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Im Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 standen – neben der Migrationspolitik – vor allem wirtschaftliche Fragen im Vordergrund, während klimapolitische Themen anscheinend an Bedeutung verloren hatten. Bei genauerem Hinsehen lassen sich beide Themen jedoch nicht voneinander trennen: Nach wie vor hat Deutschland weltweit mit die ambitioniertesten klimapolitischen Ziele und will bereits 2045, und damit fünf Jahre früher als die EU, klimaneutral sein. Dies führt zunehmend zu stark steigenden Kosten der deutschen Energie- und Klimapolitik und damit zu erheblichen Belastungen für Unternehmen und Haushalte. In dem Maße, in dem diese Belastungen zunehmen, scheint gleichzeitig die Akzeptanz der Klimapolitik in weiten Teilen der Bevölkerung zu schwinden. Da der deutsche Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen nur ca. 1,6 bis 1,8 % beträgt, ist gleichzeitig der Beitrag dieser teuren und ambitionierten Politik zur Begrenzung des globalen Klimawandels marginal. Das in diesem Zusammenhang lange propagierte Argument der Vorbildwirkung überzeugt immer weniger angesichts der Tatsache, dass die übrige Welt die deutsche Energiepolitik nicht etwa als Vorbild, sondern zunehmend eher als abschreckendes Beispiel sieht. Der vorliegende Beitrag plädiert daher für eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Energie- und Klimapolitik, insbesondere in vier Bereichen:

1. Internationaler statt nationaler Fokus: Da der Erfolg jeder Klimapolitik von der globalen Emissionsreduktion abhängt, sollten die deutschen Klimaziele neu formuliert und an die europäischen Ziele angeglichen werden – Klimaneutralität bis 2050. Ein eigenes, ambitionierteres Ziel ist angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen im EU-Binnenmarkt einerseits und vor allem aufgrund des gemeinsamen europäischen Emissionshandels andererseits ohnehin sinnlos: Das deutsche Vorpreschen bewirkt keine schnellere europäische Emissionsreduktion insgesamt, sondern gibt lediglich anderen EU-Mitgliedern mehr Zeit zur Erreichung der Klimaneutralität.

2. Paradigmenwechsel in den Prioritäten: Bislang gilt in der (deutschen) Klimapolitik das kaum hinterfragte Dogma „Vermeiden vor Kompensieren“. Dafür gibt es allerdings keinen wirklichen sachlogischen Grund, da es für die Klimawirkung allein auf die Nettoemissionen ankommt: Ob Emissionen von vornherein vermieden oder durch die Aufnahme in Senken kompensiert werden, macht für die resultierende CO2-Konzentration keinen Unterschied. Die Priorisierung der Maßnahmen muss daher aus ökonomischer Sicht anhand ihrer Kosten erfolgen. Sowohl Maßnahmen zur Steigerung der natürlichen Senkenkapazität (z. B. Wiedervernässung von Mooren oder Aufforstung, insbesondere in Ländern des globalen Südens) als auch technologische Lösungen (Carbon Capture, Utilisation and Storage, CCUS) sind dabei teilweise um ein Vielfaches günstiger als Vermeidungsmaßnahmen, z. B. im deutschen Verkehrs- oder Gebäudesektor.

3. Entbürokratisierung: Die deutsche Energie- und Klimapolitik bedarf dringend einer Entzerrung: Derzeit besteht eine drastische Überregulierung, die Politik verzettelt sich in einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen und Gesetzen, die sich zum Teil widersprechen und zahlreiche Ineffizienzen erzeugen (Erneuerbare-Energien-Gesetz, Energieeffizienzgesetz, Gebäudeenergiegesetz, Förderung der E-Mobilität, Technologieverbote, usw.). Als übergeordnetes Instrument genügt der europäische Emissionshandel, über den wirksam und effizient die Gesamtmenge der Emissionen (auf die es alleine ankommt!) auf das gewünschte Maß reduziert werden kann. Zusätzliche Maßnahmen bewirken dann aufgrund des Wasserbetteffektes keine zusätzlichen Emissionseinsparungen, behindern aber die Effizienz massiv. Eine (stärkere) Verknüpfung des europäischen Emissionshandels mit anderen Ländern bzw. Regionen weltweit („Linking“) einerseits und mit dem freiwilligen Kompensationsmarkt andererseits würde zudem die stärkere internationale Ausrichtung der Klimapolitik befördern (siehe erster Punkt) und zusätzliche Effizienzgewinne generieren (siehe zweiter Punkt).

4. Sozialer Ausgleich: Die Umsetzung der ersten drei Punkte würde die Klimapolitik bereits deutlich effizienter und damit billiger machen, was auch die Belastungen der Unternehmen und Bürger erheblich reduzieren würde. Die gleichwohl mit dem Emissionshandel verbundene weitere Verteuerung von CO2-Emissionen muss aber darüber hinaus dringend sozial abgefedert werden, vorzugsweise durch eine Pro-Kopf-Rückvergütung der Versteigerungserlöse („Klimageld“).

Mit einer Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik im Sinne der zuvor genannten Punkte könnte die neue Bundesregierung sicherstellen, dass Deutschland weiterhin seinen zugesagten Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele leistet, ohne Bürger und Unternehmen über Gebühr zu belasten – und damit letztlich dem Klimaschutz einen Bärendienst zu erweisen.

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© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

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DOI: 10.2478/wd-2025-0042