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Seit 2022 befindet sich Deutschland in einem hartnäckigen Wirtschaftsabschwung, der auch den Arbeitsmarkt unter Druck setzt. Neben der allgemeinen Konjunkturschwäche nimmt die Bedeutung struktureller Ursachen stark zu (Hutter, 2025). Besonders betroffen ist hiervon die Industrie, die sich in einer tiefgreifenden Transformation befindet. Die Mischung aus konjunkturellen und strukturellen Faktoren macht arbeitsmarktpolitische Weichenstellungen besonders schwierig. So droht längere Kurzarbeit in Transformationskrisen die Anpassung der betroffenen Betriebe zu verzögern und den Wandel zu verschleppen. Zugleich handelt es sich bei der Kurzarbeit aber um ein wichtiges Instrument der Beschäftigungssicherung in Rezessionsphasen, und auch die innerbetriebliche Weiterentwicklung ist für die Transformation von zentraler Bedeutung.

Bei konjunkturellen Abschwüngen kommt regelmäßig die Frage auf, ob die Höchstdauer der Kurzarbeit von zwölf Monaten verlängert werden soll, wie zuletzt mit einer Ausweitung auf bis zu 24 Monate geschehen ist. Doch wie könnte man der Achillesferse der Kurzarbeit – ein reines Instrument zur Erhaltung von Arbeitsplätzen zu sein – begegnen? Längere Bezugsdauern könnten beispielsweise an Fortbildungen geknüpft werden, um so Weiterentwicklung zu ermöglichen und auch Mitnahmeeffekte zu begrenzen. Zudem ließen sich die Nettokosten der Kurzarbeit deutlich senken: Geeignete Qualifizierung hat positive Beschäftigungs- und Lohneffekte, die zu höheren Steuer- und Beitragseinnahmen und Leistungseinsparungen führen. Der Knackpunkt: Die Geschäftsaussichten in Krisen sind unsicher, die Koordination von Arbeitsabläufen oft schwierig, kurzfristige Anpassungen wahrscheinlich. Nach Befragungsergebnissen (Bellmann et al., 2020) sind das zentrale Gründe dafür, dass Weiterbildung während Kurzarbeit in früheren Krisen kaum stattfand. Die Kombination von Kurzarbeit und Qualifizierung muss also vor allem praktikabel sein. Vorschläge für eine Verknüpfung liegen seit der Coronapandemie vor (Weber, 2020). Einiges davon wurde bereits umgesetzt, nämlich bei der hälftigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während Kurzarbeit (§ 106a SGB III), die an die Qualifizierung der Beschäftigten geknüpft wurde (Weber, 2021a). Verglichen mit dem Qualifizierungschancengesetz (§ 82 SGB III) gibt es hier vereinfachte Anforderungen an die Weiterbildung. Diese Regelung könnte auf die längere Bezugsdauer übertragen werden. Denkbar wären darüber hinaus weitere praktikable Bestimmungen: Die Mindestdauer von 120 Stunden für Qualifizierungsmaßnahmen könnte gesenkt werden oder ganz entfallen. In begrenztem Umfang könnten auch Qualifizierungszeiten vor der Zwölfmonatsgrenze anerkannt werden, damit Weiterbildungen nicht extra aufgeschoben werden. Eine formale Zulassung der Maßnahmen könnte nur für die Lehrgangskostenerstattung gefordert werden, aber nicht für die Verlängerung von Kurzarbeit an sich. Damit ergäbe sich Flexibilität, auch weniger formelle Maßnahmen für das Qualifizierungsprogramm vorzusehen. Angesichts des unsicheren Geschäftsverlaufs und Personaleinsatzes könnte eine Weiterförderung der begonnenen Qualifizierung nach Ende der Kurzarbeit ermöglicht werden.

Unter normalen Bedingungen will Weiterbildung rechtzeitig geplant und gut strukturiert sein. Damit sie auch in Situationen mit hoher Unsicherheit und Organisationsschwierigkeiten funktioniert, braucht es Konzepte mit flexibel einsetzbaren Weiterbildungsangeboten, gegebenenfalls mit digitalen Komponenten und modularem Aufbau (Weber, 2021b). Zudem sollte eine Qualifizierungsberatung für Weiterbildung in schwer planbaren Situationen angeboten werden, da einschlägige Erfahrungen oder Konzepte in vielen Betrieben nicht vorliegen. Die aktuelle Krise in der Industrie ist in weiten Teilen eine Erneuerungskrise: Investitionen, Gründungen und Stellenmeldungen sind schwach. Der Weg nach vorn führt daher über eine Wirtschaftspolitik für Innovationen, Wettbewerb um neue Geschäftsmodelle und Investitionen, sowie über eine Arbeitsmarktpolitik zur Aktivierung von Kompetenzen für aufstrebende Bereiche. Beschäftigungssicherung mit Weiterentwicklung zu verbinden ist daher ein wichtiger Beitrag zur Transformationspolitik. In Abgrenzung zu einem sogenannten Transformations-Kurzarbeitergeld als gesondertem Instrument für kollektive Qualifizierungsbedarfe zielt das vorgestellte Konzept darauf ab, Kurzarbeit als klassisches Instrument der Beschäftigungssicherung für Transformationszeiten geeignet aufzustellen.

Literatur

Bellmann, L., Gleiser, P., Kagerl, C., Koch, T., König, C., Kruppe, T., Lang, J., Leber, U., Pohlan, L., Roth, D., Schierholz, M., Stegmaier, J. & Aminian, A. (2020, 9. Dezember). Weiterbildung in der Covid-19-Pandemie stellt viele Betriebe vor Schwierigkeiten. IAB-Forum.

Hutter, C. (2025, 23. Januar). Konjunktur und Transformation: die kritische Gemengelage am Arbeitsmarkt. IAB-Forum.

Weber, E. (2020, 6. Juli). Kurzarbeit in der Corona-Krise: Längere Bezugsdauer bei Qualifizierung der Beschäftigten. IAB-Forum.

Weber, E. (2021a, 12. Dezember). Rezessionen sind die beste Zeit für Weiterbildung. Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Weber, E. (2021b). Qualifizierung: Weiterbildungskonzept für Krisen. Wirtschaftsdienst, 101(3), 154.

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© Der/die Autor:in 2025

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DOI: 10.2478/wd-2025-0040