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Die demografische Entwicklung sorgt dafür, dass die älteren Generationen als Wähler:innen immer mehr an Gewicht gewinnen. Stellten die über 50-Jährigen 1972 noch rund 40 % der Wahlberechtigten, sind es heute fast 60 %; die über 70-Jährigen alleine machen inzwischen fast ein Viertel der Wahlberechtigten aus. Damit verändert sich die politische Landschaft grundlegend: Die Interessen junger und zukünftiger Generationen verlieren bei der politischen Mehrheitsbildung an Gewicht. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns als Gesellschaft bewusst und kritisch damit auseinandersetzen, wie wirtschaftspolitische Entscheidungen von heute das Leben der jüngeren und kommender Generationen beeinflussen. Daher lohnt es sich, zu fragen, inwieweit deren Belange im Koalitionsvertrag berücksichtigt werden. Vier Themenfelder sind dabei zentral und auch untereinander verbunden: Bildung, Klima, Infrastruktur und Wachstum.

Bildung: Bildung ist die wahrscheinlich wichtigste Investition in die Zukunft unserer Volkswirtschaft. Deutschland bezieht sein Wirtschaftswachstum nicht aus der Verfügbarkeit von Rohstoffen, sondern aus dem Humankapital seiner Bürger:innen. Wir brauchen gut ausgebildete junge Menschen, um weiter Innovationen und technische Errungenschaften als Grundlage unseres Wachstums zu nutzen. Allerdings nimmt in der Realität die Zahl der jungen Menschen ohne Berufsabschluss zu statt ab, auch unter Menschen aus deutschem Elternhaus. Die Forschung zeigt, dass Investitionen in Kinder für den Staat finanziell extrem lukrativ sind: Eine Analyse von 133 Ausgabenprogrammen in den USA macht deutlich, dass zusätzliche Ausgaben für Bildung und Gesundheit von Kindern erhebliche positive Effekte auf deren späteres Einkommen haben, insbesondere wenn sie Kindern aus einkommensschwachen Familien zugutekommen. Jeder Euro, der in die Bildung unserer Kinder investiert wird, zahlt sich für den Staat in späteren Jahren durch höhere Steuereinnahmen um ein Vielfaches aus. Hier ist die langfristige Perspektive absolut zentral. Das Thema Bildung nimmt im Koalitionsvertrag vier Seiten ein. Es werden einige wichtige Impulse gesetzt. Neben Bund sind Länder und Kommunen gefordert, und das Zusammenspiel gestaltet sich oft als kompliziert. Es wird sich zeigen, ob es in dem so wichtigen Bereich Bildung endlich vorangeht in Deutschland.

Klima: Die Auswirkungen des menschenverursachten Klimawandels sind heute schon spürbar, werden sich aber in der Zukunft noch verschärfen. Somit tragen die jungen und zukünftigen Generationen die Hauptlast des Klimawandels. Deshalb müssen die Ziele der Klimaneutralität und die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen unverrückbare Leitlinien der Politik sein, um die Bilanz der intergenerationalen Klimagerechtigkeit zumindest zu verbessern. Es ist begrüßenswert, dass diese Ziele und die CO2-Bepreisung als zentraler Baustein im Instrumentenmix der neuen Regierung verankert werden sollen. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie engagiert sich die neue Bundesregierung in diesem Bereich zeigen wird. Sie wird sich auch in internationalen Verhandlungen nachhaltig für den Klimaschutz einsetzen müssen, gerade jetzt, wo mit keinerlei Initiativen der US-Regierung in diesem Bereich zu rechnen ist.

Infrastruktur und deren Finanzierung: Die Schuldenbremse wurde lange Zeit mit dem Argument verteidigt, man solle den zukünftigen Generationen keine übermäßigen Schulden überlassen. Gleichzeitig wurden Investitionen in die Infrastruktur über Jahrzehnte vernachlässigt. Im Endeffekt spielt aber für die junge Generation das Nettovermögen der Volkswirtschaft eine Rolle, in das die Infrastruktur als positives Realvermögen ebenso einfließt wie die Schulden als negatives finanzielles Vermögen. Die Forschung zeigt zudem, dass die gelungene staatliche Daseinsvorsorge vor Ort eine wichtige Rolle für den Erhalt der liberalen Demokratie spielt. Der Zustand vieler Schulgebäude in Deutschland gibt da Anlass zur Sorge. Heutige Investitionen in die Infrastruktur sind auch für die kommenden Generationen zentral, und das geplante Sondervermögen Infrastruktur ist somit durchaus zu begrüßen. Gleichzeitig gilt, dass andere Finanzierungsformen der Verschuldung vorzuziehen sind. Der Koalitionsvertrag enthält aber nach wie vor viel „business as usual“ bezüglich teurer Klientelpolitik, von der die heutige Wählerschaft profitiert, z. B. die Ausweitung der Mütterrente oder der Pendlerpauschale sowie die Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung. Der Abbau von Fehlanreizen und eine solide Haushaltsplanung können finanziellen Spielraum schaffen, der gezielt für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Klimaschutz und Infrastruktur genutzt werden kann. Erst danach sollte das Sondervermögen greifen.

Wachstum und Arbeitsmarkt: Wachstum ist zentral für alle Generationen. In den letzten Jahren verzeichnete Deutschland aber nur noch ein geringes Produktivitätswachstum. Im Moment befinden wir uns im dritten Jahr der Stagnation. Die Überwindung der gegenwärtigen Wachstumsschwäche ist daher von grundlegender Bedeutung. Wichtige Schritte sind dabei Entbürokratisierung und Deregulierung, um Unternehmen und Beschäftigte von bürokratischen Hürden zu entlasten und damit mehr Investitionen in produktive Tätigkeiten zu ermöglichen. Der Koalitionsvertrag setzt hier konkrete Impulse und greift unter anderem die Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat auf. Zu begrüßen sind beispielsweise die geplante Einführung eines an Zielen und Wirkungen orientierten Haushaltswesens sowie die angestrebte Pauschalierung und Digitalisierung in unterschiedlichen Bereichen.

Neben dem Bürokratieabbau braucht es weitere Impulse, insbesondere um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, der sich durch die demografische Entwicklung deutlich verschärfen wird. Der Internationale Währungsfonds empfiehlt in seinem im April veröffentlichten World Economic Outlook eine Reihe von Maßnahmen, um das Wachstum nachhaltig anzukurbeln. Dazu gehört die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen sowie eine bessere Integration von Migrant:innen und Flüchtlingen. Der Koalitionsvertrag greift einige dieser Vorschläge auf, z. B. durch einen steuerfreien Zuverdienst in der Rente, und widmet sich intensiv der Integration. Er bleibt aber ambitionslos, wenn es um die stärkere Einbeziehung von Frauen in den Arbeitsmarkt geht. Eine Reform der Minijob-Regelung oder des Ehegattensplittings sucht man im Koalitionsvertrag vergeblich. Dabei stellt die stärkere Beteiligung von Frauen im Arbeitsmarkt das größte Reservoir für zusätzliche Arbeitskräfte dar, wie der Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem Gutachten aufgezeigt hat.

Welche Rolle spielt der Arbeitskräftemangel für die jüngere Generation? Einerseits erhöht er ihre Verhandlungsmacht im Arbeitsmarkt. Andererseits kann er dazu führen, dass sich Firmen gegen Investitionen in Deutschland entscheiden, und dadurch das wirtschaftliche Wachstum weiter gefährden. Langfristig kann er daher nicht in ihrem Interesse sein. Zuletzt belasten die Verschiebungen zwischen den Größen der Generationen natürlich die Sozialkassen. So kommt ein kürzlich erstelltes Gutachten zu dem Schluss, dass ohne größere Reformen eine 1960 geborene Person fast 40 % weniger in die Sozialkassen einzahlen muss als eine 2020 geborene Person.

Als Gesellschaft sind wir verpflichtet, die Perspektive der Jungen und der noch ungeborenen Generationen im Blick zu behalten. Und zwar nicht nur aus altruistischer Perspektive, sondern auch, um die Errungenschaften unserer liberalen Demokratie zu schützen.

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© Der/die Autor:in 2025

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2025-0079

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