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Der Schrecken war groß im Jahre 2022, als Deutschland durch den kriegsbedingten Boykott von russischen Energieträgern vor der Aufgabe stand, sich nach jahrelanger Abhängigkeit von den verlässlichen russischen Importen nun energetisch anderweitig über Wasser zu halten. Die Herausforderung war und ist groß. Sie wäre jedoch deutlich höher, wenn die Nutzung nicht-europäischer, insbesondere der amerikanischen Digitaltechnologien für Wirtschaft, Staat und Privatpersonen nicht weiter möglich wäre oder als politisches und wirtschaftliches Druckmittel eingesetzt würde.

Die GAFAM-Unternehmen (Google/Alphabet, Apple, Facebook/Meta, Amazon und Microsoft) bilden nur die Spitze eines Eisbergs an Firmen, welche die existierende europäische Abhängigkeit in Bereichen wie digitalen Plattformen, Kommunikation, Organisation oder Rechenzentren verdeutlichen. Mit Daten als dem neuen Öl unserer Wirtschaftszeit wird es daher auch für die europäischen Staaten darauf ankommen, sich für ein zunehmend datengetriebenes Industriezeitalter adäquat vorzubereiten und sich nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten bei den Themen Verteidigung oder Energie auf die Kooperation mit den USA respektive Russland bedingungslos zu verlassen, sondern durch Autarkie seinen Standort zu stärken.

Eine Bestandsaufnahme spricht indes eine erschreckende Sprache. Nur knapp 7 % der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Bereich Software und Internet werden von europäischen Firmen getätigt. Auch unter den 60 weltweit größten Firmen auf Basis ihrer Marktkapitalisierung im Bereich Künstliche Intelligenz findet sich aktuell als einzige europäische Adresse nur die italienische Firma Almawave. Somit muss es im Sinne des Resilienzgedankens zwingend im europäischen Interesse stehen, sich durch Autonomie in den digitalen Sektoren, mit eigener Software, Daten und KI-Innovation und Infrastruktur freier zu machen von globalen Machtverschiebungen. Dies gilt insbesondere, da sich die Vorhersehbarkeit in Bezug auf die Haltung von Ländern wie Russland, China oder den USA zu Europa in einer zunehmend multipolaren Weltpolitik weiter erschwert.

Vor allem durch die schiere Größe und Marktmacht, welche die Tech-Giganten bis heute erreicht haben und welche sie zunehmend nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich zu ihren eigenen Vorteilen nutzen können, wird es zunehmend schwerer für neue Firmen, in diese Märkte vorzudringen.

Einerseits sollten deutsche und europäische Digitalförderprogramme sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Digitalsektor unterstützt werden, um einen unbürokratischen digitalen Infrastrukturausbau und die dazugehörige Kommerzialisierung zu unterstützen, andererseits jedoch auch durch den Ausbau der MINT-relevanten Berufe eine Grundlage für die Entwicklung eigener zukunftsrelevanter digitaler Technologien geschaffen werden. Es stellt sich jedoch auch die Frage, wann vermehrt regulatorische Eingriffe auf europäischer Ebene durchgesetzt werden müssen, falls es zu Verletzungen des Regelwerks wie beispielsweise des Wettbewerbsrechts kommt (siehe Digital Market Act).

In Deutschland sind nicht nur Firmen schon heute von einer Vielzahl nicht-europäischer Digitalprodukte abhängig; auch die individuellen Präferenzen vieler Menschen sind mittlerweile verwurzelt und abhängig von den Produkten nicht-europäischer Firmen wie LinkedIn, Byte Dance oder Meta.

Daher wird eine europäische Förderung und Regelsetzung wohl nicht für das Autonomiebestreben ausreichen, sondern auch die Verbraucher und Privatpersonen stehen in ihrer Haltung gegenüber heimischen Produkten in der Verantwortung. Im Idealfall gäbe es eine Entwicklung eigener europäischer Produkte, um den gewohnheitsorientierten Endverbraucher auch von Programmen aus europäischer Hand begeistern zu können, was einen großen Schritt in Richtung europäischer Autonomie darstellen würde. Im Status quo scheint jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass im Krisenfall der digitale Strukturwandel sowohl in Bezug auf Firmen als auch auf Privatpersonen innerhalb kürzester Zeit stattfinden müsste, falls geopolitische Spannungen den Zugriff auf nicht-europäische Programme einschränken würden.

Ähnlich wie in den Domänen Energie und Verteidigung muss zunehmend Einsicht bestehen, durch Autonomie europäische Resilienz erreichen zu können, indem eigene digitale Systeme entwickelt werden, um in den betroffenen Zukunftstechnologien nicht vollständig den Anschluss zu verpassen. Dem Thema digitale Unabhängigkeit sollte daher sowohl im Privaten, bei den eigenen Nutzungsgewohnheiten als auch politisch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, um sich nicht in der sicheren Gewohnheit zu wiegen, für immer von fremden Technologien profitieren zu können.

Die hier geäußerten Ansichten sind ausschließlich die des Verfassers und dürfen keinesfalls als offizieller Standpunkt der Europäischen Kommission angesehen werden.

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© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.

DOI: 10.2478/wd-2025-0177