Arbeitslose und passende offene Stellen sind in Deutschland oft räumlich voneinander getrennt. Die dynamischsten Arbeitsmärkte finden sich in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München und generell im Süden, wo die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stetig wächst. Demgegenüber stehen hohe Arbeitslosenquoten in Städten wie Gelsenkirchen oder Bremerhaven, sowie in ländlichen Regionen Ostdeutschlands, Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens. Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, betonte auf der diesjährigen Tagung des Vereins für Socialpolitik, dass die geringe Mobilität – vor allem infolge von Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen – die Vermittlung von Arbeitskräften erschwere.
Grundsätzlich dürfte Arbeitsuchenden in strukturschwachen Regionen bewusst sein, dass sie ihre Jobchancen durch einen Ortswechsel verbessern können. Doch einer Umzugsentscheidung liegt eine ökonomische Abwägung zugrunde: Man wird nur dann zum Umzug bereit sein, wenn die erwarteten Gewinne (in Form eines höheren Lohnes und/oder der Vermeidung von Arbeitslosigkeit) höher sind als die Kosten der Mobilität. Ein wesentliches Mobilitätshemmnis sind dabei die sozialen Kosten, die durch den Wegzug von Familie und Freundeskreis entstehen. Hinzu kommt, dass die Wohnkosten in erfolgreichen Regionen erheblich höher sein können.
Tatsächlich sind die Wohnkosten in vielen Großstädten so hoch, dass es abhängig Beschäftigten oft nicht möglich ist, den Kostenunterschied zu anderen Städten auszugleichen. Die Nominallöhne steigen zwar tendenziell mit der Größe eines regionalen Arbeitsmarktes, die Unterschiede bei den Wohnkosten sind allerdings oft noch größer. Schon vor geraumer Zeit hat die Arbeitsmarktpolitik erkannt, dass Arbeitslose davon profitieren können, wenn sie ein weiter entferntes Jobangebot annehmen. Zwischen 2005 und 2008 bot die Bundesagentur für Arbeit Mobilitätshilfen für vormals Arbeitslose an, wenn sie eine Stelle in einer Entfernung annahmen, die einen Umzug oder eine doppelte Haushaltsführung erfordert. Caliendo et al. (2017) weisen nach, dass dieses Programm Löhne und Beschäftigungschancen dauerhaft erhöhte. Dies ist auf eine Verbesserung des Job Matching zurückzuführen: Durch die Vergrößerung des Suchradius erhöht sich die Zahl der potenziellen Jobs – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein passender Job dabei ist. Sie konstatieren jedoch, dass das Programm zwar im Vergleich zu anderen Maßnahmen relativ kostengünstig war, aber nur wenig in Anspruch genommen wurde. Heute werden entsprechende Hilfen nur noch für Auszubildende angeboten.
Tatsächlich besteht gerade für Leistungsbeziehende im SGB II auch eine Verpflichtung zur Mobilität, wenn dadurch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ermöglicht wird – sofern nicht triftige gesundheitliche oder familiäre Gründe dagegensprechen (§ 10 SGB II). Betrachtet man die Übergänge in Beschäftigung im Jahr 2022, so lag die Arbeitsstelle in rund 9 % der Fälle mehr als 100 km vom bisherigen Wohnort entfernt. Besonders mobil zeigten sich Jüngere, Singles sowie ausländische Arbeitskräfte (Mense & Wolf, 2025).
Seit einigen Jahren gibt es eine weitere Alternative: das Arbeiten von zuhause. Coskun et al. (2025) zufolge ist die durchschnittliche Pendeldistanz in Deutschland zwischen 2019 und 2023 um gut 10 % angestiegen, nachdem sie zuvor jahrelang konstant geblieben war. Dieser Anstieg geht fast ausschließlich auf Personen zurück, die in Berufen tätig sind, die prinzipiell von zuhause aus erledigt werden können. Die betreffenden Jobs sind größtenteils in den dynamischen Großstädten angesiedelt. Die Beschäftigten in diesen Jobs wohnen jedoch zunehmend außerhalb der Ballungsräume. Vor allem Betriebe in teuren Großstädten scheinen erkannt zu haben, dass sie durch großzügige Homeoffice-Regelungen ihre Fachkräfteengpässe zumindest teilweise lindern können.
Freilich ist das Homeoffice kein Allheilmittel, um Arbeitslose und offene Stellen zusammenzuführen – insbesondere nicht in den vielen Berufen, die manuelle Arbeit oder persönliche Nähe erfordern. Hier müssen Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik zusammengedacht werden. Ohne ausreichend bezahlbaren Wohnraum werden nur wenige Menschen bereit sein, in eine der prosperierenden Städte zu ziehen und dort einen Job anzunehmen.
Literatur:
Coskun, S., Dauth, W., Gartner, H., Stops, M. & Weber, E. (2025). Working from Home Increases Work-Home Distances. Arbeitspapier.
Caliendo, M., Künn, S. & Mahlstedt, R. (2017). The return to labor market mobility: An evaluation of relocation assistance for the unemployed. Journal of Public Economics, 148, 136–151.
Mense, A. & Wolf, K. (2025). Beschäftigungsaufnahmen von Personen in der Grundsicherung: Entfernung zwischen bisherigem Wohnort und Arbeitsort. IAB-Forschungsbericht, 16/2025.