Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl befindet sich die US-Wirtschaft in einer Phase hoher gesamtwirtschaftlicher Kapazitätsauslastung und nach wie vor erhöhter Inflation. Auch zwei Jahre nach dem Beginn der ausgeprägten geldpolitischen Straffung – der Leitzins wurde zwischen März 2022 und August 2023 von nahe null auf knapp 5,5 % erhöht – zeigt sich die Konjunktur robust, auch wenn es inzwischen Anzeichen für ein etwas moderateres Expansionstempo gibt. Gleichzeitig steigen die Preise nach wie vor schneller als das 2 %-Ziel der Notenbank. Die Kernrate der Inflation (Verbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel) stagnierte zuletzt bei 3,8 %, und auch die Kernrate des von der Notenbank als Maßstab präferierten Deflators für den privaten Konsum war zuletzt mit 2,8 % noch nicht zielkonform.
Wie sind vor diesem Hintergrund die wirtschaftspolitischen Programme der voraussichtlichen Kandidaten Biden und Trump zu bewerten? Insbesondere im Falle der Wahl von Donald Trump wären nach den bisherigen Verlautbarungen deutliche Änderungen im wirtschaftspolitischen Kurs denkbar, beispielsweise in den Bereichen Handels- und Industriepolitik, Finanzpolitik sowie Migrationspolitik.
Die Präsidentschaft Donald Trumps 2017 bis 2020 stand unter dem Motto „America First“. Arbeitsplätze sollten zurück in die USA geholt, das Verarbeitende Gewerbe revitalisiert und die negative Handelsbilanz von rund 500 Mrd. US-$ im Jahr 2016 sollte ausgeglichen werden. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Importzölle auf verschiedene Produkte erhoben und insbesondere China ins Visier genommen, sodass der durchschnittliche Zollsatz für chinesische Importe von 3 % auf 12 % stieg. Das Ergebnis der Politik war enttäuschend: Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe war Ende 2019 – vor dem coronabedingten Einbruch des Jahres 2020 – niedriger als bei Trumps Amtsantritt (vgl. Abbildung 1), die Beschäftigung in diesem Wirtschaftsbereich nicht stärker gestiegen als in den Jahren der zweiten Obama-Legislatur zuvor, und das Defizit in der Handelsbilanz war auf mehr als 600 Mrd. US-$ gestiegen. Trotz dieser Bilanz plant Trump offenbar für eine zweite Amtszeit Importzölle in noch weit größerem Umfang einzusetzen. So sollen Einfuhren allgemein mit einem Zoll von 10 % belegt werden; für Einfuhren aus China ist sogar ein Satz von 60 % angedacht. Nach Einschätzung der meisten Ökonomen würde diese Politik der Wirtschaft in den USA insgesamt schaden und die Inflation durch höhere Importpreise befeuern. Sie würde aber auch erhebliche negative Auswirkungen auf die übrige Welt haben, insbesondere dann, wenn China wie in den Jahren der ersten Trump-Präsidentschaft seinerseits mit Strafzöllen auf US-Importe reagieren würde (Obst et al., 2024).
Abbildung 1
Industrieproduktion: Verarbeitendes Gewerbe
Quartalsdaten. Gerahmt: Durchschnittliche jährliche Veränderungesrate in %
Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis.
Die Regierung Biden vertritt im Grundsatz ebenfalls einen protektionistischen Ansatz. Sie hat die Zölle der Vorgängerregierung weitgehend beibehalten und gegenüber China selektiv weitere Maßnahmen mit dem Ziel ergriffen, den technologischen Vorsprung der USA zu erhalten. Mit einem Zollanstieg auf breiter Front ist indes nicht zu rechnen. Protektionistische Elemente sind freilich auch in den großen industriepolitischen Programmen der gegenwärtigen Administration enthalten, insbesondere der Inflation Reduction Act und der CHIPS Act, die umfangreiche Subventionen für erneuerbare Energien und die Halbleiterindustrie bieten und zu einem starken Anstieg der Bauinvestitionen der Unternehmen beigetragen haben. Sie waren Anfang 2024 um 80 % höher als am Ende des Jahres 2022.
Die Ausgaben im Rahmen dieser großen Programme sind ein Grund dafür, dass das Defizit im Staatshaushalt auch vier Jahre nach der Coronakrise noch extrem hoch ist. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag es auf Bundesebene im vergangenen Jahr bei 6,2 %, eine höhere Defizitquote wurde seit dem Zweiten Weltkrieg nur in den Coronajahren 2020/2021 und in den Jahren nach der Finanzkrise verzeichnet (vgl. Abbildung 2). Das finanzpolitische Programm Präsident Bidens würde insbesondere die Unternehmen und die Bezieher hoher Einkommen stärker belasten und die Staatsverschuldung längerfristig deutlich senken. Dies kommt beispielsweise im Haushaltsentwurf für das Fiskaljahr 2024 zum Ausdruck, der aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress allerdings nicht umgesetzt werden konnte (Tax Foundation, 2024). Demgegenüber sind von einem Präsident Trump Steuersenkungen zu erwarten. In jedem Fall dürfte er die im kommenden Jahr auslaufenden Teile der Einkommenssteuersenkungen aus der von ihm im Jahr 2017 beschlossenen Steuerreform permanent machen. Während Biden die Körperschaftsteuer, die damals auf 21 % gesenkt wurde, wieder erhöhen will, würde Trump sie gerne nochmals – etwa auf 15 % – senken. Zusätzliche Staatseinnahmen sollen zwar aus den höheren Zöllen generiert werden, doch ohne erhebliche Einschnitte bei den Staatsausgaben, die Trump auch in seiner ersten Amtszeit gescheut hat, würde die Staatsverschuldung wohl weiter eskalieren. Sie beträgt derzeit bereits 120 % des BIP.
Abbildung 2
Defizitquote US-Bundeshaushalt
Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis.
Der Umgang mit der massiv gestiegenen Zahl irregulärer Migranten ist ein wichtiges Thema im Wahlkampf und hat auch wirtschaftliche Implikationen. Trump hat angekündigt, Millionen dieser Einwanderer aus dem Land zu deportieren. Damit würden allerdings der US-Wirtschaft in erheblichem Umfang Arbeitskräfte entzogen. Der Zustrom von Immigranten ist eine Erklärung dafür, warum bei historisch niedriger Arbeitslosigkeit die Beschäftigung bis zuletzt kräftig zunehmen konnte, ohne dass sich der Inflationsdruck wieder erhöht hat (Edelberg und Watson, 2024). Wirtschaftlich wäre eine Rücksendung der Immigranten eine Belastung, da eingewanderte Arbeitnehmer offenbar komplementär zu einheimischen Arbeitnehmern sind. Erfahrungen mit regionalen Deportationsprogrammen unter Bush und Obama haben gezeigt, dass dort, wo Immigranten abgeschoben wurden, nicht nur die Zahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund zurückging, sondern als ungewollter Nebeneffekt auch die Zahl der Beschäftigten amerikanischer Nationalität (East et al., 2018). Ungünstig ist auch die Erfahrung aus der ersten Präsidentschaft Trumps: Während die Zahl der irregulären Migranten in den Jahren 2017 bis 2020 kaum sank, ging die Zahl regulärer Einwanderer, die für den Arbeitsmarkt besonders wichtig sind, deutlich zurück (Heidland, 2020).
Alles in allem birgt die Kombination der Trump’schen Politikansätze erhebliche Inflationsrisiken. Einerseits würden höhere Zölle die Preise direkt erhöhen, wurden Zölle doch in der Vergangenheit auch weitgehend überwälzt (Cavallo et al., 2019). Eine expansive Fiskalpolitik würde andererseits die Nachfrage anregen, während gleichzeitig das Arbeitskräftepotenzial durch eine restriktive Einwanderungspolitik reduziert würde. Dies könnte die Geldpolitik vor neue Herausforderungen stellen. Eine schuldenfinanzierte Steuersenkung könnte bei dem derzeitigen bereits großen Finanzierungsbedarf des Staates und dem sehr hohen Niveau der Staatsverschuldung zudem an den Finanzmärkten Nervosität auslösen und zu höheren Kapitalmarktzinsen führen.
Literatur
Cavallo, A., Gopinath, G., Neiman, B. und Tang, J. (2021), Tariff Pass-Through at the Border and at the Store: Evidence from US Trade Policy, American Economic Review: Insights, 3(1), 19-34.
East, C. N., P. Luck, H. Mansou und A. Velasquez (2018), The Labor Market Effects of Immigration, IZA Discussion Paper, 11486.
Edelberg, W. und T. Watson (2024), New immigration estimates help make sense of the pace of employment. The Hamilton Project, March 2024, https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2024/03/20240307_ImmigrationEmployment_Paper.pdf (8. Mai 2024).
Heidland (2020), Vier Jahre Trump‘sche Einwanderungspolitik in den USA: Weniger Immigration, aber anders als versprochen, Kieler Kurzanalyse, https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/vier-jahre-trumpsche-einwanderungspolitik-in-den-usa-weniger-immigration-aber-anders-als-versprochen-26967/ (8. Mai 2024).
Obst, T., J. Matthes und S. Sultan (2024), What if Trump is re-elected?, IW-Report, 14-2024.
Tax Foundation (2024), Tracking 2024 Presidential Tax Plans, https://taxfoundation.org/research/federal-tax/2024-tax-plans/ (8. Mai 2024).