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Der Austausch von fossilen Energieträgern durch alternative Energieträger, insbesondere in der Industrie, der das Ziel hat, den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) signifikant zu verringern, gewinnt mehr und mehr an Relevanz in der öffentlichen Diskussion. Eine besondere Bedeutung wird dabei dem chemischen Rohstoff Wasserstoff (H2) und dessen Rolle als Inputfaktor beigemessen. Wasserstoff wird durch den Prozess der Elektrolyse, d. h. der Aufspaltung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff gewonnen, und gilt als besonders nachhaltig mit Bezug auf die Reduktion von CO2-Emissionen.

Die Nationale Wasserstoffstrategie 2020 der Bundesregierung sieht unter anderem den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Form eines Kernnetzes vor. Darüber hinaus sollen Anwendungen in der Industrie und im Verkehrsbereich gefördert werden. Als Zielsetzung soll bis zum Jahr 2030 die Elektrolysekapazität bundesweit auf 10 Gigawatt ausgebaut werden, um 30 % bis 50 % des deutschen Wasserstoffbedarfs decken zu können (BMWK, 2020, 2023). Neben der Reduzierung von CO2-Emis­sionen erhofft sich die Bundesregierung einen positiven Impuls für die konjunkturelle Entwicklung in der mittleren bis langen Frist. Solche Einschätzungen sind politisch gesehen verheißungsvoll, insbesondere dann, wenn für die nahe Zukunft lediglich von einer geringen wirtschaftlichen Erholung ausgegangen wird (HWWI, 2024).

Bei der Einschätzung von potenziellen konjunkturellen Auswirkungen ausgehend vom Ausbau von Elektrolysekapazitäten muss jedoch primär berücksichtigt werden, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der zukünftige Wasserstoffpreis über den Preisen von fossilen Ressourcen liegen wird. Konkret wird hinsichtlich der Existenz dieser Preislücke davon ausgegangen, dass im Jahr 2030 die H2-Herstellungskosten um den Faktor 2,3 höher ausfallen werden (Doucet et al., 2023; EWI, 2022). Dies würde zu einer kostspieligen Transformation in der Industrieproduktion weg von der Nutzung von Inputfaktoren wie Erdgas hin zu Wasserstoff für die betroffenen Unternehmen führen, vornehmlich in der Stahl- und Kupferindustrie.

Durch Investitionen in den Kapitalstock und durch technische Innovationen mit dem Ziel der Ausweitung des H2-Angebots zur Weiterverwendung in anderen Industrien, könnte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden. Konkret gilt es zu untersuchen, wie hoch ein aus den Angebotsschocks resultierender Rückgang im Wasserstoffpreis ausfallen würde. Um diese Frage zu beantworten, sollen im Folgenden Simulationsergebnisse auf Basis des HWWI-eigenen CGE-Modells herangezogen werden.1 Der Schwerpunkt der Simulation liegt auf dem norddeutschen Raum. Aus Gründen der Darstellbarkeit der Ergebnisse wird von einer Produktion von „grauem“ Wasserstoff, d. h. lediglich auf fossilen Energieträgern beruhender H2-Produktion, ausgegangen.

Basierend auf den öffentlich zugänglichen Angaben von Wasserstoffproduzenten in den Bundesländern Bremen (HB), Hamburg (HH), Mecklenburg-Vorpommern (MV) und Schleswig-Holstein (SH) sind für den Zeitraum von 2022 bis 2030 Nettoinvestitionen in den Aufbau von Elektrolysekapazitäten in Höhe von insgesamt 15,71 Mrd. US-$ geplant. Neben der Ausweitung der Elektrolysekapazitäten wird aufgrund technologischer Innovationen von einer Verbesserung des Wirkungsgrads bei der H2-Herstellung von 11 % ausgegangen (Agentur für erneuerbare Energi-en e. V., 2018). Der letztgenannte Angebotsschock wird neben den vier oben genannten Bundesländern auch für Niedersachsen (NI) angenommen.

Die Abbildungen 1 und 2 weisen die Simulationsergebnisse ausgedrückt in prozentualen Änderungsraten mit Bezug auf das Basisjahr 2022 und das finale Jahr 2030 aus. Abbildung 1 verdeutlicht, dass die Entwicklung der H2-Produktion sehr stark in jenen Bundesländern ausfällt, in denen eine Kapitalausweitung zu beobachten ist. Dementsprechend gilt dies für Niedersachsen nicht. Gleichzeitig sinken die H2-Preise, wie in Abbildung 2 dargestellt, im zweistelligen Bereich.

Abbildung 1
Prognostizierte Entwicklung der H2-Produktion
Prognostizierte Entwicklung der H2-Produktion

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 2
Prognostizierte Entwicklung der H2-Preise
Prognostizierte Entwicklung der H2-Preise

Quelle: eigene Darstellung.

Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der zugrundeliegenden ökonomischen Theorie, wonach eine Ausweitung des Angebots ohne Änderung der Nachfrage zu einer steigenden Industrieproduktion bei sinkenden Güterpreisen führt. Insbesondere der nahezu identische prozentuale Rückgang des H2-Preises in Schleswig-Holstein und Bremen von circa 36 %, welcher sich aufgrund einer bestehenden stark unelastischen Nachfrage in beiden Regionen ergibt, sticht heraus.

Trotz dieser Entwicklung sind starke positive konjunkturelle Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der einzelnen Bundesländer in dieser isolierten Betrachtung nicht zu erwarten. Bezogen auf den gesamten norddeutschen Raum fallen die entsprechenden Änderungsraten von +0,15 % vernachlässigbar gering aus. Ebenso sind nur sehr schwache Beschäftigungseffekte zu beobachten (+0,05 %), wobei sich leichte Anstiege in den regional geltenden Reallöhnen (+0,1 %), hervorgerufen durch die Mobilität des Inputfaktors Arbeit, ergeben.

Makroökonomisch wirken sich somit beide Angebotsschocks kaum wahrnehmbar aus. Der Grund ist darin zu finden, dass positive Übertragungseffekte einer Senkung des H2-Preises gering sind, da Wasserstoff nur in kleinen Mengen in wenigen Industrien eingesetzt wird und diese demnach nur schwach an dessen Preisentwicklung partizipieren.

Die Simulationsergebnisse auf Grundlage des HWWI-eigenen CGE-Modells für den norddeutschen Raum deuten zusammengefasst auf eine potenzielle Ausweitung der H2-Produktion zwischen etwa 17 % und bis zu 163 % in den betrachteten Regionen hin. Aufgrund der damit zu erwartenden Senkung der H2-Herstellungskosten ist von einer Konvergenz der Preise für Wasserstoff und für fossile Energieträger auszugehen. Sinkende Kosten für den Einsatz von Wasserstoff in der Größenordnung von 18 % bis 36 % würden somit den Aufbau einer CO2-armen Industrieproduktion in der Zukunft stark begünstigen.

Die vorliegende Publikation ist im Zuge der Mitarbeit des HWWI an den Projekten „Norddeutsches Reallabor“ (gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz; Förderkennzeichen 03EWR007A-V) sowie „hydrogen for Bremen’s industrial transformation“ (hyBit) (gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung; Förderkennzeichen 03SF0687A) entstanden.

  • 1 Ein CGE(Computable General Equilibrium)-Modell stellt ein Analysetool dar, das basierend auf ökonomischen Annahmen ein mathematisches Gleichungssystem mit Angaben zu empirisch beobachteten Niveaugrößen, ausgedrückt in Preisen multipliziert mit den Mengen in einem zu berücksichtigenden Basisjahr, verbindet. Im Zuge einer komparativ-statischen Analyse für die lange Frist können dann die Auswirkungen von Schocks ausgedrückt in prozentualen Änderungsraten der Modellvariablen untersucht werden. Das hochdimensionale HWWI-eigene CGE-Modell bildet die Produktion in 33 Industrien und somit den Austausch von 33 Gütern in 12 unterschiedlichen Regionen ab. Die Datengrundlage basiert auf Informationen von Eurostat und dem Global Trade Analysis Project mit dem Basisjahr 2017.

Literatur

Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (2018), Metaanalyse: Die Rolle erneuerbarer Gase in der Energiewende.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2020), Die Nationale Wasserstoffstrategie.

BMWK – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023), Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie.

Doucet, F., J.-E. von Düsterlho, H. Schäfers, L. Jürgens, C. Schütte, H. Barkow, N. Neubauer, B. Heybrock und N. Jensen (2023), Grüner Wasserstoff für die Energiewende Potentiale, Grenzen und Prioritäten – Teil 4: Der Industriesektor, NRL – Studienreihe Potentiale, Grenzen, Prioritäten – Grüner Wasserstoff für die Energiewende, Norddeutsches Reallabor.

EWI – Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (2022), Szenarien für die Preisentwicklung von Energieträgern.

HWWI – Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (2024), HWWI Konjunkturprognose Deutschland, Sommer 2024, HWWI-Prognose, 2/2024.

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DOI: 10.2478/wd-2024-0111