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Bis zum Jahr 2030 will die EU mindestens 10 % der strategischen Rohstoffe, die sie verbraucht, im eigenen Land gewinnen bzw. verarbeiten (40 %) und recyceln (25 %). Nicht mehr als 65 % dieser wichtigen, aber seltenen Ressourcen sollen aus einem einzigen Drittland stammen. Die Benchmarks des Critical Raw Materials Act (CRMA) sollen in erster Linie durch finanziell geförderte strategische Projekte erreicht werden. Die Autarkieziele für Rohstoffe erscheinen jedoch aus technischen und ökologischen Gründen unrealistisch. Stattdessen sollte die EU verstärkt Partnerschaften mit gleichgesinnten Ländern eingehen.

Die EU hängt hochgradig von Rohstoffen ab, die in China gewonnen oder verarbeitet werden.1 Besonders kritisch ist die Situation bei Ausgangsstoffen für Batterien und Metallen für Magnete, beides Grundpfeiler der Energiewende. Hier ist die Volksrepublik inzwischen oft der mit Abstand wichtigste, teilweise sogar der einzige Lieferant der Europäischen Union (EU-Kommission, 2023a). Die weltweite Nachfrage nach diesen Rohstoffen dürfte drastisch zunehmen – z. B. bei Seltenen Erden zwischen 2022 und 2035 von 170.000 auf 466.000 Tonnen (Detry et al., 2023). Gleichzeitig steigt das Risiko, dass China seine Marktmacht als Waffe einsetzt. Bereits zwischen 2009 und 2020 verneunfachte das Land die Ausfuhrbeschränkungen für wichtige Rohstoffe. Auch absolut übertraf deren Zahl die Restriktionen jedes anderen wichtigen Lieferanten bei Weitem (Kowalski & Legendre, 2023). Japan litt schon 2010 bei Seltenen Erden unter einem Liefer­embargo Chinas, damals der praktisch einzige Lieferant Japans (Gholz & Hughes, 2021). Erst Ende 2023 verbot China den Technologieexport zur Verarbeitung Seltener Erden für Magnete. Diese Maßnahme ergänzte ein bereits verhängtes Exportverbot für Technologie zur Förderung und Trennung dieser Materialien (Liu & Patton, 2023).

Die EU verabschiedete deshalb am 18. März 2024 ein Gesetz über kritische Rohstoffe (Amtsblatt der Euro­päischen Union, 2024). Dieser „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) ist Teil einer umfassenden Wirtschaftssicherheitsstrategie, mit der die EU, vor allem die EU-Kommission (2024), Risiken diversifizieren und eine höhere Selbstversorgung erreichen will.

EU-Gesetz zu kritischen Rohstoffen

Im Wesentlichen will der CRMA durch sogenannte „strategische Projekte“ die Rohstoffabhängigkeit von Drittstaaten senken. Daneben sollen die Einfuhren diversifizierter ausfallen und die Anreize für technologischen Fortschritt inklusive eines effizienten Ressourceneinsatzes entlang der gesamten Wertschöpfungskette steigen (Art. 1). Durchweg gelten umfangreiche Nachhaltigkeitsanforderungen (z. B. Art. 29-32a, Annex IV und V). Das Gesetz unterscheidet kritische und strategische Rohstoffe. Als kritisch definiert werden alle Materialien, die für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig sind (Art. 4 und Anhang II.1). Als strategisch gilt die Teilmenge, die zusätzlich ein hohes Versorgungsrisiko aufweist (Art. 3 und Anhang I.1).2 Die EU-Kommission darf die Liste kritischer Rohstoffe mindestens alle drei Jahre aktualisieren, die Liste strategischer Rohstoffe jederzeit. Derzeit stuft der CRMA faktisch 49 Elemente des Periodensystems als kritisch ein, davon 28 zusätzlich als strategisch.3 Dies betrifft damit deutlich mehr als die Hälfte der 83 chemischen Elemente, die wirtschaftlich nutzbar sind (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Kritische und strategische Rohstoffe im Periodensystem
Kritische und strategische Rohstoffe im Periodensystem

Kritisch: hellblau unterlegt; strategisch: violett-kursiv; wirtschaftlich nicht nutzbar, da radioaktiv: grau.

Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union (2024); eigene Darstellung.

Bis 2030 soll die EU mindestens 10 % ihres jährlichen Verbrauchs strategischer Rohstoffe durch den Ausbau eigener geologischer Förderkapazitäten gewinnen. Mindestens 40 % sollen aus erhöhten EU-Verarbeitungskapazitäten entlang der Wertschöpfungskette stammen und mindestens 25 % aus Recycling innerhalb der EU. Höchstens 65 % eines strategischen Rohstoffs sollen noch aus einem einzigen Drittland stammen (Art. 5).4

Das Herzstück der Verordnung stellen strategische Projekte dar, die zum Erreichen der Quoten beitragen sollen. Sie können inner- und außerhalb der EU von den Einzelstaaten oder der EU-Kommission gefördert werden. Entsprechende Anträge müssen einheitliche und zahlreiche Kriterien erfüllen. Neben einem Geschäftsplan und Informationen zur technischen Machbarkeit ist insbesondere nachzuweisen, dass diese Projekte die EU-Sicherheit beim Angebot strategischer Rohstoffe signifikant steigern, in jeder Hinsicht nachhaltig umgesetzt werden und einen grenzüberschreitenden Nutzen stiften. Über förderwürdige Projekte entscheidet die EU-Kommission. Sie lässt sich dabei von einem „European Critical Raw Materials Board“ beraten. Die von einer Maßnahme betroffenen Staaten erhalten ein Widerspruchsrecht (Art. 5-7 und Anhang III). Strategische Projekte sollen in der Regel binnen 27 Monaten (Gewinnung) bzw. 15 Monaten (Verarbeitung und Recycling) genehmigt werden (Art. 11). Sie erhalten umfassende finanzielle Hilfe: Die EU-Kommission unterstützt die Suche nach privaten Geldgebern (Art. 15) und steuert Finanzmittel aus zahlreichen europäischen Quellen bei, etwa der Europäischen Investitionsbank, der Global Gateway Initiative (Art. 16), des Europäischen Regionalfonds, des Just Transition Funds, der Aufbau- und Resilienzfazilität, des Innovationsfonds und des InvestEU-Programms. Für Drittländer stehen weitere Mittel bereit, wie z.B. der Nachbarschaftsfonds oder der Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung Plus. Staatliche Beihilfen sieht die EU hier als sinnvolles Anreizinstrument – die Verordnung verweist auf jüngst überarbeitete Beihilfe­regeln (Rat der Europäischen Union, 2024, 8 f.). Jenseits der EU-Projekte für strategische Rohstoffe sollen die nationalen Genehmigungsverfahren für sämtliche kritischen Rohstoffe vereinheitlicht und vereinfacht werden (Art. 9). Daneben soll jedes Mitgliedsland ein Explorationsprogramm für kritische Materialen etablieren und mindestens alle fünf Jahre aktualisieren. Alternativ muss seine Regierung darlegen, inwiefern die geologischen Voraussetzungen dafür höchstwahrscheinlich fehlen (Art. 19).

Neben den strategischen Projekten plant der CRMA ein umfassendes Risikomonitoring für kritische Rohstoffe auf Gemeinschaftsebene. Für jeden strategischen Rohstoff soll es darüber hinaus mindestens alle drei Jahre einen Stresstest über die gesamte Lieferkette geben. Häufigere Tests können aus dem Risikomonitoring folgen (Art. 20). Die notwendigen Daten haben überwiegend die Mitgliedsländer zu liefern (Art. 21). Sie sollen der EU auch melden, wie sich ihre strategischen Vorräte an strategischen Rohstoffen innerhalb der vergangenen fünf Jahre entwickelt haben. Ausnahmen können aus nationalen Sicherheitsinteressen folgen (Art. 22). Die EU erstellt auf Basis der nationalen Berichte einen gemeinschaftlichen Soll-Ist-Abgleich. Sie darf den Ländern vorschlagen, wie diese ihr Angebot je strategischem Rohstoff erhöhen könnten (Art. 23). Auch Großunternehmen sollen zukünftig ihre Lieferkettenrisiken bei diesen Materialien mindestens alle drei Jahre analysieren. Jedes Mitgliedsland legt einmal jährlich fest, welche bei ihm tätigen Firmen das sind. Die Verordnung nennt hier zahlreiche Tätigkeitsfelder (Art. 24).

Besonders detailliert regelt der CRMA das nationale Recycling kritischer Rohstoffe. Jedes Land soll unter anderem den technischen Fortschritt sowie eine effizientere Ressourcennutzung anregen, die Abfallvermeidung fördern und der EU-Kommission über seine Anstrengungen umfassend berichten (Art. 26). Auf die Hersteller einzeln aufgezählter Industrie- oder Konsumgüter, die Permanentmagnete auf Basis strategischer Rohstoffe enthalten, kommen erhebliche Dokumentationspflichten zu (Art. 28-29). Schließlich strebt das Gesetz Einkaufsgemeinschaften je strategischem Rohstoff auf Gemeinschaftsebene und strategische Rohstoffpartnerschaften an (Art. 25 bzw. 37).

Bedeutung einer EU-Rohstoffstrategie

Der CRMA erwähnt China kein einziges Mal. Das Land ist jedoch der sprichwörtliche Elefant im Raum: Derzeit überschreitet die EU bei 16 der insgesamt 28 strategischen Elemente die Lieferquote von maximal 65 % je Land, oft sogar dramatisch (vgl. Abbildung 2). Allein zehn Materialien liefert China. Aus Südafrika stammen vier, jeweils eins kommt überwiegend aus der Türkei bzw. Chile. Ausgerechnet bei strategischen Rohstoffen aus China nahmen die Exportbeschränkungen jedoch jüngst zu.

Abbildung 2
Klumpenrisiken der EU bei strategischen Rohstoffen
Klumpenrisiken der EU bei strategischen Rohstoffen

Farbskala: Zahl der strategischen Elemente aus einem Drittland mit über 65 % Lieferanteil in die EU, jeweils der höhere der Lieferanteile aus Gewinnung oder Verarbeitung gemäß Engpassmethode der Quelle.

Quelle: EU-Kommission (2023a); eigene Darstellung.

Für das Industriemetall Gallium benötigen chinesische Exporteure beispielsweise seit August 2023 eine Ausfuhrlizenz. Lange Bearbeitungszeiten senkten Chinas Gallium-Exporte dadurch im August und September 2023 auf Null. Auch anschließend erholten sich die Ausfuhren nur langsam (Tradium, 2024). Gallium ist vor allem bei der Herstellung von Halbleitern notwendig. Es entsteht als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Industriemetallen, wie z.B. Aluminium oder Zink. Die EU bezieht derzeit 69 % ihres Bedarfs (Verarbeitungsstufe) aus China. Nur 2 % stammen aus der EU. Sie resultieren aus Deutschlands Reserven, denn bis 2016 gab es einen Gallium-Hersteller in Stade (EU-Kommission, 2023a; BGR, 2018). Noch 2011 war Deutschland mit 49 % der größte Hersteller der Welt, gefolgt von Kasachstan mit 26 % und Russland mit 18 % (Marscheider-Weidemann et al., 2021). Was war zwischenzeitlich geschehen? Der grundsätzlich sehr volatile Galliumpreis hatte Mitte 2011 noch rund 940 US-$ je Kilo erreicht. Bis 2018 lag er jedoch mehrere Jahre lang unter 200 US-$. Das lag vor allem an Chinas erheblich gesteigerten Gallium-Kapazitäten und dortigen Preisen unterhalb der Produktionskosten (Liedtke & Huy, 2018). Chinas Angebotsbeschränkungen und die bis 2050 prognostizierten, erheblichen Nachfragesteigerungen (IEA, 2023b; Carrara et al., 2023; Marscheider-Weidemann et al., 2021) könnten daher die Gallium-Produktion in Deutschland langfristig wieder wettbewerbsfähig machen.

Tabelle 1
Das EU-Gesetz über kritische Rohstoffe (CRMA)
Ziele bis 2030 EU-Selbstversorgungsanteil gemessen am EU-Verbrauch bei strategischen Rohstoffen: ≥ 10 % Abbau, ≥ 40 % Verarbeitung, ≥ 25 % Recycling; ≤ 65 % je Lieferland
Strategische Projekte für strategische Rohstoffe Finanzielle Förderung nachhaltiger Angebotssteigerung von grenzüberschreitendem Nutzen
Schnelle Genehmigung: ≤ 27 Monate für Abbau-, ≤­ 15 Monate für Verarbeitungs-/Recycling-Projekte
EU-Kommission entscheidet, European Critical Raw Materials Board berät
Risiko-monitoring Für kritische Rohstoffe auf EU-Ebene; umfassende nationale Berichtspflichten
Stresstests Für strategische Rohstoffe; Risikoanalyse bei Großunternehmen mindestens alle 3 Jahre
Magnet-Recycling Detailliert geregelt → Technischer Fortschritt + effizientere Ressourcennutzung
Kurz erwähnt EU-Einkaufsgemeinschaften (strategische Rohstoffe); Rohstoffpartnerschaften

Quelle: Amtsblatt der Europäischen Union (2024); eigene Darstellung.

Bei wichtigen Seltenerdmetallen ist die EU besonders abhängig von China. Sieben von ihnen definiert der CRMA unter dem Oberbegriff „Seltene Erden für Magnete“ als strategisch: Cer, Neodym, Praseodym und Samarium sowie Dysprosium, Gadolinium und Terbium. Bei den vier erstgenannten „Light Rare Earth Elements“ (LREE) stammen 69 % des verarbeiteten Bedarfs aus China, bei den anschließenden drei „Heavy Rare Earth Elements“ (HREE) sogar 100 % (vgl. Abbildung 2). Auch hier wird bis 2050 ein drastisch höherer Bedarf prognostiziert (IEA, 2023b; Carrara et al., 2023; Marscheider-Weidemann et al., 2021). Es kommt aber nicht von ungefähr, dass es weltweit nur wenige Produktionsstätten Seltener Erden gibt und 2023 allein China davon 70 % auf der Abbau- und 90 % auf der Verarbeitungsstufe stellte (IEA, 2023a). Die Seltenerdmetalle sind zwar für moderne Technologien, wie z.B. Permanentmagnete besonders leistungsfähiger Elektromotoren und Windkraftgeneratoren, notwendig, jedoch kommen sie in Lagerstätten nur gemeinsam – in variierenden Konzentrationen und in der Regel als Beiprodukte – vor. Dies erschwert ihre Produktion, da sie chemisch aufwändig voneinander bzw. von Nicht-Seltenerdmetallen getrennt werden müssen. Unter letzteren befinden sich auch Uran und Thorium. Deren Radioaktivität führt zu Umweltproblemen (Marscheider-Weidemann et al., 2021). China war in der Vergangenheit bereit und in der Lage, diese produktionstechnischen Herausforderungen anzunehmen und Umweltprobleme zu tolerieren. Im Gegenzug folgten die Preise für Seltene Erden maßgeblich der chinesischen Förder- und Handelspolitik (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3
Preisentwicklung ausgewählter Seltener Erden
Preisentwicklung ausgewählter Seltener Erden

Ohne (strategisches) Gadolinium und Samarium.

Quelle: DERA (o.D.).

Bewertung der EU-Rohstoffstrategie

Hool et al. (2023) bieten eine erste umfassende Bewertung des ursprünglichen CRMA-Entwurfs. Stärken sehen sie insbesondere in seiner nachhaltigen Ausrichtung und Diversifizierungsstrategie. So werde enger mit Wertepartnern kooperiert. Auch volkswirtschaftliche Gutachten beschäftigen sich mit Rohstoffrisiken, die sich für die EU und insbesondere Deutschland gegenüber China ergeben (z. B. Baur & Flach, 2022; Deutsche Bundesbank, 2024; Baqaee et al., 2024). Die im CRMA erwähnten Rohstoffpartnerschaften mit Drittländern könnten zur Risikostreuung und zum Friendshoring beitragen. Denn unter den bisherigen Hauptlieferanten der EU befinden sich neben China, Südafrika, und der Türkei weitere Länder, die institutionell als fragil gelten und sich daher als unzuverlässige Partner erweisen könnten (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4
Ideale EU-Partner bei strategischen Elementen?
Ideale EU-Partner bei strategischen Elementen?

Blasengröße: Weltmarktanteil, sofern über 1 % oder EU-Rohstoffpartner.

Quelle Fragilitätsindex: The Fund for Peace (2023); übrige Daten: EU-Kommission (2023a); eigene Darstellung.

Bis Frühjahr 2024 schloss die EU-Kommission (2023b) neun strategische Vereinbarungen: im Juli 2021 mit Kanada und der Ukraine, im November 2022 mit Kasachstan und Namibia, im Juni bzw. Juli 2023 mit Argentinien und Chile sowie im November 2023 mit Grönland, Sambia und der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Speziell in Lateinamerika will sie außerdem im Rohstoffbereich – neben Chile und Argentinien – mit Brasilien, Kolumbien, Mexiko, Peru und Uruguay enger zusammenarbeiten. Mit den USA verhandelt sie ein bilaterales Abkommen über kritische Mineralien, mit gleich gesonnenen Ländern plant sie einen Klub für kritische Rohstoffe (Deutscher Bundestag, 2023). Die Abkommen mit Kanada, Grönland und der Ukraine dienen dem Friendshoring zweifellos. Daneben werden Staaten, die von China enttäuscht sind, enger an die EU-Werte gebunden – beispielsweise Chile (Boddenberg, 2024) oder die DR Kongo (Gerding, 2024).

Speziell die strategischen Projekte des CRMA könnten die Genehmigungsverfahren in den EU-Mitgliedstaaten beschleunigen und vereinfachen. Daneben würden erheblich mehr Finanzmittel für Recyclingaktivitäten mobilisiert. Die EU trüge durch ihre Subventionen also im Ideal­fall dazu bei, negative Umweltexternalitäten zu internalisieren. Schließlich subventionieren auch die USA, Kanada und Australien seit 2022 inländische Abbau- und Verarbeitungsanlagen für Seltene Erden, Japan eine entsprechende Separationsanlage (IEA, 2023a). Bereits seit 2017 fördern Australien und die USA daneben mehr Seltenerdmetalle. Sie wollen Chinas weltweiten Anteil senken, der zuvor über 80 % erreichte (DERA, o. D.).

Die neue Rohstoffstrategie hat aber auch große Schwächen. Überaus ambitioniert erscheint erstens die große Zahl der Rohstoffe, die das Gesetz als kritischen oder sogar strategisch einstuft (vgl. Abbildung 1). Zweitens wirken einheitliche Selbstversorgungsziele von 10 %, 40 % bzw. 25 % bis 2030 für sämtliche strategischen Rohstoffen undifferenziert. Die 40 % erreicht beispielsweise allein die finnische Verarbeitung schon heute bei Kobalt mit 62 % mühelos und bei Nickel mit 38 % fast. Bei den oben diskutierten Seltenerdmetallen dürfte die Anforderung dagegen kaum erreichbar sein. Selbst die eher wohlwollenden Hool et al. (2023) sehen große Herausforderungen darin, die Autarkieziele zu erreichen. Sie betonen daneben die Gefahr, durch die europäische Rohstoffstrategie die geopolitischen Spannungen zu verschärfen. Dies führt drittens dazu: Die für ein De-Risking zentralen Rohstoffpartnerschaften spielen zumindest im CRMA nicht nur eine Statistenrolle. Einige der neuen Partner sind außerdem fragile Staaten (vgl. Abbildung 4), um die der Westen und China zunehmend ringen. Rohstoffabkommen mit wichtigen Wertepartnern scheiterten dagegen zuletzt: Ein Freihandelsabkommen mit Australien und damit ein leichterer Zugang zu wichtigen australischen Rohstoffen scheiterte vor allem an europäischen Handelshemmnissen im Agrarsektor (Barkhausen, 2024) und das mit den USA angestrebte Critical Minerals Agreement (CMA) am zunehmend protektionistischen Kurs der Regierung Biden (Olk et al., 2024). Nur ein erweitertes Freihandelsabkommen mit Chile gelang (Rat der Europäischen Union, 2024). Zielkonflikte könnten sich außerdem bei einzelnen Partnerschaften zu den EU-Nachhaltigkeitszielen ergeben. In der DR Kongo stammen z. B. 10 % bis 20 % der wichtigen Kobaltproduktion aus informellem Kleinbergbau, in dessen Umfeld auch Kinder arbeiten. Hier dürfte es schwierig werden, die mit der EU vereinbarten Standards einzuhalten (Gerding, 2024). Auch der nordchilenische Lithium- und Kupfererzabbau müsste sich im Vergleich zu heute wesentlich sozialer und ökologischer gestalten. Unklar bleibt bisher, wie genau dies gelingen soll, zumal nun auch China in die chilenische Rohstoffverarbeitung drängt, während europäische Unternehmen bisher weitgehend fehlen (Boddenberg, 2024).

Viertens könnten sich bei strategischen Projekten erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten ergeben. Um beim Beispiel der wichtigen Seltenen Erden zu bleiben: Deren Verarbeitung zu Magneten setzt viel Kapital, spezifisches Wissen und technologische Erfahrung voraus. Die EU müsste hier eigene Verfahren (weiter-)entwickeln, um die aufwendigen Zwischenschritte, bei denen giftige, zum Teil radioaktive Abfälle entstehen, nachhaltig zu gestalten (Henke, 2024). Bisher existiert zwar für Seltene Erden in der EU eine Separationsanlage in Sillamäe/Estland. Auch Frankreich plant eine HREE-Anlage in La Rochelle (DERA, o. D.) Faktisch fördert Europa aber bisher keine Seltenerdmetalle. Sie kommen jedoch in Schweden, Finnland, Norwegen, Griechenland und Spanien vor. Theoretisch könnten z. B. mindestens 10 % der Seltenen Erden, die in Europa für die Herstellung von Permanentmagneten nötig sind, aus der alten Phosphatmine Sokli im finnischen Teil Lapplands stammen. Daneben findet sich das größte europäische Vorkommen Seltener Erden in der nordschwedischen Lagerstätte Per Geijer (Carrara et al., 2023). Die Bergbaugesellschaft LKAB, die 85 % des Eisenerzes der EU herstellt, möchte ihre Förderung in Kiruna entsprechend ausdehnen. Wäre dies gemäß EU-Gesetz binnen 27 Monaten möglich? Das Unternehmen rechnet aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit den schwedischen Behörden eher mit zehn bis 15 Jahren. Der Genehmigungsprozess gestalte sich allein wegen formaler Umweltschutzauflagen schwierig (LKAB, 2023). Überhaupt könnten die potenziellen Umweltbelastungen viele Projekte ausbremsen. Denn aus der Zivilbevölkerung wären erhebliche Widerstände gegen europäische Produktionsstätten Seltener Erden zu erwarten. Selbst in Myanmar bewegten 2022/2023 lokale Umweltschutzproteste die chinesischen Bergbaugesellschaften dazu, den dortigen Abbau Seltener Erden auszusetzen (IEA, 2023a). Dabei genießt die burmesische Bevölkerung in der Regel schlechtere Teilhaberechte als die europäische. In China hatte es dagegen jahrelang umfangreiche illegale Förderaktivitäten gegeben (DERA, o. D.). Das erscheint in der EU schwer vorstellbar.

Fünftens erweitert der CRMA den industriepolitischen Instrumentenkasten und die Bürokratisierung der EU. Hool et al. (2023) bewerten die gestärkte Industriepolitik zwar positiv. Vor allem die strategischen Projekte könnten aber ineffiziente Wirtschaftsstrukturen in Europa fördern – beispielsweise hochsubventionierte Bergwerke als Ersatz für ein Freihandelsabkommen mit Australien. Auch die neuen Berichts- und Dokumentationspflichten für Projektanträge, Risikomonitoring, Stresstests und Recycling erhöhen die Nebenkosten unternehmerischen Handelns.

Zusammenfassung und Fazit

Die EU erließ im März 2024 den Critical Raw Materials Act, der Selbstversorgungsziele für strategische, d. h. wichtige und knappe Rohstoffe, enthält. Bis 2030 soll die EU mindestens 10 %, 40 % bzw. 25 % ihres Verbrauchs heimisch fördern, verarbeiten bzw. wiederverwerten. Höchstens 65 % je strategischem Rohstoff sollen aus einem Drittland stammen. Diesen Zielen dienen vor allem finanziell geförderte strategische Projekte. Daneben existieren Rohstoffpartnerschaften mit bisher neun Ländern. Die Autarkieziele des CRMA wirken bei Rohstoffen wie Seltenerdmetallen aus technischen Gründen und Gründen des Umweltschutzes unrealistisch. Stattdessen sollte die EU mehr Rohstoffpartnerschaften mit Wertepartnern eingehen.

Ich danke meinem Mann Dr. Rainer Lowack für die Überprüfung der chemischen Grundlagen.

  • 1 Im vorliegenden Beitrag werden die Begriffe „Volksrepublik China“, „Volksrepublik“ und „China“ synonym verwendet. Hongkong, Macao und Taiwan sind analog zur EU-Kommission (2023a) nicht gemeint.
  • 2 Für strategische Rohstoffe kann zudem eine höhere Reinheit gefordert sein als für dasselbe Element als kritischer Rohstoff.
  • 3 Bei den kritischen Rohstoffen handelt es sich zu 90 % um chemische Elemente oder einfache Verbindungen davon. Die übrigen 10 % stellen Mineralien dar, in denen – mit Ausnahme von Feldspat – nur ein Element für die wirtschaftliche Bedeutung verantwortlich ist – z. B. das Aluminium im Bauxit. Abgesehen von Feldspat können folglich alle kritischen Rohstoffe auf jeweils nur ein „kritisches Element“ eindeutig zurückgeführt werden.
  • 4 Der CRMA unterteilt beispielweise die Herstellung von Metallen aus Erzen in „Extraction“ (Gewinnung, Förderung, Erz-Abbau oder -Aufkonzentrierung) und „Processing“ (Verarbeitung). Nicht zur Verarbeitung gehört die Weiterverarbeitung, z.B. zu Batterien.

Literatur

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Title:Critical Raw Materials (CRM): How the EU Wants to Decrease the Risk from China

Abstract:By 2030, the EU wants to extract, process and recycle domestically at least 10%, 40% and 25% respectively of the strategic raw materials it consumes. No more than 65% of these rare resources should stem from a single third country. The CRM Act’s benchmarks are primarily to be achieved via financially supported strategic projects. In addition, the EU signed raw materials partnerships with nine countries to date. However, the self-reliance targets for raw materials such as rare earth metals seem unrealistic for technical and environmental reasons. Instead, the EU should enter into more partnerships with likeminded countries.

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DOI: 10.2478/wd-2024-0126