Deutschland gilt im internationalen Vergleich als Nachzügler in Sachen wirkungsorientierter Haushaltsführung. Zwar hat der Bund seit den 2000er Jahren Fortschritte auf dem Weg zu einer stärker wirkungsorientierten Steuerung des Mitteleinsatzes gemacht. So besteht beispielsweise eine Evaluierungspflicht, Ausgaben werden regelmäßig überprüft und die Top-Down-Budgetierung hat die Eigenverantwortung der Ressorts für einen zielgerichteten Mitteleinsatz gestärkt. Dennoch existieren immer noch vielfältige Hindernisse, um tatsächlich zu den Vorreitern der ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung aufschließen zu können. Um eine solche Haushaltsführung in den kommenden Jahren zu stärken, empfiehlt sich ein breit angelegtes Maßnahmenbündel. Dieses Instrumentarium zur Hebung von Effizienzreserven im Bundeshaushalt sollte die nächste Bundesregierung engagiert nutzen.
Eigentlich muss es verwundern, dass eine ziel- und wirkungsorientierte Haushaltsführung (zwoH) in Deutschland nicht schon seit langem eine gängige Praxis ist, denn die Grundidee dieses Ansatzes ist eine Selbstverständlichkeit. Sie besteht darin, Haushaltsprogramme auf Ziele auszurichten, die Wirkungen der eingesetzten Mittel kontinuierlich mit geeigneten Indikatoren und Evaluationen zu beurteilen und bei fehlender Wirksamkeit die Budgetallokation zu korrigieren. Eine solche Steuerung öffentlicher Haushalte sichert nicht nur die Effizienz im Mitteleinsatz. Sie leistet darüber hinaus einen Beitrag zur Legitimation staatlichen Handelns. Der Staat, der seinen Bürgern über Steuern Ressourcen entzieht, sollte alles daran setzen, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass der Mitteleinsatz zielgerichtet erfolgt und lohnend ist. Damit wirkt eine funktionierende zwoH letztlich einer Politikverdrossenheit entgegen, die sich aus der Wahrnehmung von Staatsversagen speist.
Inputorientierung prägt die deutsche Haushaltspolitik
Trotz dieser unmittelbar einsichtigen Logik steht die haushaltspolitische Praxis in Deutschland noch nicht in einem umfassenden Einklang mit den Leitprinzipien der Wirkungsorientierung. In politischer und medialer Denkweise wird das Engagement für ein bestimmtes Politikziel regelmäßig in erster Linie am Mitteleinsatz festgemacht. Oft gilt immer noch derjenige als guter Klimapolitiker, der den größten Klimafonds durchsetzt, diejenige als gute Arbeitsmarktpolitikerin, welche die meisten Milliarden für arbeitsmarktpolitische Programme mobilisiert und derjenige als bester Verteidigungsminister, der das höchste Verteidigungsbudget auf den Weg bringt. Wenn diese Mittel dann auch noch planmäßig und vollständig abfließen und keine formalen Regeln verletzt werden, erhält eine Politik immer noch vorschnell das Gütesiegel „erfolgreich“. Diese Inputorientierung einer Bewertung nur an den eingesetzten Ressourcen steht im offensichtlichen Gegensatz zur Wirkungsorientierung mit ihrer Bewertung nach Ergebnissen.
In internationalen Vergleichen gilt Deutschland in Sachen Peformance-Orientierung dann auch als Nachzügler. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ordnet Deutschland in einer Viererklassifikation dem schwächsten Typus (OECD, 2019) zu. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe des „Presentational Performance Budgeting“ ist so definiert, dass zwar Performance-Indikatoren außerhalb des Budgets erhoben werden, diese jedoch noch nicht in das Haushaltsdokument, die Haushaltsführung und haushaltspolitische Entscheidungen integriert sind. Am weitesten fortgeschritten sind den OECD-Bewertungen zufolge hingegen Länder wie Kanada, das Vereinigte Königreich, Norwegen und Estland, die dem „Managerial Performance Approach“ zugeordnet werden. In dieser Klasse werden Wirkungsindikatoren bereits in den Haushalt integriert und beeinflussen die Haushaltsentscheidungen und -implementation.
Von Input und Output zu Outcome und Impact
Im Hinblick auf die von der Input- zur Ergebnisorientierung abzielende Grundintention der zwoH sind die folgenden vier Begriffe für das genauere Verständnis essenziell:
- Ein Input beschreibt die für ein Programm oder ein Politikfeld eingesetzten Ressourcen wie etwa die Haushaltsmittel für ein arbeitsmarktpolitisches Qualifizierungsprogramm zur Förderung der Beschäftigungsperspektive von Langzeitarbeitslosen.
- Ein Output steht für die im Rahmen der öffentlichen Leistungserstellung bereitgestellten Leistungseinheiten wie im Beispiel die durch das Arbeitsmarktprogramm finanzierten Personen-Seminartage.
- Ein Outcome stellt auf die mit der öffentlich finanzierten Leistung erzielten unmittelbaren Wirkungen ab wie etwa die Häufigkeit der Aufnahme einer Beschäftigung für Teilnehmer der Maßnahme („Interventionsgruppe“) im Vergleich zu einer ähnlichen Gruppe von Langzeitarbeitslosen, die nicht an der Maßnahme teilgenommen hat („Kontrollgruppe“).
- Ein Impact betont schließlich die Wirkungen, die längerfristiger Natur sind und über die unmittelbar vom Programm adressierten Gruppen hinausgehen. Das kann im Beispiel ein positiver Einfluss des Arbeitsmarktprogramms auf die langfristige Erwerbsbiografie der Teilnehmer und sich dadurch ergebende gesamtgesellschaftliche Folgen (Potenzialwachstum, Einkommens- und Vermögensverteilung, Finanzierungssituation der Sozialversicherungen) sein.
Ein Budgetsystem, das über die reine Inputbetrachtung hinausgeht, entwickelt sich zunehmend in Richtung Ziel- und Wirkungsorientierung. Für eine echte Ziel- und Wirkungsorientierung muss allerdings auch die Grenze zwischen „Output-“ und „Outcome“-Orientierung überschritten werden, weil erst mit den „Outcomes“ die Wirkungen öffentlicher Leistungserstellung in den Blick geraten. Auch wenn eine Entwicklung von der Input- zur Output-Orientierung noch nicht die Schwelle zur Ziel- und Wirkungsorientierung überschreitet, stellt diese dennoch bereits einen wichtigen Zwischenschritt dar. Durch die Gegenüberstellung von Input (Geldmittel) und Output (öffentliche Leistungserstellung) werden bereits Effizienzbetrachtungen möglich, auch wenn dadurch noch keine Aussagen zur Effektivität eines Programms getroffen werden können.
Der New Deal hat in den USA die Wirkungsorientierung vorangetrieben
Angesichts der eingangs erwähnten Funktion der zwoH, die Steuererhebung zu legitimieren, verwundert es nicht, dass sich die Wirkungsorientierung dort besonders früh entwickelt hat und heute stark ausgeprägt ist, wo – wie in den USA – eine besonders hohe Steueraversion besteht. Bereits in den 1900er und 1910er Jahren begannen US-Kommunen in New York und Chicago, erste Ansätze des Performance Budgeting umzusetzen. Schon 1912 stand bei diesen Neuerungen die „sorgfältige Betrachtung der erreichten Ergebnisse“ im Vordergrund, die mit den im Vorjahr eingesetzten Haushaltsmitteln erzielt worden waren, um daraus Schlüsse für zukünftige Haushaltsjahre zu ziehen (Nguyen, 2007, S. 94). Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Ziel- und Wirkungsorientierung mit den Empfehlungen der Hoover-Kommission im Jahr 1949 Eingang in den US-Bundeshaushalt. In der Literatur zur historischen Entwicklung der Wirkungsorientierung werden sowohl die Einführung der Einkommensteuer in den USA 1913 als auch der New Deal der 1930er-Jahre als wichtige Meilensteine betrachtet. Die zunehmende Ausweitung der Staatstätigkeit und ein verstärkter Steuerzugriff führten zu wachsendem öffentlichem Druck auf den Staat, transparenter und effizienter zu agieren. Das Performance Budgeting kann als Reaktion auf diesen Druck verstanden werden.
Innerhalb der OECD gehörten zwischen den 1960er und 1980er Jahren auch die anderen angelsächsischen Länder wie Kanada, das Vereinigte Königreich, Australien und Neuseeland zu den Vorreitern der Ziel- und Wirkungsorientierung in öffentlichen Haushalten (Ho, 2018; OECD, 2007). Erst in den 1990er Jahren wurde diese Ausrichtung zu einem breiten Trend, als Wirkungsbetrachtungen in die Haushaltssysteme der Mehrheit der OECD-Länder integriert wurden (OECD, 2007, S. 20). Häufig waren finanzielle und wirtschaftliche Krisen mit hohem Konsolidierungsbedarf ein entscheidender Auslöser für die Einführung von Ziel- und Wirkungsorientierungssystemen (OECD, 2007, S. 24). In Europa spielten der Maastrichter Prozess der 1990er Jahre und die Konvergenzkriterien für die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion eine wesentliche Rolle bei der Einführung solcher Systeme in Ländern wie Finnland, den Niederlanden und Spanien (van Nispen & Posseth, 2009). In Mittel- und Osteuropa wirkten die Anforderungen des Transformationsprozesses und die Vorbereitungen auf den EU-Beitritt als Katalysator (Schick, 2003).
Wirkungsbetrachtungen seit den 2000er Jahren auch im Bundeshaushalt (vor)angekommen
Über die Parteigrenzen hinweg gibt es in Deutschland heute immerhin einen grundsätzlichen Konsens, dass der Bund in seiner Haushaltspolitik die zwoH kontinuierlich stärken sollte. Die drei letzten Bundesregierungen mit ihren unterschiedlichen Parteifarben haben sich allesamt in den der Regierungsarbeit zugrunde liegenden Koalitionsverträgen von 2013, 2017 und 2021 zum Ziel einer stärkeren Wirkungsorientierung bekannt (Deloitte & ZEW, 2024, Abschnitt 9.2). Den Worten sind schon über die letzten Jahrzehnte immer wieder auch Taten gefolgt. So ist die Sichtweise, dass der Bund noch in keiner Weise wirkungsorientiert agiere, schon lange nicht mehr richtig.
So formuliert § 7 Bundeshaushaltsordnung (BHO) schon seit langem den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und eine Pflicht zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aller finanzwirksamen Maßnahmen. Auch wenn somit die Methodik, der Aufwand und die Häufigkeit von Erfolgsüberprüfungen variieren können, steht das „ob“ einer solchen Analyse gesetzlich grundsätzlich außer Frage. Evaluationsverpflichtungen sind zudem durch die „Subventionspolitischen Leitlinien“ verschärft worden. Die Bundesregierung hat mit diesen Leitlinien bereits im Jahr 2006 Regeln formuliert, die für Subventionen in der Verantwortung des Bundes zu berücksichtigen sind, und diese Regeln seitdem weiter konkretisiert. Dazu zählt die Verpflichtung, alle Subventionen „grundsätzlich regelmäßig in Bezug auf den Grad der Zielerreichung sowie auf Effizienz und Transparenz“ zu evaluieren (BMF, 2021, S. 12).
Seit dem Jahr 2012 kommt für die interne Haushaltsaufstellung das sogenannte Top-Down-Verfahren zur Anwendung. Dabei werden nicht mehr alle Programmwünsche von unten nach oben („Bottom-Up“) zusammengetragen. Stattdessen wird den einzelnen Ressorts ein Budgetrahmen zugewiesen, innerhalb dessen sie ihre Prioritäten setzen sollen. Eine solche Herangehensweise erhöht im Idealfall die Eigenverantwortung der Ressorts und setzt Anreize zur zielgerichteten Allokation der Mittel im Licht von Wirksamkeitsüberlegungen. Ebenfalls beginnend im Jahr 2012 sind die Ministerien aufgefordert, in den Vorworten der Einzelpläne und in den Vorbemerkungen der Fachkapitel die mit dem Mitteleinsatz verbundenen Ziele zu nennen und darzulegen, wie der Mitteleinsatz die Zielerreichung fördert.
Ein sehr wichtiges weiteres Element zur Steigerung der Wirkungsorientierung sind die seit 2015 erfolgenden Spending Reviews. Dabei handelt es sich um ressortübergreifende themenbezogene Haushaltsanalysen, die ausdrücklich auf die ziel- und wirkungsorientierte Betrachtung ausgerichtet sind. Diese Analysen untersuchen bestehende Maßnahmen, Fördervorhaben und -programme, gesetzliche Leistungen oder auch Querschnittsaufgaben der Verwaltung im Hinblick auf die Klarheit der Zieldefinition, die Zielerreichung und deren Effizienz. Dieser übergreifende Charakter der Analysen trägt einem Kerngedanken der zwoH Rechnung, Haushalte im Rahmen einer übergreifenden Programmlogik zu steuern und das Zusammenwirken von Programmen in verschiedenen Ressorts nicht aus den Augen zu verlieren. Einer übergreifenden Perspektive dient auch das vor kurzem begonnene „Tagging“ (Markieren) von Ausgaben in Bezug auf ihren Zusammenhang zu den Sustainable Development Goals (SDG). Auch dieser Ansatz fördert eine stärker integrierte Perspektive auf den Haushalt statt der reinen Ressortbetrachtung.
Analyse von Schwachstellen offenbart verbleibende Hindernisse
Trotz all dieser Fortschritte verbleiben vielfältige Defizite, die für den Bund eine stärker wirkungsorientierte Sicht- und Entscheidungsweise bislang behindern (Deloitte & ZEW, 2024, Abschnitt 9). Das beginnende übergreifende Tagging des Haushalts im Hinblick auf die SDGs bleibt unvollständig, solange keine sorgfältige Analyse erfolgt, inwieweit eine Haushaltsposition nicht nur mit einem SDG irgendwie assoziiert werden kann, sondern tatsächlich eine Wirkung erzielt. Trotz der genannten rechtlich bindenden Vorgaben zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ist die Praxis über die Ressorts hinweg zudem sehr unterschiedlich. Es gibt Fachressorts, die die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen als bloße Formalie betrachten, um den Ansprüchen des § 7 BHO zu genügen. Andere Ministerien sind weiter fortgeschritten.
Auch die Evaluationskultur ist trotz der Vorgaben der Subventionspolitischen Leitlinien sehr heterogen. Die Evaluationspraxis folgt noch keinen verbindlichen, strukturierten Vorgaben. Das, was „Evaluation“ genannt wird, können methodisch stark unterschiedliche Herangehensweisen sein, auf einem Spektrum zwischen wissenschaftlich fundierter Analyse unter Einbezug externer unabhängiger Evaluatoren bis hin zu einem Meinungsbeitrag aus dem programmverantwortlichen Fachreferat. Auch gibt es keine einheitliche Praxis, was die Regelmäßigkeit in der Durchführung von Evaluationen anbelangt. In Experteninterviews wurde zudem deutlich gemacht, dass Evaluationen haushaltspolitische Entscheidungen kaum beeinflussen. Über in den Evaluationen zutage getretene Misserfolge wird kaum offen diskutiert oder gar werden daraus Schlussfolgerungen durch Anpassungen des Haushalts gezogen. Ähnliches gilt für die Spending Reviews, die zwar wertvolle übergreifende Erkenntnisse liefern, aber deren Wirkung für Haushaltsentscheidungen noch nicht immer klar erkennbar ist.
Aus der fehlenden Relevanz von Evaluationen für haushaltspolitische Entscheidungen ergeben sich Anreizwirkungen. Wenn es nicht darauf ankommt, in methodisch überzeugender Weise Politikwirkungen zu belegen, um eine Budgetallokation zu erhalten, dann bestehen auch keine Anreize, eine sorgfältige Wirkungsanalyse zu betreiben. Auch gibt es in der Aus- und Weiterbildung von Bundesbeamten im Bereich Haushalt bislang nur eine geringe Aufmerksamkeit für die zwoH. Dies belegt die Recherche einschlägiger Lehrtexte zum Haushaltsrecht, die für die Bundesverwaltung genutzt werden.
Ein weiterer Schwachpunkt, der in Deutschland die Wirkungsorientierung hemmt, ist der geringe Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung. Daten spielen für die Erfolgsmessung eine entscheidende Rolle. Diese müssen bestimmte Anforderungen erfüllen und im Ideal Fall „SMART“ sein (specific: spezifisch; measurable: messbar; attainable: erreichbar; relevant; timely: zeitnah). Damit ist gemeint, dass sie auf das Politikinstrument bezogen messbar und erreichbar sind, eine relevante Information zur Zielerreichung liefern und zum Zeitpunkt einer anstehenden Haushaltsentscheidung auch verfügbar sind. Außerdem sollen sie wie oben dargelegt ein Outcome oder sogar einen Impact messen und sollten nicht bei der Messung von öffentlichen Leistungseinheiten, den Outputs, stehen bleiben. All das zu erfüllen, ist in der Praxis für Indikatoren sehr schwierig. Es wird gänzlich unmöglich, wenn die Indikatorik nicht bereits mit dem Programmdesign mitbedacht wird und letztlich wegen einer schlechten digitalen Infrastruktur oder auch einer restriktiven Datenschutzauslegung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
Ein weiteres Handicap für die zwoH im Bundeshaushalt ist die fehlende Kostentransparenz aufgrund des kameralen Ansatzes im Bundeshaushalt. Weil der umfassende Ressourcenverzehr inklusive Abschreibungen auf Kapital und Rückstellungen vor allem für Pensionslasten nicht gemessen wird, sind Kosteninformationen unvollständig. Dies führt zu Fehleinschätzungen im Hinblick auf die Effizienz von Maßnahmen, wenn Wirkungen ins Verhältnis zu unvollständig gemessenen Kosten gesetzt werden.
Fortentwicklung sollte umfassend ansetzen
Diese Analyse der Schwachstellen macht deutlich, dass eine Strategie zur verstärkt wirkungsorientierten Haushaltsführung umfassend ansetzen muss. Es ist nicht damit getan, Zielindikatoren im Haushaltsdokument zu formulieren und alleine damit auf Besserung zu hoffen. Stattdessen sollten die begünstigenden Faktoren der Wirkungsorientierung in ihrer Gesamtheit adressiert werden. Dann wäre mit wechselseitigen Verstärkungseffekten zu rechnen. Beispielsweise dürften Abgeordnete und Haushaltsbeamte mit einem guten Kenntnisstand und ausgerüstet mit besseren digitalen Datenzugängen größere Anreize haben, Wirkungsinformationen in den Budgetentscheidungen und in der Programmimplementation zu nutzen. Die Evaluationskultur würde sich schnell fortentwickeln, wenn Ressorts ohne qualitativ hochwertige Evaluationen ihre Budgetwünsche nicht mehr durchsetzen könnten. Mit dieser multidimensionalen Denkweise hat das im April 2024 vorgelegte Deloitte-ZEW-Gutachten eine Liste von Reformen vorgeschlagen, die in den kommenden Jahren die zwoH für den Bundeshaushalt voranbringen würden (Kasten 1).
Kasten 1
Die Deloitte-ZEW-Empfehlungsliste zur Stärkung der ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung (zwoH) im Bundeshaushalt
- Gemeinsames Bekenntnis der Regierung zur zwoH, das die Umsetzung ihrer Entwicklung mit einem starken politischen Signal unterstützt.
- Einführung von ressortinternen Programmklausuren, die jährlich entscheiden, wie politische Vorgaben in sinnvolle Zielsetzungen übersetzt und in entsprechende Programme überführt werden können.
- Veröffentlichung eines zentralen Dokuments, das eine einheitliche Systemdefinition der zwoH sowie deren Kerninhalte im Bund etabliert.
- Veröffentlichung und Verankerung eines Musterindikatorenleitfadens, der einen ressortübergreifenden Orientierungsrahmen zur Erstellung von Indikatoren schafft.
- Veröffentlichung eines Evaluationsleitfadens als ressortübergreifenden Orientierungsrahmen zur Durchführung von Evaluationen.
- Ausweitung des „Tagging“ auf Politikfelder außerhalb der SDGs und der zügige Beginn erster Maßnahmen des „Analysing“.
- Schaffung institutioneller Anreize, die geeignet sind, ein genuines Eigeninteresse betroffener Organisationseinheiten an der Umsetzung der zwoH zu fördern.
- Berücksichtigung der Inhalte der zwoH in Aus-, Fort- und Weiterbildungsunterlagen zum Haushaltsrecht.
- Stärkere haushaltsbezogene Vernetzung der Datenlabore der Bundesministerien zur Förderung des interministeriellen Datenverkehrs für eine erleichterte Indikatorenbildung.
- Stärkere haushaltsbezogene Begleitung und Mitwirkung an digitalen Vorhaben und Lösungen des Bundes.
- Stärkere Einbindung der Kompetenzstelle für Evaluierung im Statistischen Bundesamt in Belangen von Evaluationen.
- Etablierung einer Qualitätssicherung von Fördervorhaben und -programmen durch ein dreistufiges Controlling-Konzept.
- Eine stringente Veröffentlichung von Evaluationsergebnissen.
- Berücksichtigung der „Bürokratiebremse“ zur Entlastung des Verwaltungspersonals bei der weiteren Entwicklung der zwoH.
- Einrichtung einer flexibel einsetzbaren Personaleinheit, die zu Beginn der zwoH-Reformen für eine bedarfsgerechte Unterstützung zur Verfügung steht.
- Verstärkte Nutzung der Kosten- und Leistungsrechnung zur besseren Darstellung einer für die zwoH wesentlichen Kostentransparenz.
Quelle: Deloitte und ZEW (2024).
Diese Vorschläge sind verschieden aufwändig und haben einen unterschiedlichen Charakter. Bestimmte Maßnahmen wie ein prominentes Bekenntnis der (neuen) Bundesregierung zur zwoH oder die Verabschiedung eines Leitdokuments zielen auf die politische Selbstverpflichtung und Bewusstseinsmehrung ab. Andere, wie die Veröffentlichung von Evaluations- und Indikatorenleitfäden oder die Stärkung des Themas in der Aus- und Fortbildung, adressieren Wissensdefizite. Ein Bündel von weiteren Reformvorschlägen betrifft die Infrastruktur, in der sich die zwoH weiter gut entwickeln könnte, und die stärkere Berücksichtigung dieser modernen Haushaltssteuerung in den laufenden Digitalisierungsvorhaben des Bundes oder die Vernetzung der existierenden Datenlabore in den Ministerien.
Ein größerer Komplex von Vorschlägen befasst sich mit Ansätzen, das Evaluationssystem zu verbessern durch eine bessere Qualitätssicherung und Transparenz über Evaluationsergebnisse. Abgerundet wird die Liste durch Ansätze wie die Bürokratiebremse oder flexibler Personaleinheiten, die dem Ressourcenproblem Rechnung tragen, weil zumindest in der Implementationsphase neue und zusätzliche Anforderungen entstehen können.
Bund nutzt Spending Reviews um Veränderungen anzustoßen
Die Vorschlagsliste des Deloitte-ZEW-Gutachtens ist in weiten Teilen in den 11. Spending Review des Bundes eingeflossen, dessen Abschlussbericht im April 2024 vom Bundeskabinett zustimmend zur Kenntnis genommen wurde (BMF, 2024). Das Instrument der Spending Reviews wird auch danach eingesetzt, um die Weiterentwicklung der Wirkungsorientierung voranzutreiben. So hat das Bundeskabinett ebenfalls im April 2024 den 12. Spending Review beschlossen, der dem Thema „Umsetzung von Empfehlungen zur Ziel- und Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt“ gewidmet ist und für den das Bundesministerium der Finanzen beauftragt wurde, diesen mit weiteren Ressorts durchzuführen. Somit besteht ein etablierter institutioneller Rahmen, innerhalb dessen etliche der oben genannten Schritte angegangen werden könnten.
Für die weiteren Fortschritte hängt nun viel davon ab, ob und inwieweit die nächste Bundesregierung die zwoH priorisiert. Vieles spricht dafür, dass dies eine für sie angeratene Vorgehensweise wäre. Diese nächste Bundesregierung steht in der Haushaltspolitik vor der Herausforderung einer harten Budgetrestriktion. Die Demografie und der Kontrollverlust bei den Sozialausgaben kommen zusammen mit einer strukturellen Wachstumskrise und neuen unabweisbaren Aufgaben in der Verteidigungspolitik. In der dadurch ausgelösten Debatte um eine mögliche Reform der Schuldenbremse kommen Überlegungen zu Effizienzsteigerungen in der Haushaltspolitik bislang zu wenig Aufmerksamkeit zu. Aufgrund der immer noch fehlenden Konsequenz in der zwoH schlummern auf der Ausgabenseite des Budgets vermutlich hohe Milliardenbeträge an Effizienzreserven, die sich durch Abschmelzen erfolgloser oder ineffizienter Programme heben lassen. Darauf deuten auch international vergleichende Effizienzanalysen zum öffentlichen Sektor hin. Deutschland gehört hier zu den Ländern, die im Vergleich zu anderen OECD-Ländern mit vergleichbarem Umfang und Qualität öffentlicher Leistungen mehr Geld ausgeben (Heinemann, 2022). Würde nur ein Teil dieser Effizienzreserven gehoben, dann würde dies merklich zur Verbesserung der Haushaltslage beitragen. Die zwoH ist eines der aussichtsreichen Mittel, diesem Ziel näher zu kommen und noch dazu den Menschen zu beweisen, dass der Staat das leistet, was er verspricht – oder zumindest immer wieder aus Fehlern lernt und diese korrigiert.
Literatur
BMF – Bundesministerium der Finanzen. (2021). 28. Subventionsbericht des Bundes (Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2019 bis 2022).
BMF – Bundesministerium der Finanzen. (2024). Verbesserung der Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt mit einem Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Monatsbericht April.
Deloitte & ZEW. (2024, 2. Februar). Abschlussbericht für das Bundesministerium der Finanzen, Erstellung eines Konzepts zur Einführung einer ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung.
Heinemann, F. (2022, 12. Juli). Lassen sich Zukunftsinvestitionen ohne Schulden finanzieren? (Expertise im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft).
Ho, Alfred Tat-Kei (2018). From Performance Budgeting to Performance Budget Management: Theory and Practice. Public Administration Review, 78(5), 748–758.
Nguyen, H.-P. (2007). Performance Budgeting: Its Rise and Fall. MPRA Paper, 9415.
OECD. (2007). Performance Budgeting in OECD Countries. OECD.
OECD. (2019). OECD Good Practices for Performance Budgeting. OECD Publishing.
Schick, A. (2003). The Performing State, Reflection on an Idea Whose Time Has Come but Whose Implementation Has Not. OECD Journal on Budgeting, 3(2), 71–103.
van Nispen, F. & Posseth, J. (2009). Performance Informed Budgeting in Europe: The Ends Justify the Means, Don‘t They? EUI Working Papers, RSCAS 2009/39.
Dieser Beitrag stützt sich auf ein vom Bundesministerium der Finanzen in Auftrag gegebenes Forschungsprojekt zur Konzeptionalisierung einer ziel- und wirkungsorientierten Haushaltsführung im Bundeshaushalt (Deloitte & ZEW, 2024).