Mit der Ad-hoc-Reform der Schuldenregel im Grundgesetz hat der Bundestag am 17. März 2025 den Ländern (ausgehend von einem strukturellen Verschuldungsverbot) einen Verschuldungsspielraum spiegelbildlich zu dem des Bundes von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingeräumt (Art. 109 Abs. 3 S. 5 ff. GG). Damit wird die im Europäischen Fiskalpakt formulierte Grenze des strukturellen Defizits von maximal 0,5 % des BIP, die bisher die deutsche Schuldenbremse prägte, nicht eingehalten. Dies ist nur durch die Reform der EU-Fiskalregeln im Jahr 2024 möglich geworden, nach der das strukturelle Defizit nicht mehr als harte Schwelle, sondern eher als ein Referenzwert gesehen wird. Der neue Fokus liegt auf den mittelfristigen Ausgabepfaden.
Damit wäre eine strukturelle Verschuldung der Ländergesamtheit in einer Größenordnung von etwa 15 Mrd. Euro pro Jahr möglich. Die spätere „Aufteilung der für die Gesamtheit der Länder zulässigen Kreditaufnahme […] auf die einzelnen Länder“ soll noch durch „ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates“ geregelt werden. Hier darf man auf den Verteilungsschlüssel gespannt sein. Als mögliche Ansatzpunkte könnten die Einwohnerzahl, das regionale BIP, der jeweilige Schuldenstand oder der „Königsteiner Schlüssel“ dienen. Es ist zu erwarten, dass die Diskussionen darüber ähnlich heftig verlaufen wie bei der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs (heute „Finanzkraftausgleich“). Sie müssen aber deutlich kürzer sein, da viele Länder den neuen Spielraum schon für ihre Haushalte 2026 nutzen wollen. Bayern hat mit seiner Zustimmung zur neuen Schuldenregel im Bundesrat bereits angekündigt, dies als weiteren Hebel zu nutzen, um den Finanzkraftausgleich noch mehr als bisher „dauerhaft“ zu seinen Gunsten zu verändern.
Ob die Länder ihre neuen Verschuldungsmöglichkeiten, die das Grundgesetz ihnen nun einräumt, nutzen können, hängt auch davon ab, inwieweit Bundesrecht Landesrecht brechen kann (Art. 31 GG). Schließlich ist im neuen Art. 109 GG vorgesehen: „Bestehende landesrechtliche Regelungen, die hinter der gemäß Satz 7 festgelegten Kreditobergrenze zurückbleiben, treten außer Kraft.“ Das im Jahr 2009 durch die Föderalismuskommission beschlossene strukturelle Verschuldungsverbot hatte zur Folge, dass in den Folgejahren fast alle Länder eigene Schuldenbremsen in ihre Landesverfassungen, teils sogar mit Volksabstimmung, eingefügt haben. Hier werfen sich einige Fragen auf, die vor allem juristisch und dann finanzwissenschaftlich zu klären sind: So z. B., ob die landesrechtlichen Schuldenregeln komplett außer Kraft gesetzt sind, ob es entsprechender Änderungen in den Landesverfassungen bedarf oder ob dafür bereits vorab die Aufteilung der Verschuldungsmöglichkeiten auf die einzelnen Länder feststehen muss.
Was passiert vor allem, wenn die europäischen Fiskalregeln verletzt werden und Sanktionsmaßnahmen gegen Deutschland verhängt werden? Werden diese nach dem aktuellen Wortlaut des Art. 109 Abs. 5 S. 1 GG weiterhin von Bund zu 65 % und von den Ländern zu 35 % getragen? Finanzwissenschaftler werden die juristischen Auseinandersetzungen aufmerksam beobachten und bewerten. Ziel muss es sein, das Zusammenspiel zweier sehr unterschiedlicher Regelungssysteme auf nationaler und europäischer Ebene zu harmonisieren, gegebenenfalls mit einer weiteren Reform der Schuldenbremse(n) unter Inkaufnahme noch höherer Komplexität, die aber notwendiges finanzpolitisches Handeln ermöglichen sollte.
Neben der eigentlichen Reform der Schuldenbremse (Art. 109 und 115 GG) wurde auch die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert und die Einrichtung eines Sondervermögens „Infrastruktur“ (Art. 143h GG) beschlossen. Alte Fragen, die es zu beantworten gilt, tun sich wieder auf: Was zählt zur Infrastruktur? Was sind Investitionen? Wie werden Mittelverschiebungen zwischen dem Kernhaushalt, der auch weiterhin Ausgaben für Investitionen enthalten sollte, und dem Sondervermögen kontrolliert? Unstrittig dürfte sein, dass mit diesen Grundgesetzänderungen nun kurzfristig fiskalische Mittel für große gesellschaftlichen Herausforderungen aktiviert werden. Ob die Volumina ausreichen, darf sicherlich hinterfragt werden. Eine Dauerlösung ist das Sondervermögen nicht, hier bedarf es struktureller Reformen.
Inwieweit die jüngste Grundgesetzänderung handwerklich so gelungen ist, dass sie als tragfähiger Rahmen für das Regierungshandeln auf Bundes- und Landesebene dienen und längerfristige Akzeptanz finden kann, bleibt abzuwarten. Trotz der bestehenden Reformnotwendigkeiten kommt es nun darauf an, die neu geschaffenen finanzpolitischen Spielräume sachgerecht zu nutzen. Langfristig sind strategische Entscheidungen erforderlich, nicht zuletzt, um den Einfluss von Partikularinteressen oder wahlstrategisch motivierten „Spielchen“ (einzelner Bundesländer bzw. Parteien) zu begrenzen.