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Der Export als traditionell starker Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft ist ins Stottern geraten. Dabei kam es schon nach 2015 zu anhaltenden Einbußen bei der Exportperformance auf den deutschen Absatzmärkten. In diesem Beitrag wird analysiert, in welchen Zielländern und Warengruppen besondere Exportschwächen zu erkennen sind und welche Ursachen dies haben könnte. Insgesamt wird deutlich: Die Einbußen finden sich oft gerade da, wo vormalige Stärken lagen. Es zeigen sich zwar auch Auswirkungen von Protektionismus und geopolitischen Konflikten. Aber vor allem scheint eine Erosion der deutschen Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle zu spielen, was die Dringlichkeit wirtschaftspolitischer Reformen unterstreicht.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich schon seit einiger Zeit in einer Stagnationsphase (Bardt et al., 2024; Hüther, 2025). Auch die Exportwirtschaft ist in der Krise. Es ist daher an der Zeit, eine genauere Bestandsaufnahme der Exportschwäche vorzunehmen. Wie äußert sie sich, wie wirkt sie sich auf das Wirtschaftswachstum aus und welche Ursachen hat sie?

Verschlechterte deutsche Exportperformance

Ein geeignetes Maß zur Einschätzung der deutschen Exportentwicklung ist die von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) berechnete Exportperformance. Dieser Indikator kann als eine Art länderspezifischer Weltmarktanteil interpretiert werden. Er erfasst, wie sich die realen Exporte von Waren und Dienstleistungen eines Landes relativ zu seinen Zielmärkten entwickeln. Die Entwicklung der Zielmärkte wird gemessen als Veränderung der Importe der Exportzielmärkte, gewichtet mit den länderspezifischen relativen Anteilen der jeweiligen Zielmärkte. Die Berechnung erfolgt preisbereinigt und volumenbasiert sowie auf Basis von US-Dollar-Angaben. Wenn die realen Exporte in einem Jahr schwächer (stärker) wachsen als die Exportzielmärkte, sinkt (steigt) die Exportperformance.

Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Exportperformance für Deutschland. Unter Schwankungen blieb der Exportperfomance-Index der OECD zwischen 2000 und 2015 im Trend konstant. Im Jahr 2000 verzeichnete der Index den Wert 0,96, im Jahr 2015 den Wert 0,97. Danach ging die deutsche Exportperformance stetig um insgesamt über 11 % auf einen von der OECD geschätzten Wert von 0,86 im Jahr 2024 zurück. Bis 2026 prognostiziert die OECD einen weiteren Rückgang auf 0,83. Der Rückgang der Exportperformance nach 2015 ist der größte seit der durch die Wiedervereinigung bedingten Exportschwäche Anfang der 1990er Jahre.

Abbildung 1
Veränderung der Exportperformance Deutschlands im Langfrist-Vergleich

Index der deutschen Exportperformance bezogen auf deutsche Exporte von Waren und Dienstleistungen, preisbereinigt, auf US-Dollar-Basis

Veränderung der Exportperformance Deutschlands im Langfrist-Vergleich

Schätzung für 2024.

Quelle: OECD (2024).

Aufbauend auf der Erkenntnis, dass Deutschlands Exportperformance im Jahr 2015 eine Trendwende vollzieht, ermöglicht Abbildung 2 einen tieferen Blick. Auf der linken Seite wird zunächst die jahresdurchschnittliche Veränderungsrate des Exportperformance-Indexes dargestellt. Nach 2015 ging sie bis 2024 (Schätzung) im Jahresdurchschnitt um 1,3 % deutlich zurück. Darüber hinaus stellt die Abbildung die beiden Komponenten der Exportperformance dar. Die deutschen Exportzielmärkte wuchsen zwischen 2000 und 2015 noch mit real 4,4 %, nach 2015 aber nur noch mit 2,8 % im Jahresdurchschnitt. Das Wachstum der realen deutschen Exporte von Waren und Dienstleistungen betrug zwischen 2000 und 2015 noch jahresdurchschnittlich rund 4,5 % und war damit ähnlich hoch wie das der deutschen Exportzielmärkte. Nach 2015 ging der Zuwachs der deutschen Exporte (auf US-Dollar-Basis) auf nur noch 1,5 % im Jahresdurchschnitt stark zurück und fiel zudem wesentlich geringer aus als das Wachstum des Marktpotenzials.
Abbildung 2
Veränderung der Exportperformance Deutschlands und ihrer Komponenten vor und nach 2015

Jahresdurchschnittliche Veränderung in % bezogen auf deutsche reale Exporte von Waren und Dienstleistungen; OECD, US-Dollar-Basis

Veränderung der Exportperformance Deutschlands und ihrer Komponenten vor und nach 2015

Schätzung für 2024. VGR: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

Quelle: OECD (2024); Statistisches Bundesamt (2024); Institut der deutschen Wirtschaft (2024).

Damit ergibt sich die folgende Kernaussage: Im Zeitraum 2015 bis 2024 gab es in zweierlei Hinsicht eine Verschlechterung. Erstens wuchsen die deutschen Exportzielmärkte (im Zuge eines geringeren Wachstums des Welthandels) deutlich schwächer als zuvor. Zweitens partizipierten die deutschen Exporte an diesem Potenzial nicht mehr voll, sondern nur noch stark unterproportional.

Die jahresdurchschnittlichen Veränderungsraten der realen Exporte von Waren und Dienstleistungen gemäß den deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) liegen in den beiden Betrachtungszeiträumen in ähnlicher Größenordnung (2000 bis 2015: 4,5 %; 2015 bis 2023: 1,6 %). Damit zeigt sich keine nennenswerte Verzerrung durch die Umrechnung auf US-Dollar-Basis, was bei der Exportperformance der OECD für den internationalen Vergleich nötig ist. Bei der weiteren Aufteilung des Zeitraums ab 2015 in zwei Abschnitte von jeweils vier Jahren wird deutlich, dass sich die deutschen realen Exporte vor allem nach 2019 sehr schwach entwickelten. Während die realen Exporte zwischen 2015 und 2019 insgesamt noch um jahresdurchschnittlich 2,6 % zunahmen, war zwischen 2019 und 2023 nur noch eine Steigerung von jahresdurchschnittlich 0,6 % zu verzeichnen.

In der Folge fiel auch der Beitrag der deutschen Exporte zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sehr viel geringer aus. Zwischen 2000 und 2015 trugen die realen Exporte im Jahresdurchschnitt noch schätzungsweise 1,8 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Nach 2015 verringerte sich der Wachstumsbeitrag auf jahresdurchschnittlich 0,8 Prozentpunkte und damit auf weniger als halb so viel wie zuvor. Nach 2019 waren es nur noch knapp 0,3 Prozentpunkte pro Jahr.

Somit lässt sich festhalten, dass bereits nach 2015 und vor allem ab 2019 der Export als Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft stark ins Stocken geraten ist. Die Exportschwäche hat damit nennenswert zur gesamtwirtschaftlichen Wachstumsschwäche beigetragen.

Gewinner und Verlierer bei globaler Exportposition

Angesichts der Exportschwäche Deutschlands, stellt sich die Frage, wie sich die Entwicklung bei anderen Ländern darstellt. Dazu wird im Folgenden ein Blick auf die größten Gewinner und Verlierer bei der Entwicklung der Exportperformance geworfen. Der Fokus wird dabei jeweils auf die fünf Staaten mit der stärksten Verschlechterung und der stärksten Verbesserung nach 2015 gelegt. Die OECD erfasst dabei alle OECD-Länder sowie zehn Schwellenländer, unter anderem China, Indien, Brasilien und die Türkei.

Abbildung 3 macht deutlich: Deutschland weist nach 2015 die drittschlechteste Entwicklung bei der Exportperformance auf. Lediglich das Vereinigte Königreich und Kanada schneiden noch schlechter ab, Australien und die USA nur wenig besser. Dagegen haben einige andere Länder sehr starke Verbesserungen erreicht. Das gilt vor allem für Irland, wobei hier vermutlich die Sonderrolle des Landes zu berücksichtigen ist als (auch aus Steuergründen gewählter) Holdingstandort. Doch auch die Exportperformance von Indien (+41 %), Polen (+32 %), China (+26 %) und Kroatien (+23 %) hat sich nach 2015 stark verbessert.

Abbildung 3
Top-5-Gewinner und Top-5-Verlierer bei der Exportperformance

Veränderung der Exportperformance zwischen 2015 und 2024 in %

Top-5-Gewinner und Top-5-Verlierer bei der Exportperformance

Schätzung für 2024.

Quelle: OECD (2024); Institut der deutschen Wirtschaft (2024).

Auch ein anderer Indikator für die globale Exportentwicklung zeigt ein ähnliches Bild: die nominalen Weltexportanteile im Handel mit Waren und Dienstleistungen (Matthes & Sultan, 2025). Hier schneidet Deutschland ebenfalls als drittschlechtestes Land ab mit einem Anteilsrückgang von 6,9 % auf 6,2 % zwischen 2015 und 2024 (OECD-Schätzung). Nur Japan und die USA müssen noch etwas größere Anteilsverluste verbuchen. Hinter Deutschland finden sich das Vereinigte Königreich und Frankreich unter den Top 5 der Verlierer. Auf der Gewinnerseite sind dagegen Irland, China, Indien, Polen und Australien.

Offensichtlich stehen vor allem wichtige große G7-Industrieländer nach 2015 auf der Verliererseite bei ihrer globalen Exportposition. Deutschland, das Vereinigte Königreich und die USA sind bei beiden Indikatoren unter den Top 5 der Verlierer. Doch auch Japan, Frankreich und Kanada gehören bei beiden Indikatoren zum Kreis der größeren Verlierer, wenn man den Blick auf die schlechtesten Zehn richtet. Die schlechte Entwicklung bei den Industrieländern ist aber kein durchgängiges Phänomen. Länder wie Dänemark und Schweden sowie Spanien und Portugal zählen nicht zu den Verlierern und können je nach Indikator ihre Position teilweise leicht ausbauen.

Dagegen sind einige aufstrebende Staaten die klaren Gewinner bei der Entwicklung auf dem Weltexportmarkt. Neben den Schwellenländern China und Indien zählt dazu vor allem auch Polen. Das gute Abschneiden Irlands ist wie bereits erwähnt vermutlich auch mit Sondereffekten zu erklären. Es besteht aber ein wichtiger Unterschied zwischen China und den übrigen Aufholländern. Denn China baut seine Position ausgehend von einem sehr viel höheren Niveau noch weiter aus: auf einen nominalen Weltexportanteil von schätzungsweise fast 12 % im Jahr 2024. Dagegen erreichen Indien (2,6 %) und Polen (1,5 %) trotz großer Fortschritte bislang nur niedrige einstellige Anteile.

Gewinner und Verlierer bei globalen Importanteilen

Um der verschlechterten deutschen Exportperformance auf den Grund zu gehen, wird im Folgenden analysiert, ob und inwieweit Deutschland auf den wichtigsten globalen Absatzmärkten Anteile abgeben musste. Für diese Analyse werden internationale Außenhandelsdaten der UN Comtrade Datenbank verwendet. Diese Daten liegen nur nominal und für den Warenhandel vor, während die Exportperformance ein reales Konzept ist und auch den Dienstleistungshandel umfasst. Diese methodischen Unterschiede erschweren einen direkten Vergleich.

Dabei zeigt sich insgesamt erneut die deutsche Schwäche (Matthes & Sultan, 2025): Bezogen auf die gesamten globalen Importe, sank der deutsche Anteil zwischen 2015 und 2023 von knapp 7,7 % auf gut 6,9 % um mehr als 0,7 Prozentpunkte. Deutschland verzeichnet Anteilsverluste auf allen der weltweit fünf größten Importmärkten gemessen am Importwert im Jahr 2023 (ausgenommen Deutschland). In den USA – dem größten globalen Importmarkt mit einem Anteil von 14,3 % im Jahr 2023 – ging der deutsche Anteil zwischen 2015 und 2023 nur um 0,4 Prozentpunkte zurück und damit unterdurchschnittlich im Vergleich zum globalen Anteilsverlust von rund 0,7 Prozentpunkten. Überdurchschnittliche Importanteilsverluste musste Deutschland dagegen unter den fünf größten Importländern im Vereinigten Königreich (-5,5 Prozentpunkte), in Frankreich (-1,6 Prozentpunkte) und China (-1,1 Prozentpunkte) hinnehmen.

Darüber hinaus verliert Deutschland auch in anderen Ländern. Zwischen 2015 und 2023 gab es den stärksten Rückgang beim deutschen Importanteil in Russland (-10,5 Prozentpunkte), was sanktionsbedingt sein dürfte. Ansonsten verliert Deutschland stark überproportional an Importanteil in einigen wichtigen EU-Staaten wie Tschechien (-5,1 Prozentpunkte), Österreich (-4,9 Prozentpunkte), Spanien (-2,5 Prozentpunkte) und Polen (-2,1 Prozentpunkte). Unter den insgesamt 193 betrachteten Staaten ist die deutsche Anteilsentwicklung bei 131 Staaten zwischen 2015 und 2023 negativ. Lediglich in 39 Ländern konnte Deutschland seinen Importanteil ausbauen. Das sind aber global betrachtet eher kleine Märkte wie Montenegro, Malta oder Usbekistan. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man aus der deutschen Perspektive die wichtigsten deutschen Exportpartner betrachtet (Matthes & Sultan, 2025).

Zurück zur Betrachtung der Entwicklung deutscher Importanteile auf wichtigen Märkten: Wenn Deutschland dort verliert, stellt sich die Frage, welche anderen Länder Anteile gewinnen. Dafür werden in Abbildung 4 erneut die fünf größten Importmärkte betrachtet sowie zusätzlich fünf ausgewählte schnell wachsende Schwellenländer mit relativ großen Importmärkten (Indien, Mexiko, Thailand, Malaysia und Brasilien). Auf diesen Märkten wird die deutsche Anteilsentwicklung verglichen mit der von fünf ausgewählten Wettbewerbern aus verschiedenen Kontinenten (China, Vietnam, Mexiko, Indien und Polen).

Abbildung 4
Entwicklung Deutschlands und ausgewählter Länder auf wichtigen Importmärkten
Veränderung der Importanteile der auf der horizontalen Achse abgebildeten Länder an den Importen der in der Legende genannten Länder zwischen 2015 und 2023 in Prozentpunkten
Entwicklung Deutschlands und ausgewählter Länder auf wichtigen Importmärkten

Quellen: UN Comtrade (2025); Institut der deutschen Wirtschaft (2024).

Deutschland hat auch in dieser erweiterten Sicht auf fast allen betrachteten Märkten (bis auf Mexiko) Importanteile verloren. Dagegen hat China in den betrachteten Schwellenländern sehr stark zugelegt und nimmt Ländern wie Deutschland hier stark Marktanteile ab. Demgegenüber gingen China in den USA, Japan und Frankreich Importmarktanteile verloren, wohl auch als Ergebnis eines geopolitisch bedingten De-Riskings des Westens und höherer Handelsbarrieren in den USA. Importmarktanteile auf vielen Märkten gewinnen konnten darüber hinaus vor allem Vietnam sowie etwas weniger Indien und Polen, und noch etwas eingeschränkter Mexiko (Matthes & Sultan, 2025).

Insgesamt bestätigt sich das Bild, dass Deutschland Marktanteile auf fast allen wichtigen Märkten verliert und China und/oder andere Schwellenländer hier gewinnen. Deutschlands schlechte Exportentwicklung ist jedoch teilweise auch auf mehr Protektionismus und geopolitische Konflikte zurückzuführen. Denn der Brexit ist eine wesentliche Ursache für die verschlechterten Exporte in das Vereinigte Königreich. Die Russland-Sanktionen haben naturgemäß zu starken Exportrückgängen geführt. Und auch bei China stehen die durch hohe protektionistische Subventionen geförderten Autarkiebestrebungen, die zum Rückgang der deutschen Exportzuwachsraten nach China beitrugen, im Kontext von Geopolitik und Handelskriegen. Gleiches gilt für die Bestrebungen deutscher Firmen, den chinesischen Markt statt durch Exporte zunehmend durch Produktion vor Ort zu bedienen.

Warengruppen mit den größten Verlusten

Im Folgenden wird untersucht, wie sich die deutschen Anteile bei den wichtigsten Warengruppen entwickelt haben, um auch aus dieser Perspektive der deutschen Exportschwäche nachzugehen. Internationale Handelsdaten der UN Comtrade haben den Nachteil, dass sie nicht der gängigen Abgrenzung der Wirtschaftszweige entsprechen. Daher bietet es sich an, die Abgrenzung der deutschen Außenhandelsstatistik gemäß dem Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken zu verwenden. Allerdings wird die vergleichende Analyse der nominalen deutschen Ausfuhrentwicklung zwischen den Zeiträumen 2000 bis 2015 und 2015 bis 2023 durch starke Preisanstiege nach 2019 erschwert.

Im Ergebnis zeigt sich das folgende Bild: Relativ schlecht entwickelten sich die wertmäßigen deutschen Ausfuhren nach 2015 in den für Deutschland wichtigen Zweisteller-Warengruppen: Kraftwagen und -teile, Maschinen, chemische und pharmazeutische Produkte sowie Sonstige Fahrzeuge. Ein tendenziell ähnliches Bild ergibt sich auch bei der (von Preissteigerungen unabhängigeren) Betrachtung der deutschen Ausfuhr auf Basis von Gewichtsangaben sowie bei der Betrachtung der globalen Importanteile mithilfe der UN Comtrade Daten (Matthes & Sultan, 2025). Damit lässt sich als Tendenzaussage festhalten: Die deutschen Exporte entwickeln sich vor allem in einigen wichtigen Warengruppen schlecht, in denen Deutschland traditionell stark war.

Eher leicht verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit, …

Ein Grund für die deutlich verschlechterte Exportentwicklung könnte eine geringere Wettbewerbsfähigkeit sein. Der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit ist schillernd und kann durch zahlreiche Indikatoren gemessen werden (Matthes, 2005; IW, 2012). Ein ergebnisorientierter Indikator ist beispielsweise die oben dargestellte Exportperformance. Ein gebräuchlicher ursachenbezogener Indikator zur Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit ist der reale effektive Wechselkurs. Mit ihm lässt sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft messen. Der reale effektive Wechselkurs gibt das Austauschverhältnis zwischen einem festgelegten Warenkorb im Inland gegenüber dem handelsgewichteten Durchschnitt der Partnerländer an (Deutsche Bundesbank, 2023).

Reale Wechselkurse basieren auf einer Kombination von nominalen Wechselkursen, wie sie an Devisenmärkten gelten, und von Preis- oder Kostenindikatoren. Wenn der bilaterale nominale Wechselkurs zwischen zwei Ländern konstant bleibt, aber die Preise/Kosten in Land A deutlich stärker steigen als in Land B, dann wertet Land A real auf gegenüber Land B – seine Produkte werden relativ gesehen teurer, was durch eine nominale Abwertung wieder ausgeglichen werden kann. Reale Wechselkurse lassen sich nicht nur bilateral zwischen zwei Ländern berechnen, sondern auch zwischen Land A und seinen (wichtigsten) Handelspartnern. Man spricht dann von einem effektiven realen Wechselkurs. Es gibt verschiedene Preis- und Kostenindikatoren, die zur Berechnung verwendet werden können: Verbraucherpreise, Exportpreise, Produzentenpreise, BIP-Deflatoren, Deflatoren des Gesamtabsatzes oder auch Lohnstückkosten. Welcher reale effektive Wechselkurs zu betrachten ist, kann nicht eindeutig bestimmt werden und hängt auch von der Fragestellung ab.

Daher werden in Abbildung 5 verschiedene nominale und reale effektive Wechselkurse betrachtet, mit denen die Veränderung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zwischen 2015 und 2023 abgeschätzt werden kann. Sie stammen aus verschiedenen Quellen und unterscheiden sich auch nach dem Länderkreis, mit dem Deutschland verglichen wird (37 oder 55 Länder). Der Blick auf die Entwicklung der nominalen effektiven Wechselkurse (NEWK) zeigt, dass es seit 2015 aus deutscher Sicht nominal und effektiv zu einer Aufwertung von zwischen knapp 8 % und knapp 10 % gekommen ist. Die Unterschiede machen deutlich, dass es relevant ist, wie groß der Kreis der Handelspartner beim Vergleich gezogen wird. Gleiches gilt für die verschiedenen realen effektiven Wechselkurse (REWK), deren Entwicklung sich je nach realer Bezugsgröße (bei Preisen und Kosten) und je nach Quelle und dem verglichenen Länderkreis ebenfalls unterscheidet.

Abbildung 5
Preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands anhand verschiedener Indikatoren

Veränderung der jeweiligen Indikatoren zwischen 2015 und 2023 in %

Preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands anhand verschiedener Indikatoren

NEWK/REWK: nominaler/realer effektiver Wechselkurs; VP: Verbraucherpreise; BIP-Df: BIP-Deflator; DGA: Deflator des Gesamtabsatzes; LSK: Lohnstückkosten; Ex-P: Exportpreise; COM: Europäische Kommission; BUBA: Deutsche Bundesbank; vs. X: Zahl der Handelspartner für den jeweiligen effektiven Wechselkurs.

Quelle: Deutsche Bundesbank (2024); Europäische Kommission (2024); OECD (2024); Institut der deutschen Wirtschaft (2024).

In der Gesamtschau wird deutlich, dass die verschiedenen realen effektiven Wechselkurse weniger gestiegen sind als die nominalen effektiven Wechselkurse. Damit lässt sich schlussfolgern, dass die Preis- und Kostenentwicklung in der deutschen Wirtschaft etwas geringer war als im gewichteten Durchschnitt ihrer Handelspartner. Dies hat die nominale Aufwertung bei realer Betrachtung etwas abgemildert.

Die meisten der ermittelten realen effektiven Wechselkurse zeigen ein ähnliches Bild: eine reale Aufwertung in einer breiten Spanne um etwa 4 % (von 1,6 % bis 6,6 %). Nur bei den Exportpreisen ist eine reale effektive Abwertung von 1,5 % zu verzeichnen. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die deutschen Unternehmen im Vergleich zu ihren Handelspartnerländern wegen relativ stärkerer Kostendynamik, aber relativ geringerer Exportpreisveränderungen Einbußen bei den Gewinnmargen hinnehmen mussten.

Exportpreise bilden nicht wie die anderen Maße die Preis- oder Kostenentwicklung auf der Inputebene ab, sondern die Preisentwicklung auf der Absatzebene (Matthes & Sultan, 2025). Damit sind sie der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exporteure konzeptionell näher und damit für die hier zu treffende Einschätzung besonders relevant. Zudem lässt sich (auch) für den deutschen realen effektiven Wechselkurs auf Basis von Exportpreisen ökonometrisch ein statistisch hoch signifikanter Zusammenhang zur Entwicklung der realen deutschen Ausfuhren nachweisen (Deutsche Bundesbank, 2016).

Insgesamt ist der Befund nicht eindeutig. So hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gegenüber den wichtigsten Handelspartnern auf Basis der verschiedenen realen effektiven Wechselkurse seit 2015 tendenziell leicht verschlechtert, am meisten tendenziell auf Lohnstückkostenbasis. Es erscheint aber kaum plausibel, die leicht verschlechterte preisliche Wettbewerbsfähigkeit als alleinige Ursache für die starke Verschlechterung der deutschen Exportperformance und der deutschen Anteilsverluste bei den globalen Exporten und Importen anzusehen.

Offenbar sind Kosten und Preise bei einigen wichtigen deutschen Handelspartnern auch relativ stark gestiegen, vermutlich vor allem in Europa. Das gilt allerdings nicht für China, wo Kosten und Preise wesentlich weniger stark zulegten. Das zeigt sich daran, dass Chinas nominaler effektiver Wechselkurs zwischen 2015 und 2023 nur geringfügig abwertete, Chinas realer effektiver Wechselkurs je nach Indikator aber sehr viel stärker. Beispielsweise sank der reale effektive Wechselkurs auf Basis der Exportpreise gegenüber 37 Ländern in China zwischen 2015 und 2023 um über 22 %, während dieser Indikator für Deutschland nur um 1,5 % zurückging. Damit klafft zwischen Deutschland und China inzwischen eine große Lücke in der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Obwohl das deutsche Handelsbilanzdefizit gegenüber China heute deutlich höher liegt als im Jahr 2015, hat Chinas nominaler Wechselkurs gegenüber dem Euro nicht aufgewertet, wie es zu erwarten gewesen wäre. Das spricht dafür, dass der chinesische Yuan gegenüber dem Euro deutlich unterbewertet ist (Matthes, 2024).

… und vor allem deutlich schlechtere nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit

Da die preisliche Wettbewerbsfähigkeit allein keine ausreichende Erklärung für die verschlechterte deutsche Exportperformance nach 2015 liefert, stellt sich die Frage, ob nicht-preisliche Faktoren weiterhelfen können. Das Konzept der nicht-preislichen Wettbewerbsfähigkeit ist relativ vage und stellt darauf ab, dass es über Preise und Kosten hinausgehende Faktoren gibt, welche die Nachfrage nach Produkten oder Exporten beeinflussen. Anders als bei der preislichen Wettbewerbsfähigkeit gibt es jedoch keine einschlägigen Indikatoren. Bickenbach et al. (2014) nennen als mögliche Faktoren zur Erfassung nicht-preislicher Wettbewerbsfähigkeit die Qualifikation der Arbeitskräfte, produktbegleitende Dienstleistungen, die Forschungsintensität und die Qualität der Exporte. Sie versuchen, diese Faktoren zu messen, müssen aber feststellen, dass dies mit den international verfügbaren Indikatoren nur eingeschränkt möglich ist. Weitere nicht-preisliche Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit von Exportfirmen beeinflussen, können darüber hinaus z. B. bürokratischer Aufwand, Fachkräfteengpässe oder das technologische Aufholen von Schwellenländern wie China sein.

Eine Möglichkeit, diese und weitere denkbare nicht-preisliche Faktoren weitgehend abzudecken, ist die Verwendung eines breiten Indikators für internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das World Competitiveness Ranking des International Institute for Management Development zum Beispiel vergleicht 67 Länder und verwendet dabei 336 Indikatoren aus den vier Oberkategorien wirtschaftliche Performance, staatliche und unternehmerische Effizienz sowie Infrastruktur (IMD, 2024). Dabei sind Faktoren wie Bürokratie und Regulierungen ebenso erfasst wie Fachkräfteengpässe, Infrastrukturmängel und Forschungsindikatoren. Dieses und ähnliche Rankings haben zum Ziel, die allgemeine Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft, Wachstum und Wohlstand zu schaffen und zu erhalten, abzubilden. Sie sind aber mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren (Matthes, 2005; IW, 2012).

Im Ergebnis des aktuellen IMD-Rankings ist Deutschland abgerutscht. In den letzten zehn Jahren kam es zu einem starken Rückgang von Platz sechs im Jahr 2014 auf Platz 24 im Jahr 2024, was wirtschaftspolitisch als Warnsignal interpretiert werden kann (Hüther, 2025). Nur am Ende der wirtschaftlichen Stagnationsphase Mitte der 2000er Jahre war Deutschland ähnlich schlecht platziert. Dieser starke Abstieg im Ranking fällt in die Zeit der Verschlechterung der Exportperformance ab 2015 und dürfte daher auch einen relevanten Erklärungsbeitrag dazu liefern.

Fazit

Der Export sendet deutliche Warnsignale. Er ist kaum noch Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft, denn die BIP-Wachstumsbeiträge des Exports sind ab 2015 und vor allem nach 2019 deutlich zurückgegangen. Eine anhaltende Verschlechterung nach 2015 wird auch gemäß der OECD-Exportperformance deutlich, die eine Art länderspezifischen Weltexportanteil misst. Dieser Indikator zeigt zudem, dass die deutsche Exportschwäche nach 2015 im Vergleich zum Zeitraum 2000 bis 2015 zwei Ursachen hat: ein geringeres Wachstum der Exportzielmärkte und eine deutlich verringerte Partizipation Deutschlands an diesem Marktwachstum.

Im internationalen Vergleich weist Deutschland nach 2015 die drittschlechteste Entwicklung der Exportperformance unter den von der OECD betrachteten Staaten auf. Das Gleiche gilt für die nominalen Weltexportanteile. Dieses Schicksal teilen zwar die meisten großen G7-Staaten, andere Industrieländer wie Schweden und Dänemark aber nicht. Deutlich verbesserte Exportentwicklungen weisen dagegen vor allem einige Schwellenländer wie Indien, China, Polen und Vietnam auf. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, droht in einer Welt weiterhin schwachen Welthandelswachstums und zunehmenden Protektionismus die Gefahr, dass Anteilsverluste für Deutschland in Zukunft auch zu absoluten Exportrückgängen führen könnten und die Rolle der Exporte als wichtiger Wachstumsmotor dauerhaft beeinträchtigt wird.

Deutschlands Exportschwäche resultiert aus einer Erosion seiner vormaligen Stärken. So bröckelt die deutsche Position nach 2015 in allen der fünf wichtigsten globalen Importländer (am wenigsten noch in den USA) und darüber hinaus in wichtigen Schwellenländern, wo vor allem China zumeist hohe Marktanteile dazugewinnt. In der Gesamtschau verliert Deutschland nach 2015 in 131 von 193 Importländern Importanteile. Ein Teil der Einbußen lässt sich durch Protektionismus und Geopolitik erklären, etwa mit Blick auf die verschlechterte Exportentwicklung in das Vereinigte Königreich sowie nach China und Russland.

Auch bei den für Deutschland traditionell besonders wichtigen Produktgruppen sind tendenziell die größten Einbußen zu verzeichnen: bei Kraftfahrzeugen, Maschinen sowie bei chemischen und auch bei pharmazeutischen Erzeugnissen.

Als weitere Ursache für diesen besorgniserregenden Befund scheint tendenziell eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit infrage zu kommen, aber vor allem eine stark verschlechterte nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die auch Aspekte wie Bürokratie, Infrastrukturmängel und Fachkräfteengpässe umfasst. Hier muss die Wirtschaftspolitik einer neuen Bundesregierung energisch ansetzen.

Literatur

Bardt, H., Beznoska, M., Demary, M., Grömling, M., Henger, R., Hentze, T., Kolev-Schaefer, G., Obst, T., Pimpertz J., Schäfer, H., Seele, S. & Taft, N. (2024). Es wird nicht besser. IW-Konjunkturprognose Winter 2024. IW-Report, 45.

Bickenbach, F., Bode, E., Fritsch, U., Görg, H., Görlich, D. & Schwörer, T. (2014). Die Bedeutung von Vorleistungsimporten und nichtpreislicher Wettbewerbsfähigkeit für den deutschen Leistungsbilanzsaldo. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, 6.

Deutsche Bundesbank. (2016). Der Einfluss alternativer Indikatoren der preislichen Wettbewerbsfähigkeit auf den realen Güterexport. Monatsbericht Januar, 13–31.

Deutsche Bundesbank. (2023). Ist die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und des Euroraums günstig? Monatsbericht Oktober, 13–39.

Hüther, M. (2025). Eine Agenda für die neue Legislaturperiode: Wettbewerbsfähigkeit und Transformation. IW-Policy Paper, 1.

IMD – International Institute for Management Development (2024). World Competitiveness Booklet 2024.

IW – Institut der deutschen Wirtschaft (2012, September). Die Messung der industriellen Standortqualität in Deutschland (Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi)).

Matthes, J. (2005). Die Position Deutschlands in Rankings zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit. IW-Trends, 32(4), 61–75.

Matthes, J. (2024). Chinas Wechselkurs: Höchste Zeit für eine Aufwertung gegenüber dem Euro. IW-Kurzbericht, 73.

Matthes, J. & Sultan, S. (2025). Alarmsignale vom deutschen Export: Eine empirische Bestandsaufnahme der deutschen Exportentwicklung. IW-Report, 5.

Dieser Artikel ist eine stark verkürzte und anders gegliederte Fassung eines kürzlich publizierten ausführlichen IW-Reports (Matthes & Sultan, 2025).

 

Title:German Export Model Under Pressure – An Analysis of Export Development After 2015

Abstract:Exports, traditionally a strong engine of growth for the German economy, have started to stutter. This article demonstrates that export performance on German sales markets continued to decline even after 2015. It also analyses the target countries and product groups where particular export weaknesses can be identified and the possible causes. Overall, it becomes clear that there are losses precisely where there were previously strengths. There is also evidence of protectionism and the effects of geopolitical conflicts. But above all, the erosion of German competitiveness seems to be playing a role, which emphasises the urgency for economic policy reforms.

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© Der/die Autor:in 2024

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2025-0032