendem Alter nahm die Häufigkeit von Krankmeldungen zwar kaum zu, deren Dauer jedoch erheblich (Meyer et al., 2022). In den vergangenen Jahren sind Arbeitsausfälle durch psychische Erkrankungen stark gestiegen. Von 2012 bis 2021 hat sich nach Erhebungen der AOK die Zahl der Arbeitsausfalltage je 100 Versicherten aufgrund psychischer Erkrankungen um 38 % erhöht. Nach psychischen Erkrankungen treten solche des Muskel- und Skelettsystems am häufigsten auf.
Abbildung 5
Krankenstand nach Altersklassen und Geschlecht, 2021
Der Krankenstand wird von der AOK berechnet als krankheitsbedingt ausgefallene Arbeitstage zuzüglich der arbeitsfreien Tage, die in den Zeitraum der Krankschreibung fallen, geteilt durch sämtliche Tage des Kalenderjahres.
Quelle: Wissenschaftliches Institut der AOK, Fehlzeitenreport 2022.
Der Befund legt nahe, dass die Gesundheitsverträglichkeit der Arbeitsbedingungen und insbesondere psychische Belastungen sowie die psychische Belastbarkeit stärker beachtet werden sollten, wenn mehr ältere Menschen freiwillig und ohne Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität erwerbstätig bleiben sollen. Zu gesundheitsfördernden Maßnahmen zählen Arbeitsbedingungen, die häufigen belastenden Stress vermeiden, Resilienzschulungen sowie Gesundheits- und Fitnesskurse.
Die generelle Arbeitseinstellung verändern
Da die Einstellung zu Erwerbsarbeit bereits in jungen Jahren geprägt wird, müsste damit an den Schulen und in der Berufsausbildung begonnen werden. Dort können bereits Denk- und Arbeitsweisen vermittelt werden, die konstruktiver und effektiver Zusammenarbeit, Selbstwirksamkeit, Resilienz und dem Wunsch, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand und Zusammenhalt zu leisten, zuträglich sind. Ein geeignetes Denkmuster dafür wäre womöglich die japanische Philosophie des Ikigai, wonach sich Menschen als berufliche Tätigkeit eine erfüllende Lebensaufgabe suchen, die vier Kriterien erfüllt: Sie tun sie gerne, sie sind besonders gut darin, sie stiftet anderen Nutzen und sie können damit ihren Lebensunterhalt verdienen (Miralles und Garcia, 2016, 19 ff.).
Fazit
Die demografische Entwicklung wird ohne ausreichendes Gegensteuern zu einer erheblichen Zunahme der Fachkräfteknappheit und einem spürbaren Rückgang des Wachstums des Pro-Kopf-BIP, womöglich auch schleichender Schrumpfung, führen. Eine höhere Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung bietet großes Potenzial, dem entgegenzuwirken. Um diese über höhere Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation zu fördern, gibt es diverse Möglichkeiten:
- Es können materielle Anreize gesetzt werden.
- Arbeitszeiten und Möglichkeiten zum Homeoffice können so gestaltet werden, dass sie den Präferenzen der Beschäftigten entgegenkommen. Weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf können dies flankieren.
- Es können die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass sie Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation zuträglicher sind. Arbeitgebende können in Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmendenvertretung Konzepte einführen und erproben, die Arbeitsorganisation, Regeln der Zusammenarbeit sowie Führungs- und Mitbestimmungskultur in geeigneter Weise verändern. Eine Stärkung von Mitbestimmung und demokratischen Elementen könnte dabei ein geeigneter Ansatz sein.
- Es kann darauf hingewirkt werden, Erwerbsarbeit in der Gesellschaft ein positiveres Image zu verleihen. Dazu können Bildungsanstalten auch bei jungen Menschen eine positive Einstellung zu Erwerbsarbeit wecken und ihnen Vorgehensweisen aufzeigen, wie sie einen guten Start ins Berufsleben finden.
- Akteure in Medien, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und im Bildungswesen können die Herausforderungen und Erfordernisse deutlich machen, die sich für Deutschland und andere Staaten aufgrund der demografischen Entwicklung am Arbeitsmarkt ergeben, um Einsicht und Akzeptanz zu schaffen.
Es geht um nichts weniger, als die Arbeitsmotivation in Deutschland zu fördern, um den Wohlstand für alle zu sichern, öffentliche Leistungen zu finanzieren, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken sowie die digitale Transformation, den Weg in die Klimaneutralität und andere gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern.
Diesen Beitrag hat der Autor in freier Forschungsarbeit erstellt.
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